Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Der für die Zulässigkeit der Rb. maßgebende Streitwert ist bei dem Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung stets nach einem Hundertsatz des streitigen Gewinns zu bemessen. Die entgegenstehende Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs wird aufgegeben.
Normenkette
AO § 286 Abs. 1; FGO § 115/1; AO § 320; FGO § 140/3
Gründe
Die Rb. ist zulässig, jedoch im Ergebnis unbegründet. Zulässigkeit der Rb.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteile I 207/55 U vom 9. Oktober 1956, BStBl 1956 III S. 382, Slg. Bd. 63 S. 484; I 10/58 S vom 16. Februar 1960, BStBl 1960 III S. 145, Slg. Bd. 70 S. 388) ist der Wert des Streitgegenstandes im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung grundsätzlich nach einem Hundertsatz des streitigen Gewinns zu bemessen. Als Ausnahme von dieser Regel war nach der bisherigen Rechtsprechung als Streitwert die rechnerisch genau ermittelte Auswirkung des Rechtsbeschwerdeantrages im Gewinnfeststellungsverfahren auf die Höhe der davon abhängigen Einkommensteuer zugrunde zu legen, wenn zweifelhaft war, ob die Wertgrenze des § 286 Abs. 1 AO erreicht wird; dies galt sowohl zugunsten (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 1142/33 vom 24. Januar 1934, RStBl 1934 S. 217; VI 528/37 vom 18. November 1937, RStBl 1938 S. 107) als auch zuungunsten (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 614/38 vom 5. Oktober 1938, RStBl 1938 S. 954) der Steuerpflichtigen.
Der Senat hält an dieser Rechtsauffassung aus folgenden Gründen nicht mehr fest: Der im Falle des § 239 Abs. 1 Ziff. 3 AO zur Einlegung eines Rechtsmittels befugte Gesellschafter- Geschäftsführer hat bei der bisher in Grenzfällen angewandten Methode der Berechnung des Streitwerts in der Regel keine Möglichkeit, sich ein Bild darüber zu machen, ob die Wertgrenze des § 286 Abs. 1 AO überschritten wird. Ihm stehen für die Wertermittlung die steuerlichen Unterlagen der einzelnen Gesellschafter nicht zur Verfügung. Er muß jedoch die Möglichkeit haben, erkennen zu können, ob die von ihm beabsichtigte Rb. mit Rücksicht auf die vom Gesetz geforderte Beschwerdesumme zulässig ist. Im übrigen führt die bisher angewandte Methode für die Frage der Zulässigkeit der Rb. oftmals zu kaum lösbaren Schwierigkeiten. Bei einem gemäß § 239 Abs. 1 Ziff. 3 AO eingelegten Rechtsmittel müssen sämtliche Einkommensteuerakten der durch die Feststellung des Gesamtgewinns betroffenen Gesellschafter (§ 216 Abs. 1 Ziff. 2 Satz 2 AO) zur genauen Berechnung des Streitwerts beigezogen werden. Dies kann dazu führen, daß sonstige steuerliche Verhältnisse dieser Gesellschafter, die mit dem Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung nichts zu tun haben - im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten auch die des vom Gewinnfeststellungsverfahren nicht betroffenen Ehegatten - offengelegt werden müssen. Schließlich ist eine genaue Berechnung dann nicht möglich, wenn in der Einkommensteuersache eines oder mehrerer vom Gewinnfeststellungsverfahren betroffenen Gesellschafter Fragen streitig sind, die nicht im Gewinnfeststellungsverfahren entschieden werden; in diesen Fällen fehlt es an der Grundlage für die genaue Berechnung des Streitwerts.
Der Senat hält es daher für erforderlich, den Wert des Streitgegenstands für das Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung in Anwendung des § 320 Abs. 4 AO stets mit einem Hundertsatz des streitigen Gewinns zu bemessen. Streitiger Gewinn ist im vorliegenden Fall der Unterschied zwischen dem dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden und dem von der Bfin. anerkannten privaten Nutzungsanteil; er beträgt 1.011 DM. Da die Gewinnanteile der einzelnen Gesellschafter 15.000 DM nicht übersteigen, erscheint es angemessen, den Wert des Streitgegenstandes mit dem Regelsatz von 25 v. H. aus 1.011 DM auf 252,75 DM zu bemessen. Der Umstand, daß die Einkommensteuerschuld der beiden Gesellschafter in den Veranlagungszeiträumen 1955 und 1956 mit Rücksicht auf das für das Land Berlin durch Gesetz vom 8. Juli 1955 (GVBl 1955 S. 461) für anwendbar erklärte Gesetz zur änderung des Einkommensteuergesetzes vom 4. Juli 1955 (BGBl I S. 384, BStBl 1955 I S. 245) nur 4/5 der an sich festzusetzenden Einkommensteuer beträgt, nötigt nicht zur Entscheidung der Frage, ob der für die Feststellung des Wertes des Streitgegenstands in der Regel anzuwendende Satz von 25 v. H. insoweit etwa auf 20 v. H. zu ermäßigen ist. Selbst wenn man den Streitwert hinsichtlich des für die Veranlagungszeiträume 1955 und 1956 streitigen Gewinns mit 20 v. H. ermittelt, ist die Wertgrenze des § 286 Abs. 1 AO überschritten. Auch kostenrechtliche Gründe zwingen nicht zur Entscheidung dieser Frage; für Streitwerte zwischen mehr als 200 bis 300 DM gilt sowohl nach dem Gerichtskostengesetz als auch nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte die gleiche Gebührenstufe.
Fundstellen
Haufe-Index 410252 |
BStBl III 1962, 41 |
BFHE 1962, 108 |
BFHE 74, 108 |