Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit eines an eine durch Umwandlung erloschene Gesellschaft gerichteten Umsatzsteuerbescheids; Ersetzung des angefochtenen unwirksamen Bescheids durch den an den (durch die Umwandlung entstandenen) Gesamtrechtsnachfolger gerichteten Umsatzsteuerbescheid gem. § 68 FGO; Ort der Leistung bei mehreren aneinandergeknüpften Versendungen gem. § 3 Abs. 7 UStG 1973
Leitsatz (NV)
1. Die in § 68 FGO vewendeten Begriffe ,,ändern" und ,,ersetzen" sind weit auszulegen. Für die Anwendbarkeit des § 68 FGO reicht es aus, daß hinsichtlich des (angefochtenen) ursprünglichen Bescheids und des neuen Bescheids Identität der Beteiligten und des Besteuerungsgegenstands besteht und der ursprüngliche Bescheid durch den Erlaß des neuen seine Wirkung verliert. Identität der Beteiligten besteht auch, wenn (wie im Streitfall) der durch Umwandlung der ursprünglichen Gesellschaft entstandene Gesamtrechtsnachfolger Steuerschuldner wird (§ 45 Abs. 1 AO 1977); daß die ursprünglichen Steuerbescheide unwirksam waren (weil an die bereits liquidationslos erloschene Gesellschaft gerichtet) ist unschädlich. Nach der BFH-Rechtsprechung reicht es aus, wenn ein ,,sachlicher Zusammenhang" zwischen dem angefochtenen und dem neuen Verwaltungsakt besteht, wobei es nicht darauf ankommt, ob der angefochtene Verwaltungsakt wirksam war.
2. Die Befugnis des BFH als Revisionsgericht (vgl. BFHE 91, 213, BStBl II 1968, 285), für Fragen der Verjährung entscheidungserhebliche Tatsachen - ohne Feststellung durch das FG - zu berücksichtigen, beschränkt sich auf Zeitpunkte von Steuerbescheiden und Betriebsprüfungen, die im FG-Urteil erwähnt sind.
3. Eine Betriebsprüfung, die aufgrund einer unwirksamen Prüfungsanordnung erfolgt, führt keine Ablaufhemmung herbei (BFHE 150, 1, BStBl II 1988, 165).
4. Können wegen Verjährung keine Umsatzsteuer-Jahresbescheide mehr erlassen werden, bleiben die vorangegangenen Festsetzungen für die Voranmeldungszeiträume wirksam (BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370).
5. Der Anwendung des § 3 Abs. 7 UStG 1973 steht nicht entgegen, daß mehrere Versendungsvorgänge miteinander verknüpft worden sind. Entscheidend ist, daß die Versendung von Anfang an an einzeln feststehende (End-)Abnehmer durchgeführt worden ist.
Normenkette
AO §§ 144-145, 146a; AO 1977 §§ 169, 171; FGO § 68; UStG 1973 § 3 Abs. 7
Tatbestand
1. Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens war allein die materiell-rechtliche Frage, ob die ,,. . .Verlag GmbH" (Verlag) in den Streitjahren 1975 bis 1977 an eine Behörde Zeitschriften (einen sog. Pressespiegel) steuerbar im Inland oder nichtsteuerbar im Ausland geliefert hatte. Der Verlag gab u.a. für eine Behörde einen wöchentlich erscheinenden Pressespiegel in mehreren Fremdsprachen heraus und vertrieb diesen. Ab 1975 wurde das Versandverfahren für die englischen Ausgaben der Zeitschrift an die ausländischen Abnehmer durch den Verlag wie folgt gehandhabt: Zusätzlich zur Banderolierung übernahm er die gesamte Adressierung und versandte die jeweiligen Ausgaben gesammelt per Luftfracht an einen Agenten in den USA (,,Mass Mailing"). Dieser Agent hatte nach einer Adressenkontrolle nur noch den Postversand (mit der amerikanischen Post) durchzuführen.
