Leitsatz (amtlich)
Die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 richtet sich danach, ob ein Unternehmen als Ganzes ein Beförderungsunternehmen ist; auf die einzelnen Betriebe (Betriebszweige, Betriebsabteilungen) eines Unternehmens kann nicht abgestellt werden.
Normenkette
BefStG § 3 Abs. 1 Nr. 2, § 1/3/1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beförderung von Kranmastteilen auf einem Anhänger für Zwecke eines Unternehmens, das unter anderem Schwertransporte ausführt und Hilfe bei Montagen leistet, Beförderungsteuer begründet.
Die Bgin. betreibt ein Speditions- und Transportunternehmen, das auch über eine Schwertransportabteilung verfügt. Im Rahmen dieser Abteilung setzt die Bgin. Kranwagen ein. Diese Kranwagen sind verkehrsrechtlich als selbstfahrende Arbeitsmaschinen anerkannt. Die Kranwagen und ihre Anhänger waren kraftfahrzeugsteuerfrei. Die Beförderungen mit ihnen unterliegen nach den Feststellungen des Finanzgerichts auch nicht den Bestimmungen des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG). Mit Hilfe der Kranwagen werden Schwergüter bewegt, vorwiegend, um die erforderlichen Hebevorgänge bei der Montage, die durch andere Firmen vorgenommen wird, auszuführen, seltener, um Schwertransportanhänger zu beladen oder zu entladen. Da die Kranwagen nach der Behauptung der Bgin. aus verkehrsrechtlichen Gründen nur mit Masten bis zu 10 m Länge fahren dürfen, werden die erforderlichen Verlängerungsstücke für die Masten entweder auf den Kranwagen selbst oder auf Anhängern mitgeführt. Soweit Beförderungen auf Anhängern durchgeführt wurden, hielt sie das Finanzamt in übereinstimmung mit dem Betriebsprüfer und der zuständigen Oberfinanzdirektion für beförderungsteuerpflichtig. Neben anderen, von der Bgin. als berechtigt anerkannten Steuernachforderungen führte diese Auffassung zu einem Mehr an Beförderungsteuer für die Jahre 1958 und 1959 von zusammen 600 DM.
Mit dem auf die Steuerforderung für diese Beförderungen beschränkten Einspruch machte die Bgin. ohne Erfolg geltend,
daß die Mitnahme der Kranmastteile auf einem Anhänger den Zwecken des eigenen Beförderungsunternehmens gedient habe und daher nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 von der Beförderungsteuer befreit sei,
daß darüber hinaus eine Steuererhebung deshalb nicht in Betracht komme, weil die Kranmastteile Zubehör des Spezialkrans darstellten und die Mitnahme von Zubehör keine steuerpflichtige Güterbeförderung sei (ß 6 Abs. 1 BefStDV 1955).
Das Finanzgericht hat in seinem in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1962 Nr. 253 S. 242 veröffentlichten Urteil entschieden, daß im Streitfall die Kranmastteile Zubehör des Kranwagens seien. Da es nach § 6 Abs. 1 BefStDV darauf ankomme, ob das Zubehör mit, nicht auf dem Kranwagen oder Anhänger befördert werde, liege auch dann keine Güterbeförderung im Sinne des Gesetzes vor, wenn das Zubehör nicht auf dem Kranwagen, sondern auf dem Anhänger befördert werde. Es hat die Bgin. aus diesem Grunde von der geforderten Steuer freigestellt.
Mit der hiergegen eingelegten Rb. begehrt der Vorsteher des Finanzamts (Bf.) Wiederherstellung der Einspruchsentscheidung.
