Leitsatz (amtlich)
1. Sind vermietete Vergleichsobjekte zur Schätzung der üblichen Miete nicht vorhanden, so kann bei grundsteuerbegünstigten aber nicht öffentlich geförderten Wohnräumen grundsätzlich unter Heranziehung der Kostenmiete geprüft werden, ob die vereinbarte Miete um mehr als 20 v. H. von der üblichen Miete abweicht. Dies gilt dann nicht, wenn die Kostenmiete im Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 auf Grund der Verhältnisse des Grundstücks nicht zu erzielen gewesen wäre.
2. Die für die Einheitsbewertung maßgebende übliche Miete kann grundsätzlich nicht aus den Verhältnissen des überregionalen Wohnungsmarkts abgeleitet werden.
Normenkette
BewG 1965 § 79 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin eines 1960 erbauten freistehenden Einfamilienhauses mit Garage. Die Wohnfläche des Gebäudes beträgt rd. 105 qm, die Grundstücksfläche 1 000 qm. Das Gebäude ist frei finanziert, die Wohnung ist grundsteuerbegünstigt nach dem II. WoBauG. Das Einfamilienhaus der Klägerin war im Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 an den Schwiegersohn und die Tochter der damaligen Eigentümerin für jährlich 3 000 DM vermietet.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (FA) stellte den Einheitswert für das Grundstück der Klägerin durch Hauptfeststellung 1964 auf 77 000 DM fest. Das FA vertrat die Auffassung, die tatsächlich vereinbarte Jahresrohmiete liege um mehr als 20 v. H. unter der üblichen Miete und bewertete deshalb das Einfamilienhaus der Klägerin auf der Grundlage der üblichen Miete. Als übliche Miete setzte das FA die Kostenmiete in Höhe von 6 v. H. der Grundstücks- und Baukosten von zusammen 91 780 DM an.
Der Einspruch war erfolglos, da die Klägerin eine spezifizierte Wirtschaftlichkeitsberechnung zum Nachweis einer niedrigeren Kostenmiete nicht vorlegte.
Auf die Klage stellte das FG den Einheitswert auf 72 400 DM fest; im übrigen wies es die Klage ab. Es ließ die Revision zu.
Die Revision der Klägerin wendet sich gegen den Ansatz der Kostenmiete als übliche Miete und gegen die vom FG angenommene Verzinsung zur Berechnung der Kostenmiete. Zunächst sei die übliche Miete in Anlehnung an vergleichbare Vermietungsfälle zu ermitteln. Nach der Rechtsprechung des BFH müsse, wenn in der Umgebung nicht genügend vergleichbare vermietete Wohngrundstücke vorhanden seien, auf den überregionalen Wohnungsmarkt abgestellt werden. Außerdem könne nach dieser Rechtsprechung bei Einfamilienhäusern nur mit einer Verzinsung von höchstens 4 v. H. des eingesetzten Kapitals gerechnet werden und nicht mit einer solchen von 5 v. H., die das FG der Berechnung der Kostenmiete zugrunde gelegt habe. Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einheitswert für ihr Einfamilienhaus auf 44 800 DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA rügt mit seiner Revision, die vom FG vorgenommene Ermäßigung des Grundstückswerts um 6 v. H. wegen Belästigung durch Pumpengeräusche der eigenen Wasserversorgung und der Lage des Grundstücks an nicht ausgebauter Straße sei nicht gerechtfertigt. Das Grundstück der Klägerin sei für die Schätzung der Kostenmiete mit den Anschaffungskosten von 8 DM je qm angesetzt worden; der Bodenwert für vergleichbare Grundstücke an ausgebauter Straße habe 25 DM betragen. Die Wasserpumpe für die Wasserversorgung des Hauses befinde sich im Keller. Von ihr gehe keine ungewöhnlich starke Beeinträchtigung durch Lärm aus.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revisionen der Klägerin und des FA wird die Vorentscheidung aufgehoben.
1. Das Einfamilienhaus der Klägerin ist auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des FG über die bauliche Gestaltung und Ausstattung zu Recht im Ertragswertverfahren bewertet worden (§ 76 Abs. 1 und 3 Nr. 1 BewG). In diesem Verfahren wird der Grundstückswert regelmäßig durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete ermittelt; ausnahmsweise können noch Ermäßigungen und Erhöhungen in Betracht kommen (§ 78 BewG).
