Entscheidungsstichwort (Thema)
Treu und Glauben; eindeutiger Vertrauenstatbestand; Änderung bei Vorbehalt der Nachprüfung; Wertpapiere bei Freiberuflern
Leitsatz (NV)
Ein Vertrauenstatbestand erfordert neben weiteren Voraussetzungen die eindeutige, klar und unmissverständliche Aussage, dass ein bestimmter Tatbestand für die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts maßgeblich sein soll.
Solange der Vorbehalt der Nachprüfung wirksam ist, kann der entsprechende Bescheid geändert werden.
Wertpapiere können nur dann zum gewillkürten Betriebsvermögen eines Freiberuflers gezogen werden, wenn ausschließlich betriebliche Gründe für ihren Erwerb maßgeblich waren.
Normenkette
AO 1977 §§ 4, 164; EStG § 4 Abs. 1, § 18
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Rechtsanwalt; er war in den Streitjahren 1986 und 1987 mit der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) verheiratet. Im Jahr 1985 hatte sich der Kläger mit einem Kollegen zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen; der Gewinn der Sozietät wurde nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Streitig ist im Revisionsverfahren nur noch, ob der Einkommensteuerbescheid 1986 noch geändert und ob Wertpapiere des Klägers in beiden Streitjahren als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden durften.
Im Jahr 1986 erwarb der Kläger Wertpapiere in einem Gesamtbetrag von ca. 2,5 Mio. DM. Die Wertpapiere wies der Kläger als gewillkürtes Betriebsvermögen aus. Zum 31. Dezember 1986 legte er im Februar 1989 eine Bilanz vor; in ihr sind die Wertpapiere als gewillkürtes Betriebsvermögen mit insgesamt ca. 2,5 Mio. DM und diesbezügliche Bankverbindlichkeiten mit ca. 650 TDM ausgewiesen. In der Gewinn- und Verlustrechnung sind Kursgewinne und Kursdifferenzen mit ca. 200 TDM, Kursverluste von ca. 150 TDM sowie Abschreibungen auf Wertpapiere in Höhe von ca. 350 TDM enthalten.
Der Erstbescheid für den Veranlagungszeitraum 1986, der diesen Sachverhalt nicht berücksichtigte, erging unter dem 16. Februar 1989. Während des Einspruchsverfahrens war streitig, ob die Aufzeichnungen des Klägers eine Buchführung bildeten. Eine Sachbearbeiterin des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt ―FA―) fertigte einen Vermerk, in dem sie die ihr vorgelegten Journalseiten nicht als Buchführung wertete. Auf der Rückseite dieses Vermerks ist ein handschriftlicher Vermerk des Leiters der Rechtsbehelfsstelle über eine Abstimmung mit dem Vorsteher des FA angebracht, dass "die ordnungsgemäße Buchführung nicht nach handelsrechtlichen Grundsätzen zu werten" sei, wenn "die Klippe der betrieblichen Veranlassung genommen" werde. Nach weiteren Schreiben des Klägers teilte das FA den Klägern unter dem 5. April 1990 mit, dass es die "Bilanzansätze in der …. Änderungsbilanz" als "geklärt" betrachte; auf dieser Basis ergehe in Kürze ein Änderungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Unter demselben Datum fertigte der Leiter der Rechtsbehelfsstelle einen weiteren Aktenvermerk, dass dem Einspruch stattzugeben sei und dass angeregt werde, für den "bilanziellen Teil" eine Betriebsprüfung durchzuführen; der Änderungsbescheid solle unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen. Unter dem 8. Mai 1990 erging ein entsprechender Bescheid, der unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt wurde; wegen anderer Punkte erließ das FA einen weiteren Änderungsbescheid (vom 26. Februar 1991), der ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging.
Der Bescheid für den Veranlagungszeitraum 1987 erging ―unter dem Vorbehalt der Nachprüfung― mit Datum vom 18. April 1991.
