Leitsatz (amtlich)
Durch die Beteiligung eines typischen stillen Gesellschafters an einem gewerblichen Betrieb wird der Geschäftswert dieses Betriebs auch dann nicht konkretisiert, wenn die Verzinsung der Einlage des stillen Gesellschafters ungewöhnlich hoch ist.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 54; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 56
Tatbestand
Die Klägerin ist eine 1952 gegründete GmbH mit einem Stammkapital von 20 000 DM. Gesellschafter sind die Geschwister A und B mit einer Stammeinlage von je 10 000 DM. Außerdem ist ein Bruder (C) der Geschwister A und B an der Klägerin als stiller Gesellschafter beteiligt. Er hat eine Einlage in das Vermögen der Klägerin in Höhe von ebenfalls 10 000 DM erbracht. Mit dem stillen Gesellschafter wurde eine Gewinn- und Verlustbeteiligung in Höhe von 20 v. H. der von der Klägerin erwirtschafteten Ergebnisse zuzüglich Übernahme der darauf entfallenden Kapitalertragsteuer vereinbart.
Die Stammeinlage wurde in Höhe von je 4 000 DM und die stille Einlage in voller Höhe als Sacheinlage in der Weise erbracht, daß die Geschwister A, B und C den ihnen gemeinschaftlich zustehenden Verlagswert (Urheberund Verlagsrecht) an einer Zeitschrift auf die Klägerin übertrugen.
C erhielt aufgrund seiner stillen Beteiligung an der Klägerin folgende Gewinnanteile einschließlich der von der Klägerin zu übernehmenden Kapitalertragsteuer:
1953 72 453 DM
1954 112 989 DM
1955 400 067 DM
Summe 585 509 DM
In dieser Summe sind 146 377 DM an Kapitalertragsteuer enthalten.
Durch Vertrag vom 11. November 1955 wurde die stille Gesellschaft, die bis 1958 vereinbart war, vorzeitig aufgelöst. C erhielt zur Abfindung aller seiner Ansprüche und unter Berücksichtigung des im Jahr 1955 bis zur Auflösung angefallenen Gewinns eine Entschädigung von 310 050 DM.
Aufgrund vorstehenden Sachverhalts setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin einen Geschäftswert zum 1. Januar 1954 von 30 936 DM, zum 1. Januar 1955 von 79 180 DM und zum 1. Januar 1956 in Höhe von 250 000 DM unter Bezugnahme auf entsprechende Aktivierungen in der Steuerbilanz an. Das FA sah in der ungewöhnlich hohen Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters ein Entgelt dafür, daß C die anteiligen Rechte an dem Verlagswerk und damit den anteiligen Geschäftswert an die Klägerin übertragen hat. Es erfaßte die Zahlungen, die nach seiner Auffassung über eine angemessene Verzinsung der stillen Einlage hinausgingen, als Entgelt für den Geschäftswert.
Die Einsprüche hatten nur insoweit Erfolg, als die ursprünglich höheren Ansätze für den Geschäftswert auf die oben genannten Zahlen ermäßigt wurden.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Revision gegen die vom FG angewandte Rechtsprechung des BFH, wonach ein Geschäftswert anzusetzen sei, wenn für ihn eine Zahlung geleistet wurde. Der Vorgang der Zahlung eines Kaufpreises gebe dem Geschäftswert keine irgendwie geänderte Bedeutung. Die Zahlung habe nur für die allernächste Folgezeit Aussagekraft, im übrigen aber nur historische Bedeutung. Der Ansatz eines Geschäftswerts in der Steuerbilanz habe im übrigen eine ganz andere Bedeutung als die Ertassung in der Vermögensaufstellung.
Die Klägerin ist weiter der Auffassung, es führe zu einer Ungleichmäßigkeit der Besteuerung, einen erworbenen Geschäftswert als Vermögenswert anzusetzen, während originär geschaffene Geschäftswerte nicht erfaßt würden.
Schließlich meint die Klägerin, ein Geschäftswert könne allenfalls durch Vereinbarung eines Kaufpreises konkretisiert werden. In ihrem Fall habe aber der Gegenwert für den behaupteten Geschäftswert sich nicht in einer konkreten Zahlung niedergeschlagen, sondern er habe in der Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters bestanden. Diese Gewinnbeteiligung sei aber genauso unkonkret wie der bis dahin bestehende Anteil am Geschäftswert.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Einheitswert unter Fortfall des Ansatzes für den Geschäftswert festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.
