Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung verrechenbarer Verluste
Leitsatz (NV)
Will das Finanzamt Verluste einer inländischen Personengesellschaft aus deren Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft der Abzugsbeschränkung des § 15a EStG unterwerfen, so muss es diese Verluste auch dann als nur verrechenbar gesondert feststellen, wenn an der ausländischen Gesellschaft keine weiteren Steuerinländer beteiligt sind.
Normenkette
EStG § 15a Abs. 4; FGO § 74
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus der Beteiligung an österreichischen KG.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische KG. Ihre Komplementärin ist eine GmbH, ihr einziger Kommanditist der Beigeladene.
Die Klägerin war im Streitjahr (1994) an vier österreichischen KG als Kommanditistin beteiligt. Diese Gesellschaften erwirtschafteten Verluste, die in Höhe von insgesamt 703 506 DM auf die Anteile der Klägerin entfielen. Zum Ende des vorausgegangenen Wirtschaftsjahres belief sich das Kapitalkonto der Klägerin bei einer der österreichischen Gesellschaften, der KG I, auf 688 904,89 DM; der Verlustanteil der Klägerin an der KG I betrug 504 822 DM. Die Kapitalkonten der Klägerin bei den übrigen Gesellschaften waren negativ.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der Klägerin nur die Verlustanteile aus der KG I, nicht aber diejenigen aus den übrigen österreichischen Gesellschaften. Zur Begründung berief er sich auf § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen; sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 495 abgedruckt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine unrichtige Anwendung des § 15a EStG. Zudem habe das FG das Ergänzungsprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Österreich) vom 24. August 2000 nicht beachtet.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Feststellungsbescheid dahin zu ändern, dass an Stelle des bisher anerkannten Verlustes von 504 822 DM ein Verlust aus der Beteiligung an den österreichischen Gesellschaften in Höhe von 703 506 DM anerkannt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dieses hat zu Unrecht in der Sache entschieden. Es hätte das Klageverfahren gemäß § 74 FGO aussetzen müssen, da es an einem notwendigen Grundlagenbescheid fehlt.
1. Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf unter bestimmten, im Gesetz näher bezeichneten Voraussetzungen der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Ein solcher Verlust mindert lediglich diejenigen Gewinne, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der KG zuzurechnen sind (§ 15a Abs. 2 EStG). Der nicht ausgleichsfähige Verlust ist, korrigiert um bestimmte im Gesetz genannte Beträge, jährlich gesondert festzustellen (§ 15a Abs. 4 Satz 1 EStG).
2. Die hiernach gebotene Feststellung des verrechenbaren Verlustes erfolgt nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) durch einen eigenständigen Verwaltungsakt. Dieser kann zwar mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte aus der KG verbunden werden (§ 15a Abs. 4 Satz 5 EStG). Auch in einem solchen Fall ergehen jedoch aus verfahrensrechtlicher Sicht zwei unterschiedliche Verwaltungsakte (BFH-Urteile vom 13. Oktober 1998 VIII R 78/97, BFHE 187, 227, BStBl II 1999, 163; vom 23. Februar 1999 VIII R 29/98, BFHE 188, 146, BStBl II 1999, 592; Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 15a Rz. 190, m.w.N.). Dabei ist der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte im Verhältnis zu dem Bescheid zur Feststellung des verrechenbaren Verlustes ein Grundlagenbescheid, durch den über die Höhe des Verlustanteils vor Anwendung des § 15a EStG verbindlich entschieden wird (BFH-Urteil in BFHE 187, 227, BStBl II 1999, 163; BFH-Beschluss vom 8. Mai 1995 III B 113/94, BFH/NV 1995, 971; Kirchhof/von Beckerath, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 15a Rz. 271, m.w.N.). Der ausgleichsfähige Verlust ergibt sich auf dieser Basis als Unterschiedsbetrag zwischen dem festgestellten Anteil am Gesamtverlust einerseits und dem als nur verrechenbar festgestellten Verlustanteil andererseits.
3. Im Streitfall sind gegenüber den österreichischen KG weder gesonderte und einheitliche Feststellungen von Einkünften durchgeführt noch die verrechenbaren Verluste nach Maßgabe des § 15a Abs. 4 EStG festgestellt worden. Das ist zwar im Grundsatz unschädlich, da ausweislich des angefochtenen Urteils an den Gesellschaften außer der Klägerin weder unbeschränkt steuerpflichtige Rechtssubjekte noch Personengesellschaften beteiligt waren, deren Gesellschafter ihrerseits unbeschränkt steuerpflichtig waren. In einem solchen Fall ist nach dem Rechtsgedanken des § 180 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) ein gesondertes Feststellungsverfahren für die ausländische Gesellschaft entbehrlich (ebenso FG München, Urteil vom 11. Mai 1998 1 K 3371/88, EFG 1998, 1268, bestätigt durch Senatsurteil vom 21. Juli 1999 I R 71/98, BFHE 190, 111, BStBl II 2000, 336; vgl. auch Senatsurteil vom 9. Juli 2003 I R 5/03, BFH/NV 2004, 1). Doch fehlt bei dieser Sachlage sowohl eine verbindliche Festlegung dazu, in welcher Höhe der Klägerin überhaupt Einkünfte aus den österreichischen Gesellschaften zuzurechnen sind, als auch eine Festschreibung der mit künftigen Gewinnen verrechenbaren Verluste. Angesichts dessen hätte das FA zunächst gegenüber der Klägerin selbst Bescheide dieses Inhalts erlassen müssen, aus denen sodann die Höhe der ausgleichsfähigen Verlustanteile hätte abgeleitet werden können.
4. Das ist nicht geschehen. Vielmehr ist das FA in der Weise vorgegangen, dass es in den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der Klägerin nur die von ihm als ausgleichsfähig angesehenen Verluste berücksichtigt und die als verrechenbar behandelten Verluste außer Ansatz gelassen hat. Diese Sachbehandlung wird der gesetzlichen Vorgabe, nach der sich der ausgleichsfähige Verlust als Differenz zwischen dem festzustellenden gesamten Verlustanteil und dem ebenfalls festzustellenden verrechenbaren Verlustanteil ergibt, nicht gerecht. Sie führt u.a. dazu, dass es an der gesetzlich vorgesehenen förmlichen Festschreibung der als verrechenbar verbleibenden Verluste überhaupt fehlt. Dazu bedürfte es entsprechender Feststellungsbescheide, aus denen sodann die vom FA durchgeführte Feststellung abgeleitet werden könnte.
5. Entscheidet das FA in einem Verwaltungsakt verbindlich über eine Frage, über die richtigerweise in einem Grundlagenbescheid hätte entschieden werden müssen, so muss ein diesen Verwaltungsakt betreffendes Klageverfahren gemäß § 74 FGO ausgesetzt werden (BFH-Urteile vom 26. Juli 1983 VIII R 28/79, BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290; vom 18. Juli 2001 I R 62/00, BFHE 196, 243, BStBl II 2002, 334; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 74 Rz. 12, m.w.N.). Eine abschließende Entscheidung kann erst dann ergehen, wenn entweder der Grundlagenbescheid erlassen worden ist oder feststeht, dass er nicht mehr erlassen werden kann. In diesem Sinne hätte deshalb auch im Streitfall verfahren werden müssen. Das ist nicht geschehen, weshalb das angefochtene Urteil aufgehoben werden muss. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, das nunmehr die erforderliche Aussetzung des Verfahrens nachholen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 1330598 |
BFH/NV 2005, 842 |
HFR 2005, 628 |