Leitsatz (amtlich)
1. Zur Aufsicht der OFD über Lohnsteuerhilfevereine.
2. Die Übertragung der Aufsicht über die Lohnsteuerhilfevereine auf die Oberfinanzdirektionen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Orientierungssatz
1. Die OFD, in deren Bezirk der Lohnsteuerhilfeverein seinen Sitz hat, ist als Aufsichtsbehörde zu einer umfassenden Aufsicht über den Lohnsteuerhilfeverein befugt (§§ 27 bis 30 StBerG). Die Aufsicht erstreckt sich auf den gesamten Pflichtenkreis des Lohnsteuerhilfevereins nach den §§ 21 bis 26 StBerG und umfaßt auch die Befugnis zur Überwachung der Einhaltung aller weiteren Vorschriften für Lohnsteuerhilfevereine. Dabei kommt der Wahrung der Eigenschaft als Selbsthilfeeinrichtung von Arbeitnehmern zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen für die Mitglieder besondere Bedeutung zu. Die Wahrnehmung der Aufsichtsbefugnisse ist nicht an besondere gesetzliche Voraussetzungen gebunden. Die OFD ist nicht daran gebunden, eine Aufsichtsprüfung nur bei einem besonderen Anlaß vorzunehmen. In das Ermessen der OFD ist auch die Entscheidung darüber gestellt, wer die Aufsichtsprüfung vornehmen soll. Im Streitfall wurde ein Beamter des FA, in dessen Bezirk der Lohnsteuerhilfeverein seinen Sitz hat, mit der Prüfung beauftragt.
2. Die Übertragung der Aufsicht über die Lohnsteuerhilfevereine auf die OFD verstößt weder gegen Art. 12 Abs. 1 GG (Ausführungen und BVerfG-Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Beschränkung der Berufsausübung) noch gegen den Gleichheitssatz im Hinblick darauf, daß Steuerbevollmächtigte, Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften nicht einer solchen Aufsicht unterstellt sind. Die Anordnung einer Aufsichtsprüfung bei einem Lohnsteuerhilfeverein, die einen Verwaltungsakt darstellt (§ 164a StBerG i.V.m. § 118 AO 1977), verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn sie dem Betroffenen zumutbar ist (vgl. BVerfG-Rechtsprechung). Eine Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung kann auch nicht damit begründet werden, die Befugnis der Aufsichtsbehörde zur Teilnahme an der Mitgliederversammlung (§ 29 Abs. 2 StBerG) verstoße gegen Art. 9 GG. Die Ausgestaltung der Vereinigungsfreiheit ist dem Gesetzgeber durch Art. 9 Abs. 1 GG nicht entzogen (vgl. BVerfG-Rechtsprechung).
Normenkette
StBerG § 27 Abs. 1 Fassung: 1975-11-04, § 29 Abs. 2 Fassung: 1975-11-04, § 21 Fassung: 1975-11-04, § 22 Fassung: 1975-11-04, § 23 Fassung: 1975-11-04, § 24 Fassung: 1975-11-04, § 25 Fassung: 1975-11-04, § 26 Fassung: 1975-11-04; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 20; AO 1977 § 118; StBerG § 27 Fassung: 1975-11-04, § 28 Fassung: 1975-11-04, § 29 Fassung: 1975-11-04, § 30 Fassung: 1975-11-04
Nachgehend
Tatbestand
I. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Oberfinanzdirektion --OFD--) ordnete in einem Schreiben an den Kläger und Revisionskläger (Kläger) eine "Aufsichtsprüfung" in den Geschäftsräumen des Klägers mit dem Bemerken an, die Prüfung solle von einer Beamtin des Finanzamts (FA) N im Bezirk der OFD durchgeführt werden. Gleichzeitig bat die OFD den Kläger, bestimmte Geschäftsunterlagen zur Einsicht bereitzuhalten. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die Anordnung wurde damit begründet, der Kläger habe der OFD den Termin für die Durchführung der Mitgliederversammlung 1983 nicht mitgeteilt und nicht zu Fragen Stellung genommen, die folgende Angelegenheiten betrafen: Die Auszahlung von Beträgen an Vereinsorgane und das Beratungspersonal, die Aufgliederung der Personalkosten unter Angabe der Rechtsgrundlage für die Zahlung und die Aufklärung von Verwaltungs- und Organisationsarbeiten im Lohnauftrag durch eine Gesellschaft, deren Geschäftsführer ein Sohn des Vorstandes des Klägers war.