1. Zum gewerblichen Betriebsvermögen gehören alle Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die dem Betrieb eines Gewerbes als Hauptzweck dient, soweit die Wirtschaftsgüter dem Betriebsinhaber gehören (§ 54 Abs. 1 BewG i. d. F. vor BewG 1965 - im folgenden: BewG -). Zum Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft gehören alle Wirtschaftsgüter, die dieser Gesellschaft gehören, und zwar auch dann, wenn sie nicht einem Gewerbe als Hauptzweck dienen sollten (§ 56 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens sind nicht nur Gegenstände i. S. des bürgerlichen Rechts (Sachen und Rechte), sondern alle immateriellen Werte, soweit sie selbständig bewertbar sind. Zu den selbständig bewertungsfähigen immateriellen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens gehört auch ein konkretisierter Geschäftswert. Der Geschäftswert ist zwar seinem Wesen nach ein immaterielles Gesamtwirtschaftsgut (vgl. BFH-Entscheidung vom 18. Januar 1967 I 77/64, BFHE 88, 198, BStBl III 1967, 334), er ist aber, wenn er konkretisiert ist, wie ein immaterielles Einzelwirtschaftsgut zu behandeln (vgl. BFH-Entscheidung vom 6. August 1971 III R 9/71, BFHE 102, 573, BStBl II 1971, 677).
Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt es nicht gegen den Gleichheitssatz, einen konkretisierten Geschäftswert als immaterielles Wirtschaftsgut in der Vermögensaufstellung zur Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zu erfassen. Es ist zwar richtig, daß die Aktivierung des erworbenen Geschäftswerts in der Steuerbilanz eine andere Funktion hat als die Erfassung des erworbenen Geschäftswerts in der Vermögensaufstellung. Durch die Aktivierung soll, wie die Klägerin zutreffend ausführt, eine Gewinnminderung aufgrund des Erwerbs eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens vermieden werden. Die Erfassung eines erworbenen Geschäftswerts in der Vermögensaufstellung beruht aber auf einem ähnlichen Gedanken. Es soll einer scheinbaren Vermögensminderung aufgrund der Entäußerung von Vermögenswerten (meistens Geldvermögen) entgegengewirkt werden, die in Wirklichkeit zu einer Vermögensumschichtung geführt hat. Aus diesem Sinn der Erfassung des konkretisierten Geschäftswerts ergibt sich, daß rechtlich anzuerkennende Gründe für eine unterschiedliche Behandlung des originären und des derivativen Geschäftswerts sprechen.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats werden immaterielle Werte als selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens behandelt, wenn sie als geldwerte Realität in Erscheinung getreten sind. Dies ist der Fall, wenn sie entweder
a) durch die Verkehrsanschauung als selbständig bewertungsfähig anerkannt werden oder
b) erworben worden sind oder
c) durch Aufwendungen, die auf sie gemacht worden sind, als selbständig bewertungsfähig anerkannt worden sind.
Für den Geschäftswert gilt, wie der Senat schon wiederholt ausgesprochen hat, die Einschränkung, daß eine allgemeine Verkehrsanschauung, bei einem bestimmten Unternehmen oder bei einer bestimmten Gruppe von Unternehmen sei über die einzelnen Vermögenswerte hinaus auch ein Geschäftswert vorhanden, nicht dazu führen kann, den Geschäftswert als immaterielles Wirtschaftsgut zu erfassen (so z. B. BFH-Entscheidung vom 30. Mai 1974 III R 75/73, BFHE 113, 50, BStBl II 1974, 654).
3. Das FG sah in den Zahlungen für die Übertragung der Rechte des C an der Zeitschrift auf die Klägerin die Realisierung des anteiligen Geschäftswerts des Gewerbebetriebs der Klägerin. Es war weiter der Auffassung, die dem stillen Gesellschafter hierfür gewährte ungewöhnlich hohe Gewinnbeteiligung sei, soweit sie über eine angemessene Verzinsung seiner Einlage hinausgehe, als Entgelt für die Überlassung des anteiligen Geschäftswerts anzusehen.