Der Verlag hielt diese Handhabung für eine innerbetriebliche Angelegenheit und ging von nichtsteuerbaren Vorgängen aus.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hingegen behandelte im Anschluß an eine Betriebsprüfung (betreffend die Jahre 1970 bis 1975) die Leistungen als steuerbare Lieferungen im Inland gemäß § 3 Abs. 7 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973. Dabei berücksichtigte das FA die Grundsätze der sog. Sammelladung entsprechend dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen (RFM) vom 30. Juli 1940 - S 4170 - 4 III, Umsatzsteuerkartei S 4170 Karte 2.
Der Verlag war in den Streitjahren gemäß § 2 Abs. 2 Nr.2 UStG 1973 Organgesellschaft der X-GmbH & Co. KG (im folgenden: KG). Mit Wirkung vom 1. Januar 1978 wurde die KG in die X-GmbH, die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), umgewandelt. Die Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre wurden unter der Firma der KG abgegeben, und zwar für 1975 am 24. Februar 1977, für 1976 am 30. August 1978 und für 1977 am 1. August 1979.
Das FA setzte die Umsatzsteuer abweichend von den Erklärungen fest und erließ Umsatzsteuerbescheide für 1975 am 4. Oktober 1979, für 1976 am 3. März 1981 und für 1977 am 16. Februar 1981 (im folgenden: Erstbescheide). Die Erstbescheide waren an die KG gerichtet. Hiergegen legte die (damalige) Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin ,,namens und im Auftrag" der KG Einsprüche ein, die das FA gegenüber der KG als unbegründet (von einer geringfügigen Ermäßigung der Umsatzsteuer 1977 abgesehen) zurückwies. Unter der Klägerbezeichnung ,,X-GmbH & Co. KG, jetzt: X-GmbH . . ." reichte die Verfahrensbevollmächtigte die Klageschrift ein. In der Folgezeit, nämlich vom 28. Oktober bis 8. Dezember 1982, führte das FA bei der Klägerin für die Jahre 1976 und 1977 eine Außenprüfung durch. Die Prüfungsanordnung war an die KG gerichtet.
In der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 1985 vor dem Finanzgericht (FG) erklärte der Vertreter des FA, daß nach seiner Auffassung die streitigen Erstbescheide nicht wirksam bekanntgegeben worden seien und daß beabsichtigt sei, nunmehr für die Streitjahre Umsatzsteuerbescheide gegen die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der KG zu erlassen. Der Vertreter der Klägerin erklärte sich damit einverstanden. Nachdem das FA am 22.Juni 1985 die angekündigten Bescheide (im folgenden: Neubescheide) erlassen und die Klägerin (wie angekündigt) den Antrag nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellt hatte, wies das FG die Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Nach ihrer Auffassung wurde § 3 Abs. 7 UStG 1973 unzutreffend angewendet. Sie, die Klägerin, habe entgegen der Darstellung des FG (Urteil S. 10/13 ff.) vom Inland aus ganz andere Gegenstände als die Liefergegenstände an einen vom Lieferer bestimmten Dritten versendet, weshalb die Berufung auf § 3 Abs. 7 UStG 1973 nicht zu halten sei. Die von ihr der Behörde geschuldeten Liefergegenstände (hergestellte und zugestellte Zeitschriften) seien erst mit dem Anbringen der US-Postwertzeichen in ihrer endgültigen Form entstanden, hätten also nicht vom Inland aus versendet werden können, sondern seien erst in den USA versandt worden.
2. Ein Vorbescheid des Senats vom 25. Juli 1991, der auf die - im bisherigen Verfahren nicht erörterte - Frage der Verjährung der streitigen Umsatzsteueransprüche abgestellt war, gilt wegen eines Antrags des FA vom 7. November 1991 gemäß § 90 Abs. 3 Satz 3 FGO als nicht ergangen. Mit weiterem Schreiben beantragte das FA unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Dezember 1980 II R 38/77 (BFHE 132, 313, BStBl II 1981, 322) den Termin zur mündlichen Verhandlung abzusetzen und ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Auch die Klägerin erklärte, auf mündliche Verhandlung zu verzichten.