Für die Veranlagungszeiträume 1986 bis 1988 fand eine Außenprüfung statt (Bericht vom 1. Juni 1993), die u.a. zu folgenden Ergebnissen führte: Die vom Kläger gefertigten Aufzeichnungen in seiner "Journalbuchführung 1986" genügten nicht den an eine ordnungsgemäße Buchführung zu stellenden Anforderungen; der ―außerhalb der Sozietät― erwirtschaftete freiberufliche Gewinn 1986 sei daher nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Die klägerischen Aufzeichnungen für 1986 beinhalteten in zeitlicher Abfolge lediglich zugeflossene Einnahmen und abgeflossene Ausgaben. Demgegenüber meint der Kläger, er habe die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gewählt. Mangels Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich lehnte es der Prüfer ab, die Wertpapiere als (gewillkürtes) Betriebsvermögen des Klägers anzuerkennen. Überdies fehle ein eindeutiger und zeitnaher Widmungsakt zum beruflichen Bereich; die Abwicklung der Wertpapiergeschäfte über ein betriebliches Bankkonto reiche hierzu ebenso wenig aus wie die Bezeichnung der Journalaufzeichnungen als "betriebliches Sondervermögen Kanzlei". Da weder für 1986 noch für 1987 zeitnahe Aufzeichnungen vorgelegt seien, scheide bereits aus diesem Grund die Berücksichtigung als gewillkürtes Betriebsvermögen aus. Der Prüfer erhöhte insoweit den erklärten Gewinn für 1986 um ca. 200 TDM und für 1987 um ca. 400 TDM. Gleichzeitig ordnete er den klägerischen Einnahmen aus Kapitalvermögen die Zinserträge von ca. 1 TDM im Veranlagungszeitraum 1987 zu; die Erträge der mit eigenen Mitteln erworbenen Wertpapiere (im Schätzungsweg: 50 v.H.) rechnete er gleichfalls zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen (1986: ca. 30 TDM; 1987: ca. 24 TDM).
Für die Veranlagungszeiträume 1986 bis 1988 ergingen entsprechend den Prüfungsfeststellungen Änderungsbescheide unter dem 29. Juli 1993 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977); der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 20. November 1995).
Im Klageverfahren vertraten die Kläger die Auffassung, dass für den Veranlagungszeitraum 1986 ein Änderungsbescheid nicht mehr habe ergehen dürfen, nachdem der ursprüngliche Bescheid vom 16. Februar 1989 zunächst ohne Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sei. Im Übrigen begehrten die Kläger bezüglich der Wertpapiere den Abzug von betrieblichen Verlusten (1986: ca. 200 TDM; 1987: ca. 400 TDM).
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage hinsichtlich der Behandlung der Wertpapiere als Betriebsvermögen mit den sich daraus ergebenden einkommensteuerrechtlichen Folgen statt. Die Komplexe "Gewinnermittlungsmethode" und "Wertpapiere als Betriebsvermögen" habe das FA erschöpfend geprüft. Das FA sei für den Veranlagungszeitraum 1986 an diese Beurteilung gebunden; es könne nicht einerseits Streitpunkte als geklärt ansehen, andererseits aber eine Entscheidung unter den Vorbehalt der Nachprüfung stellen. Für den Veranlagungszeitraum 1987 blieben die Wertpapiere in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG Betriebsvermögen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
1. Streitjahr 1986
a) Das FG habe in seiner Entscheidung einen in den Jahren 1989/90 begründeten Vertrauenstatbestand in Gestalt widersprüchlichen Verhaltens der Verwaltung angenommen und daraus eine Bindung für die Frage der Bilanzierung von Wertpapieren abgeleitet, ohne auf die Vertrauensfolge der Dispositionen abzustellen. Der nach Auffassung des FG vertrauensbildende Sachverhalt (insbesondere die Erklärung des Sachgebietsleiters vom 5. April 1990) habe noch nicht einmal Verfügungen vermögensrechtlicher Art ausgelöst; der Kläger habe allenfalls annehmen können, infolge des Verhaltens des FA zunächst geringere Steuern entrichten zu müssen. Diese Auffassung widerspreche dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. April 1991 XI R 25/89 (BFH/NV 1991, 720).
b) Die Entscheidung des FG verstoße weiterhin gegen § 164 Abs. 2 AO 1977. Auch wenn das FA einen im Einspruchsverfahren erschöpfend geprüften Sachverhalt zugunsten des Einspruchsführers als geklärt angesehen und ihm dies unter Ankündigung eines Abhilfebescheides mitgeteilt habe, so dürfe ein entsprechend unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangener Änderungsbescheid gleichwohl noch geändert werden. Entgegen der Auffassung des FG liege insoweit ein Verstoß gegen Treu und Glauben nicht vor (BFH-Urteil vom 14. September 1994 I R 125/93, BFH/NV 1995, 369). Der Äußerung des Sachgebietsleiters, dass er die Bilanzansätze nunmehr als geklärt betrachte, könne auch keine streitbeendende Qualität beigemessen werden. Der Vorbehalt der Nachprüfung bleibe bis zu seiner Aufhebung rechtswirksam.
c) Die angegriffene Entscheidung verstoße weiterhin gegen die Grundsätze verbindlicher Zusagen außerhalb einer Außenprüfung, die nach Auffassung des BFH nur auf besonderen Antrag ausgesprochen würden und bei der eine Bindung nur eintrete, wenn die Zusage für bestimmte Maßnahmen und Dispositionen des Steuerpflichtigen ursächlich gewesen sei (BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 369).
d) Ein Abhilfebescheid genieße keinen verstärkten Bestandsschutz; eine weitere Korrektur nach § 164 Abs. 2 AO 1977 sei ohne Beschränkung zulässig.
