Entscheidungsstichwort (Thema)
KraftSt-Befreiung wegen Schadstoffarmut nur bei entsprechender zulassungsbehördlicher Feststellung
Leitsatz (NV)
1. Ohne die fachbehördliche Anerkennung als ,,schadstoffarm" darf die Steuerbefreiung nach § 3b KraftStG 1979 nicht gewährt werden. Diese Anerkennung muß der Betroffene sich ggf. im Verwaltungsrechtsweg erstreiten (hier: für Kleinwagen, die auf Grund möglicherweise verfassungswidriger Rechtsvorschriften von der Anerkennung ausgenommen sind).
2. Solange die Anerkennung (1.) nicht erteilt ist, ist die Frage, ob der Ausschluß schadstoffarmer Kleinwagen von einer (weiterreichenden) anerkennungsabhängigen Steuerbefreiung verfassungswidrig ist, nicht entscheidungserheblich.
Normenkette
KraftStG 1979 a.F. §§ 3b, 3c, 2 Abs. 2 S. 2; GG Art. 100 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin ist Halterin eines von der Zulassungsbehörde mit Wirkung ab Zulassung - 13. März 1986 - als ,,bedingt schadstoffarm Stufe C" anerkannten Personenkraftwagens mit einem Hubraum von 1 281 ccm. Das - FA - gewährte der Klägerin Kraftfahrzeugsteuerbefreiung gemäß § 3c des Kraftfahrzeugsteuergesetzes - KraftStG - 1979, nämlich für die Zeit bis 12. November 1988 (Bescheid vom 3. April 1986). Den Einspruch der Klägerin, mit dem diese unter Hinweis auf die Ausrüstung des Personenkraftwagens mit geregeltem Katalysator weitergehende Steuerbefreiung gemäß § 3b KraftStG 1979 beantragte, wies das FA zurück. Auch die auf Aufhebung des Bescheides . . . und Verpflichtung zur Anerkennung des Fahrzeugs als ,,schadstoffarm" und Gewährung einer Steuerbefreiung für 94 Monate gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht - FG - entschied, soweit die Klägerin meine, im Hinblick auf die Ausrüstung des Personenkraftwagens müsse das Fahrzeug als ,,schadstoffarm" - nicht nur ,,bedingt schadstoffarm Stufe C" - anerkannt werden, könne sie damit im gegenwärtigen Verfahren nicht gehört werden. Maßgebend sei insoweit die - bindende - Feststellung der Zulassungsbehörde (Grundlagenbescheid), die in den der Klägerin ausgehändigten Fahrzeugpapieren eingetragen worden sei. Eine Rechtswidrigkeit der Feststellung könne nur im Verwaltungsrechtsweg geltend gemacht werden. Wegen Fehlens der für die Anwendung von § 3b KraftStG 1979 erforderlichen Anerkennung als ,,schadstoffarm" müßte die Klage auch dann abgewiesen werden, wenn es gegen den Gleichheitssatz verstoßen sollte, daß Personenkraftwagen mit einem Hubraum von weniger als 1 400 ccm, ohne Rücksicht auf ihre tatsächlichen Abgaswerte, von der Steuerbefreiung nach § 3b KraftStG 1979 ausgeschlossen seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie führt im wesentlichen aus, selbst wenn der angegriffene Bescheid als Folgebescheid zu werten sei, sei er in sich rechtswidrig, da in ihm die in §§ 3b, 3c KraftStG 1979 vorgesehene, gegen Art. 3 des Grundgesetzes - GG - verstoßende unterschiedliche Behandlung von Fahrzeugen mit Hubraum bis zu und ab 1 400 ccm vorgenommen werde. Der Personenkraftwagen sei als lediglich ,,bedingt schadstoffarm Stufe C" anerkannt worden, weil er einen Hubraum von weniger als 1 400 ccm habe. Die nur beschränkte Steuerbefreiung (§ 3c KraftStG 1979) sei nicht gerechtfertigt, da es sich nicht um einen Personenkraftwagen handele, der höhere Abgaswerte aufweise. Den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit sei es nicht verwehrt, das Kraftfahrzeugsteuerrecht dahin verfassungskonform auszulegen, daß Fahrzeuge wie dieser Personenkraftwagen, auch wenn sie nicht als ,,schadstoffarm" anerkannt worden seien, analog § 3b KraftStG 1979 behandelt werden müßten. Gegebenenfalls müßte eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht - BVerfG - erfolgen. Die Schadstoffarmut des Fahrzeugs sei im vorliegenden Verfahren unstreitig geblieben.