Die Bgin. hatte mündliche Verhandlung beantragt. In dem gemäß § 294 Abs. 2 AO erlassenen Vorbescheid vom 9. April 1964 hatte der Senat die Bgin. ebenfalls von der angeforderten, im Streit befangenen Beförderungsteuer freigestellt, und zwar in Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955. In der hierauf vom Vorsteher des Finanzamts beantragten mündlichen Verhandlung hat letzterer in Ergänzung seines bisherigen Vorbringens im wesentlichen noch vorgetragen, der in § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 verwendete Begriff des Beförderungsunternehmens finde sich schon in § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Besteuerung des Personen- und Güterverkehrs vom 8. April 1917 (RGBl S. 329), als das UStG noch nicht bestanden habe. Aus der damaligen Gesetzesbegründung (Verhandlungen des Reichstags, XII. Legislaturperiode, II. Session, Bd. 320, Drucksache Nr. 631 S. 18, 19) ergebe sich, daß durch diese Befreiungsvorschrift insbesondere die Beförderung des Dienstgutes der Eisenbahnbetriebsverwaltung steuerfrei gelassen werden sollte. Danach hätten die Güter für die Zwecke des Beförderungsunternehmens bestimmt sein müssen, es habe nicht genügt, daß sie für einen sonstigen Betrieb des Unternehmens bestimmt gewesen seien. Auch die Fassung des § 13 BefStG 1955 lasse darauf schließen, daß der Begriff des Beförderungsunternehmens in § 3 Abs. 1 Nr. 2 nicht im umsatzsteuerrechtlichen Sinne zu verstehen sei. Eine andere Auslegung gebe nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums Anlaß zu Bedenken aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG), da anstelle der beabsichtigten erhöhten Besteuerung des Werkfernverkehrs eine Steuerbefreiung eines nicht für Zwecke des Beförderungsbetriebs durchgeführten Werkfernverkehrs einträte, wenn der Hauptzweck des Unternehmens überwiegend auf die Fortbewegung von Personen oder Gütern gerichtet wäre. Hierdurch wären die Unternehmer mit Werkfernverkehr ohne oder ohne ausreichendes Fuhrgeschäft hinsichtlich des von ihnen betriebenen eigenen Werkfernverkehrs benachteiligt. Außerdem ergäben sich praktische Abgrenzungsschwierigkeiten, insbesondere bei gemischten Betrieben. Schließlich müsse erforderlichenfalls noch geprüft werden, ob die Bgin. ihrem Hauptzweck nach ein Beförderungsunternehmen sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Bf. ist auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht begründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Ansicht des Finanzgerichts gefolgt werden könnte, daß es sich bei der Mitnahme der Kranmastteile auf einem Anhänger hinter der Arbeitsmaschine um die Beförderung von Zubehör des Fahrzeugs handelt, mit dem die Beförderung ausgeführt wird; denn jedenfalls rechtfertigt sich die Freistellung der Beförderung der Kranmastteile von der Beförderungsteuer schon aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955. Nach dieser Vorschrift ist die Beförderung von Gütern, die den Zwecken des eigenen Beförderungsunternehmens dient, von der Steuer befreit. Im Streitfall dienen die Beförderungen der Kranmastteile den begünstigten Zwecken, da der Wortlaut der Vorschrift die vom Bf. erstrebte einengende Auslegung des Begriffs "Beförderungsunternehmen" nicht zuläßt. Entgegen der Ansicht des Bf., der unter einem Beförderungsunternehmen nur den "Betriebszweig Beförderung" eines Unternehmens verstanden wissen möchte, ist unter einem Beförderungsunternehmen ein Unternehmen zu verstehen, dessen Zweck oder Hauptzweck auf die Fortbewegung von Personen oder Gütern gerichtet ist. Diese Auslegung des Begriffs "Beförderungsunternehmen" - einer Zusammensetzung der Begriffe "Beförderung" und "Unternehmen" - folgt aus dem Beförderungsteuerrecht selbst (ß 4 Abs. 1 BefStDV und § 1 Abs. 3 BefStG). "Beförderung" im Sinne des Gesetzes und seiner Durchführungsverordnung ist die Tätigkeit, die im Rahmen eines Unternehmens stattfindet und auf die Fortbewegung von Personen und Gütern gerichtet ist, wobei unter anderem Voraussetzung ist, daß die Fortbewegung Selbstzweck oder Hauptzweck der Tätigkeit ist (ß 4 Abs. 1 BefStDV). Der Begriff des Unternehmens richtet sich auch für die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 gemäß § 1 Abs. 3 BefStG nach dem Umsatzsteuerrecht. Demnach ist nicht jedes Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuerrechts auch ein Beförderungsunternehmen, umgekehrt jedes Beförderungsunternehmen aber ein Unternehmen. Auch das Unternehmen im Sinne des Beförderungsteuerrechts umfaßt also die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers (ß 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). Es kann daher für die Frage, ob eine Güterbeförderung den Zwecken des Beförderungsunternehmens dient, nicht auf die einzelnen Betriebszweige des Unternehmens zurückgegriffen werden.