Das FA weist zur Begründung seiner Anträge bezüglich der Umsatzsteuer 1975 auf eine - an die KG gerichtete - Prüfungsanordnung vom 27. Mai 1977 hin, die im Vorbescheid des Senats vom 25. Juli 1991 nicht berücksichtigt worden sei. Es macht insoweit geltend, der Verjährungsablauf für die Umsatzsteuer 1975 sei gemäß § 146a Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) gehemmt worden, weil die Betriebsprüfung für 1975 auf einer fehlerhaften Prüfungsanordnung beruht habe.
Für die Umsatzsteuer 1976 und 1977 trägt das FA, gestützt auf die im Vorbescheid dargelegte Auffassung der Unwirksamkeit der an die KG gerichteten Steuerbescheide und der Verjährung der Umsatzsteuer im Zeitpunkt der an die Klägerin gerichteten Bescheide vom 27. Juni 1975, vor:
Auf Grund der Nichtigkeit aller Umsatzsteuer-Jahresbescheide (Erstbescheide) könne die Klägerin ihr Klageziel - die Auszahlung negativer Umsatzsteuer - nicht erreichen. Mangels Rechtsschutzbedürfnisses sei die Revision der Klägerin daher unzulässig.
Auf der Ebene der Steuerfestsetzung stehe dem Klageerfolg entgegen, daß die bisherigen Bescheide unwirksam seien und daß neue Bescheide wegen Verjährung der Steueransprüche nicht mehr ergehen dürften.
Auch über den Bereich der Steuererhebung (Zahlung/Rückzahlung) könne das Klageziel nicht erreicht werden. Der Klägerin seien auf Grund von Vorsteuerüberschüssen im Voranmeldungsverfahren negative Umsatzsteuerbeträge ausgezahlt worden. Nach erfolgloser Klage gegen die Jahressteuerbescheide habe es, das FA, die streitigen Beträge zurückgefordert und von der Klägerin erhalten. Dabei habe die Klägerin zwar ohne Rechtsgrund gezahlt. Ihr Erstattungsanspruch sei aber durch Zahlungsverjährung (§§ 228, 229 der Abgabenordnung - AO 1977 -) erloschen. Der Rückzahlungsanspruch sei mit der (rechtsgrundlosen) Zahlung 1985 fällig geworden. Die Verjährungsfrist von fünf Jahren sei Ende 1990 abgelaufen. Selbst wenn der Verjährungsablauf gemäß § 229 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 durch die Feststellung der Nichtigkeit der Steuerbescheide hinausgeschoben sei, bleibe es bei einer Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung aller an sie ausgezahlten Beträge lt. den Erstbescheiden für 1976 und 1977 (abzüglich der Rückzahlungsforderungen der Klägerin). Denn die Umsatzsteuervoranmeldungen seien eine wirksame Rechtsgrundlage für die Auszahlung nur so lange gewesen, bis - infolge Verjährung - keine wirksamen Jahressteuerfestsetzungen mehr hätten durchgeführt werden können (Ablauf 1983). Das folge aus dem Verhältnis von Umsatzsteuervoranmeldung und unwirksamen Jahressteuerbescheiden nach dem Urteil des BFH vom 29. November 1984 V R 146/83 (BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370).
Die Klägerin bestreitet den Zugang der vom FA bezeichneten Prüfungsanordnung mit Nichtwissen bzw. mit Nichtvorhandensein in den Akten.
