Leitsatz (amtlich)
Veräußert ein Landwirt seinen gesamten Milchviehbestand, um eine Nichtvermarktungsprämie (Art.2 VO (EWG) Nr.1078/77 vom 17.Mai 1977) zu erhalten, so sind die dabei erzielten Veräußerungsgewinne grundsätzlich als Zuschläge i.S. des § 13a Abs.6 Nr.3 EStG 1977 (vgl. § 13a Abs.8 Nr.3 EStG 1979) zu erfassen.
Orientierungssatz
1. Eine Nichtvermarktungsprämie nach Art. 2 VO (EWG) 1078/77 gilt bei den Landwirten, die ihren Gewinn nach § 13a EStG 1977 ermitteln, durch den Grundbetrag als abgegolten (Literatur; Erlaß des Landes Schleswig-Holstein vom 29.12.1977 S 2230 - 100 VI 310a, StEK, EStG, § 13, Nr. 282).
2. Zu den gesondert zu erfassenden Erträgen bei Landwirten, die ihren Gewinn nach § 13a EStG 1977 ermitteln, gehören in der Regel auch nicht regelmäßig wiederkehrende und daher außerordentliche Erträge aus der Veräußerung von Anlagegütern. Sie werden durch den Grundbetrag nicht abgegolten, weil sie im maßgeblichen Vergleichswert nach § 38 BewG einschließlich der dazugehörigen Zuschläge und Abschläge nach § 41 BewG nicht enthalten sind. Solche einzelnen, nicht wiederkehrenden Erträge aus gelegentlichen Veräußerungsgeschäften mit Betriebsmitteln müssen bei der Ermittlung des Vergleichswerts schon deshalb außer Ansatz bleiben, weil bei der Einheitsbewertung des landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebs nicht vom tatsächlichen Ertrag eines Jahres auszugehen ist, sondern von der Ertragsfähigkeit, d.h. von dem im Durchschnitt der Jahre "gemeinhin und nachhaltig erzielbaren Reinertrag, in den nur übliche Geschäfte im normalen Betriebsablauf Eingang finden können (vgl. BFH-Urteil vom 15.11.1984 IV R 131/83). Die Einzelveräußerung von Wirtschaftsgütern des abnutzbaren Anlagevermögens kann dagegen ein normaler Vorgang der Bewirtschaftung sein, den man im Vergleichswert als berücksichtigt ansehen kann.
3. Milchvieh gehört zu den stehenden Betriebsmitteln i.S. von § 33 Abs. 2 BewG. Es ist auf Dauer dazu bestimmt, Milch und damit laufenden Ertrag zu liefern (vgl. BFH-Urteil vom 8.5.1964 III 337/60 U). Der Milchviehbestand geht mit den Verhältnissen, d.h. mit dem Umfang und dem Zustand im Feststellungszeitpunkt in die Einheitsbewertung und den Vergleichswert ein (§ 35 Abs. 1 BewG).
Normenkette
EStG 1979 § 13a Abs. 8 Nr. 3; EStG 1977 § 13a Abs. 3, 6 Nr. 3; BewG 1965 § 33 Abs. 2-3, § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 2, §§ 38, 41; EWGV 1078/77 Art. 2, 1, 3; EWGV 1041/78
Tatbestand
Aufgrund Art.2 der Verordnung (EWG) Nr.1078/77 (VO Nr.1078/77) vom 17.Mai 1977 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 131/1) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr.1041/78 (VO Nr.1041/78) vom 22.Mai 1978 (ABlEG L 134/9) veräußerte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bis zum 30.Juni 1979 ihren gesamten Milchviehbestand von 20 Kühen. Die Verkaufserlöse betrugen 31 307 DM. Außerdem erhielt die Klägerin nach der genannten Verordnung eine Nichtvermarktungsprämie in Höhe von insgesamt 34 370 DM (erstes Jahr: 17 185 DM; drittes Jahr: 8 592 DM; fünftes Jahr: 8 593 DM). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah die Gewinne aus der Veräußerung des Milchviehbestandes als zusätzlich zu erfassende Erträge i.S. von § 13a Abs.6 Nr.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Wirtschaftsjahre 1977/78 und 1978/79 an und änderte den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 1978 entsprechend. Die als Zuschläge anzusetzenden Gewinne errechnete das FA wie folgt:
Wirtschaftsjahr 1977/78:
Erlös für 12 Kühe 18 775 DM
abzüglich Buchwerte
(12 x 800 DM) 9 600 DM
---------
9 175 DM.