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Aufhebung der Prüfungsanordnung begehrt worden war, mit folgender Begründung ab: Die Prüfungsanordnung verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die ihr zugrundeliegenden Vorschriften (§§ 27 bis 30 des Steuerberatungsgesetzes --StBerG--) seien nicht verfassungswidrig. Nach diesen Vorschriften sei die OFD berechtigt, Vertreter zur Mitgliederversammlung zu entsenden und die Befolgung der gesetzlichen Vorschriften durch den Kläger an Ort und Stelle zu prüfen. Es brauche nicht entschieden zu werden, ob die OFD berechtigt sei, die steuerliche Beratung der Vereinsmitglieder --stichprobenweise-- zu prüfen. Die OFD nehme eine solche Befugnis nicht für sich in Anspruch. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die OFD die danach bestehende Begrenzung der Prüfung überschreiten werde. Bei dieser Sachlage bestünden keine Bedenken dagegen, daß die Prüfung von einer Beamtin des FA durchgeführt werden solle. Die Ermessensentscheidung zur Durchführung der Prüfung sei auf sachgerechte Erwägungen gestützt.
Zur Begründung seiner Revision führt der Kläger folgendes aus: Die Regelungen in den §§ 27 bis 30 StBerG hielten einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Es stelle sich als ein Mißgriff des Gesetzgebers dar, die Lohnsteuerhilfevereine der Aufsicht der Finanzverwaltung zu unterstellen, da sie mit dieser Verwaltung in täglichen Auseinandersetzungen lägen. Durch die Dienstaufsicht der Finanzverwaltung entstehe eine Abhängigkeit der Lohnsteuerhilfevereine, die ihre Berufsausübung unzumutbar beeinträchtige. Das gelte besonders dann, wenn eine OFD ihre Aufsichtsbefugnisse --wie im Streitfall-- durch eine Beamtin gerade des FA wahrnehmen lasse, in dessen Bezirk der Kläger seinen Sitz habe. Die Regelungen in den §§ 27 bis 29 StBerG eröffneten die Möglichkeit zu Willkürmaßnahmen derjenigen Amtsträger, die für die Bearbeitung der Besteuerungsgrundlagen der Mitglieder von Lohnsteuerhilfevereinen zuständig seien. Das werde durch Art.12 Abs.1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) nicht gedeckt.
Diese grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken erhielten dadurch noch mehr Gewicht, daß die Aufsichtsbefugnisse derart weit ausgestaltet worden seien, daß die Finanzverwaltung in die Lage versetzt werde, sich ein lückenloses Bild über die steuerlichen Verhältnisse der Mitglieder des von einer Aufsichtsmaßnahme betroffenen Vereins zu verschaffen. Zumindest wegen dieser viel zu weit reichenden Aufsichtsbefugnisse stelle die Zuständigkeitsregelung einen Eingriff in das Grundrecht des Art.12 Abs.1 GG dar. Dieser Eingriff verletze auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der das Gebot des Interventionsminimums umfasse.
Die Regelung der Aufsicht über die Lohnsteuerhilfevereine verstoße auch gegen das Recht der Koalitionsfreiheit nach Art.9 Abs.1 GG. Durch die Befugnis nach § 29 Abs.2 StBerG, Vertreter zu Mitgliederversammlungen der Lohnsteuerhilfevereine zu entsenden, entstehe die Gefahr einer Aushöhlung der Vereinsautonomie von innen.
Durch die Regelungen in den §§ 27 bis 29 StBerG werde auch Art.3 GG verletzt. Steuerberater und Steuerbevollmächtigte unterlägen nahezu überhaupt keiner Kontrolle. Die streng rechtsstaatlich geregelten berufsgerichtlichen Maßnahmen, die diesen gegenüber zulässig seien, seien mit den Zugriffsmöglichkeiten der Aufsicht über Lohnsteuerhilfevereine nicht vergleichbar. Die Regelung der Aufsicht über die Berufskammern verleihe keine Aufsichtsbefugnisse gegenüber den einzelnen Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten. Die Anordnung der OFD, bestimmte Geschäftsunterlagen bereitzuhalten, komme einer Durchsuchung der Geschäftsräume des Klägers gleich. Eine solche Maßnahme sei bei Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten und Rechtsanwälten undenkbar. Ein sachlich einleuchtender Grund für die Unterschiede sei nicht zu erkennen.