Den Ausführungen des FA zur Unzulässigkeit der Revision betreffend 1976 und 1977 tritt sie entgegen. Sie hält die Umsatzsteuervoranmeldungen für weiterhin maßgebliche Auszahlungsrechtsgründe. Umsatzsteuer-Jahresbescheide seien nicht wirksam ergangen und könnten nicht mehr wirksam ergehen. Um möglichen Rückforderungsbescheiden des FA vorzubeugen, bittet die Klägerin um eine Stellungnahme des Senats zu dieser Frage.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben.
Hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung für 1975 war an das FG zurückzuverweisen. Mangels Feststellungen zur Verjährung kann der Senat nicht durcherkennen. Den Umsatzsteuerfestsetzungen für 1976 und 1977 stand die Verjährung der Umsatzsteueransprüche entgegen.
1. Das FG hat die Klägerin zutreffend als Beteiligte des finanzgerichtlichen Verfahrens angesehen.
Aus der in der Klageschrift verwandten Formulierung ,,X-GmbH & Co. KG, jetzt X-GmbH . . ." geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, daß es die Klägerin ist, die Rechtsschutz in einer nur vermeintlich die KG betreffenden Steuersache begehrt. Mit Wirksamwerden der Umwandlung ging gemäß § 49 Abs. 2 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) das Vermögen der KG einschließlich der Verbindlichkeiten auf die Klägerin über. Diese wurde Gesamtrechtsnachfolgerin i.S. des § 45 AO 1977. Gleichzeitig erlosch die KG liquidationslos (vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 1986, 286). Bei nicht zutreffender Bezeichnung des Klägers ist grundsätzlich derjenige als Partei anzusehen, der - wie hier die Klägerin - erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen sein soll. Im allgemeinen wird eine Klage nicht für jemanden erhoben, der - wie hier die KG - nicht mehr existent ist (BFH-Urteil vom 14. November 1986 III R 12/81, BFHE 148, 212, BStBl II 1987, 178).
2. Das FG hat im Ergebnis ebenfalls zutreffend die streitigen Erstbescheide für unwirksam und die Klägerin für befugt gehalten, hiergegen Anfechtungsklage zu erheben.
a) Das FA durfte nach Eintritt der durch Umwandlung bewirkten Gesamtrechtsnachfolge keine Steuerbescheide mehr gegen die KG erlassen. Werden Verwaltungsakte an den - nicht mehr existenten - Rechtsvorgänger (hier die KG) gerichtet, sind diese rechtsunwirksam, und zwar auch dann, wenn sich der Rechtsnachfolger als Adressat angesehen hat - wie hier die Klägerin - (BFH-Beschluß vom 21. Oktober 1985 GrS 4/84, BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230).
b) Obwohl das FA die Erstbescheide gegen die KG gerichtet hatte, war die Klägerin als Rechtsnachfolgerin durch den Rechtsschein, der von den - unwirksamen - Bescheiden ausging, derart berührt, daß sie geltend machen konnte, in ihren Rechten verletzt zu sein. Sie war somit gemäß § 40 Abs. 2 FGO klagebefugt (vgl. BFH-Urteil vom 22.April 1986 VII R 123/80, BFH/NV 1986, 587, m.w.N.).
Auch wenn an sich die Feststellungsklage (§ 41 FGO) das gegebene Mittel gewesen wäre, eine gerichtliche Entscheidung über die Nichtigkeit der Erstbescheide herbeizuführen, war es der Klägerin nicht verwehrt, Anfechtungsklage zu erheben (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 41 Anm.22, m.w.N.).
3. Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß das FG nicht über die ursprünglich angefochtenen Erstbescheide, sondern über die nach Klageerhebung erlassenen Neubescheide entschied. Letztere wurden gemäß § 68 FGO auf Antrag der Klägerin Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens, ungeachtet des Umstands, daß die angefochtenen Erstbescheide unwirksam waren.