Diese Rechtsauffassung teilt der Senat nicht. Die Begründung einer typischen stillen Gesellschaft, wie sie im Entscheidungsfall gegeben ist, führt grundsätzlich nicht dazu, daß der Geschäftswert des Handelsgewerbes, an dem sich der stille Gesellschafter beteiligt, realisiert oder konkretisiert wird. Denn die stille Gesellschaft bewirkt lediglich, daß der Ertrag eines Handelsgewerbes, in das die Einlage eines stillen Teilhabers erbracht wird, zwischen dem Inhaber des Handelsgewerbes und dem stillen Gesellschafter aufgeteilt wird (vgl. §§ 335 bis 337 HGB). Das FG hat seine Entscheidung auf die frühere Rechtsprechung des BFH gestützt. Darin wurde im Anschluß an die Rechtsprechung des RFH die Auffassung vertreten, daß die unterschiedslose Anerkennung des Geschäftswerts als selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut lediglich an der Unmöglichkeit scheitere, ohne äußeren Anhalt einen Geschäftswert zu bewerten (vgl. BFH-Entscheidung vom 19. Februar 1965 III 342/61 U, BFHE 82, 1 [5], BStBl III 1965, 248, mit weiteren Nachweisen). Das gewerbliche Betriebsvermögen wird jedoch als Ausnahme von der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 2 BewG nicht im ganzen bewertet, sondern durch Summierung der Werte, die den einzelnen zur wirtschaftlichen Einheit gehörenden Wirtschaftsgütern zukommen (vgl. § 66 BewG). Der für die Bewertung des gewerblichen Betriebsvermögens geltende Grundsatz der Einzelbewertung, wie er vor allem im BFH-Urteil vom 12. Juli 1968 III 181/64 (BFHE 93, 323, BStBl II 1968, 794) dargestellt wurde, schließt damit eine Erfassung des Geschäftswerts eines Unternehmens nach Schätzungsmethoden aus, die gegen diesen Grundsatz verstoßen. Dies hat der Senat besonders im Urteil III R 9/71 herausgestellt. Deshalb kann der Geschäftswert eines gewerblichen Betriebs nicht mit der Begründung erfaßt werden, die Gewinnbeteiligung des typisch stillen Gesellschafters führe zu einer unangemessen hohen Verzinsung seiner Einlage. Denn in dieser Gewinnbeteiligung drückt sich lediglich die allgemeine Ertragskraft des Unternehmens aus, an dem der stille Gesellschafter beteiligt ist. Eine allgemein gute Ertragslage führt aber nicht dazu, daß ein Geschäftswert zu einem selbständig bewertungsfähigen immateriellen Wirtschaftsgut konkretisiert wird, weil der Geschäftswert aufgrund dieser Ertragslage nur als Unterschied zwischen Gesamtwert und Summe der Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter angenommen werden kann. Die gute Ertragslage eines Unternehmens ist im übrigen auch, ohne daß eine stille Beteiligung besteht, ohne weiteres erkennbar. Im Entscheidungsfall wird dies besonders deutlich, weil die Gesellschafter der Klägerin diese nur mit einem Stammkapital von 20 000 DM ausgestattet haben. Die Klägerin ist aber an dem erwirtschafteten Gewinn, selbst wenn man die Übernahme der Kapitalertragsteuer des stillen Gesellschafters durch sie berücksichtigt, mit etwa 70 v. H. beteiligt, so daß sich das Gesellschaftsvermögen der Klägerin noch höher "verzinst" als die Einlage des stillen Gesellschafters. Die günstige Ertragslage allein rechtfertigt aber im Hinblick auf den Grundsatz der Einzelbewertung des gewerblichen Betriebsvermögens nicht, einen Geschäftswert zu erfassen.