Mit dem in Art.20 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip sei es nicht vereinbar, daß die Finanzverwaltung mit Hilfe von Aufsichtsmaßnahmen über Lohnsteuerhilfevereine Einblick in die persönlichen Verhältnisse der Mitglieder gewinnen könne.
Eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 27 bis 30 StBerG führe zu dem Ergebnis, daß Aufsichtsmaßnahmen von Finanzbehörden nur dann angeordnet werden dürften, wenn ein Lohnsteuerhilfeverein hinreichende Veranlassung dazu gegeben habe. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt.
Die Anordnung der Aufsichtsprüfung sei ermessensfehlerhaft, weil kein Anlaß dazu bestanden habe und weil mit der Durchführung eine Beamtin des FA beauftragt werden solle, in dessen Bezirk der Kläger seinen Sitz habe. Zur Übertragung von Aufsichtsprüfungen auf FÄ fehle eine Ermächtigungsgrundlage.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung dahin abzuändern, daß die Prüfungsanordnung und die Beschwerdeentscheidung aufgehoben werden.
Die OFD beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet. Das FG ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß die Anordnung der Aufsichtsprüfung den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Anordnung ein Verwaltungsakt i.S. des nach § 164a StBerG anzuwendenden § 118 der Abgabenordnung (AO 1977) ist. Durch die Anordnung sollte erkennbar für den Kläger verbindlich bestimmt werden, daß dieser die Durchführung von Aufsichtsmaßnahmen durch eine Beamtin des FA in seinen Geschäftsräumen zu dulden und zu diesem Zweck insbesondere die bezeichneten Geschäftsunterlagen zur Einsicht zur Verfügung zu stellen habe. Darin liegt --wie bei der Anordnung einer Außenprüfung nach § 196 AO 1977-- eine hoheitliche Maßnahme der OFD zur Regelung eines Einzelfalles, die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ergangen und auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Gegen die Anordnung war die Beschwerde gegeben (§ 164a StBerG, § 349 AO 1977).
2. Die Feststellungen des FG rechtfertigen die Entscheidung, daß die angefochtene Prüfungsanordnung nach den für sie maßgebenden Vorschriften des StBerG nicht zu beanstanden ist.
a) Die Aufsicht über die Lohnsteuerhilfevereine ist in den §§ 27 bis 30 StBerG geregelt. Diesen Vorschriften ist zu entnehmen, daß die OFD, in deren Bezirk der Lohnsteuerhilfeverein seinen Sitz hat, als Aufsichtsbehörde zu einer umfassenden Aufsicht über den Lohnsteuerhilfeverein befugt ist. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Beschluß vom 30.Oktober 1984 VII S 10/84, BFH/NV 1986, 701), erstreckt sich die Aufsicht auf den gesamten Pflichtenkreis des Lohnsteuerhilfevereins nach den §§ 21 bis 26 StBerG und umfaßt auch die Befugnis zur Überwachung der Einhaltung aller weiteren Vorschriften für Lohnsteuerhilfevereine. Dabei kommt der Wahrung der Eigenschaft als Selbsthilfeeinrichtung von Arbeitnehmern zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen für die Mitglieder (§ 13 Abs.1 StBerG) besondere Bedeutung zu; das hat zur Folge, daß die Überwachungsbefugnis sich auch auf die Wahrung der Erfordernisse erstreckt, die sich aus dieser Eigenschaft ergeben.