Wirtschaftsjahr 1978/79:
Erlös für 8 Kühe 12 532 DM
abzüglich Buchwerte
(8 x 800 DM) 6 400 DM
---------
6 132 DM.
Im Einspruchsverfahren änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 1978 insofern, als es nunmehr die Veräußerung von 25 % des Viehbestandes (5 Kühe) dem normalen, durch den Grundbetrag abgegoltenen Betriebsablauf zuordnete. Dementsprechend minderte es den Zuschlag für das Wirtschaftsjahr 1977/78 (3 Kühe) um 2 290 DM und denjenigen für das Wirtschaftsjahr 1978/79 (2 Kühe) um 1 542 DM.
Mit der Klage wandten sich die Kläger weiterhin gegen den Zuschlag für die Viehverkäufe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Mit der vom FG zugelassenen Revision machen die Kläger geltend, unter § 13a Abs.6 Nr.3 EStG fielen weder einzelne noch gehäufte Veräußerungen des Anlagevermögens.
Die Kläger beantragen, die Einkommensteuer 1978 unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Abänderung der Bescheide vom 14.April 1980 und vom 19.April 1982 in Gestalt der Einspruchsentscheidung entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. § 13a Abs.6 Nr.3 EStG in der Fassung vom 5.Dezember 1977 (EStG 1977) erfaßt Erträge aus einzelnen Betriebsvorgängen, die bei der Feststellung des Ausgangswertes nach § 13a Abs.3 bis 5 EStG 1977 nicht berücksichtigt worden sind. Voraussetzung für diesen Zuschlag ist, daß der Durchschnittsgewinn sich dadurch um mehr als 800 DM erhöht. Zu den gesondert zu erfassenden Erträgen gehören in der Regel auch nicht regelmäßig wiederkehrende und daher außerordentliche Erträge aus der Veräußerung von Anlagegütern. Sie werden durch den Grundbetrag i.S. von § 13a Abs.3 EStG 1977 nicht abgegolten, weil sie im maßgeblichen (§ 13a Abs.3 Nr.1 EStG 1977) Vergleichswert nach § 38 des Bewertungsgesetzes (BewG) einschließlich der dazugehörigen Zu- und Abschläge nach § 41 BewG nicht enthalten sind. Solche einzelnen, nicht wiederkehrenden Erträge aus gelegentlichen Veräußerungsgeschäften mit Betriebsmitteln müssen bei der Ermittlung des Vergleichswertes schon deshalb außer Ansatz bleiben, weil bei der Einheitsbewertung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs nicht vom tatsächlichen Ertrag eines Jahres auszugehen ist, sondern von der Ertragsfähigkeit, d.h. von dem im Durchschnitt der Jahre "gemeinhin und nachhaltig erzielbaren Reinertrag" (§ 36 Abs.2 BewG 1965), in den nur übliche Geschäfte im normalen Betriebsablauf Eingang finden können (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15.November 1984 IV R 131/83, BFHE 142, 469, BStBl II 1985, 156, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1985, 223 mit Anmerkung und Anmerkung wgc in Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 1985, 354).
2. a) Das gilt auch für Gewinne aus der Veräußerung des gesamten Milchviehbestandes, um eine Nichtvermarktungsprämie nach Art.1 und 2 VO (EWG) Nr.1078/77 i.d.F. der VO (EWG) Nr.1041/78 (a.a.O.) zu erlangen. Nach dieser Verordnung kann ein Landwirt entweder eine Nichtvermarktungsprämie (Art.2) oder eine Umstellungsprämie (Art.3) erhalten, wenn er auf die Vermarktung von Milch und Milcherzeugnissen verzichtet oder die Milchkuhbestände auf Bestände zur Fleischerzeugung umstellt (vgl. Präambel der VO (EWG) Nr.1078/77). Die Nichtvermarktungsprämie wird daher als Entschädigung für den Verzicht auf die Vermarktung von Milch und Milcherzeugnissen gezahlt. Sie gleicht die fehlenden Erlöse aus dem Absatz von Milch und Milcherzeugnissen aus. Es wird daher angenommen, daß sie bewertungsrechtlich an dessen Stelle tritt.
