Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Sonderausgabenabzug des Ertragsanteils von Gegenleistungs-Leibrenten
Leitsatz (amtlich)
Werden anlässlich einer auf die Lebenszeit einer Bezugsperson zeitlich gestreckten entgeltlichen privaten Vermögensumschichtung gleichbleibende wiederkehrende Leistungen (Leibrente) vereinbart, ist deren Ertragsanteil (Zinsanteil) nicht als Sonderausgaben abziehbar (Bestätigung des Senatsurteils vom 25. November 1992 X R 91/89, BFHE 170, 82, BStBl II 1996, 666; seither ständige Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, §§ 12, 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1998, 730) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren 1990 bis 1993 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erwarb durch notariellen Vertrag vom 26. Juli 1989 ein bebautes Grundstück in N. Als Gegenleistung verpflichtete er sich zu einer Barzahlung in Höhe von 440 000 DM sowie zur Zahlung einer Leibrente in Höhe von monatlich 1 500 DM.
Das erworbene Grundstück ist mit zwei Gebäuden bebaut, in denen sich mehrere Wohnungen befinden. Seit 1. Oktober 1989 nutzten die Kläger zunächst eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken, während die übrigen Wohnungen vermietet wurden. Ab dem Jahre 1992 wurde die Selbstnutzung auf eine Anliegerwohnung erweitert. Nach den Wohnflächen entfällt auf die eigengenutzten Wohnungen ein Anteil von 46,89 v.H. bzw. ab 1992 61,01 v.H.
In den Einkommensteuerbescheiden für 1990 bis 1993 lehnte es der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 27. Februar 1992 X R 136/88 (BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609) ab, den Ertragsanteil der Leibrente (1990: 3 246 DM; 1991: 3 256 DM; 1992: 4 198 DM; 1993: 4 602 DM) als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Die hiergegen eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen erhobenen Klagen abgewiesen. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 730.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für die Streitjahre unter Berücksichtigung weiterer Sonderausgaben in Höhe von 3 256 DM (1990), 3 256 DM (1991), 4 198 DM (1992) und 4 602 DM (1993) neu festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats zutreffend entschieden, dass der Ertragsanteil der Leibrente, die als Gegenleistung für den Erwerb eines nicht ertragbringenden Wirtschaftsguts gezahlt wird, wegen seines materiell-rechtlichen Charakters als pauschalierter privater Zinsanteil keine Sonderausgabe i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Leibrenten können ―nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG― nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der Ertragswerttabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ergibt.
2. Nach der Rechtsprechung des Senats, an der ungeachtet der hiergegen gerichteten Einwände seitens des FG Köln (Urteil vom 21. November 2000 8 K 7309/99, EFG 2001, 626) und von Teilen des Schrifttums festzuhalten ist, sind private Schuldzinsen auch dann nicht als Sonderausgaben abziehbar, wenn sie als in Gegenleistungs-Leibrenten enthaltene Ertragsanteile gesetzlich pauschaliert sind (grundlegend Urteil vom 25. November 1992 X R 91/89, BFHE 170, 82, BStBl II 1996, 666). Eine Abziehbarkeit folgt insbesondere nicht aus § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG. Diese Vorschrift ist zusammen mit § 22 Nr. 1 EStG Teil des Normenverbunds, der die Abziehbarkeit der anlässlich einer unentgeltlichen Vermögensübergabe vereinbarten privaten Versorgungsrente als dauernde Last oder als Leibrente und die materiell-rechtlich korrespondierende Steuerbarkeit regelt. Die Versorgungsleibrente (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG) unterscheidet sich ebenso wie die mit ihrem vollen Betrag abziehbare dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG) durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge von den nach § 12 Nr. 1 und 2 EStG nicht abziehbaren Unterhaltsleistungen und Aufwendungen für den Haushalt des Steuerpflichtigen; einzig aus diesem Grunde ist sie von den Abzugsverboten des § 12 EStG ausgenommen, dessen Einleitungssatz keinen Vorbehalt zugunsten des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG enthält. Diese Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG ist mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar und aus Gründen der Rechtssystematik sowie zur Gewinnung gleichheitsrechtlich tragbarer Rechtsfolgen geboten; sie stellt sich nicht als verfassungswidrige Rechtsfortbildung dar.
