Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Kfz-Kosten Behinderter; Behinderten-Pauschbetrag verfassungsgemäß
Leitsatz (NV)
1. Nur außergewöhnliche Umstände können eine Überschreitung der bei der steuerlichen Berücksichtigung der Kfz-Kosten Schwerbehinderter in der Regel anzusetzenden Pauschsätze rechtfertigen, wenn geltend gemacht wird, daß der Behinderte auf ein besonderes Fahrzeug angewiesen sei, für das überdurchschnittlich hohe Aufwendungen erforderlich sind.
2. Der Behinderten-Pauschbetrag nach §33 b Abs. 3 Satz 3 EStG ist jedenfalls für das Jahr 1994 nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden.
Normenkette
EStG § 33
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen; sein Schwerbehindertenausweis weist eine 100 %ige Behinderung und das Merkmal "aG" aus. Er macht Kfz-Kosten in Höhe von 17 807,70 DM geltend, davon 11 735 DM als Absetzungen für Abnutzung (AfA).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) legte bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers die nach seinen Angaben im Streitjahr gefahrenen 14 049 km zugrunde, berücksichtigte jedoch im übrigen nur einen Pauschsatz von 0,52 DM/km, mithin insgesamt 7 305,48 DM. Mit der hiergegen erhobenen Sprungklage machte der Kläger geltend, er benutze einen BMW 525 und benötige auch einen Wagen dieser Größe, weil er seinen Rollstuhl im Kofferraum unterbringen müsse. Deshalb und aufgrund weiterer gesundheitlicher Beeinträchtigungen, nämlich u. a. eines Bronchial-Asthmas, seien bei der Anschaffung im einzelnen folgende krankheitsbedingte Zusatzkosten entstanden:
Durchladesystem im Kofferraum
zur Unterbringung des Rollstuhls 855 DM
Automatikgetriebe wegen der
Muskelatrophie des Klägers 833 DM
Klimaanlage wegen des Asthmas
und der Beeinträchtigung aufgrund
einer schweren Herzoperation 2 456 DM
Stahlkurbeldach wegen des
Bronchial-Asthmas 1 671 DM
Lordose-Stütze wegen einer
schweren Wirbelsäulenerkrankung
(Kyphoskoliose) 307 DM
krankheitsbedingte Zusatzkosten
insgesamt 6 122 DM
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 1104 veröffentlichten Urteil abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, die im wesentlichen folgendermaßen begründet wird:
Die Anwendung von Pauschbeträgen auf die Pkw-Kosten von Schwerbehinderten sei nicht zulässig. Die in den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) festgelegten Pauschbeträge beträfen Werbungskosten, deren gesetzliche Merkmale sich von denen einer außergewöhnlichen Belastung unterschieden; der gravierende Unterschied bestehe darin, daß der Dienstreisende auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen und deren effektive Kosten geltend machen könne, wenn ihm die für die Benutzung eines Pkw zu zahlende Pauschale nicht kostendeckend erscheine. Der Pauschbetrag von 0,52 DM/km decke auch nur die laufenden Kosten des Pkw ab, nicht die AfA. Im übrigen seien Pkw-Kosten Schwerbehinderter Krankheitskosten; sie entzögen sich daher ihrer Natur nach einer Typisierung, Systematisierung und Standardisierung.
Die Revision begehrt ferner, in das Revisionsverfahren die Frage einzubeziehen, ob die Behindertenpauschbeträge nach §33 b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) noch rechtens sind, obwohl sie mehr als 20 Jahre unverändert geblieben sind.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verpflichten, weitere Kosten von 10 503,22 DM unter Abzug der darauf entfallenden zumutbaren Eigenbelastung als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 22. Oktober 1996 III R 203/94 (BFHE 182, 44, BStBl II 1997, 384) sind einzeln nachgewiesene Kfz-Kosten Schwerbehinderter in der Regel nur insoweit als angemessen anzuerkennen und folglich als außergewöhnliche Belastung nach §33 EStG zu berücksichtigen, als sie die in den Einkommensteuer-Richtlinien und in den LStR für die Berücksichtigung von Kfz-Kosten als Werbungskosten und Betriebsausgaben festgesetzten Pauschsätze nicht übersteigen. Der Senat nimmt auf die Gründe dieser Entscheidung Bezug. Das Vorbringen der Revision gibt keinen Anlaß, davon abzurücken. Insbesondere ist die Auffassung des Klägers offenkundig unzutreffend, in den vorgenannten Pauschsätzen sei AfA nicht enthalten (vgl. hierzu auch das Urteil des erkennenden Senats vom 26. März 1997 III R 71/96, BFHE 183, 98, BStBl II 1997, 538, auf dessen Gründe ebenfalls Bezug genommen wird).
Allerdings hat der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 182, 44, BStBl II 1997, 384 in Betracht gezogen, außergewöhnliche Umstände könnten möglicherweise eine Überschreitung der Pauschsätze bei der Berechnung der Höhe der außergewöhnlichen Belastung eines Schwerbehinderten gerechtfertigt erscheinen lassen; der Senat hat dies insbesondere für den Fall in Betracht gezogen, daß der Behinderte wegen der Art seiner Behinderung auf ein besonderes Fahrzeug angewiesen sei, für das überdurchschnittlich hohe Aufwendungen erforderlich gewesen seien.
