Leitsatz (amtlich)
Die für Formen gewährten Investitionszulagen sind nicht zurückzuzahlen, wenn die Formen deshalb vor Ablauf von drei Jahren seit ihrer Anschaffung oder Herstellung verschrottet werden, weil sie für den Betrieb des Investors wirtschaftlich nicht mehr nutzbar sind und ihre Nutzung durch andere Unternehmen als das des Investors ausgeschlossen ist.
Normenkette
BerlinFG § 19
Tatbestand
Streitig ist die Rückforderung der für drei Formen gewährten Investitionszulagen wegen Verschrottung der Formen vor Ablauf der Dreijahresfrist des § 19 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung der Berliner Wirtschaft (BerlinFG) i. d. F. vom 29. Oktober 1970 (BGBl I 1970, 1482, BStBl I 1970, 1017).
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erhielt für von ihr im Jahre 1969 und 1970 hergestellte Formen, mit denen sie im Auftrag ihrer Kunden in Berlin Kunststofferzeugnisse fertigte, Investitionszulagen. Im Jahre 1972 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt. Das FG hat hierzu folgendes festgestellt:
"Im Zeitpunkt der Betriebsprüfung waren die in den Jahren 1969 und 1970 hergestellten Formen A, B und C nicht mehr vorhanden. Sie sollen, da der Besteller der aus diesen Formen gefertigten Gegenstände keine Lieferungen mehr wünschte, verschrottet worden sein. Die Formen gehörten auch nicht drei Jahre zum Anlagevermögen einer Betriebstätte in Berlin (West)."
Unter Hinweis hierauf forderte der Beklagte und Revisionskläger (FA) durch Bescheide vom 10. Oktober 1972 die für die genannten Formen gewährten Investitionszulagen zurück. Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.
Das FG gab der Klage statt. Seine Entscheidung ist in den EFG 1974, 560, und 1975, 99 veröffentlicht.
Mit der Revision, mit der das FA unrichtige Rechtsanwendung rügt, macht es geltend, die streitigen Formen seien nur für einen bestimmten Auftrag eines bestimmten Kunden verwendet worden. Deshalb seien sie von Anfang an dem Umlaufvermögen zuzuordnen gewesen. Jedenfalls seien die Grundsätze des Urteils des BFH vom 9. März 1967 IV R 149/66 (BFHE 87, 589, BStBl III 1967, 238) entsprechend anwendbar, weil der maßgebliche erste Auftrag innerhalb von 12 Monaten abgeschlossen gewesen sei.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Das FG hat zutreffend eine Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung der gewährten Investitionszulagen verneint.
Nach § 19 Abs. 6 BerlinFG ist die Investitionszulage insoweit zurückzuzahlen, als nach der Auszahlung festgestellt wird, daß die Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht oder nur zum Teil vorgelegen haben. Das gleiche gilt, wenn die begünstigten Wirtschaftsgüter nicht wenigstens drei Jahre seit ihrer Anschaffung oder Herstellung in einem Betrieb (Betriebstätte) in Berlin (West) verblieben sind. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
1. Entgegen der Auffassung des FA können die Investitionszulagen nicht deshalb zurückgefordert werden, weil die Voraussetzungen für ihre Gewährung von Anfang an nicht vorgelegen haben.
Die Rüge des FA, das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die streitigen Formen dem Anlagevermögen zuzuordnen gewesen seien, ist unbegründet. Dem FG-Urteil liegt die Feststellung zugrunde, daß die Formen bis zu ihrem Verschrotten zum Anlagevermögen des Betriebs des Klägers gehörten. Bei der Beurteilung der Formen als Anlagevermögen handelte es sich zwar um eine Rechtsfrage. Diese beinhaltete jedoch gleichzeitig auch die Feststellung, daß die tatsächlichen Voraussetzungen für die Zuordnung der Formen zum Anlagevermögen gegeben waren. An diese Feststellung ist der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da das FA gegen sie keine begründete Verfahrensrüge erhoben hat. Nach der Sachlage hätte das FG noch ermitteln müssen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Zuordnung der Formen zum Umlauf vermögen vorgelegen haben. Das FA macht jedoch lediglich geltend, das FG hätte aufgrund der getroffenen Feststellungen zu einem anderen rechtlichen Ergebnis kommen müssen. Dieses Vorbringen beinhaltet keine Verfahrensrüge.
Aber selbst wenn man in dem Vorbringen des FA eine Verfahrensrüge sehen würde, wäre diese unbegründet. Für das FG bestand bei dem Vortrag der Beteiligten im FG-Verfahren keine Veranlassung, Ermittlungen zur Frage der Zugehörigkeit der streitigen Formen zum Umlaufvermögen anzustellen. Selbst das FA ging davon aus, daß die Formen dem Anlagevermögen angehörten. Es hat erst in der Revisionsinstanz seine Begründung insoweit geändert. Liegen aber nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG die Voraussetzungen für eine Zuordnung der Formen zum Anlagevermögen vor, dann geht der Einwand des FA fehl, bei den Formen habe es sich um Umlaufvermögen gehandelt.
