Leitsatz (amtlich)
Erhält ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber eine Erfindervergütung für mehrere Jahre in einem Betrag ausbezahlt, so kann er entweder die Besteuerung nach dem Gesetz über die steuerliche Behandlung der Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen vom 20. Februar 1969 (Art. 3 StÄndG 1968 in Verbindung mit der Verordnung über die steuerliche Behandlung der Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen vom 6. Juni 1951) - AN-ErfG - oder nach § 34 Abs. 3 EStG beanspruchen. Die gleichzeitige Anwendung beider Steuerermäßigungen ist nicht möglich.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 3; ANErfG
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis zum 31. März 1965 Arbeitnehmer der Firma X. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt er zusätzlich zum laufenden Arbeitslohn 10 000 DM. Damit sollten alle Vergütungsansprüche aus Diensterfindungen des Klägers für die Jahre 1959 bis 1964 abgegolten sein. Von den 10 000 DM hat der Arbeitgeber Lohnsteuer in Höhe von 1 141 DM einbehalten.
In der Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 1965 führte der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die Vergütung mit auf. Im Einkommensteuerbescheid setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Einkommensteuerschuld des Klägers auf 3 875 DM fest. Bei dieser Steuerfestsetzung ist die aus § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die steuerliche Behandlung der Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen vom 20. Februar 1969 - ANErfG - (Art. 3 des Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 20. Februar 1969, BGBl I 1969, 141, in Verbindung mit der Verordnung über die steuerliche Behandlung der Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen vom 6. Juni 1951) sich ergebende Ermäßigung von 633 DM hinsichtlich der erhaltenen Vergütung berücksichtigt.
Der Kläger begehrte im Einspruchsverfahren zusätzlich zur Vergünstigung des Gesetzes vom 20. Februar 1969 eine weitere Ermäßigung der Steuer, die er aus § 35 Abs. 2 LStDV herleitete. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das FG führte aus, der Kläger habe nach § 4 Abs. 2 ANErfG beantragt, die Vergütung von 10 000 DM in die Veranlagung mit einzubeziehen. Deshalb sei die Vorschrift der § 35 Abs. 2 LStDV, die nur für das Lohnsteuerabzugsverfahren gelte, nicht anwendbar. Eine Steuerberechnung nach § 34 Abs. 3 EStG führe zu keiner höheren Ermäßigung, als sie sich nach § 4 Abs. 2 AN-ErfG ergebe. Eine Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG zusätzlich zu einer Ermäßigung nach § 4 Abs. 2 ANErfG finde im Gesetz keine Stütze. Vielmehr sei eine solche Doppelvergünstigung nach § 1 ANErfG ausdrücklich ausgeschlossen.
Mit der Revision begehrt der Kläger die Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG vor Errechnung der Steuerermäßigung nach § 4 Abs. 2 ANErfG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
§ 34 Abs. 3 EStG kommt - wie das FG richtig ausgeführt hat - neben der Vergünstigung des § 4 Abs. 2 AN-ErfG nicht zur Awendung. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 AN-ErfG ist Ausgangspunkt für die Berechnung der Steuerermäßigung die Steuer, "die für das gesamte Einkommen nach der Einkommensteuertabelle festzusetzen wäre". Daß neben der Anwendung der Einkommensteuertabelle auf das gesamte Einkommen auch die Tarifvorschrift des § 34 Abs. 3 EStG berücksichtigt werden könnte, ist dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 2 ANErfG nicht zu entnehmen. Auch in § 32a EStG wird zwischen der Anwendung der Einkommensteuertabelle und den Tarifvorschriften der §§ 34, 34b und 34c EStG unterschieden. § 34 EStG kann hiernach nicht als Bestandteil der Einkommensteuertabelle betrachtet werden.
Auch aus § 1 ANErfG läßt sich nichts anderes herleiten. Nach dieser Vorschrift ist u. a. die Einkommensteuerveranlagung nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 ANErfG vorzunehmen, es sei denn, daß die Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften zu einer niedrigeren Steuer führt. Es wird also die sich nach § 4 Abs. 2 ANErfG - wie dargelegt ohne Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG - ergebende Steuer verglichen mit der Steuer, die sich nach den allgemeinen Vorschriften - d. h. unter Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG - ergibt. Hieraus folgt nicht, daß § 34 Abs. 3 EStG auch schon bei Berechnung der Steuerermäßigung nach § 4 Abs. 2 ANErfG angewendet werden müßte. § 2 Abs. 1 ANErfG sagt ebenfalls für die Streitfrage nichts aus, da diese Vorschrift sich nur auf das Lohnsteuerabzugsverfahren, nicht aber auf das hier zu beurteilende Veranlagungsverfahren bezieht.
Das FA hat die Steuerermäßigung hiernach, wie auch das FG angenommen hat, zutreffend berechnet.
Fundstellen
Haufe-Index 70746 |
BStBl II 1974, 163 |
BFHE 1974, 144 |