Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintritt der aufnehmenden Kapitalgesellschaft in die Rechtsstellung des Einbringenden; nicht abgeschlossene Sanierung; Schuldübernahme
Leitsatz (amtlich)
1. Aus dem 6.Teil des UmwStG 1977 kann nicht abgeleitet werden, daß die aufnehmende Kapitalgesellschaft in die Rechtsstellung des Einbringenden insoweit eintritt, als auf die Kapitalgesellschaft eine Schuld übergeht, über deren Erlaß zum Zeitpunkt der Einbringung im Rahmen einer Sanierung verhandelt und die gegenüber der Kapitalgesellschaft erlassen wird.
2. Wird anläßlich der Einbringung vereinbart, daß im Falle des Erlasses der Forderung im Verhältnis zwischen dem Einbringenden und der aufnehmenden Kapitalgesellschaft die entsprechende Schuld als nicht übernommen gilt, ist für die Besteuerung der aufnehmenden Kapitalgesellschaft von einer Änderung der Eröffnungsbilanz (Wegfall der Schuld) auszugehen.
Normenkette
AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 2; UmwStG 1977 § 15 Abs. 3, § 23 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 15.09.1988; Aktenzeichen III K 101/85) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde durch Vertrag vom 28.August 1981 von den Gesellschaftern O.L., F.L. und C.L. gegründet. Dabei wurde das bisher von O.L. betriebene Einzelunternehmen nach § 20 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) 1977 mit Wirkung vom 1.Juli 1981 unter Anrechnung von 5 000 DM auf die Stammeinlage von O.L. in die Klägerin eingebracht. 7 396,73 DM überließ O.L. der Klägerin als Gesellschafterdarlehen. F.L. und C.L. zahlten zunächst zusammen 100 000 DM auf ihre Stammeinlagen ein. Bis zum 31.Dezember 1981 wurden weitere 50 000 DM eingezahlt, so daß zu diesem Zeitpunkt das gesamte Stammkapital von 155 000 DM eingezahlt war.
Das Einzelunternehmen von O.L. war nach einer am 5.August 1981 aufgestellten Bilanz zum 30.Juni 1981 am 1.Januar 1981 mit 620 394,98 DM und am 30.Juni 1981 mit 617 042,60 DM überschuldet. Im ersten Halbjahr 1981 war ein Verlust von 146 230,52 DM entstanden. O.L. hatte einen Kontokorrentkredit bei der Sparkasse E bereits durch Einlage eines privaten Sparguthabens in Höhe von 217 055,26 DM abgedeckt. Nach einer am 26.August 1981 aufgestellten berichtigten Bilanz zum 30.Juni 1981 wurden weitere 220 000 DM Kontokorrentkredit durch Einzahlung des Verkaufserlöses eines Einfamilienhauses und 135 623,65 DM Kontokorrentkredit bei der D-Bank durch Einlage von Wertpapiererlösen beglichen. Die betrieblichen Steuerschulden erhöhten sich durch Abstimmung mit dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) um 68 430,32 DM. Bei der Einbringung des Betriebsvermögens in die Klägerin wurden im Anlagevermögen 332 246 DM und in den Fertigerzeugnissen 10 000 DM stille Reserven aufgedeckt. Daraus ergab sich zum 30.Juni 1981 ein positives Kapital von O.L. in Höhe von 12 396,73 DM.
In den Bilanzen der Klägerin sind folgende Werte ausgewiesen:
1.Juli 1981 31.Dezember 1981
DM DM
Aktiva:
Ausstehende Einlagen 50 000 --
Anlagevermögen 976 000 811 646
Umlaufvermögen 606 813 460 184
Aktive RAP 26 447 47 499
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Bilanzsumme 1 659 260 1 319 329
Passiva:
Stammkapital 155 000 155 000
Gesellschafterdarlehen 7 397 124 408
Wertberichtigung 4 830 3 760
Rückstellungen 33 289 13 293
Kurzfristige Darlehen -- 247 100
Verbindlichkeiten aus
Warenlieferungen 731 010 98 470
Schuldwechsel 80 873 49 006
Bankschulden 219 070 273 579
Löhne 87 166 84 213
Aufgelaufene Steuerschulden
und Sozialversicherung 340 625 217 154
Gewinn -- 53 346
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Bilanzsumme 1 659 260 1 319 329.
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Aufgrund vorangegangenen Schriftwechsels verzichteten zahlreiche Lieferanten des früheren Einzelunternehmens von O.L. auf 40 v.H. ihrer Forderungen. Die Klägerin zahlte an diese Gläubiger im November 1981 60 v.H. der betreffenden Lieferantenschulden. Gegenüber den Nennbeträgen der betreffenden Verpflichtungen entstanden dadurch Tilgungsgewinne im Gesamtbetrag von 120 664,87 DM.
In ihrer Körperschaftsteuererklärung für 1981 wies die Klägerin den Betrag von 120 664 DM als steuerfreien Sanierungsgewinn aus. Dem folgte das FA in dem darauf ergangenen Körperschaftsteuerbescheid nicht. Der Einspruch der Klägerin blieb hinsichtlich des Sanierungsgewinnes erfolglos.
Die von der Klägerin erhobene Klage sah das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 399 veröffentlichten Urteil als begründet an.
Mit der Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 3 Nr.66 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat kann aufgrund der Feststellungen des FG in der Sache nicht abschließend entscheiden.
