Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitlichkeit der Leistung bei Seebestattungsunternehmen
Leitsatz (NV)
Zur Einheitlichkeit der Leistung von Seebestattungsunternehmen.
Normenkette
UStG 1980 § 3 Abs. 9, 11, § 3a Abs. 1, § 4 Nr. 2, § 8 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Seebestattungsunter nehmen. Die Bestattungen werden ausschließlich im Auftrag anderer Bestattungsunternehmen vorgenommen. Die Klägerin chartert für den Transport der Urnen und ggf. der Trauergäste Schiffe im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung. Die eigentliche Bestattung der Urnen auf hoher See wird von ihr selbst oder auf ihre Veranlassung durch Dritte vorgenommen.
Im Streitjahr (1984) erzielte die Klägerin Erlöse aus den Seebestattungen von ... DM, die sie nach § 4 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 als steuerfrei behandelte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) sah die Leistungen hingegen als steuerbar und steuerpflichtig an und unterwarf die Erlöse als Nettoumsätze der Umsatzsteuer.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage nur zum Teil statt. Es ging davon aus, daß die Klägerin zwei selbständige Hauptleistungen erbracht habe, zum einen die Besorgung der Beförderung der Urnen und ggf. von Trauergästen (§ 3 Abs. 11 i. V. m. § 4 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980), zum anderen die Durchführung der Urnenbestattung (§ 3 a Abs. 1 UStG 1980). Der Umsatzsteuer unterfielen lediglich die Umsätze aus den eigentlichen Urnenbestattungen, nicht aber aus der Besorgung der Beförderungsleistungen. Folglich seien die von der Klägerin insgesamt vereinnahmten Erlöse von ... DM um die an die Schiffsreeder für Charterung der Schiffe gezahlten Beträge von ... DM zu kürzen. Die Umsatzsteuer sei sodann aus dem Differenzbetrag herauszurechnen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat allerdings zu Unrecht das Vorliegen einer einheitlichen Leistung verneint.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) können zusammengehörige Vorgänge zwar nicht bereits deshalb als einheitliche Leistung angesehen werden, weil sie einem einheitlichen (wirtschaftlichen) Ziel dienen. Wenn mehrere, untereinander gleichzuwertende Faktoren zur Erreichung dieses Ziels beitragen und aus diesem Grunde zusammengehören, ist die Annahme einer einheitlichen Leistung vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn die einzelnen Faktoren so ineinander greifen, daß sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurücktreten (so z. B. BFH- Urteil vom 20. November 1975 V R 138/73, BFHE 118, 99, BStBl II 1976, 307; Beschluß vom 18. Dezember 1980 V B 24/80, BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197, jeweils m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen bei den von der Klägerin durchgeführten Seebestattungen aber vor.
Erd- und Feuerbestattungen -- und im Grundsatz auch Seebestattungen -- können sich aus einer Vielzahl von Lieferungen und sonstigen Leistungen zusammensetzen (Beschaffung und Lieferung z. B. des Sarges oder der Urne, des Sterbekleides, von Blumenschmuck, Traueranzeigen; Erledigung von Formalitäten, Vornahme von Überführungen, Totengeleit, von Trauerrednern, musikalischer Umrahmung der Trauerfeier usw.), bei denen es sich zwar um Einzelleistungen handelt, obwohl sie sämtlich dem eigentlichen Zweck -- der Bestattung -- dienen. Die Einzelleistungen sind umsatzsteuerrechtlich im allgemeinen auch jeweils eigenständig zu beurteilen und stehen zueinander nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung (vgl. BFH- Urteil vom 5. November 1970 V R 57/67, BFHE 100, 475; ferner Urteil vom 14. April 1983 V R 3/79, BFHE 138, 260, BStBl II 1983, 491). Bei Seebestattungen besteht jedoch die Besonderheit, daß sie -- im Einklang mit den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und Verfügungen der Gewerbeaufsichtsämter -- stets nur auf hoher See ausgeführt werden können. Die Beförderung der Urnen und ggf. der Trauergäste ist zwangsläufige Voraussetzung der eigentlichen Bestattung, die regelmäßig unter Beachtung bestimmter Regularien und Zeremonien (Gedenkworte, Traueransprache) erfolgt. Sie ist deshalb als Nebenleistung zur Urnenbestattung anzusehen, nicht dagegen als Selbstzweck oder Hauptzweck der Betätigung der Klägerin. Die Bestattung ist -- entgegen der Auffassung der Klägerin -- auch nicht einem reinen Warenumschlag oder einer Warenlöschung vergleichbar. Sie stellt vielmehr bei natürlicher Betrachtung die den Charakter der gesamten Tätigkeit bestimmende Leistung dar, hinter die die Beförderung zurücktritt (vgl. auch BFH-Urteil vom 7. Mai 1975 V R 30/71, BFHE 115, 537, BStBl II 1975, 651).
Der Umstand, daß die Beförderungen durch die Klägerin lediglich vermittelt werden (vgl. § 3 Abs. 11 UStG 1980), während sie die Urnenbestattungen selbst vornimmt oder durch Dritte vornehmen läßt, steht dem nicht entgegen. Maßgeblich ist, daß sie ihren Auftraggebern die Seebestattung als einheitliche Leistung anbietet und entsprechend abrechnet.
Daraus folgt, daß die von der Klägerin getätigten Leistungen anläßlich der Seebestattungen vollen Umfangs nach § 3 Abs. 9 und 11 i. V. m. § 3 a Abs. 1 UStG 1980 steuerbar und steuerpflichtig sind.
2. Die Vorinstanz ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen und hat selbständige und steuerfreie Beförderungsleistungen angenommen. Der Senat ist wegen des Verböserungsverbots (vgl. § 121 i. V. m. § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) gehindert, insoweit weitergehend zum Nachteil der Klägerin zu entscheiden. Auf die Frage, ob die vom FG vorgenommene Aufteilung der für die Seebestattungen vereinnahmten Gesamterlöse für steuerfreie und steuerpflichtige Leistungen zutreffend ist, kommt es nicht mehr an. Sollte diese Aufteilung fehlerhaft sein, brächte ihre Korrektur der Klägerin im rechnerischen Ergebnis keinen weiteren Vorteil.
Fundstellen