3. Bei der Besteuerung wiederkehrender Leistungen / Bezüge ist zu unterscheiden zwischen dem Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen (sog. private Versorgungsrente) und ―im Streitfall einschlägig― Leistungen / Bezügen im Austausch mit einer Gegenleistung (Gegenleistungsrenten). Beide steuerrechtlichen Tatbestände haben jeweils unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Diese Zweiteilung ist dem Grundsatz nach anerkannt seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. September 1965 IV 67/61 S (BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706).
a) Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden Last ist die private Versorgungsrente (Großer Senat des BFH, Beschlüsse vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, 326 ff., BStBl II 1990, 847; vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78). Durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge unterscheiden sich Versorgungsleistungen von Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr. 1 EStG; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG (Beschluss in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78). Der Vorbehalt der Erträge stellt sich dar als ein "Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit" (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 17. Dezember 1992 1 BvR 4/87, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1993, 315). Dieser wird in der Weise rechtstechnisch verwirklicht, dass die Aufwendungen beim Übernehmer abziehbar und die entsprechenden Zuflüsse beim Übergeber steuerbar sind (BFH-Urteil vom 25. März 1992 X R 100/91, BFHE 168, 243, BStBl II 1992, 803; Beschluss vom 13. September 2000 X R 147/96, BFHE 193, 121, BStBl II 2001, 175). Sind die wiederkehrenden Leistungen abänderbar, sind sie mit ihrem vollen Betrag beim Verpflichteten abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG) und beim Bezieher steuerbar (§ 22 Nr. 1 EStG). Im Falle der ―definitionsgemäß― gleichbleibenden Leibrenten findet der Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit in Höhe des Ertragsanteils statt. Wegen der Begründung im Einzelnen, insbesondere hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Grundlagen, wird auf den Senatsbeschluss vom 10. November 1999 X R 46/97 (BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188, unter IV.) Bezug genommen.
b) Gegenleistungsrenten sind über die gesamte Laufzeit hinweg ―ohne Rücksicht auf die Bezeichnung durch die Vertragsparteien und deren Motive― immer dann in einen Zins- und einen Tilgungsanteil zu zerlegen, wenn die einzelnen Zahlungen sich wirtschaftlich als eine Vermögensumschichtung oder Kapitalrückzahlung (als ein "kauf- oder darlehensähnliches Geschäft") darstellen und wenn der Verpflichtete aufgrund der in der langfristigen Streckung der Zahlungen liegenden Kreditierung ein Entgelt für die Überlassung von Kapital zur Nutzung zu entrichten hat.
aa) Sind abänderbare wiederkehrende Leistungen geschuldet, ist offenkundig, dass deren Zinsanteile nicht die Steuerbemessungsgrundlage mindern, sofern sie nicht als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) oder Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG) abziehbar sind.
bb) Auch der Ertragsanteil der definitionsgemäß gleichbleibenden Leibrente ist materiell-rechtlich ein pauschalierter Zinsanteil. Nach Auffassung des Großen Senats des BFH (Beschluss in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) bezweckt das Gesetz mit der Berücksichtigung (nur) des Ertragswertes die Sonderung des steuerbaren Ertragsanteils (= Zinsanteils) von der nichtsteuerbaren Vermögensumschichtung. Das Tatbestandsmerkmal "Leibrente" ist inhaltlich auf die dargelegte steuerrechtliche Zwecksetzung ―Trennung der Vermögensumschichtung von einem steuerbaren Zinsanteil― zugeschnitten (Großer Senat des BFH in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78).
c) Gegen diese Auffassung kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, "der Ertrag einer Leibrente" bestehe nicht nur aus Zinsen, und deswegen sei die Ertragsanteilsbesteuerung im Rahmen des § 22 EStG und nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) geregelt (so aber Jansen in Jansen/Wrede, Renten, Raten, dauernde Lasten, 12. Aufl. 1998, Rdnr. 917 ff.; ders. in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 22 EStG Anm. 292, unter Bezugnahme auf die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern ―StNOG― 1954, BTDrucks II/481, S. 86; zustimmend FG Köln in EFG 2001, 626). Zwar war im Gesetzgebungsverfahren ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs eines StNOG 1954 erwogen worden, dass sich "der Begriff des Rentenertrags" nicht immer mit "dem Begriff der Zinsen decke"; die Rentenzahlung könne "in vollem Umfang Ertrag des Stammrechts" sein. Der Vorstellung einer Besteuerung des Rentenertrags würde in systematischer Hinsicht eine Regelung entsprechen, nach der die in den Bezügen enthaltenen Zinsen pro rata temporis und "die nach dem Verzehr des Stammrechts gezahlten Bezüge voll besteuert" würden. Der Entwurf, so heißt es dann aber weiter, strebe eine solche Lösung nicht an; vielmehr solle "der Ertrag des Stammrechts und damit die Steuerlast auf die gesamte Laufzeit der Rente verteilt werden"; der Ertrag des Stammrechts solle "nur, aber auch stets, pro rata temporis verteilt werden".