2. Streitjahr 1987
a) Die Wertpapiere seien nicht Betriebsvermögen des Klägers gewesen. Eine "entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG" könne diese Beurteilung nicht decken.
b) Die Besteuerungsgrundlagen seien für jedes Wirtschaftsjahr selbständig festzustellen. Selbst wenn die Wertpapiere ―entgegen der Auffassung des FA― für das Streitjahr 1986 noch aus Vertrauensschutzgründen als Betriebsvermögen anzusehen seien, so sei dies aber nach dem Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs zum frühestmöglichen Zeitpunkt richtigzustellen; Wirtschaftsgüter des notwendigen Privatvermögens, die zu Unrecht als Betriebsvermögen bilanziert worden seien, seien mit dem Buchwert auszubuchen. Somit wären die Wertpapiere auch bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich im Jahr 1987 erfolgsneutral auszubuchen gewesen.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es der Klage stattgegeben hat und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
1. Die Bezugnahme auf das BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 369 gehe fehl, weil sich dessen Sachverhalt und Entscheidungsinhalt nicht mit dem Streitfall deckten. Im Streitfall habe das FA mit dem Schreiben vom 5. April 1990 dem Begehren der Einspruchsführer im Sinne einer abschließend und endgültig wirkenden Abhilfeentscheidung stattgegeben.
2. Entgegen der Auffassung des FA komme es auf das Merkmal einer vertrauensbedingten Disposition nicht an. Das Schreiben vom 5. April 1990 sei unmittelbar ursächlich für das weitere Verhalten der Kläger gewesen. Sollte es nach Auffassung des angerufenen Gerichts jedoch dennoch darauf ankommen, ob eine Verfügung der Kläger "im Vertrauen" getroffen worden sei, sei diese Frage bisher nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen; die Kläger hätten noch keine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt.
3. Der Vorbehalt der Nachprüfung sei rechtswidrig angebracht worden. Durch das Schreiben vom 5. April 1990 sei für die Kläger ein schutzwürdiges Vertrauen erzeugt worden; die im zweiten Absatz des Schreibens vom 5. April 1990 enthaltene Ankündigung, dass in Zukunft ein Änderungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen würde, liege zeitlich und sachlich nach Ausspruch der Abhilfe. Objektiv hätten die Kläger nicht damit zu rechnen brauchen, dass ihre Position verschlechtert werden würde. Dass zeitgleich derselbe Beamte einen Aktenvermerk an den Vorsteher mit gegenteiligem Inhalt gegeben habe, sei ein klassischer Fall eines widersprüchlichen, gegen Treu und Glauben verstoßenden Verhaltens. Die erstmalige Anbringung des Vorbehalts der Nachprüfung im Änderungsbescheid sei rechtswidrig gewesen; nach Abschluss des Einspruchsverfahrens bestehe keine Möglichkeit, den Vorbehalt der Nachprüfung nachträglich einzufügen (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1980 IV R 168-170/79, BStBl II 1981, 150). Der Hinweis auf das BFH-Urteil vom 11. Dezember 1996 X R 228/93 (BFH/NV 1997, 407) gehe fehl, da dort alle zu beurteilenden Bescheide durchgängig mit dem Vorbehalt der Nachprüfung versehen gewesen seien.
4. Hilfsweise berufen sich die Kläger darauf, dass nach dem 5. April 1990 alle Änderungsbescheide ohne jegliche Anhörung der Betroffenen mit dem Vorbehalt der Nachprüfung versehen worden seien; das bedeute eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
5. Soweit das FA die Ausführungen des FG zum Steuerjahr 1987 angreife, verkenne es, dass insoweit eine Folgewirkung des Vertrauenstatbestandes aus dem Steuerjahr 1986 vorliege und dass die vom FG vorgenommene Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG eine eigenständige und ergänzende Begründung darstelle. Es wäre nochmals ein treuwidriges Verhalten, die Betriebsvermögenseigenschaft der Wertpapiere in den Jahren 1986 und 1987 unterschiedlich zu behandeln. Weil das FA offensichtlich eigene Feststellungen über die Buchhaltung 1987 unterlassen habe, könne es heute nicht die Argumentation für das Jahr 1986 auf das Jahr 1987 übertragen. Das Revisionsgericht könne deshalb nicht davon ausgehen, dass die Buchhaltung 1987 fehlerhaft gewesen sei. Das FA könnte sich nur unter Verstoß gegen Treu und Glauben auf die Prinzipien der Abschnittsbesteuerung und des formellen Bilanzzusammenhangs berufen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es die Streitjahre 1986 und 1987 betrifft; die Wertpapiere sind nicht als Betriebsvermögen zu beurteilen.
