Leitsatz (amtlich)
Unterhaltsbeträge, die einheltlich an mehrere Unterhaltsberechtigte geleistet wurden, sind im Rahmen des § 33 a Abs. 1 EStG stets nach Kopfteilen aufzuteilen.
Normenkette
EStG 1975 § 33a Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als türkischer Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) tätig. Seine Ehefrau lebt mit den drei Kindern, geboren in den Jahren 1963, 1966 und 1968, in der Türkei. Dort wohnt auch die Mutter des Klägers.
Der Kläger machte im Rahmen des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1975 u. a. Unterhaltsaufwendungen für die Ehefrau und die Mutter als außergewöhnliche Belastung geltend. Er legte Überweisungsbelege in Höhe von 5 620 DM und eine vom Gemeindevorsteher ausgestellte Bescheinigung über die Unterhaltsbedürftigkeit seiner Mutter vor. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ die Unterhaltsaufwendungen nicht zum Abzug zu. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es führte zu diesem Punkte u. a. aus:
Die Beteiligten seien sich darüber einig, daß die Ehefrau und auch die Mutter des Klägers bedürftig seien und der Kläger sie unterhalten habe. Zwischen Kläger und FA bestehe auch Einigkeit darüber, daß der Kläger zum Unterhalt der Ehefrau, der Kinder sowie der Mutter im Streitjahr 1975 einen Betrag von 5 620 DM in die Türkei überwiesen habe. Unterhaltsaufwendungen für die Kinder seien im Rahmen des § 33 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG) nicht zu berücksichtigen, da dem Kläger im Streitjahr Anspruch auf Kindergeld zugestanden habe. Unterhaltsleistungen zugunsten der im Heimatland zurückgebliebenen, jedoch vom Kläger nicht dauernd getrennt lebenden Ehefrau seien zwar nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Juni 1979 VI R 85/76 (BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660) nicht nach § 33 a Abs. 1 EStG abziehbar. Sie seien im Streitjahr 1975 dennoch als außergewöhnliche Belastung anzusetzen, weil diese Rechtsprechung des BFH nach dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 26. Oktober 1979 IV B 5 - S 2285 - 265/79 (BStBl I 1979, 621) aus Billigkeitsgründen erst ab dem Kalenderjahr 1980 anzuwenden sei. Der auf die Ehefrau und auf die Mutter des Klägers entfallende Anteil an der Unterhaltsleistung von 5 620 DM sei nicht nach Kopfteilen aufzuteilen, da der Unterhaltsbedarf einer erwachsenen Frau nach allgemeiner Lebenserfahrung höher zu veranschlagen sei als der von Kindern, die im Streitjahr 1975 zwischen 7 bis 12 Jahre alt gewesen seien. Als Aufteilungsmaßstab sei vielmehr das vom Landgericht Hamburg praktizierte Punktsystem für die Berechnung von Unterhaltsansprüchen entsprechend anzuwenden. Nach diesem System seien anzusetzen:
1. für eine volljährige Person mit eigener Lebenshaltung 12 Punkte
2. für eine volljährige Person ohne eigene Lebenshaltung 8 Punkte
3. für ein Kind bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres 6 Punkte
4. für ein Kind vom 7. bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres 7 Punkte und
5. für ein Kind vom 13. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 8 Punkte
Hiernach ergäben sich für die Ehefrau und die Mutter des Klägers sowie für die drei Kinder insgesamt 42 Punkte. Die anteiligen Unterhaltsaufwendungen betrügen folglich für die Ehefrau 1 606 DM (5 620 DM x 12: 42) und für die Mutter des Klägers 1 070 DM (5 620 DM x 8 : 42). Diese Beträge seien nach § 33 a Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zuzulassen. Sie überstiegen nicht die Grenze des notwendigen Unterhalts entsprechend den Verhältnissen des Heimatlandes. Nach dem BMF-Schreiben vom 26. Oktober 1979 IV B 6 - S 2365 - 85/79 (BStBl I 1979, 622) seien Unterhaltsaufwendungen an eine unterhaltene Person in der Türkei bis zu 2 000 DM nach § 33 a Abs. 1 EStG anzusetzen. Hierin liege eine angemessene Schätzung des abziehbaren Mindestunterhalts.
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung des § 33 a EStG.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat im Revisionsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das FG hat einerseits die Unterhaltsaufwendungen zugunsten der Ehefrau des Klägers zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung anerkannt und es hat andererseits den auf die Mutter des Klägers entfallenden Anteil an der Unterhaltsleistung von 5 620 DM um 54 DM zu niedrig angesetzt.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder auf andere Leistungen für Kinder nach § 8 Abs. 1 BKGG hat, so wird nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer grundsätzlich dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 3 000 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene Person, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Zwangsläufig erwachsen einem Steuerpflichtigen nach § 33 a Abs. 2 EStG Unterhaltsaufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Diese Grundsätze gelten für inländische Arbeitnehmer in gleicher Weise wie für in der Bundesrepublik tätige Gastarbeiter. Soweit Angehörige im Ausland unterstützt werden, können Unterhaltsaufwendungen aber nur insoweit nach § 33 a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden, als hierdurch der dortige notwendige Lebensbedarf des Empfängers im Kalenderjahr der Zahlung sichergestellt werden soll (vgl. BFH-Urteile vom 20. Januar 1978 VI R 170/76, BFHE 124, 505, BStBl II 1978, 342 und vom 22. Mai 1981 VI R 140/80, BFHE 133, 521, BStBl II 1981, 713).
