Leitsatz (amtlich)
Eine Verwaltungsbehörde kann, da es ihr an einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen fehlt, nicht durch Richtlinien die Form des Nachweises der Beschaffenheit von Waren, für die Ausfuhrerstattung begehrt wird, rechtswirksam dahin regeln, daß nur eine bestimmte Form zugelassen, jede andere Form des Nachweises aber ausgeschlossen ist.
Normenkette
GG Art. 80 Abs. 1 S. 4; DurchfG EWG-Milch § 8 Abs. 1; ErstVOMilch § 5 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte in Ausnutzung einer Erstattungszusage der beklagten und revisionsbeklagten Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette (EVSt Fette) im Januar 1967 Magermilchpulver in Papiersäcken nach Italien aus. Bei der Ausfuhrabfertigung entnahm der Zollbeamte aus einem Sack der Sendung eine Probe und eine Gegenprobe. Den Antrag der Klägerin auf Erstattung für die Ausfuhrsendung lehnte die EVSt Fette ab, weil die ausgeführte Ware nach dem beigefügten Attest der Milchwirtschaftlichen Lehr- und Untersuchungsanstalt der Landwirtschaftskammer Rheinland (MLU) mit einem Fettgehalt des Milchpulvers von 1,68 Gewichtshundertteilen (GHT) nicht der in der Erstattungszusage bezeichneten Ware (Milchpulver mit einem Fettgehalt bis zu 1,5 GHT) entspreche.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, daß die Richtlinien der EVSt Fette für Erstattungen bei der Ausfuhr von Milcherzeugnissen vom 1. Juli 1966 (Bundesanzeiger – BAnz – Nr. 121 vom 5. Juli 1966) gegen § 8 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 13/64/EWG (Milch und Milcherzeugnisse) des Rates der EWG (DurchfG EWG-Milch) vom 28. Oktober 1964 (BGBl I 1964, 821, BZBl 1964, 831) verstießen. Danach sollten alle diejenigen Bestimmungen, von denen das Bestehen eines Erstattungsanspruchs sowie dessen Durchsetzbarkeit abhänge, ausschließlich in der Verordnung über Erstattungen bei der Ausfuhr von Milcherzeugnissen (ErstVOMilch) vom 11. Dezember 1964 (BAnz Nr. 234 vom 15. Dezember 1964, BZBl 1965, 600) getroffen werden. In ihnen liege eine Regelung des Nachweisverfahrens, die einer weiteren Anspruchsvoraussetzung gleichkomme. Denn danach würde der Ausführer Erstattungen nicht schon erhalten, wenn er nachweise, daß er ein in der Anlage I zur Verordnung über Erstattungen bei der Ausfuhr von Milcherzeugnissen aufgeführtes Milcherzeugnis ausgeführt habe, sondern nur dann, wenn er durch Untersuchungsattest im Sinne von Ziff. VI der Richlinien nachweise, daß er ein solches Milcherzeugnis ausgeführt habe. Damit würde die materielle Wahrheit zugunsten einer bloß formellen Wahrheit eingeschränkt und der gesetzliche Erstattungsanspruch durch bloße Verwaltungsvorschriften beschnitten. Die nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) maßgebliche Selbstbindung der Verwaltung sei nur dann erheblich, wenn die Gewährung von Erstattungen in das Ermessen der EVSt Fette gestellt wäre.
Die objektive Beweislast darüber, ob eine Ware erstattungsfähig sei oder nicht, habe der Ausführet. Ergebe sich nach dem vorgelegten Untersuchungsattest, daß die untersuchte Probe die erstattungsfähigen Beschaffenheitsmerkmale nicht aufweise, so sei zunächst die Erstattungsfähigkeit nicht bewiesen. Einer Vermutung, daß die ausgeführte Ware statt bis zu 1,5 GHT den in der Untersuchungsprobe ermittelten Fettgehalt von 1,68 GHT aufweise, bedürfe es nicht, weil sich daran keine erstattungserheblichen Rechtsfolgen knüpften. Der Ausführer müsse daher die Möglichkeit haben, nicht nur die Art der Probenentnahme durch die Zollstelle und die von der Untersuchungsanstalt angewandte Untersuchungsmethode anzugreifen, sondern mit anderen Beweismitteln den Nachweis der erstattungsfähigen Warenbeschaffenheit zu erbringen.