Außergewöhnliche Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung liegen indes im Streitfall nicht vor. Bei Extras, wie einem Automatikgetriebe, einer Klimaanlage und einem Schiebedach, handelt es sich nicht um eine besondere Fahrzeugausstattung in dem hier maßgeblichen Sinne, sondern um eine solche, die auch von vielen gesunden Steuerpflichtigen wegen des mit ihr verbundenen Fahrkomforts beim Kauf eines Fahrzeugs gewünscht wird und deren Anschaffung deshalb die Merkmale der Außergewöhnlichkeit im Sinne des vorgenannten Urteils des Senats offenkundig nicht erfüllt. Das gleiche gilt für eine Vorrichtung zur Vergrößerung des Kofferraums. Außergewöhnliche Umstände, die eine Überschreitung der sonst zu berücksichtigenden Pauschsätze rechtfertigen, liegen aber auch bei der sog. "Lordose-Stütze" nicht vor. Denn deren Kosten, die der Kläger besonders berücksichtigt wissen möchte, fallen nicht ins Gewicht und sind deshalb im Rahmen einer pauschalierenden Bemessung der i. S. des §33 EStG noch angemessenen Kosten, die den betreffenden Betrag ohnehin nicht pfenniggenau anzugeben vermag und auch nicht anzugeben braucht, nicht gesondert in Rechnung zu stellen. Im übrigen handelt es sich auch bei der Lordose-Stütze nicht um einen nur von einem Behinderten verwendbaren Ausstattungsgegenstand, sondern um eine zur Stützung der Wirbelsäule geeignete und bestimmte Vorrichtung, die nicht eindeutig einen ausschließlich medizinischen Zweck verfolgt und daher auch von Gesunden zur Erhaltung ihrer Gesundheit und zur Verbesserung ihres Sitzkomforts benutzt werden könnte. Deshalb scheidet schon dem Grunde nach die steuerliche Berücksichtigung der betreffenden Aufwendungen nach den zuletzt in dem Urteil des Senats vom 10. Oktober 1996 III R 209/94 (BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491) bekräftigten Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den sog. medizinischen Hilfsmitteln aus.
2. Schließlich sind auch die von der Revision wegen der Höhe des dem Kläger vom FA gewährten Behinderten-Pauschbetrages erhobenen Bedenken unbegründet. Der Behinderten-Pauschbetrag nach §33 b Abs. 3 Satz 3 EStG ist jedenfalls für das Jahr 1994 nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden (BFH-Urteil vom 8. August 1997 VI R 158/90, nicht veröffentlicht -- NV --; vgl. auch den zu dieser Frage ergangenen BFH-Beschluß nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 27. März 1995 IX B 166/94, NV; die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluß vom 14. November 1995 2 BvR 1372/95, Der Steuer-Eildienst 1996, 50). Der BFH hat in der zuerst angeführten Entscheidung erkannt, der Gesetzgeber sei weder verpflichtet, die Behinderten-Pauschbeträge anzupassen, noch überhaupt von dem das Einkommensteuerrecht prägenden Grundsatz des Einzelnachweises steuermindernder Aufwendungen Ausnahmen zuzulassen und eine Pauschalierung der Aufwendungen Schwerbehinderter vorzunehmen, wie dies §33 b Abs. 3 EStG tut. Selbst wenn man dem nicht folgen würde, könnte eine verfassungsunmittelbare Pflicht zur gesetzlichen Pauschalierung außergewöhnlicher Belastungen Schwerbehinderter und zur realitätsgerechten Anpassung diesbezüglicher Pauschbeträge nur unter Voraussetzungen in Betracht kommen, die der erkennende Senat nicht festzustellen vermag. Denn eine solche verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers setzte jedenfalls nicht nur voraus, daß die Leistungsfähigkeit einer nicht unbedeutenden Gruppe von Steuerpflichtigen in einer ins Gewicht fallenden Weise vermindert ist und daß die betreffenden Steuerpflichtigen sich in einem sachtypischen Beweisnotstand befinden und infolgedessen ihre Aufwendungen nicht oder nicht mit zumutbarem Aufwand oder nicht ohne ein mit der Achtung vor der Menschenwürde nicht vereinbartes Eindringen in ihr Privatleben nachweisen können, was bei schwerbehinderten Steuerpflichtigen und Steuerpflichtigen, die für Schwerbehinderte sorgen müssen, der Fall sein mag. Die vorgenannte Verpflichtung verlangt aber darüber hinaus, daß gesicherte Erfahrungssätze über die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit der betroffenen Gruppe bestehen und eine typisierende Regelung auf eine entsprechende Belastungssituation treffen würde, die für die betreffende Gruppe oder zumindest (bei einer notwendigerweise generalisierenden gesetzlichen Regelung erfaßbare) Teile derselben hinreichend typisch ist. Zumindest daran fehlt es jedoch. Es ist nicht erkennbar, daß der Gesetzgeber des §33 b Abs. 3 EStG auf exakte, wenigstens als Durchschnittswert statistisch hinreichend gesicherte Erkenntnisse über den besonderen Bedarf Behinderter hätte zurückgreifen können und daß er die Vielfalt der Lebensverhältnisse Behinderter und den dadurch im Einzelfall sehr unterschiedlichen Bedarf annähernd genau typisierend erfassen könnte. In der vom Gesetz getroffenen Festsetzung der Pauschbeträge verbinden sich vielmehr fiskalische Erwägungen mit nur grob "gegriffenen" Bedarfsprognosen. Diese Prognosen trotz fehlender zuverlässiger Tatsachengrundlage anzustellen und die darauf beruhenden Pauschbeträge ggf. gewandelten tatsächlichen Verhältnissen anzupassen ist Aufgabe des Gesetzgebers; seine Annahmen entziehen sich insoweit weitgehend einer gerichtlichen Überprüfung.
Fundstellen
Haufe-Index 67572 |
BFH/NV 1998, 1072 |
DStZ 1998, 624 |
HFR 1998, 747 |