Indes geht diese ―systematisch nicht ausgereifte― Vorstellung des Gesetzesentwurfs davon aus, dass zeitlich nach dem "Verzehr eines Stammrechts" ―hiermit gemeint ist offenbar der auf den Abschluss des Gegenleistungsgeschäfts zu ermittelnde Barwert der Leibrente― und mithin nach der Verrechnung mit dem Wert einer Gegenleistung an sich ein Ertrag der Leibrente mit seinem vollen Nennbetrag steuerbar wäre. Dies ist jedoch unzutreffend: Der wirtschaftlich angemessenen Behandlung der Gegenleistungsleibrente, wie sie bei der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich nach einhelliger Auffassung praktiziert wird, entspricht es, die mit fortschreitender Zeit sich verringernden Barwerte der Rente, und in Abhängigkeit von diesen, den jährlichen Zinsanteil der Leibrente unter Berücksichtigung der auf jeden nachfolgenden Bilanzstichtag neu zu ermittelnden durchschnittlichen Lebenserwartung der bezugsberechtigten Person zu bemessen. Hierdurch wird deutlich, dass die Leibrente neben dem Vermögensumschichtungs- und dem Zinsanteil keine weitere steuerlich relevante Ertragskomponenten enthält. Gleiches gilt für private wiederkehrende abänderbare Leistungen, die auf die Lebenszeit einer Bezugsperson gezahlt werden. Grundsätzlich müsste auf diese Weise finanzmathematisch korrekt der Zinsanteil auch einer privaten Leibrente ermittelt werden. Um aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität eine jährliche Neuberechnung des Zinsanteils zu vermeiden, hat das StNOG 1954 den Tilgungs- und Ertraganteil der privaten Leibrente gleichmäßig auf deren ―nach biometrischen Durchschnittswerten bemessenen― Laufzeit verteilt und die Ertragsanteile den Einkünften aus wiederkehrenden Leistungen (§ 22 Nr. 1 EStG) zugeordnet. Ungeachtet dessen ist der Ertragsanteil ein pauschalierter Zinsanteil.
d) Werden außerhalb des Sonderrechts der Vermögensübergabe gegen private Versorgungsrente wiederkehrende (Gegen-)Leistungen vereinbart, greift der den Abzug als dauernde Last (ohne Verrechnung mit dem Wert einer erbrachten Gegenleistung; sog. Wertverrechnung) oder als Leibrente legitimierende Gesichtspunkt der "vorbehaltenen Vermögenserträge" (oben 3. a) nicht ein; es gelten daher § 12 EStG und die allgemeinen Grundsätze des Einkommensteuerrechts uneingeschränkt. Zu diesen gehören die Grundsätze über entgeltliche Rechtsgeschäfte, insbesondere die Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen (Senatsurteil in BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609).
4. Hiervon ausgehend hat der Senat seit seinem Urteil in BFHE 170, 82, BStBl II 1996, 666 in ständiger Rechtsprechung (zuletzt Urteil vom 20. Oktober 1999 X R 86/96, BFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602) entschieden: Die Verweisung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG auf die Ertragswerttabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG bezweckt, den Anteil der abziehbaren privaten Schuldzinsen pauschalierend zu beziffern. Nach Streichung des privaten Schuldzinsenabzugs durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1973 ist die Grundnorm entfallen, nach der ein in gleichbleibenden wiederkehrenden Leistungen enthaltener Zinsanteil ―aus Gründen einer vereinfachten Handhabung― mit einem für die gesamte Laufzeit der Rente gleichbleibenden Zinsanteil beziffert wurde. Diese gesetzliche Quantifizierung des privaten Schuldzinsenabzugs ist infolge der erwähnten Rechtsänderung gegenstandslos geworden. § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG behält seinen angestammten Regelungsbereich insbesondere für die Besteuerung privater Versorgungsleibrenten, und zwar für den Vorbehalt von Erträgen in Höhe des Ertragsanteils (oben 3. a). Es gibt, gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―), keinen tragfähigen Grund dafür, die Zinsanteile abänderbarer und nichtabänderbarer wiederkehrender Leistungen steuerrechtlich unterschiedlich zu behandeln.