Das FG ist im Streitfall zu Recht davon ausgegangen, daß Unterhaltsaufwendungen für die drei Kinder des Klägers nicht nach § 33 a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden können, weil der Kläger für sie Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG hatte. Das FG hat auch zutreffend darauf hingewiesen, daß nach dem Urteil des Senats in BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660, auf das im einzelnen Bezug genommen wird, Unterhaltsleistungen eines Gastarbeiters an seine von ihm nicht dauernd getrennt lebende, jedoch im Heimatland verbliebene Ehefrau nicht nach § 33 a Abs. 1 EStG abziehbar sind. Entgegen der Ansicht des FG kann von der Anwendung dieses Urteils im vorliegenden Verfahren aber nicht im Hinblick auf das BMF-Schreiben vom 26. Oktober 1979 abgesehen werden. Nach dem inzwischen ergangenen Urteil des Senats vom 28. November 1980 VI R 226/77 (BFHE 132, 264, BStBl II 1981, 319) können die Steuergerichte auf Billigkeitsgründen beruhende Übergangsregelungen der Verwaltung zur Anpassung an eine die Verwaltungspraxis ändernde Rechtsprechung seit Inkrafttreten der Abgabenordnung (AO 1977) nicht mehr in einem - wie hier vorliegenden - Anfechtungsverfahren gegen einen Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid berücksichtigen. Das gilt auch für Klage- und Revisionsverfahren, die vor diesem Zeitpunkt anhängig geworden sind. Auf die Entscheidung wird im einzelnen Bezug genommen. Es bleibt dem Kläger überlassen, bezüglich der von ihm geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen an seine Ehefrau im Streitjahr 1975 einen entsprechenden Billigkeitsantrag beim FA zu stellen.
Die im Streitverfahren mithin allein berücksichtigungsfähigen Unterhaltsaufwendungen an die Mutter können entgegen der Ansicht des FG nicht nur mit einem Betrag von 1 070 DM, sondern in Höhe von 1 124 DM als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen werden.
Der Senat tritt dem FG darin bei, daß der Unterhaltsbedarf erwachsener Personen, wie hier der Mutter des Klägers, in der Regel höher anzusetzen ist als der von Kindern im Alter von 7 bis 12 Jahren. Für eine Aufteilung einheitlicher Unterhaltsleistungen nach dem unterschiedlich hohen Unterhaltsbedarf der Empfänger entsprechend dem bei einzelnen Zivilkammern des Landgerichts Hamburg praktizierten Aufteilungsmaßstab je nach Altersgruppen und eigener Lebenshaltung ist aber im Rahmen des § 33 a Abs. 1 EStG aus rechtlichen Gründen kein Raum, weil die typisierenden Regelungen in dieser Vorschrift die Aufteilung von Zahlungen an mehrere Unterhaltsberechtigte nur nach Kopfteilen zulassen.
Die Aufteilungsfrage ist in § 33 a Abs. 1 EStG nicht ausdrücklich geregelt. Sie muß daher nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift beantwortet werden. Der Gesetzgeber hat in § 33 a Abs. 1 EStG bewußt eine stark typisierende Regelung getroffen, um bei den häufig vorkommenden Tatbeständen der Unterhaltsgewährung eine einheitliche und vereinfachte Besteuerung herbeizuführen, die die Gefahr einer ungleichmäßigen Behandlung der Steuerpflichtigen in Fällen, die im wesentlichen gleichartig sind, möglichst beseitigen, zumindest aber vermindern soll (vgl. Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 a Anm. 6). Aufgrund der Typisierung ist es hinzunehmen, daß die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen hier teilweise nicht berücksichtigt werden können. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht (vgl. Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 33 a Anm. I 1 S. 6 und die dort erwähnte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG -, des BFH und der FG). Die vom Gesetzgeber gewollte Typisierung zeigt sich darin, daß Unterhaltsaufwendungen grundsätzlich nur mit dem gleichen Höchstbetrag (im Streitjahr 1975 3 000 DM) zum Abzug zugelassen werden, ohne daß es darauf ankommt, ob die unterhaltene Person, sei es ein Erwachsener mit oder ohne eigenen Haushalt, ein Kind oder ein Säugling, einen höheren oder niedrigeren Unterhaltsbedarf hat. Der Gesetzgeber stellt in § 33 a Abs. 1 EStG auch nicht auf die Höhe der durchschnittlichen Lebenshaltungskosten ab. So lag, wie der Senat im Urteil in BFHE 124, 505, BStBl II 1978, 342 hervorgehoben hat, der bis einschließlich 1974 maßgebende Höchstbetrag von jährlich 1 200 DM bei den Verhältnissen in der Bundesrepublik nach der allgemeinen Lebenserfahrung unter dem Existenzminimum des in jenem Falle maßgebenden Streitjahres 1973. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des FA vermag auch der im Streitfall grundsätzlich anzusetzende Höchstbetrag von 3 000 DM bei Personen, die keine eigenen Einkünfte und Bezüge haben, kaum den Unterhaltsbedarf eines in der Bundesrepublik lebenden Unterhaltsberechtigten zu decken, selbst wenn er minderjährig ist und keinen eigenen Haushalt führt. § 33 a Abs. 1 EStG schließt außerdem die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an Kinder, für die der Steuerpflichtige Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG hat, ohne Rücksicht darauf aus, daß mit dem Kindergeld deren Unterhaltsbedarf im allgemeinen nicht befriedigt werden kann.