Daher gilt die Nichtvermarktungsprämie bei den Landwirten, die ihren Gewinn nach § 13a EStG 1977 ermitteln, durch den Grundbetrag als abgegolten (Pape in Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3.Aufl., Abschn.C Anm.277; Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 1983, Rdnr.653; Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 3.Aufl., Rdnr.49; Söffing, Inf 1977, 553, 558; Märkle, Inf 1979, 49 ff., 81 ff., 85; ebenso die Auffassung der Finanzverwaltung, vgl. Erlaß des Landes Schleswig-Holstein vom 29.Dezember 1977 S 2230 - 100 VI 310a, Steuererlasse in Karteiform --StEK--, Einkommensteuergesetz, § 13, Nr.282). Denn die Erlöse aus der Vermarktung von Milch und Milcherzeugnissen sind im Vergleichswert nach § 38 i.V.m. § 41 BewG eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes mit Milchwirtschaft erfaßt. Sie sind Teil des gemeinhin und nachhaltig erzielbaren Reinertrages (§ 36 Abs.2 BewG).
b) Im Gegensatz zur Nichtvermarktungsprämie handelt es sich --wie ausgeführt-- bei den Erträgen aus dem Verkauf des gesamten Milchviehbestandes um außerordentliche im Vergleichswert nicht erfaßte Erträge. Milchvieh gehört zu den stehenden Betriebsmitteln i.S. von § 33 Abs.2 BewG. Es ist auf Dauer dazu bestimmt, Milch und damit laufenden Ertrag zu liefern (BFH-Urteil vom 8.Mai 1964 III 337/60 U, BFHE 79, 584, BStBl III 1964, 447). Der Milchviehbestand geht mit den Verhältnissen, d.h. mit dem Umfang und dem Zustand im Feststellungszeitpunkt in die Einheitsbewertung und den Vergleichswert ein (§ 35 Abs.1 BewG). Gewinne durch eine Gesamtveräußerung sind daher vom Grundsatz her außerordentliche Erträge, die im maßgeblichen Einheitswert bei der Ertragsfähigkeit i.S. von § 36 Abs.2 BewG nicht erfaßt sein können.
c) Dem steht nicht entgegen, daß die Einzelveräußerung von Wirtschaftsgütern des abnutzbaren Anlagevermögens ein normaler Vorgang der Bewirtschaftung sein kann, wenn z.B. verbrauchte Maschinen verkauft und statt ihrer neue Maschinen angeschafft werden (vgl. dazu Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rdnr.656) oder wenn einzelne Milchkühe veräußert werden. Die dabei erzielten Gewinne sind deshalb nicht als außerordentlicher Ertrag gemäß § 13a Abs.6 Nr.3 EStG 1977 dem Durchschnittsatzgewinn hinzuzurechnen, weil es sich dabei um einen stets wiederkehrenden Vorgang des normalen Betriebsablaufs handelt, den man im Vergleichswert als berücksichtigt ansehen kann. Hinzugerechnet müssen aber solche Einzelgewinne werden, die sich durch die Veräußerung eines Gesamtbestandes und damit zusammenhängend durch die Strukturänderung eines Betriebes ergeben.
3. Das FA hat vorliegend in der Einspruchsentscheidung den Verkauf von fünf Kühen als dem normalen, durch den Grundbetrag abgegoltenen Betriebsablauf entsprechend unberücksichtigt gelassen und nur den Ertrag aus dem Verkauf von insgesamt 15 der verkauften 20 Milchkühe in den beiden Wirtschaftsjahren dem Durchschnittsatzgewinn hinzugerechnet. Dagegen bestehen keine Bedenken. Die Erfassung des Restes (15 Kühe) ist erforderlich, weil die Veräußerung des gesamten Milchviehbestandes kein normaler Vorgang der laufenden Bewirtschaftung, sondern ein außergewöhnlicher Vorfall ist (vgl. BFH-Urteil vom 20.Juli 1972 IV R 186/68, BFHE 107, 111, BStBl II 1972, 934), durch den ein Betriebszweig völlig aufgegeben worden ist (Felsmann in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 13a (n.F.) Anm.82; Engel in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Stand April 1987, § 13a Rdnr.29; Felsmann, a.a.O., Abschn.C Rdnrn.273, 284 f.).
Fundstellen
Haufe-Index 61906 |
BStBl II 1988, 16 |
BFHE 151, 61 |
BFHE 1988, 61 |