Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die auf Grund von Anzahlungen durch Kunden entrichtete und als Forderung an die kommende Geschäftszeit (aktiver Rechnungsabgrenzungsposten) in die Ertragsteuerbilanz eingestellte Umsatzsteuer ist bei der Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs nicht anzusetzen.
Normenkette
BewG §§ 54, 95, 56, 97
Tatbestand
Streitig ist, ob die in der Erfolgsbilanz der Bgin. zum 31. Dezember 1956 als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten angesetzte Umsatzsteuer für Anzahlungen von Kunden bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1957 zu erfassen ist.
Die Bgin. hat diese Umsatzsteuer für die Anzahlungen der Kunden in ihre Vermögensaufstellung für die Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs nicht übernommen. Das Finanzamt setzte jedoch diesen Betrag als Aktivvermögen an. Mit dem Einspruch führte die Steuerpflichtige aus, der Rechnungsabgrenzungsposten scheide für die Bewertung aus, weil er kein bewertbares Wirtschaftsgut im Sinne des Bewertungsrechts darstelle. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Berufung hatte jedoch Erfolg. Nach Auffassung der Vorinstanz sind aktive Rechnungsabgrenzungsposten nur insoweit bewertungsfähig, als sie einen über den Bewertungszeitraum hinauswirkenden Vorteil darstellen, der sich aus einer Verausgabung vor diesem Zeitpunkt ergibt. Die auf Kundenanzahlungen geleistete Umsatzsteuer stelle keinen Vorteil dar, sie sei vielmehr eine ausschließlich vermögensmindernde Ausgabe. Die in der Erfolgsbilanz aktivierte Umsatzsteuer stelle keinen Korrektivposten zu den Kundenanzahlungen dar, sondern diene ausschließlich der periodengerechten Aufwandsverteilung. Bei der dynamischen Erfolgsbilanz werde durch den aktiven Rechnungsabgrenzungsposten eine Ausgabe in den späteren Zeitraum verlagert, in dem sie Aufwand werde. Demgegenüber seien bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens Vermögensminderungen und Vermögenserhöhungen in dem Umfange zu berücksichtigen, wie sie sich tatsächlich ausgewirkt hätten. Die sogenannten "Ansprüche an die kommende Geschäftszeit" seien insoweit zu berücksichtigen, als ihnen ein am Bewertungsstichtag noch vorhandener Zuwachs an Rechten oder anderen Wirtschaftsgütern gegenüberstehe.
Mit der Rb. trägt der Vorsteher des Finanzamts vor, die transitorischen Aktivposten seien Gegenstand der Bewertung im Sinne des BewG, wenn sie einen über den Feststellungszeitpunkt hinauswirkenden Vorteil darstellten, der sich aus der Verausgabung vor diesem Zeitpunkt ergebe. Der in die Erfolgsbilanz für Kundenzahlungen unter den Aktiven eingesetzten Umsatzsteuer sei ein echter innerer Wert auch über den Feststellungszeitpunkt hinaus beizumessen. Wenn die Umsatzsteuer für Kundenanzahlungen zu einem Zeitpunkte entstehe und fällig werde, zu dem sie bilanzrechtlich noch keinen Aufwand für das Unternehmen bedeute, so sei ihr ein echter Forderungswert beizumessen, der auch nach dem Bewertungsrechte einen Vorteil darstelle, weil die kommende Geschäftszeit von der Zahlung befreit sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
I. - Nach der zum Ertragsteuerrecht ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs müssen Bauunternehmen die auf Anzahlungen für nicht vollendete Bauten entrichtete Umsatzsteuer aktivieren (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 290/56 U vom 13. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 331, Slg. Bd. 67 S. 154, und IV 222/56 U vom 22. