Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Einheitliche Austauschverträge zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter führen nur dann zur Gesellschaftsteuer, wenn bei Verrechnung der in dem Vertrag vereinbarten Leistungen und Gegenleistungen die Gesellschaft mehr Werte erhält, als sie selbst gewährt.
Der BFH hält an dem vom RFH in dem Urteil II A 477/33 vom 12. April 1935 (RFH 37, 302, RStBl 1935, 748) aufgestellten Grundsatz fest, daß das der Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft in handelsüblichem Umfang gewährte Entgelt oder der ihr in handelsüblichem Masse gewährte Unkostenersatz gesellschaftsteuerfrei bleiben, wenn die zum Zwecke des Abschlusses oder der Vermittlung von Verkaufs- oder Einkaufsgeschäften für die Muttergesellschaft gegründete Tochtergesellschaft im Umfang dieser Zweckbestimmung als Beauftragte, Agentin oder Kommissionärin der Muttergesellschaft handelt. Der Grundsatz ist auch in solchen Fällen zu beachten, in denen die Tochtergesellschaft im Rahmen ihrer Verkaufstätigkeit für die Muttergesellschaft zwar formell als Eigenhändlerin auftritt, in denen aber die Beziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft nach ihrer rechtlichen und tatsächlichen Gestaltung weitgehend einem Kommissions- oder Agenturverhältnis ähnlich sind.
Normenkette
KVStG § 2/3/b
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin, eine GmbH, ist Anfang Mai 1954 durch einen Gesellschaftsvertrag, den die X-AG mit der Y- GmbH, ihrer Tochtergesellschaft, geschlossen hat, zu dem Zweck gegründet worden, den Ein- und Verkauf von Erzeugnissen der chemischen Industrie und anderen Erzeugnissen - vor allem von Erzeugnissen der X-AG und der ihr angeschlossenen Unternehmungen - im In- und Ausland zu betreiben, auch sonstige Geschäfte vorzunehmen. Die Gründung ist als Bargründung mit einem Stammkapital von 3.000.000 DM durchgeführt worden, von dem die X- AG 2.700.000 DM, die Y-GmbH den Rest übernahm. Das Stammkapital ist zu 25 v. H. eingezahlt und insoweit auch versteuert worden.
Wenige Wochen nach Unterzeichnung des Gründungsvertrages schloß die X-AG mit der Klägerin am 28. Mai 1954 einen Vertrag, auf Grund dessen die AG der Klägerin den Export ihrer Verkaufsprodukte übertrug. Die Durchführung des Exportgeschäftes sollte in der Weise erfolgen, daß die Klägerin die Verkaufsprodukte der AG im eigenen Namen und für eigene Rechnung kaufen und als selbständiger Exporteur auch die Verkaufsgeschäfte ins Ausland im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätigen sollte. Allerdings wurde der X-AG die Möglichkeit offengehalten, ihre Verkaufsprodukte der Klägerin auch zum Vertrieb im Kommissionsverhältnis zu überlassen. Auch in dem letzteren Falle sollte aber die Klägerin als selbständiger Exporteur auftreten. Die Gestaltung der Preise bzw. die Festsetzung der im Kommissionsgeschäft zu zahlenden Umsatzprovision sollte später Vereinbarung vorbehalten werden.
Zum Zwecke der näheren Durchführung des Vertrages vom 28. Mai 1954 richtete die X-AG im Oktober 1954 an die Klägerin ein Schreiben, in dem sie zunächst feststellte daß ihre Lieferungen an die Klägerin im wesentlichen Eigenhändlergeschäfte seien. Sie berechne diese Lieferungen - vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen im Einzelfall - zu den von der Klägerin erzielten Exporterlösen, überehme dementsprechend die Preisnachlässe und Rabatte an die Export-Kunden zu ihren eigenen - d. h. der AG - Lasten. Als Handelsgewinne sollten demgemäß der Klägerin nur die umsatzsteuerlichen Vergütungen (Ausfuhrhändlervergütung und Ausfuhrvergütung) verbleiben. Entsprechend sollten für die gegebenenfalls vorkommenden Kommissionsgeschäfte die Provisionen ebenfalls auf die Umsatzsteuervergütungsbeträge beschränkt bleiben. Die Festsetzung eines allgemeinen Preisnachlasses für die Eigenhandelslieferungen bzw. die allgemeine Erhöhung der Provisionen im Kommissionsgeschäft sollte besonderer Vereinbarung vorbehalten sein. Eine solche wurde erst später - und zwar mit Wirkung vom 1. Januar 1956 - getroffen. Im übrigen sollte hinsichtlich der geschäftlichen Aufwendungen der Klägerin entsprechend dem Wortlaut des vorbezeichneten Schreibens der AG wie folgt verfahren werden:
"a) Wir übernehmen Zahlungsausfälle, die Sie bei Ihren Außenständen erleiden. Soweit Ihre Forderungen für Warenlieferungen und Leistungen am Bilanzstichtag zweifelhaft sind, übernehmen wir das Delcredere. Wir werden das Delcredere in unserer Bilanz ausweisen, so daß entsprechende Wertberichtigungen in Ihrem Abschluß nicht erforderlich sind.