Wird der angefochtene Verwaltungsakt durch einen anderen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt, so wird dieser auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens (§ 68 FGO). Die in § 68 FGO verwendeten Begriffe ,,ändern" und ,,ersetzen" sind weit auszulegen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791, unter II. 2. c). Nach der Rechtsprechung des BFH verlangt die Anwendung des § 68 FGO nur, daß hinsichtlich des ursprünglichen und des neuen Verwaltungsakts Identität der Beteiligten und des Besteuerungsgegenstands besteht und der ursprüngliche Verwaltungsakt durch den Erlaß des neuen seine Wirkung verliert (BFH-Urteil vom 9. Sept. 1986 VIII R 198/84, BFHE 147, 463, BStBl II 1987, 28, unter I.; vgl. auch Urteil v. 15. Juli 1987 X R 12/80, BFH/NV 1988, 128).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Identität der Beteiligten und des Besteuerungsgegenstands ist gegeben. Als Gesamtrechtsnachfolgerin der KG war die Klägerin an deren Stelle Steuerschuldnerin (§ 45 Abs. 1 AO 1977). Daß die von der Klägerin angefochtenen ursprünglichen Steuerbescheide an die KG gerichtet und damit unwirksam waren, ist unschädlich.
Wie im BFH-Urteil vom 17. April 1991 II R 142/87 (BFHE 164, 11, BStBl II 1991, 527) ausgeführt, reicht es aus, wenn ein ,,sachlicher Zusammenhang" zwischen dem angefochtenen und dem neuen Verwaltungsakt besteht, wobei es nicht darauf ankommt, ob der (ursprünglich zulässig) angefochtene Verwaltungsakt wirksam oder unwirksam war. Nach dem BFH-Urteil vom 20. April 1988 I R 41/82 (BFHE 153, 530, BStBl II 1988, 868, unter II. A. 2.) kann bei zulässiger Anfechtung eines (,,formell wirksamen") Scheinverwaltungsakts ein später formell wirksam erlassener ,,Änderungs"-Bescheid gemäß § 68 FGO in das Klageverfahren übergeleitet werden. Der Senat schließt sich dieser Auslegung des § 68 FGO an. Er weicht damit nicht von der Rechtsprechung des II.Senats des BFH ab. Dieser hat zwar in dem (eine Kostenentscheidung betreffenden) Beschluß vom 18. März 1986 IIR136/82 (BFH/NV 1987, 528) ausgeführt, der Antrag nach § 68 FGO gehe ins Leere, wenn der ursprünglich angefochtene Verwaltungsakt nicht wirksam bekanntgegeben worden sei. An seiner Auffassung hat der II.Senat des BFH jedoch nicht festgehalten. Nach dem oben bezeichneten Urteil in BFHE 164, 11, BStBl II 1991, 527 sieht er eine Antragstellung gemäß § 68 FGO auch dann als zulässig an, wenn der ursprünglich angefochtene Verwaltungsakt unwirksam war.
Das FG hat jedoch - wie auch die Beteiligten - nicht beachtet, ob den Steuerfestsetzungen für die Streitjahre die Verjährung der Umsatzsteueransprüche entgegenstand.
4. Bezüglich der Umsatzsteuerfestsetzung 1975 kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
a) Die Verjährung des Umsatzsteueranspruchs für 1975, der mit Ablauf des Kalenderjahres 1975 entstanden war (vgl. § 13 Abs. 1 UStG 1973), richtet sich nach den Vorschriften der AO. Denn nach Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) gelten für Ansprüche, die vor dem 1. Januar 1977 entstanden sind, die Vorschriften der AO weiter, soweit sie für die Festsetzung einer Steuer von Bedeutung sind.
Die Verjährungsfrist für die Umsatzsteuer betrug fünf Jahre (§ 144 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative AO). Die Verjährung begann mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum abgegeben wurde (§ 145 Abs. 2 Nr.1 AO). Die Umsatzsteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1975 wurde von der KG im Jahr 1977 abgegeben.
Wird vor Ablauf der Verjährungsfrist mit einer Betriebsprüfung begonnen, so verjähren die Ansprüche, auf die sich die Betriebsprüfung erstreckt, nicht, bevor die auf Grund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.