1. Entgegen der Auffassung des FG hat das FA keinen Tatbestand gesetzt, auf dessen Einhaltung die Kläger nach dem Grundsatz von Treu und Glauben vertrauen durften. In Bezug auf die Art der Gewinnermittlung der Wertpapiereinkünfte und deren steuerliche Behandlung hat das FA weder eine Zusage abgegeben noch ist insoweit zwischen den Beteiligten eine tatsächliche Verständigung zustande gekommen. Ein Vertrauenstatbestand besteht in einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen kann, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten (BFH-Urteil vom 26. April 1995XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Stand April 1997, § 4 AO 1977, Tz. 59 f.). Ein Vertrauenstatbestand erfordert daher neben weiteren Voraussetzungen die eindeutige, klare und unmissverständliche Äußerung, dass ein bestimmter Tatbestand für die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts maßgeblich sein soll.
Nach diesen Maßstäben konnten die Kläger das Schreiben des FA vom 5. April 1990 nicht in der Weise verstehen, dass die Bilanzansätze endgültig geklärt sein sollten; denn in demselben Schreiben wird den Klägern mitgeteilt, dass ein Änderungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen solle, während der Bescheid vom 16. Februar 1989 noch keinen solchen Hinweis trug. Der Umstand, dass der Änderungsbescheid mit dieser Nebenbestimmung versehen werden sollte, ließ erkennen, dass eine endgültige Klärung ―wie dann auch geschehen― erst im Rahmen einer abschließenden Prüfung vorgenommen werden sollte. Die unmittelbare Verknüpfung der Klärung einer bestimmten Rechtsfrage mit dem Vorbehalt der Nachprüfung verhinderte, dass ein Vertrauenstatbestand entstehen konnte.
2. Das FA war berechtigt, den angefochtenen Bescheid vom 29. Juli 1993 für den Veranlagungszeitraum 1986 gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 zu erlassen, da der vorausgehende Bescheid vom 26. Februar 1991 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand; dieser Vorbehalt war im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 29. Juli 1993 wirksam (BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 369). Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann der entsprechende Bescheid geändert werden (vgl. BFH-Beschluss vom15. September 1994 XI B 90/93, BFH/NV 1995, 462). Ob der Bescheid vom 8. Mai 1990 zu Recht unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt worden war, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 29. Juli 1993 ohne Bedeutung, da der Bescheid vom 26. Februar 1991 unter dem wirksamen Vorbehalt der Nachprüfung stand.
Ebenso durfte auch die Veranlagung für den Veranlagungszeitraum 1987 geändert werden, da bereits der Erstbescheid vom 18. April 1991 unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt worden war.
3. Die angefochtenen Bescheide sind materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Wertpapiere nicht dem Betriebsvermögen des Klägers zuzurechnen sind. Wertpapiere können nur dann zum gewillkürten Betriebsvermögen eines Freiberuflers gezogen werden, wenn ausschließlich betriebliche Gründe für ihren Erwerb maßgeblich waren (BFH-Beschlussvom 10. Juni 1998 IV B 54/97, BFH/NV 1998, 1477); die Möglichkeiten eines Gewerbetreibenden und eines Freiberuflers zur Bildung gewillkürten Betriebsvermögens in Bezug auf Wertpapiere sind unterschiedlich. Im Streitfall sind keine Gründe gegeben, die erkennen lassen könnten, dass für die Wertpapiergeschäfte ausschließlich betriebliche Umstände maßgeblich waren. Der Senat kann daher offen lassen, ob im Bereich der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG überhaupt gewillkürtes Betriebsvermögen gebildet werden kann und ob die Ergebnisse aus dem Sonderbetriebsvermögen (hier § 4 Abs. 1 EStG) nach einer anderen Gewinnermittlungsart als das Ergebnis der Mitunternehmerschaft (hier § 4 Abs. 3 EStG) ermittelt werden darf.
4. Die Sache ist spruchreif. Die Herabsetzung des 1986 erzielten freiberuflichen Gewinns um ca. 12 TDM (vgl. S. 36 des finanzgerichtlichen Urteils) ist nicht zu beanstanden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Die Übertragung der Steuerberechnung beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO i.V.m. § 121 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 425004 |
BFH/NV 2000, 708 |
HFR 2000, 475 |