Andere Aufwendungen, die bei Ihnen anfallen (Vertreterprovisionen, Bankspesen, Kursunterschiede, Zinsen, Steuern und andere), gehen zu Ihren Lasten. Abweichungen von dieser Regelung bedürfen besonderer Vereinbarung.
Um Ihnen die Einführung Ihrer Firma auf den Auslandsmärkten zu erleichtern, übernehmen wir bis auf weiteres 50% der von Ihnen aufgewendeten Vertreterprovisionen".
Nach den Inhalt dieser von der Klägerin stillschweigend anerkannten Bedingungen für die übernahme der Erzeugnisse der AG vergütete die AG der Klägerin in den Jahren 1954 und 1955 Vertreterprovisionen in Höhe von 6.000.000 DM. Außerdem ersetzte sie der letzteren im Jahre 1956 einen Betrag von 2.000.000 DM, den die Klägerin an Bedienstete der AG, die als Fachleute (Chemiker) an Auslandsvertretungen der Klägerin abgeordnet waren, als Gehalt bezahlt hatte.
Das Finanzamt (FA) hat die letzterwähnten Vorgänge, die anläßlich einer im Rahmen der allgemeinen Betriebsprüfung durchgeführten Kapitalverkehrsteuerprüfung bekanntgeworden sind, als freiwillige Leistungen der X-AG angesehen, die geeignet gewesen seien, den Wert der Gesellschaftsrechte der Klägerin zu erhöhen. Es hat deshalb gemäß § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG durch Steuerbescheid vom 4. März 1961 eine Gesellschaftsteuer in Höhe von 240.000 M festgesetzt.
Gegen diese Steuerfestsetzung wendete die Klägerin ein, die Tatbestandsmerkmale des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG seien nicht erfüllt. Die Gründung der GmbH und die Vereinbarung über die Höhe der Einkaufspreise bzw. über die ihr eingeräumte Gewinnspanne seien von der Absicht getragen gewesen, durch Vorschaltung einer Vertriebsgesellschaft der Gefahr zu begegnen, daß die Gewinne der AG von einer ausländischen Betriebsstättenbesteuerung erfaßt würden. Auch wenn sie, die Klägerin, dementsprechend im Exportgeschäft als Eigenhändlerin aufgetreten sei, stellten die von der AG übernommenen Vertreterprovisionen und der Ersatz der Delegiertengehälter keine steuerpflichtigen Leistungen im Sinne des § 2 Nr. 3 Buchst. b KStG dar. Es fehle überhaupt an einer Gesellschaftsleistung, weil die zur Steuer herangezogenen Leistungen von der AG nicht auf Grund des Gesellschaftsvertrages, sondern auf Grund des Vertriebsvertrages vom 28. Mai 1954 erbracht worden seien. Es handle sich deshalb auch nicht um freiwillige Leistungen eines Gesellschafters, sondern um Gegenleistungen der AG aus dem Vertriebsvertrag, zu denen sich die AG rechtlich verpflichtet habe. Im übrigen könne die von der X-AG in ihrem Schreiben vom Oktober 1954 unter Nr. 5 c erklärte Bereitschaft zur übernahme der Hälfte der Vertreterprovisionen nur als eine Modifikation der Vereinbarungen über die Bemessung der übernahmepreise für die von der AG gelieferten Waren (Einkaufspreise) und der Gewinnspanne betrachtet werden, wie sich insbesondere daraus ergebe, daß unter Nr. 3 des Schreibens vom Oktober 1954 ein allgemeiner Preisnachlaß in Aussicht gestellt worden sei. Man dürfte dabei nicht wörtlich an der in diesem Zusammenhang gebrauchten Redewendung "übernehmen wir bis auf weiteres 50 % der von Ihnen aufgewendeten Vertreterprovisionen" haften und sie buchstabengetreu auslegen, sondern müsse bei der Auslegung des Vertragswillens der Beteiligten den Grundsätzen des § 133 BGB folgen. Die Einkaufspreise seien zudem auch nach ihrer Verminderung um die vergüteten