Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Bildung der als Betriebsausgabe abziehbaren Rücklage nach § 7g EStG bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
Leitsatz (amtlich)
Für den Betriebsausgabenabzug nach § 7g Abs. 6 EStG genügt es, wenn die notwendigen Angaben zur Funktion des Wirtschaftsguts und zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ―und im Falle eines Gesamtpostens die entsprechenden Aufschlüsselungen― in einer zeitnah erstellten Aufzeichnung festgehalten werden, die in den steuerlichen Unterlagen des Steuerpflichtigen aufbewahrt wird und auf Verlangen jederzeit zur Verfügung gestellt werden kann.
Normenkette
EStG §§ 7g, 4 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bestehend aus den Gesellschaftern Dr. S und Dr. H, die in den Streitjahren 1997 und 1998 als Ärzte eine Gemeinschaftspraxis betrieben. Den Gewinn ermittelte die GbR nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
In den Streitjahren machte sie jeweils Betriebsausgaben nach § 7g Abs. 3 i.V.m. Abs. 6 EStG geltend. Die in "1998/99" geplanten Investitionen hatten nach einer vom damaligen Steuerberater am 9. Dezember 1998 angefertigten handschriftlichen Aufstellung ein Gesamtvolumen von 203 000 DM. Die auf 100 000 DM abgerundete Hälfte dieses Betrags wurde als Betriebsausgabe nach § 7g Abs. 6 EStG in der auf den 17. Dezember 1998 datierenden Gewinnermittlung 1997 ausgewiesen. Für das Jahr 2000 plante die Klägerin nach einer handschriftlichen Aufstellung vom 13. Februar 2000 Investitionen mit einem Gesamtvolumen von 343 600 DM. Dementsprechend wurden in der Gewinnermittlung 1998 vom 23. Februar 2000 abgerundet 170 000 DM nach § 7g Abs. 6 EStG als Betriebsausgaben geltend gemacht. Die beim Beklagten und Revisionsgegner (Finanzamt ―FA―) eingereichten Gewinn- und Verlustrechnungen enthielten lediglich den jeweiligen Ausgabegesamtposten, die beiden Aufstellungen waren nicht beigefügt.
Im Laufe einer im Mai 2000 begonnenen Betriebsprüfung legte die GbR die beiden Aufstellungen auf entsprechende Nachfrage des Prüfers vor. Im Anschluss an die Betriebsprüfung versagte das FA die steuerliche Berücksichtigung der Betriebsausgaben, weil Art und Umfang der geplanten Investitionen sowie der voraussichtliche Zeitpunkt der einzelnen Investitionen nicht aus der Buchführung ersichtlich seien.
Die Klage, mit der geltend gemacht wurde, die geplanten Investitionen seien durch die im Rahmen der Betriebsprüfung vorgelegten handschriftlichen Aufstellungen hinreichend dokumentiert, hatte keinen Erfolg. Auch wenn die Klägerin keine mit bilanzierenden Steuerpflichtigen vergleichbare Buchführung erstellen müsse, so sei doch zu verlangen, dass für jede Betriebsausgabe nach § 7g Abs. 3 und Abs. 6 EStG ein Eigenbeleg erstellt und zu den Aufzeichnungen genommen werde.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sowohl im Betriebsausgabenbereich, als auch im Bestandsverzeichnis sei jeweils ein eigenes Konto "Ansparrücklage" eingerichtet worden. Die handschriftlichen Aufstellungen vom 9. Dezember 1998 und vom 13. Februar 2000 über die geplanten Praxisinvestitionen seien für die Bildung von Ansparabschreibungen verwendet und als Belege zu den Abschlussbuchungen genommen worden. Mehr könne nicht verlangt werden, zumal der Kontenplan nur eine Position für eine Ansparabschreibung nach § 7g EStG enthalte. Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu fordern, dass die Investitionsabsicht für mehrere Wirtschaftsgüter in einer entsprechenden Anzahl von Aufwandposten dokumentiert werde, widerspräche der einschlägigen Praxis.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1997 und 1998 vom 4. Juli 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2002 dahin gehend abzuändern, dass die Einkünfte nach § 18 EStG für 1997 um 100 000 DM und für 1998 um 170 000 DM herabgesetzt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es ist der Auffassung, auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sei die zu berücksichtigende Rücklage bei ihrer Bildung auf die einzelnen Wirtschaftsgüter aufzuteilen; außerdem müsse sich die Aufteilung aus der Gewinnermittlung selbst ergeben.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist aufzuheben. Der Klage ist stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zu Unrecht hat das FG die Berücksichtigung der Ansparrücklagen als Betriebsausgaben gemäß § 7g Abs. 6 EStG mit der Begründung versagt, die Klägerin habe die voraussichtlichen Investitionsvorhaben nicht ausreichend bezeichnet.