Nach den Feststellungen des FG wurde vor Ablauf der Verjährungsfrist (Ende 1982), nämlich vom 4. April 1977 bis 30. November 1978, eine Betriebsprüfung für die Jahre 1970 bis 1975 durchgeführt.
Trifft der Vortrag des FA aus dem Revisionsverfahren zu, daß diese Prüfung der Umsatzsteuer 1975 auf einer Prüfungsanordnung vom 27. Mai 1977 beruhte, die wirksam an die KG noch vor deren Umwandlung in die GmbH gerichtet war, so ergäbe sich daraus, daß der Umsatzsteueranspruch für 1975 bei Ergehen des Erstbescheids noch nicht verjährt gewesen wäre. Anders als die unwirksamen Prüfungsanordnungen an die KG vom 27. Oktober 1982 betreffend die Streitjahre 1976 und 1977 (vgl. unten 5.) führte eine wirksame Anordnung zur Ablaufhemmung gemäß § 146a Abs. 3 AO bezüglich des geprüften Umsatzsteueranspruchs für 1975 (vgl. Senatsurteil vom 18. Juli 1991 V R 54/87, BFHE 165, 13, BStBl II 1991, 824).
Mangels tatsächlicher Feststellungen kann der Senat die vom FA aufgeworfene Frage zur Ablaufhemmung der Verjährung nicht abschließend entscheiden. Das angefochtene Urteil spricht diese Prüfungsanordnung nicht ausdrücklich an. Die vorhandenen Feststellungen zur Durchführung der Betriebsprüfung für 1975 enthalten auch keine zureichende Bezugnahme auf Vorgänge, denen Einzelheiten zum Erlaß, zum Datum, zur Adressierung und Bekanntgabe der Prüfungsanordnung entnommen werden könnten.
Eine eigene Feststellungsbefugnis zu dieser Frage besteht für den Senat nicht. Zwar kann nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 GrS 3/66 (BFHE 91, 213, BStBl II 1968, 285) der BFH als Revisionsgericht die für die Frage der Verjährung entscheidungserheblichen Tatsachen, nämlich Zustellungsdatum eines Steuerbescheids und Zeitraum der Durchführung einer Betriebsprüfung berücksichtigen, auch wenn sie dem Tatbestand des FG-Urteils nicht zu entnehmen, aber der Steuerbescheid und die Betriebsprüfung selbst im Urteil erwähnt sind, wenn ferner die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten und wenn kein Streit über die Zeitpunkte besteht.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall aber nicht gegeben. Hier geht es nicht um Zeitpunkte von im FG-Urteil in bezug genommenen Steuerbescheiden bzw. Betriebsprüfungen, sondern um das Vorhandensein und den Inhalt von nicht festgestellten Verfügungen. Überdies hat die Klägerin das Vorhandensein der vom FA geltend gemachten Betriebsprüfungsanord- nung bestritten.
Das FG wird daher die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen haben.
b) Die Prüfung der Verjährungsfragen erübrigt sich im Streitfall nicht etwa auf Grund der Beantwortung der materiell-rechtlichen Streitfragen. Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung der Klägerin, derzufolge von nichtsteuerbaren Lieferungen im Ausland auszugehen sei. Er hält vielmehr die Auffassung des FG für revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß auf Grund der Anwendung des § 3 Abs. 7 UStG 1973 eine steuerbare Lieferung der Zeitschriften durch die Klägerin an die Behörde im Inland anzunehmen ist.
Nach der vorbezeichneten Vorschrift gilt dann, wenn der Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer oder - wie hier - in dessen Auftrag an einen Dritten befördert oder versendet wird, die Lieferung mit dem Beginn der Beförderung oder mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter als ausgeführt. Versenden liegt vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand durch einen Frachtführer (z.B. Eisenbahn, Post) oder Verfrachter zu einem Dritten befördern oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur (§ 407 des Handelsgesetzbuches) besorgen läßt.