2. Die für die Bewertung maßgebende Jahresrohmiete ist die Miete, die der oder die Mieter eines Grundstücks auf Grund vertraglicher Vereinbarung für ein Jahr zu entrichten haben (§ 79 Abs. 1 BewG). An die Stelle der vereinbarten Jahresrohmiete tritt für solche Grundstücke oder Grundstücksteile die übliche Miete, die der Eigentümer dem Mieter zu einer um mehr als 20 v. H. von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat. Die übliche Miete ist in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (vgl. § 79 Abs. 2 BewG).
a) Aus der Vorschrift über die übliche Miete ergibt sich, daß ihre Schätzung grundsätzlich von vermieteten Vergleichsobjekten auszugehen hat. Der Senat hat jedoch mit Urteil vom 11. Oktober 1974 III R 103/73 (BFHE 113, 382, BStBl II 1975, 54) entschieden, daß in Fällen, in denen vermietete Vergleichsobjekte nicht feststellbar sind, die denselben mietpreisrechtlichen Bindungen wie das zu bewertende Grundstück unterliegen, die Kostenmiete als übliche Miete angesetzt werden könne, wenn das zu bewertende Grundstück nach den preisrechtlichen Vorschriften vom Hauptfeststellungszeitpunkt zur Kostenmiete vermietet werden durfte. Dieser Rechtsauffassung liegt die Überlegung zugrunde, daß die Kostenmiete die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Grundstücks erforderliche Miete ist (§ 85 Abs. 2 II. WoBauG). Jeder Grundeigentümer, der seinen Grundbesitz vermietet, muß aber bestrebt sein, eine Miete zu erzielen, die die laufenden Kosten einschließlich einer angemessenen Verzinsung des Eigenkapitals deckt. Damit kann davon ausgegangen werden, daß die Kostenmiete die in Vermietungsfällen "regelmäßig gezahlte" Miete ist. Der Senat hat mit Urteil III R 103/73 allerdings auch entschieden, daß die Kostenmiete nicht als übliche Miete angesehen werden könne, wenn sie nach den örtlichen Verhältnissen des Wohnungsmarktes nicht zu erzielen wäre. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn das Grundstück erst verhältnismäßig kurze Zeit vor dem Hauptfeststellungszeitpunkt erworben und das Gebäude demgemäß erst kurz vor diesem Zeitpunkt errichtet worden ist. In solchen Fällen ist es möglich, vor allem wenn das Grundstück außerhalb eines bevorzugten Wohngebiets belegen ist, daß wegen der stark gestiegenen Grundstücks- und Baukosten eine kostendeckende Vermietung nicht mehr möglich wäre. Damit könnte für solche Grundstücke die Vermutung widerlegt werden, daß die Kostenmiete die regelmäßig gezahlte Miete sei.
b) Die vorstehenden Grundsätze gelten nicht nur dann, wenn eigengenutzter Wohnraum zu bewerten ist, für den überhaupt keine Miete vorliegt, so daß zwangsläufig auf einem sachgerechten Weg eine Mietschätzung durchgeführt werden muß. Sie sind auch zur Feststellung anzuwenden, ob eine tatsächlich vereinbarte Miete um mehr als 20 v. H. von der üblichen Miete abweicht. Dies ist deshalb notwendig, weil sonst in Fällen, für die die übliche Miete nicht aus vermieteten Vergleichsobjekten abgeleitet werden kann, jede beliebig vereinbarte Miete als Bewertungsgrundlage herangezogen werden müßte, ohne daß für die Einheitsbewertung eine Korrektur möglich wäre. Dies würde aber dem Sinn der Vorschrift des § 79 Abs. 2 BewG widersprechen, wonach bei bestimmten Fallgruppen eine Bewertung auf der Grundlage der üblichen Miete durchzuführen ist.