Ein Unternehmer kann umsatzsteuerrechtlich und damit beförderungsteuerrechtlich immer nur ein Unternehmen haben. Zwar kann sich das Unternehmen in verschiedene Betriebe oder auch nur Betriebszweige (Betriebsabteilungen) aufspalten. Aber auch dann liegt umsatzsteuerrechtlich und beförderungsteuerrechtlich stets nur ein einheitliches Unternehmen vor (vgl. insoweit auch Klein-Schrötter, Kommentar zum Verkehrsfinanzgesetz 1955, Abschn. II Anm. 16 Abs. 4 S. 88). Selbst wenn man unterstellt, daß der Gesetzgeber im Jahre 1917 bei Schaffung des Gesetzes über die Besteuerung des Personen- und Güterverkehrs unter Beförderungsunternehmen auch einzelne "Betriebe" eines Unternehmens verstanden haben wollte, so würde gerade durch die Tatsache, daß damals das UStG noch nicht bestand, in Verbindung mit dem Umstand, daß dem Gesetzgeber im Jahre 1955 die geschichtliche Entwicklung der Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 nicht unbekannt gewesen sein kann, bewiesen, daß durch vorbehaltlose übernahme der Unternehmer- und Unternehmensbegriffe aus dem Umsatzsteuerrecht in das Beförderungsteuerrecht durch Abschn. II Art. 1 Nr. 1 des Verkehrsfinanzgesetzes 1955 vom 6. April 1955 (BGBl I S. 166, BStBl I S. 155) auch dem § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG ein neuer Inhalt gegeben worden ist. Gegenüber dieser notwendig engen Koppelung von Steuergegenstand (ß 1 BefStG 1955) und Befreiungsvorschrift (ß 3 BefStG 1955), aus der sich der sachliche Umfang der Beförderungsteuerpflicht ergibt, kann der Hinweis des Bf. auf § 13 BefStG 1955 nicht durchschlagen. Abgesehen davon, daß es sich dort um einen besonderen Kreis von Steuerpflichtigen (öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften) handelt, betrifft diese rein formelle Vorschrift nur technische Fragen der Abgabe von Steuerberechnungsnachweisungen und muß bei Abwägung der Bedeutung einzelner Bestimmungen als Anordnung minderen Gehalts gegenüber den materiell-rechtlichen Vorschrift zurücktreten. Nebenbei sei bemerkt, daß die dem § 13 BefStG 1955 entsprechenden Vorschriften des § 14 der BefStG 1917, 1926 und 1936 im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 dieser Gesetze nicht von Beförderungsunternehmen, sondern von "Beförderungsunternehmungen" des Reiches usw. sprachen - einem Begriff rein technisch-organisatorischer, im Steuerrecht im allgemeinen nicht gebräuchlicher Art - und daß dieser Begriff nicht durch das Verkehrsfinanzgesetz selbst, sondern auf Grund der Ermächtigung des Abschn. II Art. 3 Abs. 3 dieses Gesetzes zur Beseitigung von "Unstimmigkeiten des Wortlauts" bei Bekanntgabe des neuen Wortlauts des BefStG 1955 durch den Ausdruck Beförderungsunternehmen ersetzt worden ist.