Das FA hat durch Bescheid vom 15. Februar 1990 gemäß § 3f KraftStG 1979 i. d. F. des Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Förderung schadstoffarmer Personenkraftwagen vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2436, BStBl I 1989, 485) rückwirkend ab Zulassung Steuerbefreiung bis zum 12. Februar 1990 - 47 Monate - gewährt und für die anschließende Zeit Kraftfahrzeugsteuer festgesetzt. Die Parteien haben den Rechtsstreit - insoweit - für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, soweit um die Gewährung der Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für die Zeit vom 13. November 1988 bis 12. Februar 1990 gestritten worden ist. Für diese Zeit ist der Klägerin Steuerbefreiung gewährt worden (Bescheid vom 15. Februar 1990). Insoweit liegen übereinstimmende Erledigungserklärungen vor. Ob die Voraussetzungen für die durch den Änderungsbescheid eingeräumte Steuerbefreiung vorliegen - (zusätzliche) Feststellung der Zulassungsbehörde gemäß § 3f Abs. 3 Nr. 1 KraftStG 1979 -, ist nicht zu entscheiden.
Die Klägerin hat gemäß §§ 68, 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - beantragt, den Bescheid vom 15. Februar 1990 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Es kann im Hinblick auf das Klagebegehren - Verpflichtungsklage (im engeren Sinne) - zweifelhaft sein, ob § 68 FGO, der nur für Anfechtungsklagen gilt, unmittelbar anwendbar ist (vgl. Ziemer / Haarmann / Lohse / Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 7438/1, 4480/5). Die Frage kann aber offenbleiben. In jedem Falle kann die Klägerin ihre Verpflichtungsklage fortführen, sei es aufgrund des von ihr gestellten Antrags, sei es ohne weiteres (in letzterem Sinne Ziemer / Haarmann / Lohse / Beermann, a.a.O., Tz. 7442/3). Gegenstand des Verfahrens ist mithin die Frage der Gewährung von Kraftfahrzeugsteuerbefreiung über den 12. Februar 1990 hinaus.
Eine Zurückverweisung wegen des Änderungsbescheides (vgl. § 127 FGO) ist nicht angezeigt, da die Sache spruchreif ist. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Klage aus zutreffenden Gründen abgewiesen.
Für Kleinwagen mit Hubraum unter 1 400 ccm, die den Anforderungen der Anlage XXIII zu § 47 Abs. 3 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO - i. d. F. der Bekanntmachung vom 28. September 1988 (BGBl 1988, 1793) entsprechen, ist ,,aus Gründen der Steuergerechtigkeit" dieselbe - längere - Steuerbefreiung eingeführt worden, die ab 1. Januar 1990 für Personenkraftwagen mit höherem Hubraum bis zu 2 000 ccm gewährt wird (§ 3f Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 KraftStG 1979; dazu amtliche Begründung in BTDrucks 11/5289 S. 9). Die in Abschn. 1.1 der Anlage XXIII - Definition schadstoffarmer Personenkraftwagen - enthaltene Beschränkung auf Personenkraftwagen mit einem Hubraum ab 1 400 ccm ist entfallen (Art. 3 des Gesetzes vom 22. Dezember 1989; vgl. auch § 3h KraftStG 1979 n. F.). Die rückwirkende Gleichstellung beseitigt nicht alle Unterschiede, die nach den durch das Gesetz vom 22. Dezember 1989 aufgehobenen §§ 3b, 3c KraftStG 1979 hinsichtlich der Behandlung von größeren Personenkraftwagen und Kleinwagen bestanden haben. Für letztere kam nur die Steuerbefreiung für bedingt schadstoffarme Personenkraftwagen Stufe C in Betracht - Höchstdauer bei einem Hubraum von 1 201 bis 1 300 ccm zwei Jahre und acht Monate (§ 3c Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 KraftStG 1979) -, während für jene, bei Zulassung vor dem 1. Januar 1987, bei einem Hubraum bis 3 500 ccm eine längere Befreiung gewährt wurde (§ 3b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 KraftStG 1979), bei Fahrzeugen mit 1 400 bis 1 500 ccm Hubraum eine solche für sechs Jahre und zehn Monate (nicht 94 Monate). Diese Steuerbefreiung bleibt auch über den Ablauf des Jahres 1989 hinaus erhalten (§ 3f Abs. 5 KraftStG 1979).
Die unterschiedliche Regelung hält die Klägerin für verfassungswidrig, soweit Kleinwagen ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Abgaswerte, also auch bei Erfüllung der ,,strengen Abgasnormen", von der längerdauernden Steuerbefreiung ausgeschlossen waren. Da dieses Vorbringen sich nicht (allein) gegen die Feststellung der Zulassungsbehörde richtet, war das FG - wie es richtig erkannt hat - nicht durch § 42 FGO i. V. m. § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 - an einer Sachentscheidung gehindert.
Angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung kann § 3b KraftStG 1979 im Streitfall nicht - auch nicht analog - angewendet werden. Erfolg könnte die Klägerin nur haben, wenn im Hinblick auf die von ihr geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken das BVerfG angerufen werden müßte, dieses die in Betracht kommende Regelung für verfassungswidrig erklärte, und wenn der Gesetzgeber eine dem Gleichheitsgebot Rechnung tragende Neuregelung träfe, die darin bestehen könnte, daß die längerdauernde Steuerbefreiung auf Kleinwagen mit entsprechendem Abgasverhalten erstreckt wird (vgl. in diesem Zusammenhang Senat, Urteil vom 9. August 1988 VII R 146/85, BFHE 154, 235, 237, BStBl II 1988, 964). Zutreffend hat das FG erkannt, daß es bei der Entscheidung auf die Gleichgültigkeit der gesetzlichen Regelung - Differenzierung nach Hubraum - nicht ankommt und daß die Anrufungsvoraussetzung nach Art. 100 Abs. 1 GG mithin nicht gegeben ist (ebenso FG Hamburg, nicht rechtkräftiges Urteil vom 22. August 1988 II 287/86, Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 140). Ob Steuerbefreiung nach § 3b oder § 3c KraftStG 1979 in Betracht kommt, entscheidet sich nicht nur nach dem Hubraum des Personenkraftwagens - mindestens 1 400 ccm oder weniger -, sondern auch danach, ob eine zulassungsbehördliche Feststellung (§ 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG 1979 a. F.) als ,,schadstoffarm" oder ,,bedingt schadstoffarm Stufe C" vorliegt (zu letzterem § 47 Abs. 4 StVZO mit Anlage XXIV). Nach den Feststellungen der Vorinstanz, die den Senat binden (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, daß der Personenkraftwagen der Klägerin - nur - als ,,bedingt schadstoffarm Stufe C" anerkannt worden ist. An diese verkehrsrechtliche Einstufung, die - für sich gesehen - die Anerkennung als ,,schadstoffarm" ausschließt, sind die Steuerbehörden und -gerichte gebunden, wobei offenbleiben kann, ob sich dies aufgrund der Bindungswirkung eines in der zulassungsbehördlichen Feststellung liegenden Grundlagenbescheids i. S. von § 171 Abs. 10 AO 1977 ergibt (Senat, Beschluß vom 26. August 1986 VII B 107/86, BFHE 147, 276, 278, BStBl II 1986, 865) oder aus der Tatbestandswirkung der Feststellung ( so Ziemer / Haarmann / Lohse / Beermann, a.a.O., Tz. 5320/104). Ohne die fachbehördliche Anerkennung als ,,schadstoffarm" darf die Steuerbefreiung nach § 3b KraftStG 1979 nicht gewährt werden. Eine tatsächlich oder unbestritten vorliegende Schadstoffarmut reicht nicht aus. Daran ändert sich nichts, wenn Kleinwagen in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise - womöglich gerade im Hinblick auf die Kraftfahrzeugsteuervergünstigung - von der entsprechenden Anerkennung ausgenommen sein sollten (vgl. Verwaltungsgericht Braunschweig, Urteil vom 28. Januar 1988 4 VG A 134/87, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1988, 109, Neue Juristische Wochenschrift 1988, 1229, das die Verfassungswidrigkeit der einschlägigen verkehrsrechtlichen Regelung bejaht). Rechtsschutz gegen eine rechtswidrig versagte Anerkennung muß der Betroffene im Verwaltungsrechtsweg suchen (dazu Senat, Urteil vom 28. Oktober 1986 VII R 41/86, BFHE 148, 84, 86; Klein / Olbertz, Kraftfahrzeugsteuergesetz, 2. Aufl. 1987, § 2 Anm. 1). Erst wenn die Anerkennung als ,,schadstoffarm" vorliegt - gegebenenfalls neben der Anerkennung als ,,bedingt schadstoffarm Stufe C" (vgl. zum Zusammentreffen BTDrucks 11/5289 S. 15 zu Art. 3 des Gesetzes vom 22. Dezember 1989) -, könnte sich in einem finanzgerichtlichen Verfahren die Frage stellen, ob der Ausschluß schadstoffarmer Kleinwagen von der längerdauernden Steuerbefreiung verfassungswidrig ist. Unter den hier gegebenen Umständen mußte das FG die Klage abweisen, ohne daß auf die - nicht entscheidungserhebliche - verfassungsrechtliche Frage einzugehen war. Daß die längere Steuerbefreiung von der Anerkennung als ,,schadstoffarm" abhängig gemacht worden ist, begegnet für sich gesehen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Soweit die Revision zurückgewiesen wird, hat die Klägerin die Kosten zu tragen (§ 135 Abs. 2 FGO). Soweit sich die Hauptsache erledigt hat, trägt das FA die Kosten des Verfahrens. Diese Kostenentscheidung folgt wenn nicht schon aus § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 24. September 1970 II R 101/69, BFHE 100, 293, BStBl II 1971, 3), so jedenfalls aus § 138 Abs. 1 FGO, da es in Hinblick auf die zu erwarten gewesene Steuerbefreiung und ihre Rückwirkung billigem Ermessen entspricht, die Kosten insoweit der Behörde aufzuerlegen.
Fundstellen
Haufe-Index 417129 |
BFH/NV 1991, 123 |