Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblicher „Dienstbeginn“ bei Bildung einer Pensionsrückstellung
Leitsatz (NV)
Bei der Bildung einer Pensionsrückstellung ist regelmäßig auch dann auf den tatsächlichen ‐ und nicht auf einen fiktiven früheren ‐ Dienstbeginn abzustellen, wenn der Pensionsberechtigte bereits in einem Dienstverhältnis zu dem Steuerpflichtigen gestanden hatte, wenn dieses Dienstverhältnis jedoch endgültig beendet worden ist, wenn aus ihm keine unverfallbaren Anwartschaften erwachsen sind und wenn sich die Beteiligten über die Zurechnung der Vordienstzeiten nicht vertraglich vereinbart haben (Einschränkung von Abschn. 41 Abs. 12 Satz 3 EStR 1987; Bestätigung des Senatsurteils vom 9. April 1997 I R 124/95, BFHE 183, 119, BStBl II 1997, 799; R 41 Abs. 11 EStR 1996/1998/1999).
Normenkette
EStG § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 3; EStR 1987 Abschn. 41 Abs. 12 S. 3; EStR 1996 R 41 Abs. 11
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1998, 805) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat durch Vertrag vom 12. Oktober 1987 einem Angestellten unter Berufung in den Vorstand eine Pensionszusage mit Wirkung ab 1. Januar 1988 erteilt.
Im Rahmen einer u.a. das Streitjahr 1988 betreffenden Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass für den Angestellten Vordienstzeiten vom 1. April 1955 bis 31. März 1971 (= 16 Jahre) gegeben waren. Die Klägerin hatte diese Zeiten bei der Bewertung der Pensionsrückstellung (§ 6a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) gemäß Abschn. 41 Abs. 12 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 1987 (EStR 1987) berücksichtigt, hiervon jedoch nur drei Jahre angerechnet, weil der Berechtigte in den davor liegenden 13 Jahren das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (§ 6a Abs. 3 Nr. 1 Satz 6 EStG, Abschn. 41 Abs. 12 Satz 4 EStR 1987). Bei Rückbeziehung der Vordienstzeiten gemäß Abschn. 41 Abs. 12 Satz 3 EStR 1987 vom Zeitpunkt des letzten Diensteintritts am 1. Januar 1988 an ergab sich jedoch ein fiktives Eintrittsalter von 34 Jahren, weshalb nach Ansicht des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt ―FA―) die früheren 16 Jahre voll in die Berechnungen einzubeziehen seien. Die unterbliebenen Zuführungen seien in der Steuerbilanz wegen der Zuführungsgrenzen in § 6a Abs. 4 Satz 1 EStG jedoch nicht mehr nachholbar (Abschn. 41 Abs. 22 Satz 3 EStR 1987, R 41 Abs. 20 Satz 4 EStR 1999).
Die dagegen erhobene Klage hatte mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 805 wiedergegebenen Gründen Erfolg.
Seine Revision stützt das FA auf Verletzung von § 6a i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG.
Es beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.
Der Senat lässt dahinstehen, ob die unterbliebene Zuführung zu einer Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz trotz der gesetzlich bestimmten Beschränkungen in § 6a Abs. 4 Satz 1 EStG nachgeholt werden kann, wenn sie irrtümlich zu gering berechnet worden ist (vgl. dazu Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Band II Steuerrecht, 3. Aufl., Rz. 530; Otto in Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 2. Aufl., StR A Rz. 390; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 2. Teil Rz. 302; Stuhrmann in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 6a Rz. 197). Eine derartige Falschberechnung der Zuführungshöhe liegt im Streitfall nicht vor.