Sollten die Verbindlichkeiten, die erlassen wurden, auf die Klägerin übergegangen sein, liegen die Voraussetzungen eines steuerfreien Sanierungsgewinns nicht vor. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß die Klage deswegen begründet ist, weil eine entsprechende Verbindlichkeit als nicht auf die Klägerin übergegangen gilt.
Sind die erlassenen Verbindlichkeiten im Zuge der Einbringung auf die Klägerin übergegangen, ist die Klage unbegründet, weil die Voraussetzungen eines steuerfreien Sanierungsgewinns bei der Klägerin nicht vorlagen.
Die Voraussetzungen hierfür ergeben sich aus dem gemäß § 8 Abs.1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 anwendbaren § 3 Nr.66 EStG. Danach ist eine Betriebsvermögensvermehrung durch Schulderlaß als Sanierungsmaßnahme steuerfrei, wenn das Sanierungsunternehmen sanierungsbedürftig ist, die Gläubiger in Sanierungsabsicht handeln und der Schulderlaß sanierungsgeeignet ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.Februar 1985 IV R 177/83, BFHE 143, 531, BStBl II 1985, 504).
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Klägerin nicht sanierungsbedürftig war.
Die fehlende Sanierungsbedürftigkeit ergibt sich auch aus der Eröffnungsbilanz zum 1.Juli 1981 und der Schlußbilanz vom 31.Dezember 1981. Die Eröffnungsbilanz weist ein durch die Buchwerte gedecktes Stammkapital auf, die Schlußbilanz darüber hinaus einen Gewinn von 53 346 DM.
Der Senat kann für den Streitfall offenlassen, ob die Voraussetzungen für einen steuerfreien Sanierungsgewinn bei O.L. gegeben waren. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, folgt daraus nicht die Steuerfreiheit des aus dem Forderungsverzicht entstehenden Gewinns bei der Klägerin. Aus dem 6.Teil des UmwStG 1977, der die Einbringung eines Unternehmens in eine Kapitalgesellschaft regelt, kann nicht abgeleitet werden, daß die Kapitalgesellschaft in die Rechtsstellung des Einbringenden insoweit eintritt, als auf die Kapitalgesellschaft eine Schuld übergeht, über deren Erlaß zum Zeitpunkt der Einbringung im Rahmen einer Sanierung verhandelt und die gegenüber der Kapitalgesellschaft erlassen wird. Nach dem 6.Teil des UmwStG 1977 kann sich die Kapitalgesellschaft nicht mit Erfolg darauf berufen, daß, wenn der Erlaß der Forderung bei dem Einbringenden zu einer steuerfreien Sanierung geführt hätte, es auf das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 3 Nr.66 EStG bei ihr nicht ankomme. Dies gilt auch, wenn im Streitfall die stillen Reserven bei der Einbringung nicht in vollem Umfang aufgedeckt worden sein sollten und damit eine Einbringung zum Zwischenwert vorläge. § 23 Abs.2 i.V.m. § 15 Abs.3 UmwStG 1977 sieht für diesen Fall nur den Eintritt in die Rechtsstellung des Einbringenden hinsichtlich der in § 15 Abs.3 UmwStG 1977 aufgezählten Merkmale vor (Absetzungen für Abnutzung etc.). Dazu gehört die Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinns nicht.
Dennoch kann der Senat den Rechtsstreit nicht abschließend durch Klageabweisung entscheiden. Das FG hat nicht geprüft, welche Vereinbarungen die Klägerin mit O.L. anläßlich der Einbringung hinsichtlich der Schulden getroffen hat. Angesichts der schwebenden Sanierungsvereinbarungen ist eine Vereinbarung nicht ausgeschlossen, wonach im Falle eines Erlasses der Forderung im Verhältnis zwischen O.L. und der Klägerin von der Nichtübernahme der entsprechenden Schuld durch die Klägerin auszugehen ist. Eine derartige im einzelnen nachzuweisende Vereinbarung hätte zur Folge, daß gemäß § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Besteuerung der Klägerin von einer Änderung der Eröffnungsbilanz auszugehen wäre. Der mit der Änderung verbundene Wegfall der erlassenen Verbindlichkeit in der Eröffnungsbilanz der Klägerin würde bewirken, daß der von den Gläubigern ausgesprochene Verzicht sich bei der Klägerin nicht gewinnerhöhend auswirkt.
Für den Streitfall kann dabei offenbleiben, inwieweit es durch die Änderung der Eröffnungsbilanz der Klägerin zu einer Erhöhung des von O.L. anläßlich der Einbringung erzielten Einbringungsgewinns (vgl. § 20 Abs.4 Satz 1 UmwStG 1977) kommt und inwieweit ein insoweit entstehender Einbringungsgewinn gemäß § 3 Nr.66 EStG für O.L. steuerfrei ist.
Das FG erhält durch die Zurückverweisung Gelegenheit festzustellen, ob anläßlich der Gründung eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 63496 |
BFH/NV 1990, 71 |
BStBl II 1990, 806 |
BFHE 160, 455 |
BFHE 1991, 455 |
BB 1990, 1669 |
BB 1990, 1669-1670 (LT) |
DB 1990, 1904 (LT) |
HFR 1991, 98 (LT) |
StE 1990, 308 (K) |