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 333, Slg. Bd. 67 S. 160). Diese Umsatzsteuer stelle Aufwendungen dar, die mit einem gegenseitigen Vertrage in wirtschaftlichem Zusammenhang stünden, der am Bilanzstichtage von keiner Seite voll erfüllt sei. Da der Gewinn aus einem solchen gegenseitigen Vertrage erst in einem späteren Wirtschaftsjahre verwirklicht werde, müßten zu einer betriebswirtschaftlich richtigen Erfolgsabgrenzung die von der Rechtsprechung für die Bilanzierung schwebender Verträge allgemein aufgestellten Grundsätze beachtet werden. Diese Grundsätze forderten eine erfolgsneutrale Behandlung. Deshalb müßte die Umsatzsteuer schon hiernach erfolgsneutral behandelt werden. Hinzu komme, daß nach den Grundsätzen der dynamischen Bilanzlehre und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung Aufwendungen dem Jahre zuzurechnen seien, zu dem sie wirtschaftlich gehörten. Bei der Umsatzsteuer auf Anzahlungen für nicht vollendete Bauten handele es sich um Aufwendungen, die wirtschaftlich mit dem Erfolg des Wirtschaftsjahres zusammenhingen, in dem der Bau abgenommen und der Gewinn aus dem Bauauftrag verwirklicht werde. Diese für eine Aktivierung im Ertragsteuerrecht maßgebenden Gründe können für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht ohne weiteres übernommen werden. Die Steuerbilanz dient dazu, den Gewinn eines Wirtschaftsjahres auszuweisen. In der Vermögensbilanz - Vermögensaufstellung - dagegen ist das Vermögen an einem bestimmten Stichtage auszuweisen, wie es sich nach den Vorschriften des BewG ergibt. Für die Vermögensaufstellung gelten somit statische und nicht dynamische Grundsätze. Deshalb ist für das Bewertungsrecht entscheidend, ob dem aktiven Rechnungsabgrenzungsposten ein bewertbarer Anspruch gegenübersteht. Hierzu ist zunächst zu prüfen, ob sich etwa ein solcher Anspruch unter dem Gesichtspunkte eines schwebenden Geschäfts ergibt, d. h. ob es sich hinsichtlich der Umsatzsteuer um ein schwebendes Geschäft handelt, bei dem noch kein Ausgleich stattgefunden hat. Dies ist zu verneinen. Mit der Zahlung der Umsatzsteuer erlangt der Betriebsinhaber keinen Gegenanspruch; denn die Verpflichtung zur Zahlung der Umsatzsteuer ergibt sich nicht aus dem noch schwebenden Vertrage, sondern aus dem Gesetz; sie ist nur eine Folgewirkung aus dem Vertrage. Durch die Zahlung der Umsatzsteuer verringern sich lediglich der Kassenbestand oder andere Geldkonten. Dieser Vorgang wirkt sich auf das Vermögen nicht anders aus, als wenn die Umsatzsteuer noch geschuldet würde. Auch aus der Bezeichnung "Forderungen an die kommende Geschäftszeit", durch die eine innerbilanzliche Verrechnung zum Ausdruck kommt, kann nicht auf einen bewertbaren Anspruch geschlossen werden. Deshalb geht auch der Einwand des Beschwerdeführers fehl, ein Forderungswert ergebe sich daraus, daß die kommende Geschäftszeit von der Zahlung befreit sei. Ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten für entrichtete Umsatzsteuer auf Kundenanzahlungen kann auch nicht den Rechnungsabgrenzungsposten für Mietvorauszahlungen, Prämienvorauszahlungen für Versicherungen und ähnlichen Vorauszahlungen gleichgestellt werden. Bei diesen Zahlungen hat noch kein Ausgleich stattgefunden, es hat vielmehr nur der eine Teil vorausgeleistet. Dem Vorausleistenden steht noch der Anspruch gegen den Vertragspartner auf Mietnutzung bzw. Versicherungsschutz zu. Es besteht ein Recht, das bewertungsfähig und deshalb auch bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zu berücksichtigen ist. Wenn in den Urteilen des Reichsfinanzhofs III 264/39 vom 7. November 1940 (RStBl 1941 S. 78, Slg. Bd. 49 S. 272) und III 75/41 vom 31. März 1942 (RStBl 1942 S. 770, Slg. Bd. 51 S. 314) auch allgemeine Ausführungen über die Erfassung der Rechnungsabgrenzungsposten bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens gemacht wurden, so können sie nach Auffassung des erkennenden Senats nur im Zusammenhange mit dem damals zur Entscheidung gestellten Sachverhalte beurteilt und nicht unabhängig davon so verstanden werden, daß ganz allgemein jeder in der Steuerbilanz angesetzte Rechnungsabgrenzungsposten ohne weiteres bei der Einheitsbewertung als Betriebsvermögen zu übernehmen sei.