Aufwendungen noch außergewöhnlich hoch gewesen, so daß hier das Gegenteil des in § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG angeführten Beispiels der überlassung von Gegenständen durch einen Gesellschafter der Kapitalgesellschaft zu einer ihren Wert nicht erreichenden Gegenleistung vorliege. Außerdem habe die AG bei übernahme der Vertreterprovisionen überhaupt nichts bezahlt, sondern die Klägerin habe nur die am Ende des Geschäftsjahres an die AG abzuführenden Verkaufserlöse um die auf die AG entfallenden Unkostenbeträge gekürzt. Bei der Zahlung der Gehälter an die von der AG an die Auslandsvertretungen der Klägerin abgeordneten Fachleute handle es sich nur um Gehaltsvorlagen. Deshalb könne der spätere Ersatz dieser Vorlagen durch die AG nicht als eine steuerpflichtige Leistung im Sinne des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG in Betracht kommen. Die teilweise Vergütung der Vertreterprovisionen und der Ersatz der Delegiertengehälter hätten überdies im Rahmen eines Leistungsaustausches zwischen einer Ober- und einer Untergesellschaft stattgefunden uns seien deshalb nach dem Urteil des RFH II A 477/33 vom 12. April 1935 (RFH 37, 302, RStBl 1935, 748) steuerfrei. Man könne die zwischen ihr und der X-AG bestehenden Verträge außerdem auch dahin auslegen, daß sie trotz ihrer Eigenschaft als Eigenhändlerin Kommissionsgeschäfte für die AG betrieben habe.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Berufung der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) vertrat in übereinstimmung mit dem FA die Auffassung, daß die von der X-AG übernommenen Provisionen und Gehälter steuerpflichtige Leistungen im Sinne des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG darstellen. Nach einer Meinung erlaubt es der Inhalt der vertraglichen Abmachung zwischen der Klägerin und der AG insbesondere nicht, die Vergütung der Vertreterprovisionen so anzusehen, als handele es sich dabei um die Gewährung von Warenrabatten oder um eine Berichtigung der Gewinnspanne. Da der Inhalt der von den Beteiligten abgegebenen Erklärungen eindeutig sei, könne auch der Hinweis der Steuerpflichtigen auf die Auslegungsgrundsätze des § 133 BGB zu keinem anderen Ergebnis führen. Im übrigen bleibe die übernahme der Vertreterprovisionen auch dann eine Leistung im Sinne des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG, wenn sie nicht durch Barzahlung, sondern im Wege der Verrechnung bewirkt werde. Das gleiche gelte für den Ersatz der Delegiertengehälter, welche die als Eigenhändlerin auftretende Klägerin im Rahmen ihres Auslandskundendienstes als eigene Unkosten zu tragen habe. Auch an der Freiwilligkeit der Leistungen sei nicht zu zweifeln, da jedenfalls die im Schreiben vom Oktober 1954 von der AG abgegebenen Verpflichtungserklärung in deren freiem Belieben gestanden habe. Zu Unrecht berufe sich die Klägerin auf das Urteil des RFH II A 477/33, da dieses Urteil nur solche Zahlungen von der Gesellschaftsteuer freistelle, welche die Obergesellschaft als Unkostenersatz für die Agenten- oder Kommissionärstätigkeit ihrer Untergesellschaft leiste. Unter Berücksichtigung der anders gearteten Tätigkeit der Klägerin als Eigenhändlerin sei das Urteil für den Streitfall nicht anwendbar.
Mit der Rb. rügt die Klägerin unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens die unrichtige Anwendung des geltenden Rechts.