Der IV. Senat des BFH (Urteil vom 2. März 1995 IV R 62/93, BFHE 177, 113, BStBl II 1995, 413) und das Bundesministerium der Finanzen (BMF) haben sich der Rechtsauffassung des erkennenden Senats angeschlossen (Schreiben vom 23. Dezember 1996, BStBl I 1996, 1508 Tz. 45).
5. An dieser Auffassung hält der Senat nach Prüfung der hiergegen vorgebrachten Einwände fest.
a) Der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG ist nicht in dem von den Klägern gewünschten Sinne "eindeutig" (so aber FG Köln in EFG 2001, 626; Biergans/Koller, DStR 1993, 857, 860, 863 f.). Bei der gebotenen Auslegung nach dem System des Gesetzes ist maßgebend, dass die Leibrente als Modalität der in einem Übergabevertrag vereinbarten Versorgungsleistungen zu den in § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG genannten "Renten und dauernden Lasten" gehört. Als deren Unterfall nimmt sie teil an der durch § 12 Nr. 1 und 2, § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG angeordneten, vor allem gleichheitsrechtlich begründeten Beschränkung der Abziehbarkeit wiederkehrender Leistungen auf ihre rechtstechnische Funktion beim "Transfer vorbehaltener Einkünfte". Auf die Abziehbarkeit auch der Leibrente bezieht sich der in § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG vorausgesetzte "besondere Verpflichtungsgrund" (zu diesem Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 10 Rdnr. A 76 ff., D 97 ff.); dieses Tatbestandsmerkmal legt ebenfalls die Auslegung nahe, dass nicht jedwede Verpflichtung zum Sonderausgabenabzug der entsprechend getätigten Aufwendungen führt. Wenn schließlich die Leibrente ―ebenso wie die "Renten und dauernden Lasten"― nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen darf, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG), so hat diese Einschränkung nur für den Fall Sinn, dass sich das Gesetz ―systematisch folgerichtig― darauf beschränkt, den Transfer von steuerbaren und steuerpflichtigen Einkünften zu regeln.
b) Angesichts des Umstands, dass der Einleitungssatz des § 12 EStG keinen Vorbehalt zugunsten des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG, sondern nur zugunsten der dort ausdrücklich genannten Vorschriften enthält (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 22. Juni 1990 VI R 2/87, BFHE 160, 562, BStBl II 1990, 901), gibt es gleichheitsrechtlich keinen anderen Grund, Unterhaltszuwendungen des Steuerpflichtigen wie auch Aufwendungen für seinen Haushalt zum Abzug von der Steuerbemessungsgrundlage zuzulassen, als den des "Transfers steuerlicher Leistungsfähigkeit". Dieser Gesichtspunkt hindert die Abziehbarkeit von in abänderbaren wie nichtabänderbaren wiederkehrenden Leistungen enthaltenen privaten Zinsanteilen gleichermaßen. Die Abziehbarkeit der privaten Versorgungsleibrente wird wie dargelegt hierdurch nicht berührt. Für die Annahme, nur § 12 Nr. 2 EStG, nicht aber § 12 Nr. 1 EStG gehe dem Sonderausgabenabzug des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG vor, geben Wortlaut, systematische Stellung und Sinn und Zweck dieser Bestimmungen keinen Anhalt.
c) Diese Beschränkung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG auf die private Versorgungsleibrente hält sich im Rahmen zulässiger Rechtsanwendung. Zum einen trägt sie der Entscheidung des EStG Rechnung, dass private Schuldzinsen nicht die steuerliche Bemessungsgrundlage mindern. Zum anderen ist sie zwangläufige Folge der oben dargestellten, von der Rechtsprechung im rechtlichen Ansatz bereits seit Jahrzehnten praktizierten Zweiteilung des Rechts der wiederkehrenden Leistungen (oben 2.; ausführlich Fischer in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 22 Rdnr. B 151 ff.), deren letzter konsequenter Schritt die Weiterentwicklung der für Gegenleistungsrenten geltenden sog. Wertverrechnungslehre (zusammenfassend Senatsurteil in BFHE 170, 82, BStBl II 1996, 666, unter 3. f.) zu einer generellen materiell-rechtlich richtigen Einordnung und zeitlich zutreffenden Zuordnung des Zinsanteils war (hierzu Senatsurteil in BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609).