3. Das FG hat festgestellt, daß vermietete Vergleichsobjekte in dem Ortsteil der Belegenheit des Grundstücks der Klägerin nicht vorhanden seien und hat aus diesem Grund in Übereinstimmung mit dem FA eine pauschal ermittelte Kostenmiete von jährlich 5 506 DM der Bewertung zugrunde gelegt.
a) Die Klägerin wendet dagegen zunächst unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 10. August 1972 VIII R 82/71 (BFHE 106, 543, BStBl II 1972, 883) ein, das FG hätte mangels vergleichbarer vermieteter Einfamilienhäuser in der Umgebung auf den überregionalen Wohnungsmarkt abstellen müssen. Dabei verkennt die Klägerin, daß im Entscheidungsfalle VIII R 82/71 eine auf § 8 Abs. 2 EStG i. V. m. § 217 AO gestützte Schätzung des Nutzungswerts einer eigengenutzten Wohnung durchzuführen war, die nicht den Bindungen des § 79 Abs. 2 BewG unterliegt. Aus letzterer Vorschrift ergibt sich aber, daß für die Schätzung der üblichen Miete nur Vergleichsobjekte "gleicher oder ähnlicher Lage" herangezogen werden dürfen. Auch wenn man die Alternative "ähnliche Lage" weit auslegt, so kann sie doch nicht im Sinn des überregionalen Wohnungsmarkts schlechthin verstanden werden, sondern allenfalls einer ähnlichen Lage in der Region, in der das zu bewertende Grundstück belegen ist. Diese Begrenzung ist auch deshalb geboten, weil die von den FÄ durchzuführende Massenbewertung im Zug einer Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundvermögens technisch undurchführbar wäre, wenn häufig überregionale Vergleiche des Wohnungsmarkts anzustellen wären, die ein FA ohne umfangreiche Amtshilfe nicht durchführen könnte. Dies beweist auch der von der Klägerin vorgebrachte Vergleich zwischen ihrem in Norddeutschland belegenen Grundstück und einem Vergleichsobjekt im Südwesten des Bundesgebietes. Allerdings deckt sich der Umfang einer Region nicht notwendig mit dem örtlichen Zuständigkeitsbereich eines FA. Dies gilt auch, soweit die Grenze eines FA-Bezirks mit einer Ländergrenze innerhalb des Bundesgebiets zusammenfällt. Der Umfang der Region wird vielmehr durch die natürlichen Grenzen eines Bebauungs- und Wohngebiets bestimmt, das einen einheitlichen Mittelpunkt hat. Die Region kann damit je nach Bedeutung und Ausstrahlung dieses Mittelpunkts ein größeres oder kleineres Gebiet umfassen.
b) Das FG hat in Übereinstimmung mit dem FA die Kostenmiete pauschal in Höhe von 6 v. H. der Grundstücks- und Baukosten bemessen. Dabei ist es von folgenden Überlegungen ausgegangen: Die Höhe der Kostenmiete werde durch die laufenden Aufwendungen für das Grundstück bestimmt. Diese setzten sich aus Kapitalkosten (Eigenkapitalzinsen und Fremdkapitalzinsen) und aus Bewirtschaftungskosten zusammen (§ 18 Abs. 1 der Zweiten Berechnungsverordnung in der für die Hauptfeststellungen 1964 maßgebenden Fassung vom 1. August 1963 - II. BVO -, BGBl I 1963, 594). Die Kostenmiete werde damit in ihrer Höhe entscheidend durch die Kapitalkosten bestimmt. Unter Berücksichtigung des marktüblichen Zinssatzes für Hypotheken in der Zeit vor dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 könne beim steuerbegünstigten Wohnungsbau die Kapitalverzinsung mit durchschnittlich 5 v. H. der tatsächlichen Gesamtkosten angesetzt werden, die für den Erwerb des Grundstücks und den Bau des Hauses aufgewendet werden mußten. Von den Bewirtschaftungskosten könne die Abschreibung mit 1 v. H. der Gebäudeherstellungskosten noch individuell angesetzt werden; die übrigen Bewirtschaftungskosten müßten dagegen pauschal ebenfalls mit rund 1 v. H. der Gesamtkosten berücksichtigt werden. Damit ergebe sich eine Kostenmiete von insgesamt rund 7 v. H. der Gesamtkosten. Da in diesem Vomhundertsatz die Grundsteuerbelastung in voller Höhe berücksichtigt sei, müsse sie bei steuerbegünstigten Wohnbauten wieder ausgeschieden werden. So ergebe sich abgerundet eine Kostenmiete von 6 v. H. der Gesamtkosten.