Entscheidungsgründe
Die als Revision zu behandelnde Rb. führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Nach § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG in der Fassung des Gesetzes zur änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes vom 29. Juli 1953 (BGBl I 1953, 711) bzw. des Gesetzes zur änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes vom 19. August 1955 (BGBl I 1955, 530), dessen Auslegung und Anwendung durch die Vorinstanz von der Revision beanstandet wird, ist eine Besteuerung der freiwilligen Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft für den Fall vorgesehen, daß die Leistungen des Gesellschafters geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
Diese Voraussetzungen sind zwar erfüllt, soweit der Klägerin die sogenannten Delegiertengehälter ersetzt wurden. Denn dieser Ersatz beruht auf einer erst nach Abwicklung der Geschäfte getroffenen Abrede. Soweit die X-AG von vornherein die Verkaufsprovisionen der Klägerin hälftig übernommen hat, fehlt es dagegen an dem Merkmal des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1955, daß die Zuwendungen geeignet sein müssen, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Das würde nur dann zutreffen, wenn es zulässig wäre, bei einem einheitlichen Austauschvertrag die der Gesellschaft zufließenden Vorteile isoliert zu betrachten, die von ihr im selben Vertrag übernommenen Nachteile aber außer acht zu lassen. Daß dem nicht so ist, beweisen die Beispiele des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1955, wonach die überlassung von Gegenständen an die Gesellschaft nur dann der Gesellschaftsteuer unterliegt, wenn die Gegenleistung der Gesellschaft deren Wert nicht erreicht, und umgekehrt die Gegenleistung für die übernahme von Gegenständen der Gesellschaft durch einen Gesellschafter nur dann die Gesellschaftsteuer auslöst, wenn ( und soweit) sie den Wert dieser Gegenstände übersteigt. Im vorliegenden Fall ist jedoch die hälftige übernahme der Vertreterprovisionen nur der von vornherein vorgesehene Ausgleich für die Vereinbarung eines überhöhten Einstandspreises.
Zu dem gleichen steuerrechtlichen Ergebnis führt es, wenn die vom RFH in den Urteilen II A 477/33, a. a. O., und II A 422/34 vom 31. Oktober 1935, RStBl 1935, 1518, entwickelten Grundsätze angewendet und auch auf solche Fälle übertragen werden, in denen die Untergesellschaft den Vertrieb der von der Obergesellschaft übernommenen Waren als Eigenhändlerin durchführt. Der Zug der Rechtsprechung des RFH ging in den beiden letztgenannten Urteilen dahin, die Auswirkungen der im Gesellschaftsteuerrecht vorherrschenden Zweckwillenstheorie einzuschränken und unter bestimmten Voraussetzungen Zahlungen und Leistungen im Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft der Gesellschaftsteuer nicht zu unterwerfen. Die Zweckwillenstheorie, die vom RFH vor allem in den Urteilen II A 635/30 vom 10. Februar 1931 (RFH 28, 81) und II A 666/31 vom 26. Oktober 1932 (RFH 32, 145, RStBl 1933, 60) entwickelt worden ist, besagt nach den später auch vom BFH in den Urteilen II 269/52 U vom 24. April 1953 (BFH 57, 445, BStBl III 1953, 173 f.), II 140/58 vom 4. Oktober 1961 (HFR 1962, 31), II 17/60 U vom 10. Juni 1964 (BFH 79, 489, BStBl III 1964, 410 f.) und II 3/62 vom 4. März 1964 (HFR 1964, 293, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 2, Rechtsspruch 60) übernommenen und weiterentwickelten Grundsätzen der Rechtsprechung, daß alle von den Gesellschaftern zur Erfüllung der Gesellschaftszwecke zur Verfügung gestellten Mittel von ihnen als Gesellschafter gegeben werden, weil derjenige, der den Zweck will, auch die Bereitstellung der zu seiner Erreichung erforderlichen Mittel wollen muß. Der BFH hat unter Fortentwicklung dieser Gedankengänge später ausgeführt, daß Leistungen, die eine Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft in ihrer Eigenschaft als deren alleinige Gesellschafterin erbringt, als auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt und deshalb als gesellschaftsteuerpflichtig auch dann angesehen werden muß, wenn die überlassung von Gegenständen an die Tochtergesellschaft nur auf der Grundlage eines Treuhandverhältnisses erfolgt. Die nur treuhänderische überlassung sei für die Gesellschaftsteuer ohne Bedeutung (vgl. Urteil des BFH II 269/52 U, a. a. O.). In dem nachfolgenden Urteil II 140/58, a. O., hat der erkennende Senat an diesem Grundsatz festgehalten und in diesem Urteil besonders auch darauf hingewiesen, daß eine Tochtergesellschaft im Rahmen ihres Gesellschaftszweckes nicht als Beauftragte, Agentin oder Kommissionärin der Muttergesellschaft handeln könne (vgl. hierzu auch das Urteil II 17/60 U. a. a. O.).