Das FG nahm ohne Rechtsverstoß an, daß im Auftrag der Behörde die Versendung der Zeitschriften an die ausländischen Bezieher im Inland begann. Zwar ging die Versendung durch die KG bzw. die Klägerin zunächst an den sog. Agenten in den USA. Dieser Agent war jedoch nicht als Empfänger einer eigenständigen Lieferung eingeschaltet. Ihm wurde nicht die Verfügungsmacht als Leistungsempfänger verschafft.
Er hat vielmehr als weiterer Spediteur i.S. des § 3 Abs. 7 UStG 1973 die Güterversendung durch die amerikanische Post als Frachtführer besorgt. Daß insoweit mehrere Versendungsvorgänge aneinander verknüpft waren, steht der Anwendung des § 3 Abs. 7 UStG 1973 nicht entgegen. Entscheidend ist, daß der Verlag von Anfang an die Versendung an die einzeln feststehenden Abnehmer der Behörde durchgeführt hat (vgl. insoweit Senatsurteil vom 25. November 1986 V R 102/78, BFHE 148, 547, BStBl II 1987, 278).
5. Hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung für 1976 und 1977 war die Vorentscheidung aufzuheben, weil sie § 48 AO und § 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 verletzt. Das FG hat der Sache nach über die - zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen - Neubescheide entschieden, obwohl diese am 27. Juni 1985 wegen Ablaufs der Verjährungs- bzw. Festsetzungsfrist nicht mehr hätten erlassen werden dürfen.
Die Revision der Klägerin hinsichtlich dieser Streitjahre ist nicht unzulässig. Auf das Erhebungsverfahren gestützte Einwendungen gegen das Klageziel können im Festsetzungsverfahren, das Gegenstand des Rechtsstreits ist, nicht berücksichtigt werden.
Unzutreffend ist auch die Auffassung des FA, die Umsatzsteuervoranmeldungen seien keine wirksame Rechtsgrundlage für die Auszahlung der streitigen Beträge der Klägerin mehr. Da keine Umsatzsteuer-Jahresbescheide für 1976 und 1977 wirksam ergehen können, bleiben die vorangegangenen Festsetzungen für die Voranmeldungszeiträume dieser Jahre wirksam (vgl. Senatsurteil in BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370).
a) Veranlagungszeitraum 1976:
Nach Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 2 EGAO 1977 gelten die Vorschriften der AO auch für die Umsatzsteuer des Veranlagungszeitraums 1976.
Die Verjährung begann mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Umsatzsteuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum abgegeben wurde (§ 145 Abs. 2 Nr.1 AO - hier: 1978 -). Da die Verjährung nicht gehemmt war (dazu im folgenden), endete die Frist von fünf Jahren (§ 144 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative AO) mit Ablauf des Jahres 1983.
Die Verjährung war weder durch die Anfechtung der Erstbescheide (§ 146a Abs. 1 AO) noch durch die bei der Klägerin bezüglich des Veranlagungszeitraums 1976 durchgeführte Betriebsprüfung gehemmt (§ 146a Abs. 3 AO).
aa) Wurde vor Ablauf der Verjährungsfrist die Festsetzung einer Abgabe angefochten, so verjährten nach § 146a Abs. 1 AO Ansprüche aus dem Sachverhalt, der dem Verfahren zugrunde lag, nicht vor Ablauf von sechs Monaten, nachdem die Abgabenfestsetzung unanfechtbar geworden war. War jedoch der angefochtene Steuerbescheid gegenüber einem nicht mehr existenten Steuerpflichtigen erlassen worden und deswegen rechtsunwirksam, so trat die Verjährungshemmung nach § 146a Abs. 1 AO nicht ein (BFH-Urteil vom 22.Mai 1974 I R 259/72, BFHE 113, 145, BStBl II 1974, 722).
bb) Wurde vor Ablauf der Verjährungsfrist mit einer Betriebsprüfung begonnen, so verjährten die Ansprüche, auf die sich die Betriebsprüfung erstreckte, nicht, bevor die auf Grund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide unanfechtbar waren (§ 146a Abs. 3 AO).
