Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine echte Materialbeistellung ist in der Regel dann abzulehnen, wenn der Besteller Hauptstoff (Altblei) zwecks Erwerbs von Bleirohren einem Unternehmer beistellt, der Bleirohre nicht selbst herstellt, sondern mit ihnen handelt.
Der Unternehmer hat keinen Anspruch auf die Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG, wenn er die im Tauschwege erworbenen Hauptstoffe (Altblei) durch einen anderen Unternehmer im Werklohn zu Bleirohren verarbeiten läßt.
Zur Frage der Entgeltsberechnung nach § 5 Abs. 2 UStG beim Tausch.
Normenkette
UStG § 3/2, § 5 Abs. 2-3, § 7 Abs. 3; UStDB §§ 8, 12 Abs. 2; UStG § 3/4, § 10/3/2, § 10/1/4, § 3/9
Tatbestand
Anlaß des Rechtsstreites ist die umsatzsteuerliche Behandlung von Bleirohrlieferungen im Großhandel, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Die Beschwerdeführerin (Bfin.) bezieht die Bleirohre von einer Bleirohrfabrik zu einem Barpreis von 0,16 DM bis 0,23 DM je kg unter der Verpflichtung, ihrerseits der Herstellerin Altblei im Gewicht von 110 % der neuen Erzeugnisse abzuliefern. Zu dem für den Bezug von Bleirohr benötigten Altblei kommt die Bfin. in der Weise, daß sie ihren Abnehmern die Bleirohre ebenfalls zu den gleichen Bedingungen gegen Abgabe von Altblei liefert; sie berechnet ihnen jedoch 0,40 bis 0,55 DM je kg Rohr. Streitig ist die Höhe des Entgelts und der Steuersatz für die Großhandelslieferungen der Bfin. an ihre Abnehmer, zumeist Klempner. Die Bfin. hat als steuerpflichtiges Entgelt nur den Barpreis von 0,40 bis 0,55 DM je kg angesehen und hierauf den ermäßigten Steuersatz nach § 7 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) angewendet. Den Wert des von ihren Abnehmern erhaltenen Altbleis hat sie als durchlaufenden Posten angesehen, während die Vorinstanzen das Umsatzgeschäft zwischen Bfin. und ihren Abnehmern als tauschähnlichen Vorgang behandelt haben, bei dem die Kunden der Bfin. neues Bleirohr gegen eine Barzahlung zuzüglich Altblei erhielten. Die Vorinstanzen haben außerdem den ermäßigten Steuersatz nach § 7 Abs. 3 UStG versagt, weil die Bfin. die Bleirohre von der Herstellerin nicht erworben, sondern von dieser aus eigenem Rohmaterial habe herstellen lassen, so daß ihr die Bearbeitung nach § 12 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) zuzurechnen sei.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) begehrt die Bfin. den Wert des Altbleis bei den strittigen Bleirohrlieferungen als durchlaufenden Posten anzuerkennen, hilfsweise den Wert des Altbleis nach den jeweiligen Tagessätzen, aber nicht nach dem Unterschiedswert zwischen Altblei- und Neubleirohrlieferungen, wie es die Vorinstanzen getan hätten, zu erfassen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Anwendung des § 5 Abs. 3 UStG auf die streitigen Umsatzgeschäfte verneint. Diese Vorschrift setzte voraus, daß die Bfin. das Altblei im fremden Namen und für fremde Rechnung empfangen hätte, so daß zwischen ihren Abnehmern und der Bleirohrfabrik unmittelbare Rechtsbeziehungen entstanden wären. Dies ist aber nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt nicht der Fall gewesen.
Es kommt vielmehr darauf an, ob das von den Abnehmern hingegebene Altblei in den Leistungsaustausch zwischen Bfin. und deren Kunden einzubeziehen ist. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn sich das Umsatzgeschäft als eine Werkleistung darstellte mit der Folge, daß die Bfin. nur einen Werklohn zu versteuern hätte. Eine Werkleistung setzte aber voraus, daß die Kunden der Bfin. den ihnen gehörigen Stoff lediglich zur Verarbeitung zu Bleirohren zur Verfügung gestellt hätten. Die Verfügungsmacht über den Stoff müßte solchenfalls bei den Kunden verblieben sein. Eine solche Beurteilung ist jedoch für den Streitfall abzulehnen. Den Kunden (Klempnern usw.) kam es darauf an, fertige Bleirohre zu erhalten. Es war ihnen bekannt, daß die Bfin. Bleirohre nicht selbst herstellte, sondern mit solchen handelte. Ihr Wille konnte also nur dahin gehen, die von ihnen zu erwerbenden Bleirohre unter Anrechnung des von ihnen zur Verfügung gestellten Altbleis zu einem niedrigeren Barpreis geliefert zu erhalten. Ist das Umsatzgeschäft somit als eine Lieferung zu beurteilen, scheidet auch der Gesichtspunkt einer Materialgestellung als typischer Fall einer Werkleistung aus. Auch § 8 UStDB kommt nicht in Betracht, weil diese Vorschrift einen Sonderfall der Werkleistung und nicht eine Lieferung betrifft (vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs V A 581/31 vom 22. Januar 1932, Slg. Bd. 30 S. 103, Reichssteuerblatt - RStBl - 1932 S. 382). Die Möglichkeit, den Wert des Altbleis aus dem Leistungsaustausch herauszunehmen, ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Materialbeistellung gegeben. Bei dieser handelt es sich um Werklieferungen, bei denen ein Teil des Hauptstoffes vom Besteller dem Unternehmer (Bfin.) übergeben wird, der die Bearbeitung oder Verarbeitung des zur Verfügung gestellten Stoffes unter Verwendung eigener Stoffe übernommen hat, bei denen es sich nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt (ß 3 Abs. 2 UStG). Nach den obigen Erörterungen hat sich die Bfin. aber nicht zur Verarbeitung des ihr überlassenen Altbleis verpflichtet, sondern lediglich zur Lieferung neuer Bleirohre. Die Auffassung der Vorbehörden, das Umsatzgeschäft als Tauschgeschäft gegen Baraufgabe zu werten, bei dem die Bfin. neue Bleirohre liefert und dafür als Entgelt neben einer Barzahlung Altblei erhalten sollte, ist deshalb nicht zu beanstanden. Der Wert des empfangenen Altbleis ist somit von der Bfin. zu versteuern.