Kommt es aber bei der Anwendung des § 33 a Abs. 1 EStG auf die Höhe eines tatsächlichen oder durchschnittlichen Unterhaltsbedarfs in allen Fällen, in denen der Empfänger - wie im Streitfall - keine eigenen Einkünfte und Bezüge hat, nicht an, so widerspräche es der Typisierung des § 33 a Abs. 1 EStG, bei der Aufteilung von Unterhaltszahlungen, die für mehrere Angehörige bestimmt sind, nunmehr doch auf den unterschiedlichen Unterhaltsbedarf je nach Lebensalter und eigener Lebenshaltung abzustellen. Nach Ansicht der Verwaltung und der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. BMF-Schreiben vom 26. Oktober 1979, a. a. O.; Lademann/Söffing/Brockhoff, a. a. O, § 33 a Anm. 55; Blümich/Falk, a. a. O., § 33 a Anm. III 6 S. 26; Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 5. Aufl., § 33 a EStG Anm. 27; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: "Außergewöhnliche Belastungen", Abschn. III 2 S. 201; anderer Ansicht: Urteil des FG Hamburg vom 19. Juli 1977 I 123/76, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1977, 542), der sich der Senat anschließt, wird man dem typisierenden Charakter dieser Vorschrift nur dadurch gerecht, daß man die Unterhaltsberechtigten auch bei der Aufteilung von Unterhaltsbeträgen gleichbehandelt, indem man den Unterhaltsbetrag ohne Rücksicht auf die Höhe des Unterhaltsbedarfs im Einzelfall nach Kopfteilen aufgliedert. Dabei kann der Senat es hier dahingestellt sein lassen, ob der Ansicht des BMF im vorgenannten Schreiben vom 26. Oktober 1979 dahin zu folgen ist, daß bei der Aufteilung von einheitlichen Unterhaltsleistungen an die in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Ehefrau, Kinder und Angehörige mindestens der an den Steuerpflichtigen als Kindergeld gezahlte Betrag als auf die Kinder entfallend anzusetzen ist, da dies im Streitfall nicht zu einer Kürzung des auf die Mutter des Klägers entfallenden anteiligen Unterhaltsbetrages führen würde.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist entscheidungsreif. Das FG hat festgestellt, daß der Kläger im Streitjahr 1975 an seine in der Türkei lebenden Angehörigen, und zwar an die Mutter, die Ehefrau und seine drei Kinder, gemeinsam Unterhaltsbeträge von insgesamt 5 620 DM überwiesen hat und daß die Mutter nach der Bescheinigung des Gemeindevorstehers in der Türkei unterhaltsbedürftig war. Der Senat ist, auch wenn er in dieser Hinsicht Bedenken haben sollte, an diese Feststellungen gebunden, da das FA hiergegen keine Revisionsrügen vorgebracht hat (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Dieser Betrag von 5 620 DM ist gleichmäßig auf die fünf genannten Personen aufzuteilen, so daß auf jeden von ihnen eine Unterhaltsleistung von 1 124 DM entfällt. Nach den vorstehenden Ausführungen ist nur der auf die Mutter des Klägers entfallende anteilige Unterhaltsbetrag von 1 124 DM nach § 33 a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen. Dieser Betrag übersteigt nicht die Grenze des notwendigen Unterhalts entsprechend den Verhältnissen des Heimatlandes. Denn nach den vom FA im Revisionsverfahren nicht angegriffenen und den Senat mithin bindenden Feststellungen des FG ist in dem vom BMF in den Schreiben vom 26. Oktober 1979 (a. a. O.) und vom 8. Februar 1980 (BStBl I 1980, 85) entsprechend den Verhältnissen des Wohnsitzstaats festgelegten Freibetrag für einen Angehörigen in der Türkei in Höhe von 2 000 DM (2/3 von 3 000 DM) eine angemessene Schätzung des abziehbaren Unterhalts für das Streitjahr 1975 zu erblicken.
Fundstellen
Haufe-Index 74396 |
BStBl II 1982, 776 |
BFHE 1983, 213 |