Dabei ist der Senat auf die von der Rechtsprechung des RFH in den vorerwähnten Urteilen II A 477/33, a. a. O. und II A 422/34, a. a. O., ausdrücklich zugelassenen Ausnahmen von der Zweckwillenstheorie, die in dem Urteil des BFH II 269/52 U, a. a. O., allerdings erwähnt werden, nicht näher eingegangen. Der RFH hatte in den damaligen Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, daß bestimmte Zahlungen und Leistungen im Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft der Gesellschaftsteuer nicht zu unterwerfen sind, falls es sich dabei um die Zahlung eines Entgelts oder um den Ersatz von Aufwendungen handelt, die auf Grund besonderer neben dem Gesellschaftsverhältnis bestehender Verpflichtungsgeschäfte erbracht werden, und zwar auch dann, wenn die Tochtergesellschaft bei der Ausführung der Geschäfte im Rahmen ihrer Zweckbestimmung (des Gesellschaftszweckes) handelt. Der RFH hat demgemäß in den genannten Urteilen anerkannt, daß eine Tochtergesellschaft, deren Zweck in dem Abschluß oder der Vermittlung von Verkaufs- oder Einkaufsgeschäften für die Muttergesellschaft besteht, auch im Umfang dieser Zweckbestimmung die Beauftragte, Agentin oder Kommissionärin der Muttergesellschaft sein kann. Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze muß zur Folge haben, daß eine Tochtergesellschaft, die auf Grund eines besonderen Vertragsverhältnisses Agenten- oder Kommissionsgeschäfte für die Muttergesellschaft betreibt, gegebenenfalls auch den Ersatz von Aufwendungen und Geschäftsunkosten von der Muttergesellschaft beanspruchen und erhalten kann, unter Umständen also auch den Ersatz von Vertreterprovisionen und ähnlichem, ohne daß daraus eine Gesellschaftsteuerpflicht entstehen würde. Der erkennende Senat ist der Ansicht, daß die Zweckwillenslehre, soweit sie in der Rechtsprechung des BFH bisher zur Anwendung gelangt ist, jedenfalls nur mit den sich aus den vorgenannten Urteilen des RFH ergebenden Beschränkungen angewendet werden kann. Soweit sich aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH zu dieser Frage eine andere Auffassung ergeben könnte, wird diese nicht mehr aufrechterhalten.