Nach Auffassung des EVSt Fette kann eine Erstattung nur beantragen, wer vor der Ausfuhr eine Erstattungszusage erhalten habe und wer Art, Umfang und Zusammensetzung der ausgeführten Milcherzeugnisse nachweise. Der Nachweis sei nach Ziff. VI der Richtlinien durch ein aufgrund einer zollamtlich gezogenen Probe erstelltes Untersuchungsattest zu erbringen. Durch diese Nachweisregelung werde keine „weitere Anspruchsvoraussetzung” geschaffen, da sich die Erstattungsgewährung einzig und allein nach den gesetzlich normierten Anspruchsvoraussetzungen richte. Der Gesetzgeber habe es durch die in § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 ErstVOMilch getroffene Regelung, nach der die EVSt Fette Richtlinien für den zu erbringenden Nachweis im BAnz bekanntzugeben habe, dem Ermessen der EVSt Fette überlassen, welche Beweise sie als geeignet anerkenne. Von dieser ihr eingeräumten Befugnis habe sie Gebrauch gemacht. Das Untersuchungsattest biete die größtmögliche Gewährung, daß die ausgeführte Ware mit der begutachteten identisch sei. Zollamtliche Probenziehung gewährleiste, daß nach einer einheitlichen und für jeden gleichen Regelung vorgegangen werde. Die zollamtliche Probenziehung stehe auch jedem offen. Im Streitfalle habe kein Anlaß bestanden, von dieser Regelung abzuweichen. Behaupte die Klägerin, der Umfang der Probenziehung reiche nicht aus, um einen bestimmten Durchschnittsfettgehalt der Ausfuhrware zu ermitteln, so habe sie dies selbst zu vertreten. Die Proben würden nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag im Interesse des Ausführers gezogen, der auch den Nachweis der Erstattungsfähigkeit zu führen habe. Es habe der Klägerin daher freigestanden, die nach ihrer Auffassung erforderliche Anzahl von Proben ziehen zu lassen. Für den Umfang der Probenziehung sei die Klägerin und nicht die Zollverwaltung verantwortlich. Von einer ermessensmißbräuchlichen Entscheidung könne daher keine Rede sein. Das FG habe es zu Recht abgelehnt, von sich aus weitere Ermittlungen mit dem Ziel anzustellen, die Ermessensentscheidung des EVSt Fette durch eine andere Entscheidung zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Voraussetzung für die Gewährung der Ausfuhrerstattung für Milcherzeugnisse ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 ErstVOMilch vom 11. Dezember 1964 in der für den Streitfall maßgebenden Fassung der 7. Änderungsverordnung vom 27. Juni 1966 (BAnz Nr. 119 vom 1. Juli 1966, BZBl 1966, 599), daß der Ausführer Herkunft, Beschaffenheit und Zusammensetzung der ausgeführten Milcherzeugnisse nachweist. Nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift gibt die EVSt Fette Richtlinien für diesen Nachweis im BAnz bekannt. Solche Richtlinien hat die EVSt Fette im BAnz Nr. 121 vom 5. Juli 1966 bekanntgegeben. Nach Ziff. VI b dieser Richtlinien sind für ausgeführtes Milchpulver Atteste einer landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt oder eines öffentlich bestellten, vereidigten Handelschemikers vorzulegen. Das FG hat aus dem Umstand, daß die Richtlinien den Nachweis nur in dieser Form vorsehen, geschlossen, daß ein anderer Nachweis außer in Ausnahmefällen nicht zulässig sei. Dem kann der erkennende Senat nicht folgen. Zwar hat das FG hierbei zutreffend angenommen, daß die Richtlinien als Verwaltungsvorschriften keine außerhalb des Verwaltungsbereichs bindenden und verpflichtenden Wirkungen haben und daß lediglich eine Selbstbindung der EVSt Fette insofern eintritt, als sie die ihr nach den Richtlinien vorgelegten Nachweise anerkennt – vorbehaltlich einer in Ziff. VIII der Richtlinien vorgesehenen Nachprüfung –. Daraus läßt sich jedoch entgegen der Ansicht des FG nicht auch eine Bindung des eine Erstattung beantragenden Ausführers herleiten. Denn sonst würde die Richtlinie insoweit wie eine Rechtsnorm wirken. Zum Erlaß einer Rechtsnorm war die EVSt Fette jedoch nicht befugt. Richtlinien sind schon ihrem Wortlaut nach lediglich Verwaltungsvorschriften, welche die Verwaltung, nicht aber den Rechtsunterworfenen oder die Gerichte binden können. Lediglich der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten war durch § 8 Abs. 1 DurchfG EWG-Milch ermächtigt, durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Voraussetzungen, die Höhe und das Verfahren bei Erstattungen nach Art. 14 der Verordnung (EWG) Nr. 13/64 zu erlassen, wobei die EVSt Fette als die für die Durchführung zuständige Stelle bestimmt werden konnte. Darin liegt keine Ermächtigung zu einer Weiterübertragung der Ermächtigung an die EVSt Fette im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 4 des Grundgesetzes. Infolgedessen ist die EVSt Fette lediglich befugt gewesen, nichtrechtsverbindliche Verwaltungsvorschriften bekanntzugeben, wozu sie ohnedies zur Durchführung der ihr übertragenen Aufgaben befugt war.
Infolge seiner insoweit nicht zutreffenden Rechtsauffassung hat das FG andere als in den Richtlinien vorgesehne Nachweismittel grundsätzlich abgelehnt und nicht geprüft, ob die von der Klägerin angebotenen Beweise rechtserheblich sind. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, da der erkennende Senat die hierzu notwendigen tatsächlichen Feststellungen nicht treffen kann. Insbesondere vermag er nicht festzustellen, ob sich aus den Betriebskontrollbögen Hinweise auf den von der Klägerin behaupteten „Ausreißer” ergeben und ob die von der Klägerin angebotenen Zeugen bekunden können, daß die ausgeführte Ware mit der durch die Produktionsunterlagen des Herstellerwerks erfaßten Ware in vollem Umfang identisch ist. Die Sache war daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 514814 |
BFHE 1974, 543 |