Der Senat hat schon in seiner Entscheidung III R 103/73 dieser pauschalen Ermittlung der Kostenmiete grundsätzlich zugestimmt. Er hält an dieser Auffassung fest. Er hat aber auch betont, daß es jedem Grundstückseigentümer unbenommen bleibe, eine abweichende individuelle Kostenmiete für sein Grundstück darzulegen. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin trotz Aufforderung keinen Gebrauch gemacht.
c) Die Klägerin wendet weiter ein, daß der BFH in seiner Rechtsprechung zur Schätzung des Nutzungswerts einer eigengenutzten Wohnung von einer Verzinsung von höchstens 4 v. H. und nicht von 5 v. H. des Kapitals ausgegangen sei. Es trifft zu, daß der VI. und der VIII. Senat des BFH in ihren Entscheidungen vom 8. März 1968 VI R 175/66 (BFHE 92, 8, BStBl II 1968, 435) und VIII R 82/71 eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals bzw. des Eigenkapitals in Höhe von 4 v. H. angenommen haben. Der I. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 19. April 1972 I R 62/70 (BFHE 105, 364, BStBl II 1972, 594) zur Schätzung der Höhe einer verdeckten Gewinnausschüttung eine Verzinsung von 4 v. H. sogar als Obergrenze des möglichen Schätzungsrahmens angesehen. Alle diese Entscheidungen gehen aber von dem eingesetzten Kapital schlechthin aus. Dies kommt vor allem in dem Urteil VIII R 82/71 klar zum Ausdruck, das von der "Verzinsung des Eigenkapitals" spricht und damit das für die Herstellung des bebauten Grundstücks eingesetzte Kapital dem Eigenkapital gleichsetzt. Die Kostenmiete hat dagegen auf die Kapitalstruktur Rücksicht zu nehmen. Dies ergibt sich vor allem aus § 19 der II. BVO, der zwischen Eigenkapitalkosten und Fremdkapitalkosten unterscheidet. Hinzu kommt, daß ertragsteuerlich auf den Netto-Nutzungswert abzustellen ist, während Bewertungsgrundlage für die Einheitsbewertung die Rohmiete ist.
Die Kostenmiete kommt preisrechtlich für freifinanzierten Wohnraum in Betracht, der nach dem I. WoBauG oder nach dem II. WoBauG grundsteuerbegünstigt ist, d. h. für Wohnungsbauten, die nach der Währungsreform vom 21. Juni 1948 errichtet worden sind. Für die Ermittlung der Kostenmiete ist zu berücksichtigen, daß diese Bauten in aller Regel ganz überwiegend mit Fremdmitteln finanziert werden mußten. Als Fremdmittel kamen teils billige Darlehen von Bausparkassen und teils Kapitalmarktdarlehen in Form der ersten Hypotheken in Betracht. Unter Berücksichtigung des marktüblichen Zinssatzes für erste Hypotheken bis zum Hauptfeststellungszeitpunkt (vgl. die Übersicht in Karte 30 zu § 104 LAG in der Lastenausgleichskartei) erscheint dem Senat eine durchschnittliche Verzinsung des Grundstücks- und Gebäudekapitals von 5 v. H. nicht übersetzt.
d) Die Klägerin rügt schließlich, daß die nach vorstehenden Grundsätzen pauschal ermittelte Kostenmiete im Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 in der Lage, in der ihr Einfamilienhaus belegen ist, und bei der Ausstattung des Gebäudes nicht zu erzielen gewesen wäre. Sie legt dafür Äußerungen von Grundstücksmaklern vor. Insoweit handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen vor dem Revisionsgericht, das der Senat nicht beachten kann (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Da die Sache aber zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen ist, kann die Klägerin ihre Einwendungen dort vorbringen.
Für die Entscheidung der Frage, ob eine qm-Miete in Höhe der pauschal errechneten Kostenmiete zu erzielen gewesen wäre, ist die Kostenmiete ohne Erhöhung wegen der Übernahme der Schönheitsreparaturen (vgl. hierwegen unter 4.) und der Grundsteuervergünstigung maßgebend. Die durch § 79 Abs. 3 BewG vorgeschriebene Erhöhung der Jahresrohmiete um 12 v. H. für bestimmte grundsteuerbegünstigte Wohnbauten diente nur dem Ausgleich der in den Vervielfältigern pauschal berücksichtigten Grundsteuerbelastung (vgl. Entscheidung des BFH vom 24. November 1972 III R 20/72, BFHE 107, 472, BStBl II 1973, 109); sie stellt dagegen keine Nebenleistung des Mieters dar und muß deshalb bei einem Mietenvergleich unberücksichtigt bleiben.