Die Wahrnehmung der Aufsichtsbefugnisse ist nicht an besondere gesetzliche Voraussetzungen gebunden. Das gilt sowohl für die Entscheidung, ob eine Aufsicht durchgeführt werden soll, als auch für die Art und Weise ihrer Durchführung. Daraus folgt, daß Einleitung und Durchführung der Aufsicht in das freie --d.h. pflichtgemäße-- Ermessen der OFD als Aufsichtsbehörde gestellt sind. Im gerichtlichen Verfahren kann nur geprüft werden, ob gesetzliche Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
b) Die vorgenannten, für die Aufsicht über die Lohnsteuerhilfevereine maßgebenden Grundsätze werden durch die streitbefangene Prüfungsanordnung nicht verletzt.
aa) Die Prüfungsanordnung überschreitet nicht die Grenzen der aufgezeigten, den Vorschriften des StBerG zu entnehmenden Aufsichtsbefugnisse der OFD. Der Prüfungsanordnung ist zu entnehmen, daß die OFD Einsicht in bestimmte Geschäftsunterlagen nehmen will, um die Personalkosten, insbesondere die Auszahlungen an Vereinsorgane und an das Beratungspersonal sowie die dafür maßgebenden Rechtsgrundlagen zu prüfen und darüber hinaus die Frage nach der Durchführung von Verwaltungs- und Organisationsaufgaben im Lohnauftrag zu klären. Diese Prüfung dient offenbar dem Ziel, im Wege der Aufsicht eine Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung der Frage zu erlangen, ob die Erfordernisse gewahrt worden sind, die sich aus der gesetzlich bestimmten Eigenschaft des Lohnsteuerhilfevereins als Selbsthilfeeinrichtung entsprechend der Regelung in § 13 Abs.1 StBerG ergeben. Die Befugnis dazu ist, wie dargelegt, den Vorschriften des StBerG über die Aufsicht zu entnehmen.
bb) Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die OFD bei dem Entschluß, die Aufsicht durchzuführen, und bei der Bestimmung der Art und Weise der Durchführung gesetzliche Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
Der Einwand des Klägers, die Anordnung der Aufsichtsprüfung sei deshalb ermessenswidrig, weil er --der Kläger-- keinen Anlaß dazu gegeben habe, greift schon deshalb nicht durch, weil die Ausübung der Aufsicht nicht von der Voraussetzung abhängig ist, daß der Betroffene einen Anlaß dazu gegeben hat. Die Abhängigkeit von einer solchen Voraussetzung kann auch dem Zweck der Ermächtigung zur Ausübung der Aufsicht nach pflichtgemäßem Ermessen nicht entnommen werden. Es kann vielmehr durchaus angebracht sein, Aufsichtsmaßnahmen vorzunehmen, obwohl kein besonderer Anlaß dazu besteht. Denn der Zweck der Ermächtigung ist --zumindest auch-- darin zu erblicken, daß die OFD vor allem auch zur Wahrung der Interessen der Vereinsmitglieder darauf achtet, daß Pflichtverletzungen und Verstöße eines Lohnsteuerhilfevereins gegen die von ihm zu beachtenden Vorschriften unterbleiben, insbesondere die sich aus dessen Eigenschaft als Selbsthilfeeinrichtung ergebenden Erfordernisse gewahrt werden. Zur Erreichung dieses Zwecks darf die OFD nicht daran gebunden sein, eine Prüfung nur bei besonderem Anlaß vorzunehmen.
Im übrigen hat die OFD im Streitfall die Gründe, die sie zu der Prüfungsanordnung veranlaßt haben, dargelegt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß diese Gründe unzutreffend sind. Sie sind auch nicht unsachgemäß.
In das Ermessen der OFD ist auch die Entscheidung darüber gestellt, wer die Aufsichtsprüfung vornehmen soll. Diese Entscheidung betrifft die Art und Weise der Durchführung der Prüfung und ist im Gesetz nicht näher geregelt.
Auch die Ausübung des Ermessens dahin, daß eine Beamtin des FA die Prüfung vornehmen soll, in dessen Bezirk der Kläger seinen Sitz hat, ist unter Beachtung der Grenzen für die gerichtliche Prüfung einer Ermessensentscheidung nach § 102 FGO nicht zu beanstanden. Die Ermessensausübung ist auch insoweit nicht gesetzlich eingeschränkt. Auch dem Zweck der Ermächtigung zur Ermessensausübung lassen sich insoweit keine grundsätzlichen Schranken entnehmen.