Streitig ist weiterhin, in welcher Höhe der Wert des Altbleis anzusetzen ist. Nach § 5 Abs. 2 UStG gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz, wobei als Wert mangels anderweitiger Bestimmung der gemeine Wert (ß 10 des Bewertungsgesetzes - BewG -) in Betracht kommt. Da es sich im Streitfall um die Lieferung eines Großhändlers an den Einzelhändler (Handwerker) handelt, ist der Einzelhändlereinkaufspreis (Großhandelspreis) maßgeblich. Im Rechtsbeschwerdeverfahren wird geltend gemacht, daß die Herstellerfirma lediglich einen Umarbeitungspreis berechne, der von der Bfin. mit einem entsprechenden Verdienstaufschlag weitergegeben werde; es würde jeder wirtschaftlichen überlegung widersprechen, wollte die Bfin. das Altblei von ihren Abnehmern zu einem Preis erwerben, der um 100 % über dem Marktpreise liege. Demgegenüber haben die Vorinstanzen folgenden Weg der Wertermittlung eingeschlagen: Es ist von den durchschnittlichen Bleirohrpreisen ohne Abgabe von Altblei ausgegangen worden, von denen sodann die Barzahlungen (0,40 DM bis 0,55 DM) abgesetzt worden sind. Darauf ist der Wareneinsatz der gelieferten neuen Bleirohre gewichtsmäßig festgestellt und unter Zugrundelegung dieses Gewichts der Wert des Altbleis errechnet worden. Im Ergebnis würden also 110 % Altblei dem Wert von 100 % Neublei gleichgesetzt. Nach Auffassung des Beschwerdegegners könne das wertmäßige Verhältnis nicht anders sein, da die Bfin. selbst nur 110 % Altblei für 100 % Neublei fordere; hinzu komme, daß die Kosten, die der Bfin. für die Umarbeitung des Altbleis in neues Bleirohr entstünden und die sie mit etwa 150 % Aufschlag ihren Kunden weiterberechne, vor der Wertermittlung des Altbleis abgesetzt worden seien. Diese Art der Wertermittlung entspricht jedoch nicht den gesetzlichen Vorschriften des § 5 UStG in Verbindung mit § 10 BewG, mag im Einzelfalle, was hier jedoch nicht nachprüfbar ist, das Ergebnis auch richtig sein. Hiernach ist die Vorentscheidung in diesem Punkt nicht frei von Rechtsirrtum und unterliegt der Aufhebung. Die Sache ist nicht spruchreif und wird zweckmäßig an das Finanzamt zurückverwiesen. Dieses wird den Großhandelspreis für Altblei zu ermitteln und diesen der Entgeltsberechnung zuzüglich der Baraufgabe zugrunde zu legen haben.
Streitig ist schließlich der Steuersatz für die hier behandelten Umsätze. Zutreffend hat hier die Vorinstanz die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 3 UStG verneint. Nach der eigenen Darstellung der Bfin. muß davon ausgegangen werden, daß die Herstellerin das Entgelt für ihre Leistung nach Art eines Werklohns berechnet habe, also, wie die Bfin. es ausdrückt, lediglich einen Umarbeitungspreis in Rechnung gestellt habe, der unabhängig von den Marktpreisen für Blei berechnet worden ist. Ist danach das Umsatzgeschäft zwischen Bfin. und Herstellerin, überlassung des Altbleis als alleinigen Hauptstoff zwecks Verarbeitung zu Bleirohren, nicht als Lieferung zu beurteilen, so hat die Bfin. die Bleirohre nicht "erworben", wie es § 7 Abs. 3 UStG voraussetzt. Zu demselben Ergebnis führt der allgemeine Zurechnungsgrundsatz des § 12 Abs. 2 UStDB (vgl. Hirschmann, Deutsche Steuerzeitung 1953 S. 38 ff. unter Ziff. 2 Abs. 2). Die Versagung der Großhandelsvergünstigung ist mithin gerechtfertigt.
Das von der Vorinstanz noch zu ermittelnde Entgelt ist deshalb nach § 7 Abs. 1 UStG zu versteuern. Es war daher, wie geschehen, zu erkennen.
Der Vorinstanz waren auch die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes und die Kostenentscheidung zu übertragen (§§ 318 Abs. 2, 320 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung).
Fundstellen
Haufe-Index 408665 |
BStBl III 1957, 83 |
BFHE 1957, 219 |
BFHE 64, 219 |