Der nach Auffassung des Senats eindeutige Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 läßt aber - wie der Senat in letzter Zeit wiederholt ausgesprochen hat (z. B. Urteil des Senats II 196/61 U vom 26. Juni 1963, BStBl 1963 III S. 402, 403 zu II 1, Slg. Bd. 77 S. 227, 229 mit weiteren Zitaten auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts) - eine einengende Auslegung im Sinne des Begehrens des Vorstehers des Finanzamts schon deshalb nicht zu, weil er - wie im Streitfall - zu einer Verschärfung der Besteuerung führen kann. Selbst wenn man der Auffassung wäre, durch verschiedenartige Begriffsverwendungen oder Verweisungen seien Unklarheiten des Gesetzes entstanden, so könnten solche Unklarheiten nicht zu Lasten des Staatsbürgers gehen.
Demgemäß richtet sich die Entscheidung, ob ein Beförderungsunternehmen vorliegt, danach, ob das Unternehmen als Ganzes eine Tätigkeit ausübt, die auf die Fortbewegung von Personen und Gütern gerichtet ist. Bei einem Unternehmen, das auch andere Tätigkeiten verrichtet, muß sein Hauptzweck entscheiden (vgl. insoweit auch Sperling, Beförderungsteuer-Kommentar, 1962, S. 113 Tz. 112 Abs. 2).
Der Einwendung, daß die vorstehende Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 Bedenken der vom Bf. vorgetragenen Art im Hinblick auf Art. 3 GG erwecke, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG fordert nur, daß sachverhaltlich wesentlich Gleiches auch rechtlich gleich, sachverhaltlich Ungleiches jedoch je nach seiner Eigenart rechtlich ungleich zu behandeln ist. Bei der vom Senat für zutreffend erachteten Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 werden aber gerade sachverhaltlich gleichgelagerte Fälle auch rechtlich gleich und sachverhaltlich ungleiche Fälle entsprechend ungleich besteuert. Der Senat ist sich dessen bewußt, daß bei der tatsächlichen Abgrenzung der steuerrechtlich zu erfassenden Sachverhalte sich gewisse Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben könne, insbesondere auch hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Hauptzweck des Unternehmens als Ganzes das Unternehmen zu einem Beförderungsunternehmen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 stempelt. Aber auch diese Schwierigkeiten auf tatsächlichem Gebiet rechtfertigen es nicht, unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG die streitige Befreiungsvorschrift trotz ihres Wortlauts in einer Weise auszulegen, die ihre Anwendbarkeit zum Nachteil des Steuerpflichtigen einschränken kann.
Die Bgin. als ein Speditions-, Güterfern- und -nahverkehrs-, Möbelfern- und Schwertransportunternehmen ist bisher bereits im ersten Rechtszug stets unwidersprochen und unbestritten in übereinstimmung mit dem gesamten dem Senat vorliegenden Akteninhalt als Beförderungsunternehmen bezeichnet und behandelt worden, dessen Hauptzweck also auf den Beförderungsleistungen beruht. Da auch die zu beurteilenden Beförderungen den Zwecken des eigenen Unternehmens im Sinne der vorstehenden Ausführungen gedient haben, hat das Finanzgericht die Bgin. im Ergebnis zu Recht von der angeforderten, auf die Beförderung der Kranmastteile entfallenden Beförderungsteuer freigestellt. Sollte der Vertreter des Bf. seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, erforderlichenfalls müsse noch geprüft werden, ob die Bgin. nach ihrem Hauptzweck ein Beförderungsunternehmen sei, dahin verstanden wissen wollen, daß die Bgin. tatsächlich möglicherweise kein Beförderungsunternehmen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 sei, so läge in diesen Ausführungen ein neues tatsächliches Vorbringen, mit dem der Vorsteher des Finanzamts in dieser Instanz nicht mehr gehört werden könnte (ß 288 Nr. 1, § 296 Abs. 1 AO).
Die Frage, ob die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG 1955 nur auf Beförderungsunternehmen anzuwenden ist, deren Hauptgegenstand das Ausführen steuerbarer Beförderungen im Sinne des § 1 BefStG 1955 ist, war im Streitfall nicht zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 411387 |
BStBl III 1965, 38 |
BFHE 1965, 103 |
BFHE 81, 103 |