Das Bestreben des Klägers, die Aufsichtsprüfung durch eine Beamtin des FA zu unterbinden, in dessen Bezirk er seinen Sitz hat, beruht offenbar auf der Befürchtung, durch die Aufsicht könne Einblick in die steuerlichen Verhältnisse der Mitglieder erlangt werden. Den Feststellungen des FG ist aber zu entnehmen, daß diese Befürchtung nicht gerechtfertigt ist. Das FG hat dazu ausgeführt, die OFD nehme nicht die Befugnis für sich in Anspruch, die steuerliche Beratung der Vereinsmitglieder zu prüfen. Die Prüfung gelte der Vereinsgeschäftsführung und nicht der unmittelbaren steuerberatenden Tätigkeit für die Vereinsmitglieder. Das beinhaltet die Feststellung, daß auch die Unterlagen für die unmittelbare steuerberatende Tätigkeit der Vereinsmitglieder, aus denen die steuerlichen Verhältnisse der Vereinsmitglieder zu ersehen sind, nicht Gegenstand der Prüfung sein sollen.
3. Die Übertragung der Aufsichtsführung auf die OFD durch das StBerG ist zumindest in dem Maße, in dem die OFD nach den Feststellungen des FG im Streitfall davon Gebrauch machen will, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Bei der Beurteilung der Frage, ob die Übertragung der Aufsichtsführung auf die OFD gegen Art.12 GG verstößt, ergeben sich bereits Zweifel, ob ein Lohnsteuerhilfeverein sich überhaupt auf das Grundrecht der Berufsfreiheit berufen kann. Geht man davon aus, daß geschütztes Rechtsgut nach Art.12 GG die als Lebensgrundlage dienende Betätigung ist (vgl. Maunz/Dürig, Grundgesetz, 1987, Art.12 Rdnr.18 ff.), erscheint zumindest nicht zweifelsfrei, ob das Betreiben eines Lohnsteuerhilfevereins mit Rücksicht auf dessen Eigenschaft als Selbsthilfeeinrichtung (§ 13 Abs.1 StBerG) eine durch Art.12 GG geschützte Tätigkeit sein kann (so auch Beschluß des Bundesverfassungsgericht --BVerfG-- vom 7.Juni 1983 1 BvR 1370/82, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1983, 593).
Aber auch wenn der Senat davon ausgeht, daß Art.12 Abs.1 GG auf Grund Art.19 Abs.3 GG anwendbar ist, wird diese Vorschrift durch Übertragung der Aufsichtsführung auf die OFD in dem für den Streitfall erforderlichen Umfang nicht verletzt. Die Übertragung betrifft dann nur die Berufsausübung. Deren Beschränkung ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschlüsse vom 19.November 1985 1 BvR 38/78, BVerfGE 71, 183, 196, und vom 12.Februar 1986 1 BvR 1770/83, BVerfGE 72, 26, 31) zulässig, wenn sie durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgt, wenn sie ferner durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird, wenn außerdem das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtwürdigung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist. Diese Anforderungen sind im Streitfall erfüllt.
aa) Gründe des Gemeinwohls, die die Übertragung der Aufsicht auf die OFD durch die Vorschriften des StBerG rechtfertigen, ergeben sich daraus, daß Lohnsteuerhilfevereine zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen, wenn auch beschränkt auf Lohnsteuersachen für ihre Mitglieder, befugt sind (§ 13 Abs.1 i.V.m. § 4 Nr.11 StBerG).
Die Hilfeleistung in Steuersachen ist ein durch die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschlüsse vom 27.Januar 1982 1 BvR 807/80, BVerfGE 59, 302, 316 f., und vom 18.November 1980 1 BvR 228, 311/73, BVerfGE 55, 185, 196) anerkanntes überragendes Gemeinschaftsgut, das auch unter Einschränkung der Freiheit des Einzelnen zu schützen ist. Im Interesse des Steueraufkommens, der Steuermoral sowie zum Schutz gesetzesunkundiger Steuerpflichtiger, die durch Falschberatung unfähiger und ungeeigneter Berater schwere Nachteile erleiden können, soll sichergestellt werden, daß nur solche Berater geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen leisten, die dazu die erforderliche sachliche und persönliche Zuverlässigkeit besitzen (BVerfGE 59, 302, 316 f.). Diese Anforderungen machen die Hilfeleistung in Steuersachen grundsätzlich zu einer höchstpersönlichen Leistung (Beschluß des BVerfG vom 15.März 1967 1 BvR 575/62, BVerfGE 21, 227, 232) und rechtfertigen es, die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung nur bestimmten Personen (grundsätzlich lich nur Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten, vgl. § 3 Nr.1 StBerG) zuzugestehen, die durch die Erfüllung bestimmter persönlicher Voraussetzungen hinreichende Gewähr für die erforderliche sachliche und persönliche Zuverlässigkeit bieten.