1. Nach § 7g Abs. 1, 3 und 6 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich oder durch Überschussrechnung ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden bzw. Betriebsausgaben in der entsprechenden Höhe berücksichtigen.
Wie der Senat bereits im Urteil vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00 (BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385, unter II. 1. a der Gründe) auch für den Bereich der Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG klargestellt hat, ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung zum einen, dass für jedes einzelne Wirtschaftsgut, das voraussichtlich angeschafft oder hergestellt wird, eine gesonderte Rücklage zu bilden ist. Dementsprechend sind bei mehreren künftigen Investitionen die einzelnen Rücklagen in der Buchführung jeweils getrennt zu behandeln. Zum anderen folgt aus dem für den Fall des Unterbleibens der Investition angeordneten Gewinnzuschlag, dass die Investition, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde, nicht durch eine andere Investition ersetzt werden kann (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 19. September 2002 X R 51/00, BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184, und BFH-Beschluss vom 25. September 2002 IV B 55/02, BFH/NV 2003, 159). Normzweck und Verzinsungsregel verlangen, dass die voraussichtliche Investition bei Bildung jeder einzelnen Rücklage/Ansparabschreibung so genau bezeichnet wird, dass im vorgesehenen Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine vorgenommene Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde.
Zudem setzt § 7g Abs. 6 EStG durch die Bezugnahme auf § 7g Abs. 3 Nr. 3 EStG tatbestandsmäßig voraus, dass Bildung und Auflösung der Ansparrücklage wie in einer Buchführung verfolgt werden können. Der Steuerpflichtige muss sowohl die einzelnen Geschäftsvorfälle festhalten als auch die betriebliche Veranlassung für geltend gemachte Betriebsausgaben belegen oder ggf. in anderer Form nachweisen. Für den Betriebsausgabenabzug nach § 7g Abs. 6 EStG ist die Willensbekundung notwendig, eine solche Ansparrücklage für ein ―konkretes― Wirtschaftsgut zu bilden. Die investitionsbezogenen Angaben müssen buchmäßig verfolgt werden können, auch wenn § 7g Abs. 6 EStG nicht die Aufnahme der erst noch anzuschaffenden oder herzustellenden Wirtschaftsgüter in laufend zu führende Verzeichnisse voraussetzt (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 2003 IV R 23/01, BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187, m.w.N.).
Nicht erforderlich ist allerdings, dass sich im Falle einer Rücklagenbildung für mehrere Investitionsvorhaben aus der beim FA eingereichten Gewinn- und Verlustrechnung und etwaigen weiteren Unterlagen unmittelbar ergibt, zu welchen Teilbeträgen sich ein Ausgabensammelposten "Ansparrücklage" auf die einzelnen benannten Investitionsgüter verteilt, solange gewährleistet ist, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine vorgenommene Investition mit derjenigen korrespondiert, für deren Finanzierung die Ansparrücklage gebildet wurde (BFH-Beschluss vom 16. Juni 2004 X B 172/03, BFH/NV 2004, 1528). Hierzu genügt es, wenn die notwendigen Angaben zur Funktion des Wirtschaftsguts und zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (BFH-Beschluss vom 24. Mai 2005 X B 137/04, BFH/NV 2005, 1563) ―und im Falle eines Gesamtpostens die entsprechenden Aufschlüsselungen― in einer zeitnah erstellten Aufzeichnung festgehalten werden, die in den steuerlichen Unterlagen des Steuerpflichtigen aufbewahrt wird und die der Steuerbehörde auf Verlangen jederzeit zur Verfügung gestellt werden kann.
Auch § 7g Abs. 3 Nr. 3 EStG verlangt lediglich, dass die Bildung ebenso wie die Auflösung einer Ansparrücklage in der Buchführung verfolgt werden können. Dementsprechend reicht es bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach §§ 5, 4 Abs. 1 EStG ermitteln, aus, wenn die für die Anerkennung einer Ansparrücklage nach § 7g EStG erforderlichen Angaben sich in der Buchführung befinden; dass sie im Jahresabschluss gemacht werden, ist nicht erforderlich (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1563).