Wie der BFH mit Urteil vom 10. April 1987 III R 202/83 (BFHE 150, 1, BStBl II 1988, 165) entschieden hat, kann jedoch eine Betriebsprüfung, die auf Grund einer unwirksamen Prüfungsanordnung erfolgt, keine Ablaufhemmung herbeiführen. Auch hier kommt der Grundsatz zur Geltung, daß ein nichtiger Verwaltungsakt keinerlei Rechtswirkungen erzeugt.
Die Betriebsprüfungsanordnung vom 27. Oktober 1982 war - ebenso wie die angefochtenen Erstbescheide - unwirksam, weil sie gegen einen nicht mehr existenten Steuerpflichtigen, nämlich die KG, gerichtet war (vgl. im einzelnen zu 2. a).
b) Veranlagungszeitraum 1977:
Für die Festsetzung der Umsatzsteuer 1977 gelten nach Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 1 EGAO 1977, § 13 Abs. 1 UStG 1973 die Vorschriften der AO 1977 über die Festsetzungsverjährung.
Für die Umsatzsteuer beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Nr.1 AO 1977). Sie beginnt, wenn auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift - hier § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG 1973 - eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung abzugeben ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung abgegeben wird (§ 171 Abs. 2 Nr.1 AO 1977). Im Streitfall war die Umsatzsteuererklärung 1977 im Jahre 1979 abgegeben worden. Die Festsetzungsfrist endete demnach mit Ablauf des Jahres 1983.
Der Ablauf der Festsetzungsfrist war nicht durch einen Antrag auf Steuerfestsetzung oder durch Anfechtung des Erstbescheids (§ 17 Abs. 3 AO 1977) und nicht durch den Beginn der Betriebsprüfung (§ 171 Abs. 4 AO 1977) gehemmt.
Die im Jahr 1979 abgegebene Umsatzsteuererklärung ist kein ,,Antrag auf Steuerfestsetzung" i.S. des § 171 Abs. 3 AO 1977. Der Senat bezieht sich insoweit auf die Gründe des BFH-Urteils vom 18. Juni 1991 VIII R 54/89 (BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124).
Er schließt sich der in dieser Entscheidung vertretenen Auffassung an.
Die Anfechtung eines unwirksamen Steuerbescheids (wie hier) hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 ebenfalls nicht (vgl. BFH-Urteile vom 11.Oktober 1989 X R 31/86, BFHE 158, 491, unter II. 3. b, und vom 14. November 1990 II R 255/85, BFHE 162, 380, BStBl II 1991, 49, unter 3.).
Die Unwirksamkeit der Prüfungsanordnung steht schließlich auch hier der Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 durch die Außenprüfung entgegen (s. unter 5. a).
c) Die zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Neubescheide für 1976 und 1977 waren aufzuheben. Die Entscheidung umfaßt auch die Rechtmäßigkeit der Erstbescheide. Ergibt sich, daß ein gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gewordener Ersetzungsbescheid aufgehoben werden muß, so ist das Gericht nicht gehindert, in demselben Urteil auch die Aufhebung des ursprünglich mit der Klage angefochtenen Bescheids auszusprechen, soweit dem Klagebegehren mit der Aufhebung des Ersetzungsbescheids nicht voll Rechnung getragen würde (vgl. BFH-Urteil vom 27. Februar 1975 I R 178/73, BFHE 115, 301, BStBl II 1975, 514). Mit der Aufhebung der Ersetzungsbescheide wäre hier der durch die unwirksamen Erstbescheide hervorgerufene Rechtsschein noch nicht beseitigt.
Fundstellen