Ein Lohnsteuerhilfeverein bietet zumindest nicht von vornherein dafür Gewähr, daß diese Anforderungen erfüllt werden. Abgesehen davon, daß die Hilfeleistung in Steuersachen durch einen Verein grundsätzlich nicht mit dem höchstpersönlichen Charakter dieser Tätigkeit vereinbar ist und deshalb nur --wie die Hilfeleistung in Steuersachen durch eine Steuerberatungsgesellschaft (vgl. BVerfGE 21, 227, 232)-- eine besonders begründete Ausnahme sein kann, gilt für Lohnsteuerhilfevereine noch die --weitere-- Besonderheit, daß sie nicht von Steuerberatern (oder Steuerbevollmächtigten) verantwortlich geführt sein müssen. Darin ist ein Grund dafür zu erblicken, Lohnsteuerhilfevereinen --anders als den Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften (vgl. § 57 Abs.1, § 72 Abs.1 StBerG)-- die sachgemäße Ausübung der Hilfeleistung als besondere Pflicht aufzuerlegen (§ 26 Abs.1 StBerG), und ihnen im Gegensatz zu Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften (§ 57 Abs.1, § 72 Abs.1 StBerG) nicht zuzugestehen, die Hilfeleistung "unabhängig", d.h. losgelöst von der Aufsicht durch die OFD, auszuüben.
Danach soll durch die im Gesetz besonders ausgesprochene Verpflichtung zur sachgemäßen Ausübung der Hilfeleistung, die allen Personen obliegt, deren sich ein Lohnsteuerhilfeverein bei der Hilfeleistung bedient (§ 26 Abs.3 StBerG), offenbar erreicht werden, daß das Ziel gewahrt wird, die Hilfeleistung nur Beratern anzuvertrauen, die die notwendige sachliche und persönliche Zuverlässigkeit besitzen. Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, das Ziel werde schon durch die besonderen Anforderungen an den Leiter einer Beratungsstelle (vgl. § 23 Abs.3 StBerG) erreicht. Abgesehen davon, daß diese Anforderungen nicht den persönlichen Voraussetzungen entsprechen, die ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter zu erfüllen hat, gilt diese Regelung nicht für alle in einer Beratungsstelle tätigen Personen.
Schon diese besondere Verpflichtung der Lohnsteuerhilfevereine gebietet eine Beaufsichtigung, um eine Erfüllung der Verpflichtung zu gewährleisten. Darüber hinaus erscheint es auch unabweisbar, die Erfüllung weitere Pflichten und die Einhaltung der besonderen Vorschriften für Lohnsteuerhilfevereine im Wege einer Beaufsichtigung sicherzustellen. Schon die Auferlegung der besonderen Verpflichtung, die Hilfeleistung sachgemäß auszuüben, rechtfertigt auch die Regelung einer Aufsicht durch eine fachkundige Stelle. Ohne eine derartige Aufsicht ist die Einhaltung und Durchsetzung der Verpflichtung nicht gewährleistet. Es erscheint dem Senat nicht zweifelhaft, daß die OFD eine fachkundige und deshalb zur Wahrnehmung der Aufsicht geeignete Stelle ist.
bb) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die Aufsicht durch die OFD ein geeignetes Mittel ist, um die aufgezeigten Ziele zu erreichen, und daß dieses Mittel auch erforderlich ist.
cc) Die Aufsicht und deren Wahrnehmung durch die OFD ist auch zumutbar. Der Senat braucht dabei nicht über die Grenze der Zumutbarkeit einer Aufsicht zu entscheiden, die sich auf die Beratung der Vereinsmitglieder oder auf deren steuerliche Verhältnisse erstrecken würde. Denn nach den Feststellungen des FG sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die OFD im Streitfall diese Bereiche in die Aufsicht einbeziehen will. Mit Rücksicht auf die dargelegten besonderen Anforderungen an die Hilfeleistung und zur Gewährleistung, daß diese auch erfüllt werden, muß einem Lohnsteuerhilfeverein aber wegen der aufgezeigten Besonderheiten grundsätzlich zugemutet werden, daß er die Aufsicht durch eine Behörde hinnimmt, die dazu die nötige Fachkunde besitzt.