II. - Ist eine Erfassung des Rechnungsabgrenzungspostens unter dem Gesichtspunkte des schwebenden Geschäfts nicht möglich, so ergibt sich die weitere Frage, ob der Rechnungsabgrenzungsposten für sich betrachtet etwa ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut darstellt. In der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 222/56 U vom 22. Mai 1958 (a. a. O.) ist ausgeführt, es sei durchaus möglich, ein selbständiges Wirtschaftsgut zu bejahen, da die klar Abgrenzbarkeit gegeben sei und beim Erwerb des Unternehmens durch einen Dritten der Veräußerer den Ersatz der auf die erhaltenen Anzahlungen entfallenden Umsatzsteuer verlangen werde, wenn die ausgezahlten Beträge im Rahmen des Gesamterwerbs auf den Erwerber mit übergingen. Diese aus der ertragsteuerlichen Sicht zusammenfassende Betrachtung der Anzahlung auf Grund eines schwebenden Geschäfts, der Umsatzsteuer, die für die Anzahlung entrichtet wurde, und der sich hieraus ergebenden finanziellen Auswirkungen bei einer eventuellen übernahme des Geschäfts durch den Erwerber des Unternehmens rechtfertigt nicht, bei der Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebs ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut anzunehmen. Die Betrachtung der angeführten Entscheidung könnte bei der Einheitsbewertung allenfalls dafür von Bedeutung sein, ob sich die Umsatzsteuerzahlung auf den Teilwert der Wirtschaftsgüter auswirkt, für die die Anzahlungen geleistet wurden (hierzu vgl. Abschn. III). Das für die Einheitsbewertung maßgebende Stichtagsprinzip erlaubt es aber nicht, aus einer späteren möglichen Entwicklung im Falle einer eventuellen Geschäftsveräußerung das Bestehen eines selbständig bewertbaren Wirtschaftsguts herzuleiten. Eine Unterstellung, daß im Feststellungszeitpunkte das Betriebsvermögen verkauft wird, ist nach § 12 BewG lediglich bei der Ermittlung des Teilwerts der einzelnen Wirtschaftsgüter möglich, nicht aber für die Frage, ob überhaupt ein bewertbares Wirtschaftsgut besteht.
III. - Weiter ergibt sich die Frage, ob die für Anzahlungen von Kunden geleistete Umsatzsteuer bei der Ermittlung des Teilwerts der Wirtschaftsgüter, für die die Anzahlungen geleistet wurden, zu berücksichtigen ist. Der Teilwertbegriff nach § 12 BewG unterstellt eine Veräußerung des Unternehmens. Deshalb kann für den Fall, daß der Erwerber des Unternehmens dem Veräußerer die Umsatzsteuer ersetzt, die Nichtberücksichtigung der Umsatzsteuer bei der Teilwertermittlung nicht damit begründet werden, es handele sich um einen aufschiebend bedingten Anspruch. Trotzdem ist der erkennende Senat der Auffassung, daß die Umsatzsteuer auf Kundenanzahlungen im Streitfalle bei der Wertermittlung der Wirtschaftsgüter, für die die Anzahlungen entrichtet wurden, nicht besonders zu erfassen ist. Bei den vom Bauunternehmer auf dem Grund und Boden des Bauherrn erstellten halbfertigen Bauten handelt es sich um Forderungen des Bauunternehmers gegen den Bauherrn (vgl. das nicht veröffentlichte Urteil des Bundesfinanzhofs IV 305, 306/56 vom 19. Februar 1959, Der Betrieb 1960 S. 591, und Rössler-Troll, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., S. 754). Zu bewerten ist deshalb nicht das teilweise errichtete Bauwerk, sondern die noch ausstehende Forderung gegen den Bauherrn. Soweit der Bauherr bereits Anzahlungen geleistet hat, ist die Forderung des Bauunternehmers erfüllt. Die Anzahlungen haben deshalb auf den Wert der noch ausstehenden Forderung keinen Einfluß. Damit scheidet auch die auf diese Anzahlungen geleistete Umsatzsteuer für die Wertermittlung der noch ausstehenden Forderung aus. Die Anzahlungen haben auf der einen Seite die Geldkonten des Unternehmers erhöht, auf der anderen Seite hat die gezahlte Umsatzsteuer die Geldkonten vermindert. Die Tatsache, daß Anzahlung geleistet und dafür Umsatzsteuer bezahlt wurde, wirkt sich infolgedessen nur bei dem übergang der Geldkonten auf den Erwerber bzw. bei deren Verrechnung aus.
Der Rb. mußte somit der Erfolg versagt bleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 411102 |
BStBl III 1964, 234 |
BFHE 1964, 1 |
BFHE 79, 1 |