4. Der stille Gesellschafter hat im Streitfall seine Einlage nicht in Geld, sondern als Sacheinlage erbracht. Die Sacheinlage bestand darin, daß er - ebenso wie die Gesellschafter der Klägerin - seine anteiligen Rechte an der von der Klägerin herausgegebenen Zeitschrift übertragen hat. Der Senat hat mit Urteil vom 12. Juni 1974 III R 54/73 (BFHE 112, 528, BStBl II 1974, 629) entschieden, daß in Ausnahmefällen auch durch die Einbringung eines Unternehmens in eine neu gegründete Gesellschaft der Geschäftswert dieses Unternehmens konkretisiert werden könne. Ein Ausnahmefall ist nach dieser Rechtsprechung aber nur dann gegeben, wenn ein Teil des Entgelts, das für das einzubringende Unternehmen gezahlt wurde, eindeutig und klar auf den Geschäftswert entfällt. Im vorliegenden Fall fehlt es schon an dieser Voraussetzung, denn die Zahlungen aufgrund der Gewinnverteilungsabrede der stillen Gesellschaft sind, wie oben ausgeführt, nicht geeignet, als Entgelt für einen Teilgeschäftswert angesehen zu werden.
5. Das FG beruft sich zur Begründung seiner Entscheidung zu Unrecht auf die im Einvernehmen zwischen FA und der Klägerin Ende 1965 getroffene Regelung zur Beendigung eines Rechtsstreits über die Erhebung der Körperschaftsteuer für 1953 bis 1955. Danach wurde im Einvernehmen zwischen den Beteiligten in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 1952 ein Geschäftswert von 250 000 DM aktiviert.
Zunächst besteht aufgrund einer bestimmten Behandlung eines Vorgangs in der Steuerbilanz keine Bindungswirkung für die der Einheitsbewertung zugrunde zu legende Vermögensaufstellung. Außerdem steht überhaupt nicht fest, ob diese einvernehmliche Regelung in jeder Hinsicht der Rechtslage entspricht. Deshalb kann der Senat dem FG nicht darin folgen, die Klägerin habe sich mit dieser Art der Feststellung abgefunden und müsse sie gegen sich gelten lassen. Auch Äußerungen von Organen oder Vertretern der Klägerin im Laufe des Verfahrens zur Bereinigung der Meinungsverschiedenheiten bezüglich der ertragsteuerlichen Behandlung der Leistungen an den stillen Gesellschafter können nicht dazu führen, eine Entscheidung zu treffen, die zur gegebenen Rechtslage im Widerspruch steht. Schließlich liegen diese Äußerungen zeitlich rund ein Jahrzehnt nach den hier maßgebenden Feststellungszeitpunkten. Sie haben für die Körperschaftsteuererhebung nur Bedeutung für die streitigen Steuerfestsetzungen, während bei der Vermögensbesteuerung - wie das FG mit dem Hinweis auf Billigkeitsmaßnahmen selbst einräumt - der Geschäftswert auch an allen zukünftigen Stichtagen versteuert werden müßte.
6. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung als der erkennende Senat ausgegangen; seine Entscheidung war deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, weil die Feststellungen des FG nicht ausreichen, eine abschließende Entscheidung treffen zu können; sie geht deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
a) Das FG hat in seinen Entscheidungsgründen erwähnt, ohne hierzu Feststellungen zu treffen, der Ansatz des Geschäftswerts sei auch deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin gelegentlich der Begründung der stillen Beteiligung des C auch eine Pensionslast für einen Angestellten der X-GmbH übernommen habe, deren alleiniger Gesellschafter der stille Gesellschafter der Klägerin sei. Das FG hat diesen Sachverhalt noch weiter aufzuklären und zu prüfen, ob er zur teilweisen Konkretisierung eines Geschäftswerts geführt haben könnte.
b) Weiter hat das FG festgestellt, daß die stille Gesellschaft im November 1955 vorzeitig aufgelöst wurde und daß der stille Gesellschafter eine Abfindung einschließlich der bis zur Auflösung angefallenen Gewinnanteile zuzüglich der anfallenden Kapitalertragsteuer in Höhe von 310 050 DM erhielt. Das FG hat noch festzustellen, in welcher Höhe dieser Betrag eine echte Abfindung für die vorzeitige Auflösung der stillen Gesellschaft darstellt und dazu Stellung zu nehmen, ob diese Ablösung zur teilweisen Realisierung des Geschäftswerts der Klägerin geführt haben kann.
Fundstellen
Haufe-Index 71288 |
BStBl II 1975, 324 |
BFHE 1975, 543 |