4. Die Revision der Klägerin hat deshalb Erfolg, weil das FG wegen der Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter die Kostenmiete um 5 v. H. erhöht hat. Zwar hat der Senat mit Urteil vom 2. Juni 1971 III R 105/70 (BFHE 102, 563, BStBl II 1971, 675) entschieden, daß im Fall der Übernahme der Schönheitsreparaturen durch die Mieter die vereinbarte Miete zu erhöhen sei. Das FG hat seiner Bewertung aber nicht die mit dem Mieter vom Hauptfeststellungszeitpunkt vertraglich vereinbarte Miete zugrunde gelegt, sondern die übliche Miete in Höhe der Kostenmiete. In der Kostenmiete auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsberechnung nach der II. BVO sind aber die Kosten für die Durchführung für Schönheitsreparaturen als Unterart der Bewirtschaftungskosten unter den Instandhaltungskosten berücksichtigt (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 28 II. BVO). Dies gilt auch dann, wenn die Kostenmiete pauschal ermittelt wird. Damit durfte die pauschal berechnete Kostenmiete nicht wegen Übernahme der Kosten für Schönheitsreparaturen durch die Mieter erhöht werden.
Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen; seine Entscheidung war deshalb aufzuheben. Es ist unschädlich, daß die Klägerin dies nicht gerügt hat, denn Streitgegenstand des steuergerichtlichen Verfahrens ist nicht das einzelne Bewertungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids über den Einheitswert (vgl. BFH-Entscheidung vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344).
5. Das FA beanstandet mit seiner Revision, die vom FG vorgenommene Ermäßigung des Grundstückswerts nach § 82 Abs. 1 BewG sei nicht gerechtfertigt.
a) Die Revision des FA hat jedenfalls insoweit Erfolg, als das FG die Lage des Grundstücks an nicht ausgebauter Straße als Ermäßigungsgrund anerkannte. Denn in der Kostenmiete sind nur die Kapitalkosten auf Grund des Grundstückspreises enthalten, zu dem das Grundstück erworben wurde. In diesem Grundstückspreis hat sich aber die Tatsache, daß das Grundstück an nicht ausgebauter Straße liegt, durch einen niedrigeren Lagenwert je qm Bodenfläche schon ausgewirkt. Damit durfte wegen dieses Umstandes das Vielfache der Jahresrohmiete (üblichen Miete) nicht noch einmal nach § 82 Abs. 1 BewG ermäßigt werden.
b) Zur Belästigung der Bewohner des Grundstücks der Klägerin durch die eigene Wasserversorgungsanlage hat das FG festgestellt, daß die Wasserpumpe erhebliche Geräusche verursache. Bezüglich dieser Feststellung hat das FA nicht mangelnde Sachaufklärung durch das FG gerügt, so daß sie für den Senat verbindlich ist (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Es ist aber nicht auszuschließen, daß das FG den festgestellten Sachverhalt nicht zutreffend unter § 82 Abs. 1 Nr. 1 BewG untergeordnet hat. Nach dieser Vorschrift kommt eine Ermäßigung wegen Lärmbeeinträchtigung nur in Betracht, wenn diese "ungewöhnlich stark" ist. Ob die vom FG festgestellten "erheblichen" Geräusche auch als "ungewöhnlich stark" angesehen werden können, kann der Senat mangels näherer Begründung des FG nicht nachprüfen. Hierin liegt ein materiellrechtlicher Mangel (vgl. BFH-Entscheidung vom 16. November 1971 VIII R 37/68, BFHE 104, 277, BStBl II 1972, 349).
6. Die Sache ist nicht spruchreif, weil die vom FG getroffenen Feststellungen zur Ermäßigung des Grundstückswerts weder dem Grunde noch der Höhe nach ausreichen, um dem Senat eine abschließende Entscheidung zu ermöglichen. Sie geht deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 71222 |
BStBl II 1975, 191 |
BFHE 1975, 264 |