Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung nach § 152 BewG i.d.F. des JStG 1997
Leitsatz (NV)
Die rückwirkende Anwendung der Bewertungsvorschriften für das Grundvermögen nach § 152 BewG i.d.F. des JStG 1997 ist verfassungsgemäß (BFH-Urteile vom 5. Mai 2004 II R 45/01, BFHE 204, 570; vom 2. Juli 2004 II R 55/01, BFHE 205, 492, BStBl II 2004, 703, und vom 20. Oktober 2004 II R 74/00, BFH/NV 2005, 136).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BewG §§ 145, 152; JStG 1997
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde durch testamentarische Anordnung von der am 22. Februar 1996 verstorbenen Erblasserin ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück vermacht.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das örtlich zuständige Lagefinanzamt --FA--) stellte den Grundstückswert zunächst auf der Grundlage des vom Gutachterausschuss mitgeteilten Quadratmeterpreises als so genannten Mindestwert i.S. von § 146 Abs. 6 des Bewertungsgesetzes (BewG) in Höhe von 1 734 000 DM fest, nachdem die Ertragswertmethode nach § 146 Abs. 2 ff. BewG zu einem deutlich geringeren Wert geführt hatte.
Mit der Klage wandte sich der Kläger gegen die Höhe der Wertfeststellung sowie gegen die Rückwirkung der vom FA angewendeten Bewertungsvorschriften. Nachdem er das Grundstück 1999 zu einem Kaufpreis von 1,7 Mio. DM veräußert und sich vor dem Finanzgericht (FG) über den gemeinen Wert des Grundstücks zum Stichtag auf eben diesen Betrag mit dem FA verständigt hatte, stellte das FA durch Änderungsbescheid vom 16. Mai 2001 den Grundstückswert auf 1,7 Mio. DM fest. Der Wertansatz erfolgte nach § 146 Abs. 7 BewG als nachgewiesener niedrigerer gemeiner Wert des Grundstücks.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Verfassungsrechtlich sei es nicht zu beanstanden, dass auf den Erwerb des Klägers vom 22. Februar 1996 erst danach in Kraft getretene Bewertungsvorschriften rückwirkend anzuwenden seien. Auch der Höhe nach sei die Wertfeststellung nicht zu beanstanden, insbesondere dürfe von dem nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert kein Abschlag von 20 v.H. vorgenommen werden. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1180 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Rückwirkung der Bewertungsvorschriften auf den 1. Januar 1996 verstoße gegen die Verfassung. Auf der Grundlage der alten Einheitswerte hätte die Erbschaftsteuerbelastung nur 25 000 DM betragen, nach neuer Rechtslage betrage die Belastung rd. 600 000 DM. Für eine derartige rückwirkende Höherbelastung habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dem Gesetzgeber keinen "Blankoscheck" ausgestellt. Darüber hinaus sei von dem festgestellten Wert noch ein Abschlag vorzunehmen. Das FA dürfe nicht einfach den Verkehrswert des Grundstücks zugrunde legen. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollten für bebaute Grundstücke nur ca. 50 v.H. des Verkehrswerts angesetzt werden. Er, der Kläger, werde mit 100 v.H. des gemeinen Werts des Grundstücks zur Erbschaftsteuer herangezogen. Insoweit verstoße die gesetzliche Regelung gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG).
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG Düsseldorf vom 7. Juni 2001 11 K 854/99 BG, die Feststellungsbescheide vom 30. April 1998 und 16. Mai 2001 sowie die Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 1999 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 20. Februar 2004 das Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG in dem Verfahren 1 BvL 10/02 ausgesetzt.
Das BVerfG hat durch Beschluss vom 7. November 2006 1 BvL 10/02 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, 235) § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 in allen seinen seitherigen Fassungen mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt und die Weiteranwendung des bisherigen Rechts bis zu einer Neuregelung zugelassen, die spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu treffen ist.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat zutreffend erkannt, dass eine Bedarfsbewertung für das vom Kläger durch Vermächtnis erworbene Grundstück vorzunehmen war. Die herangezogenen bewertungsrechtlichen Vorschriften sind zwar erst nach dem Erbfall erlassen worden, aber nach § 152 BewG i.d.F. des JStG 1997 anzuwenden, weil der Erbfall nach dem 31. Dezember 1995 eingetreten ist. Diese Rückwirkung ist verfassungsgemäß, wie der erkennende Senat bereits wiederholt entschieden hat (Urteile vom 5. Mai 2004 II R 45/01, BFHE 204, 570, BStBl II 2004, 1036; vom 2. Juli 2004 II R 55/01, BFHE 205, 492, BStBl II 2004, 703, und vom 20. Oktober 2004 II R 74/00, BFHE 207, 355, BStBl II 2005, 99).
2. Für den vom Kläger begehrten Wertabschlag von 20 v.H. gibt es keine gesetzliche Grundlage. Die Regelung in § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG gilt ausdrücklich nur für die dort geregelte Bewertung unbebauter Grundstücke auf der Grundlage der von den Gutachterausschüssen ermittelten Bodenrichtwerte.
3. Es kann auch dahinstehen, ob und inwieweit die Bewertungsregeln der §§ 145 ff. BewG zu gleichheitswidrigen Ergebnissen führen. Denn das BVerfG hat in seinem Beschluss in DStR 2007, 235 trotz festgestellter Unvereinbarkeit dieser Regelungen mit Art. 3 Abs. 1 GG die Weiteranwendung des bisherigen Rechts bis zu einer Neuregelung zugelassen, die spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu treffen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1761116 |
BFH/NV 2007, 1469 |