Der Senat ist aber darüber hinaus der Ansicht, daß diese zu einer gewissen Einschränkung der Zweckwillenslehre führende Rechtsprechung auch auf solche Tatbestände zu erstrecken ist, in denen die Tochtergesellschaft zwar formell als Eigenhändlerin die Erzeugnisse ihrer Muttergesellschaft vertrieben hat, in denen aber die Beziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft nach ihrer tatsächlichen und rechtlichen Gestaltung weitgehend einem Kommissionsverhältnis ähneln. So liegt der Fall hier. Die Abmachungen zwischen der X-AG und der Klägerin sehen nicht nur vor, daß de Muttergesellschaft Zahlungsausfälle und ein etwaiges Delcredere für die Vertriebsgeschäfte ihrer Tochtergesellschaft übernimmt und sich das Eigentum an ihren Erzeugnissen bis zur vollen Zahlung des Kaufpreises vorbehält; sie führten vielmehr auch dazu, daß die Klägerin weitgehend auf eigene Lagerhaltung verzichten konnte und daß die Abführung der Verrechnungspreise an die Muttergesellschaft erst nach Eingang der Exporterlöse oder sogar erst nach Fertigstellung der Jahresabrechnungen erfolgte. Der Senat ist der Meinung, daß bei so weitgehend dem Kommissionsverhältnis angenäherten Beziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft auch der Ersatz von Unkosten, soweit er in dem außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses bestehenden besonderen Vertriebsvertrag zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft ausdrücklich vorgesehen und vereinbart ist, nicht als eine freiwillige Leistung des Gesellschafters an die von ihm gegründete Tochtergesellschaft, sondern insoweit als eine Leistung zur Erfüllung der in dem Lieferungsvertrag eingegangenen vertraglichen Nebenverpflichtungen anzusehen ist. Dies muß gelten, wenn die übernahme solcher Unkosten - im Streitfall die allerdings nur zeitweilige übernahme eines Teiles de Vertreterprovisionen durch die Muttergesellschaft - wirtschaftlich betrachtet eine Korrektur der von Anfang an überhöhten, den Verkaufserlösen gleichgesetzten Einstandspreise für die Erzeugnisse der Muttergesellschaft bedeutet, die späthin durch einen von der Muttergesellschaft eingeräumten Warenrabatt ersetzt worden ist. Der Senat kommt deshalb auch aus den vorstehenden Erwägungen zu dem Ergebnis, daß die übernahme eines Teiles der Vertreterprovisionen durch die X-AG als Erfüllung einer außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses begründeten besonderen Schuldverpflichtung nicht der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen ist. Dies gilt für die Gesamtheit der in den Jahren 1954 bis 1955 von der Muttergesellschaft übernommenen Provisionszahlungen, obwohl die übernahme dieser Vertreterprovisionen von der Muttergesellschaft erstmalig in dem Schreiben der AG vom Oktober 1954 bekanntgegeben worden ist. Wie sich aus dem Eingangssatz dieses Schreibens ergibt - in dem es heißt, " zur Durchführung unseres Vertrages vom 28. 5. 1954 stellen wir im Einvernehmen mit Ihnen folgendes fest" -, sind die darin bekanntgegebenen Lieferungsbedingungen nichts anderes als eine Ergänzung des Vertriebsvertrages vom 28. Mai 1954, die in § 1 und in anderen Bestimmungen dieses Vertrages bereits ausdrücklich vorgesehen war. Der Vertrag vom 2. Mai 1954 und die später bekanntgegebenen Lieferungsbedingungen stellen daher ein einheitliches Vertragswerk dar, so daß die auf Grund dieses Vertragsverhältnisses erbrachten Leistungen auch nur einheitlich beurteilt werden können.
Anders liegen die Verhältnisse hinsichtlich des Ersatzes der von der Klägerin an Bedienstete der AG geleisteten Gehaltszahlungen. Insoweit hat sich die Muttergesellschaft weder durch den Vertrag vom 28. Mai 1954 noch durch die zu seiner näheren Ausgestaltung vereinbarten Lieferungsbedingungen vom Oktober 1954 zu einem Kostenersatz verpflichtet. Der Vertriebsvertrag vom 28. Mai 1954 sieht allerdings in § 4 vor, daß die Muttergesellschaft die Klägerin "gegebenenfalls" durch Entsendung technischer Kräfte zu den Abnehmern der GmbH unterstützt, jedoch ohne damit auch eine Verpflichtung zur übernahme der daraus entstehenden Kosten einzugehen. Die übernahme der Kosten für das der Klägerin zur Unterstützung des ausländischen Vertriebsgeschäfts beigegebene technische Personal der Muttergesellschaft, die zu den Vertriebskosten zu rechnen sind und daher nach den im Schreiben der Muttergesellschaft vom Oktober 1954 festgelegten Vertragsbedingungen grundsätzlich der Klägerin zur Last fallen, stellt deshalb eine freiwillige Leistung der Muttergesellschaft an die Klägerin dar, die sie nur auf Grund der engen gesellschaftlichen Beziehungen zu ihrer Tochtergesellschaft erbracht hat und die auch geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte der Klägerin zu erhöhen. Insoweit war deshalb die Besteuerung aufrechtzuerhalten.
Nach Aufhebung des angefochtenen Urteils war deshalb wie geschehen zu erkennen. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 135 Abs. 1 und 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 412525 |
BStBl III 1967, 423 |
BFHE 1967, 427 |
BFHE 88, 427 |