b) Die Übertragung der Aufsicht auf die OFD verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Ein derartiger Verstoß kann nicht darin gesehen werden, daß Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften nicht einer solchen Aufsicht unterstellt sind. Mit diesen Normadressaten ist ein Lohnsteuerhilfeverein nicht vergleichbar. Der für den Streitfall maßgebliche Unterschied ergibt sich daraus, daß die Bestellung eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten von besonderen persönlichen Voraussetzungen insbesondere fachlicher Art abhängig ist (vgl. §§ 35 bis 37, 156 StBerG). Entsprechendes gilt für einen Vergleich der Lohnsteuerhilfevereine mit Steuerberatungsgesellschaften. Auf deren Anerkennung wirkt sich die Abhängigkeit der Bestellung eines Steuerberaters von den besonderen persönlichen Voraussetzungen ebenfalls aus, da eine Steuerberatungsgesellschaft nur anerkannt werden darf, wenn sie nachgewiesen hat, daß sie von Steuerberatern verantwortlich geführt wird (vgl. § 32 Abs.3 StBerG). Die Lohnsteuerhilfevereine nehmen danach schon hinsichtlich der Voraussetzungen für ihre Anerkennung und insbesondere hinsichtlich der fachlichen Voraussetzungen eine Sonderstellung ein, die sie von den Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten sowie auch von Steuerberatungsgesellschaften wesentlich unterscheiden. Gerade dieser Unterschied ist erkennbar die Ursache dafür, daß die Lohnsteuerhilfevereine einer besonderen Aufsicht unterstellt worden sind.
c) Es sind auch keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ersichtlich. Zu dessen Wahrung muß eine Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sowie dem Betroffenen zumutbar sein; außerdem darf die Maßnahme den Betroffenen nicht übermäßig belasten (Beschluß des BVerfG vom 10.Februar 1987 1 BvL 15/83, BVerfGE 74, 203, 214 f.). Eignung, Erfordernis und Zumutbarkeit der Aufsicht sind bereits dargelegt worden. Die Aufsicht führt danach zumindest in dem für den Streitfall besonderen Maße auch nicht zu einer übermäßigen Belastung des Betroffenen. Eine solche Belastung liegt grundsätzlich schon dann nicht vor, wenn eine Maßnahme dem Betroffenen zumutbar ist (vgl. Beschluß des BVerfG vom 19.Oktober 1982 1 BvL 34, 55/80, BVerfGE 61, 126, 134). Das trifft, wie dargelegt, im Streitfall zu.
d) Eine Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung kann auch nicht damit begründet werden, die Befugnis der Aufsichtsbehörde zur Teilnahme an der Mitgliederversammlung (§ 29 Abs.2 StBerG) verstoße gegen Art.9 GG. Ein Verstoß gegen diese Grundrechtsbestimmung kommt im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht ersichtlich ist, daß durch die Prüfungsanordnung eine Teilnahme der OFD an einer Mitgliederversammlung erreicht werden soll. Im übrigen verkennt der Kläger, daß die Ausgestaltung der Vereinigungsfreiheit dem Gesetzgeber durch Art.9 Abs.1 GG nicht entzogen ist, vielmehr sowohl Organisation als auch Willensbildung von Vereinen durchaus gesetzlichen Regelungen zugänglich sind (vgl. Urteil des BVerfG vom 1.März 1979 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 354 f.).
e) Die Frage, ob die Anordnung der Aufsichtsprüfung gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen würde, wenn die Aufsichtsprüfung darauf gerichtet wäre, Einblick in die persönlichen Verhältnisse der Mitglieder zu gewinnen, bedarf keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen des FG ist, wie bereits ausgeführt, davon auszugehen, daß mit der Aufsichtsprüfung ein derartiges Ziel nicht angestrebt wird.
Fundstellen
Haufe-Index 62222 |
BStBl II 1988, 684 |
BFHE 153, 277 |
BFHE 1989, 277 |
BB 1988, 1452-1452 (T) |
HFR 1988, 524 (LT1-2) |