d) Ohnehin reicht der Hinweis auf einen "eindeutigen Gesetzeswortlaut" für eine methodologisch einwandfreie Rechtsanwendung nicht aus. Die Aussage, selbst "eindeutige Ausdrücke" bedürften nicht der Auslegung, "ist insofern irreführend, als, von Zahlen und Eigennamen abgesehen, die meisten Ausdrücke der Umgangssprache als auch der Gesetzessprache nicht eindeutig sind" (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 343; vgl. auch Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 4. Aufl. 1990, S. 253). Zur Herstellung eines gleichheitsgerechten Ergebnisses der Rechtsanwendung sind die Gerichte berechtigt und verpflichtet, die einschränkende Auslegung und sogar eine teleologische Reduktion in Betracht zu ziehen; der bloße Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift kann dies nicht hindern (BVerfG-Beschlüsse vom 30. März 1993 1 BvR 1045/89 u.a., BVerfGE 88, 145, 166 f.; vom 7. April 1997 1 BvL 11/96, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1997, 2230).
6. Die zuvor beschriebene Fortentwicklung des Rechts der Gegenleistungs(leib)rente verletzt keine schützenswerte Vertrauensposition des hiervon betroffenen Steuerpflichtigen. Der hierfür unter den gegebenen Umständen allein in Betracht kommende Fall einer Rechtsprechungsänderung zum Nachteil ist nicht gegeben. Eine Judikative, an die der Senat gebunden sein könnte, ist nicht erkennbar.
Ist die Trennung von Umschichtungs- bzw. Kapitalrückzahlungsanteil und Zinsanteil bei allen langfristig gestundeten Forderungen und bei allen langfristig gestreckten Vermögensumschichtungen ein steuerrechtliches Grundprinzip, an dem sich der Gesetzgeber des StNOG 1954 bei der Schaffung der Ertragsanteilsbesteuerung orientiert hat, war es nach der ―auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich zulässigen (BVerfG-Beschluss vom 13. März 1979 2 BvR 72/76, BVerfGE 50, 386)― Streichung des privaten Schuldzinsenabzugs geradezu zwingend, auf die materiell-rechtliche Rechtsnatur der in der Form der Ertragsanteile pauschalierten Schuldzinsen "durchzugreifen". Zwar mag es zutreffen, dass bis zum Ergehen des Senatsurteils in BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609 eine herrschende oder "allgemeine" Meinung im Schrifttum ―ungeachtet fehlender Plausibilität des Ergebnisses― eine Ungleichbehandlung des Ertragsanteils einerseits und sonstiger Schuldzinsen andererseits nicht beanstandet oder als Gestaltungsmittel begrüßt hat. Jedenfalls gibt es zu den Veranlagungszeiträumen ab 1973 keine Entscheidung des BFH, welche eine solche Auffassung bestätigt hätte. Die Frage nach der Tragweite des § 12 Nr. 2 EStG hatte der BFH ohnehin stets offen gelassen (vgl. BFH-Urteil vom 13. August 1985 IX R 10/80, BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709). Die Rechtsprechung des BFH hat sich vielmehr schrittweise mit Fragen der steuerrechtlichen Beurteilung privater Gegenleistungsrenten befasst. Die "Entdeckung" steuerrechtlicher Grundsätze ―im Streitfall sind einschlägig: die Besteuerung des Markteinkommens, der Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit, das objektive Nettoprinzip, die Nichtabziehbarkeit von privaten Schuldzinsen― ließen es geboten erscheinen, auch die Gegenleistungsleibrente in die Systemgrundsätze des Einkommensteuerrechts einzupassen. Ein Rechtszustand, der den Anlass und den Ausgangspunkt einer solchen Rechtsentwicklung bildet, ist nicht geeignet, Vertrauensschutz auszulösen (vgl. ―zur Anwendung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung ―AO 1977― BFH-Urteile vom 5. September 2000 IX R 33/97, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676, unter II. 3.; vom 21. November 2000 IX R 2/96, BFHE 193, 460, BFH/NV 2001, 523, unter III. 3. b; s. ferner Kruse/Drüen, in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 4 AO 1977 Tz. 116 ff.).
7. Die angefochtene Entscheidung entspricht diesen Grundsätzen. Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 674634 |
BFH/NV 2002, 424 |
BStBl II 2002, 246 |
BFHE 197, 179 |
BFHE 2002, 179 |
BB 2002, 450 |
DB 2002, 713 |
DStRE 2002, 339 |
HFR 2002, 386 |
StE 2002, 103 |