Denn abweichend von der Annahme der Beteiligten waren sog. Vordienstzeiten des pensionsberechtigten Angestellten, also von Dienstzeiten, die vor dessen tatsächlichem Dienstantritt am 1. Januar 1988 lagen, nach den tatrichterlichen Feststellungen, die sich auf die Ergebnisse der Betriebsprüfung beziehen, nicht anzurechnen. Die frühere Tätigkeit des Angestellten bei der Klägerin vom 1. April 1955 bis zum 31. März 1971 ändert daran nichts. Zwar war nach damaliger Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 41 Abs. 12 Satz 3 EStR 1987 unter solchen Umständen der seinerzeitige Dienstbeginn als fiktiver Dienstbeginn zugrunde zu legen und das neue Dienstverhältnis um die Dauer des früheren Dienstverhältnisses zu verlängern (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen ―BMF― vom 5. November 1976 IV B 1 -S 2176- 13/76, Betriebliche Altersversorgung 1976, 221), selbst dann, wenn der Umfang der Pensionsverpflichtung durch die frühere Dienstzeit gar nicht beeinflusst wird. Eine solche fiktive Vorverlegung des tatsächlichen Dienstbeginns ist mit der gesetzlichen Regelung in § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 EStG indes nicht in Einklang zu bringen (ebenso Höfer, a.a.O., Rz. 189 ff., und in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 6a EStG Rdnr. 69; Hahn, Deutsche Steuer-Zeitung 1998, 729, 730; im Grundsatz auch Otto in Blomeyer/Otto, a.a.O., StR A Rz. 348; weitergehend demgegenüber Ahrend/Förster/Rößler, a.a.O., 2. Teil Rz. 227 f.).
Das Gesetz stellt ―und zwar ausschließlich― auf den Beginn des Dienstverhältnisses ab. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass damit irgendein, nicht aber das konkret in Rede stehende Dienstverhältnis zwischen dem Pensionsverpflichteten und dem Pensionsberechtigten gemeint wäre. Durch die Teilwertermittlung der Pensionsrückstellung in Höhe des Teilwertes soll der Aufwand der Pensionsleistungen auf die Zeit der ―gesamten― aktiven Tätigkeit des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers rechnerisch verteilt und der Aufwand mit dem Ertrag der entsprechenden Arbeitsleistung verrechnet werden (BTDrucks VII/1281, S. 37; Senatsurteil vom 10. August 1994 I R 47/93, BFHE 175, 535, BStBl II 1995, 250; Ahrend/Förster/Rößler, a.a.O., 2. Teil Rz. 29 ff.). Die Regelung geht davon aus, dass die Pensionsanwartschaft während der tatsächlichen Dienstzeit im zusagenden Unternehmen ratierlich erdient wird. Dies lässt sich, wie der Senat in seinem Urteil vom 9. April 1997 I R 124/95 (BFHE 183, 119, BStBl II 1997, 799) entschieden hat, mit der rechnerischen Einbeziehung von Vordienstzeiten aber jedenfalls dann nicht mehr vereinbaren, wenn das Dienstverhältnis endgültig beendet ist, wenn aus dem früheren Dienst- oder Rechtsverhältnis keine unverfallbaren Anwartschaften erwachsen sind und wenn sich die Beteiligten über die Zurechnung der Vordienstzeiten nicht vertraglich verständigt haben. - Soweit die Verwaltungspraxis in der Vergangenheit ―und so auch im Streitjahr― hiervon abweichend verfahren ist, ist darin lediglich ein Billigkeitserweis und keine Gesetzesauslegung zu sehen (vgl. zur nunmehrigen, mit der Senatsrechtsprechung übereinstimmenden Verwaltungspraxis R 41 Abs. 11 EStR 1996/1998/1999; Schreiben des BMF vom 22. Dezember 1997, BStBl I 1997, 1020).
Im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, dass die einschränkenden Voraussetzungen, die der Senat im Urteil in BFHE 183, 119, BStBl II 1997, 799 erwähnt hat, erfüllt gewesen wären; eine fiktive Vorverlegung des tatsächlichen Dienstbeginns infolge des früheren Dienstverhältnisses ist in Anbetracht dessen nicht gerechtfertigt.
Die Vorinstanz hat ihrer Entscheidung ein abweichendes Verständnis zugrunde gelegt. Ihr Urteil war aufzuheben, die Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 510244 |
BFH/NV 2001, 154 |
DStZ 2001, 172 |
HFR 2001, 326 |