2. Das FG hat zu Recht eine Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung der gewährten Investitionszulagen nach § 19 Abs. 6 Satz 2 BerlinFG verneint.
a) Geht man vom Wortlaut dieser Vorschrift aus, so erscheint der vom FA geltend gemachte Rückzahlungsanspruch berechtigt; denn die streitigen Formen wurden vor Ablauf von drei Jahren seit ihrer Herstellung verschrottet. Die wörtliche Anwendung der Vorschrift würde jedoch zu einem Ergebnis führen, das mit deren Zielsetzung nicht vereinbar wäre. So entspricht es nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil IV R 149/66) nicht der mit § 19 des Berlinhilfegesetzes, der dem § 19 BerlinFG entspricht, verfolgten Zielsetzung, die Berliner Wirtschaft nur hinsichtlich ihrer "Dauerinvestitionen" zu fördern, aber Wirtschaftsgüter, die wegen ihrer zu schnellen technischen Abnutzung keinerlei Dauerwirkung fähig seien, von der Investitionszulage auszuschließen.
Nach Auffassung des Senats sind diese Grundsätze auch dann anzuwenden, wenn die begünstigten Wirtschaftsgüter sich vor Ablauf von drei Jahren seit ihrer Anschaffung oder Herstellung zwar nicht technisch, sondern wirtschaftlich verbrauchen und aus diesem Grund in der Berliner Betriebstätte verschrottet werden. Bei ihnen ist ebenso wie bei den Wirtschaftsgütern, die wegen vorzeitiger technischer Abnutzung aus der Betriebstätte ausscheiden, der mit § 19 BerlinFG bezweckte Investitionserfolg erreicht. Ebensowenig besteht vom Zweck der dreijährigen Bindungsfrist her gesehen ein Unterschied. Zweck der dreijährigen Bindung ist es, Mißbräuche zu verhindern. Der Gesetzgeber wollte damit sicherstellen, daß die Investitionszulage nicht dazu mißbraucht wird, Wirtschaftsgüter unter Inanspruchnahme der Zulage in Berlin (West) anzuschaffen, um sie schon kurze Zeit später in einen Betrieb oder eine Betriebstätte in der Bundesrepublik Deutschland oder ins Ausland zu verbringen (BFH-Urteile vom 29. Juli 1966 VI 55/65, BFHE 87, 313, BStBl III 1967, 125, IV R 149/66). Wird ein Wirtschaftsgut, das vor Ablauf von drei Jahren seit seiner Herstellung oder Anschaffung wirtschaftlich verbraucht ist, verschrottet, so kann einer außerhalb Berlin belegenen Betriebstätte insoweit kein wirtschaftlicher Vorteil verschafft werden. Dem Umstand, daß das Wirtschaftsgut technisch noch nutzbar ist, kommt keine Bedeutung mehr zu, da die technische Nutzbarkeit nicht mehr verwertet werden kann.
Es würde auch zu einem mit dem Sinn und Zweck des § 19 BerlinFG nicht zu vereinbarenden Ergebnis führen, wenn man die gewährte Investitionszulage deshalb zurückfordern würde, weil das wirtschaftlich verbrauchte Wirtschaftsgut baldmöglichst verschrottet und nicht zunächst auf Lager genommen wird, um erst nach Ablauf der maßgeblichen Dreijahresfrist verschrottet zu werden.
b) Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) waren die streitigen Formen, deren Herstellungskosten mehr als 800 DM betrugen und die eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von mehr als drei Jahren hatten, im Zeitpunkt der Verschrottung für den Betrieb des Klägers wirtschaftlich nicht mehr nutzbar, weil weitere Aufträge mit ihnen nicht zu erzielen waren. Auch ihre Nutzung durch andere Unternehmen als das des Klägers war ausgeschlossen. Wenn das FG aufgrund dieser Feststellungen zum Ergebnis kommt, daß die Voraussetzungen für eine Rückforderung der gewährten Investitionszulagen trotz des vorzeitigen Verschrottens der Formen nicht gegeben sind, so ist dies nicht zu beanstanden.
c) Der Senat braucht im übrigen nicht zu entscheiden, ob die Grundsätze des BFH-Urteils IV R 149/46, nach dem nur solche Wirtschaftsgüter begünstigt sind, deren betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer länger als ein Jahr ist, auf die Fälle entsprechend anzuwenden sind, in denen die tatsächliche Nutzung weniger als ein Jahr beträgt. Bei der Behauptung des FA, der erste Auftrag sei innerhalb von 12 Monaten abgeschlossen gewesen, handelt es sich nämlich um neues tatsächliches Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 72127 |
BStBl II 1977, 59 |
BFHE 1977, 317 |