2. Diesen Anforderungen genügen die Aufzeichnungen der Klägerin.
a) Sie enthalten die notwendigen Angaben zu den anzuschaffenden Wirtschaftsgütern und die dafür anzusetzenden jeweiligen Anschaffungskosten. Zwar werden in der Aufstellung die Anschaffungskosten nicht für jedes einzelne anzuschaffende Wirtschaftsgut in einen "Rücklagenbetrag" umgerechnet. Dies ist aber nicht schädlich, weil die Rücklage (bzw. hier der Betriebsausgabenabzug) nach der in den Streitjahren geltenden Regelung höchstens 50 v.H. der Anschaffungskosten betragen durfte und der geltend gemachte Betriebsausgabenabzug, von einer geringfügigen Rundungsdifferenz abgesehen, 50 v.H. der Gesamtsumme der genannten Investitionsgüter entsprach. Es ist damit ohne weiteres belegt, dass sich der Betriebsausgabenabzug für jedes einzelne der aufgeführten Wirtschaftsgüter auf 50 v.H. der genannten Anschaffungskosten belaufen sollte. Eine andere Verteilung ist nicht denkbar.
Damit steht von vornherein fest, in welcher Höhe für eine später realisierte Investition bereits in dem Sammelposten eine Rücklage nach den Vorstellungen zum Zeitpunkt der Bildung enthalten war. Nur in Höhe dieses ursprünglich vorgesehenen Umfangs kann die als Betriebsausgabe behandelte Rücklage zur Finanzierung einer später durchgeführten Investition beitragen. Nach der Gesetzeskonzeption kommt es auf diesen Finanzierungszusammenhang maßgeblich an (BFH-Urteil vom 14. August 2001 XI R 18/01, BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181). Erweisen sich die Anschaffungskosten einer aufgeführten Investition später höher als zunächst angenommen, so können diese nicht mit den Rücklagen etwaiger anderer unterbliebener Vorhaben "finanziert" werden (bzw. die hierfür getätigten Betriebsausgaben angerechnet werden); werden zunächst aufgeführte Investitionen nicht durchgeführt, so ist die Rücklage aufzulösen (bzw. eine Betriebseinnahme einzubuchen) und der Gewinn gemäß § 7g Abs. 5 EStG zu erhöhen. Dass der Gesamtrücklagenbetrag mit 100 000 DM (1997) und 170 000 DM (1998) unter dem möglichen Rücklagenbetrag von 101 500 DM (= 50 v.H. von 203 000 DM) bzw. 171 800 DM (= 50 v.H. von 343 600 DM) lagen, steht dem wegen der Geringfügigkeit der Abrundung nicht entgegen.
Im Übrigen soll auch das im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. Februar 2004 IV A 6 -S 2183b- 1/04 (BStBl I 2004, 337 Rn. 15) aufgestellte Erfordernis, jede einzelne Rücklage getrennt zu buchen und zu erläutern, nach einem Beschluss der Referatsleiter Einkommensteuer der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder erstmals für nach dem 26. März 2004 eingereichte Jahresabschlüsse gelten (vgl. Schreiben der Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main vom 9. Februar 2005 S 2183b A - 3 - St II 2.01, Deutsches Steuerrecht 2005, 784).
b) Unschädlich ist, dass die Aufzeichnungen nicht den mit der Steuererklärung eingereichten Gewinnermittlungen beigefügt worden waren. Auch in dem BFH-Urteil in BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187 wurde der Betriebsausgabenabzug einer Ansparabschreibung nicht deswegen abgelehnt, weil der die Rücklage erläuternde Vermerk erst später nachgereicht wurde. Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die beiden Aufstellungen erst nachträglich angefertigt und auf ein Datum vor Einreichung der Steuererklärung zurückdatiert worden wären. Es stand dem FA auch frei, im Rahmen der Veranlagung die Klägerin zum Nachweis der vorgesehenen Investitionen aufzufordern.
c) Auch konnte der Umstand, dass in der Steuererklärung für 1997 als voraussichtlicher Investitionszeitraum die Jahre 1998/ 1999 angegeben wurden, nicht dazu führen, dass der Klägerin für die Investitionen nur mehr ein verkürzter Zeitraum von einem Jahr zur Verfügung gestanden hätte; maßgeblich bleibt insoweit der gesetzlich vorgesehene Zeitraum, der die möglichen Investitionsjahre 1998 und 1999 umfasst (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 159).
3. Die Einkünfte der Klägerin aus § 18 EStG sind demnach für 1997 mit 558 041,50 DM (658 041,50 DM abzüglich 100 000 DM) und für 1998 mit 587 153,59 DM (757 153,59 DM abzüglich 170 000 DM) gesondert festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 1497774 |
BFH/NV 2006, 1190 |
BStBl II 2006, 462 |
BFHE 212, 208 |
BB 2006, 1107 |
BB 2006, 986 |
DB 2006, 929 |
DB 2007, 3 |
DStR 2006, 739 |
DStRE 2006, 634 |
DStZ 2006, 327 |
HFR 2006, 774 |