Leitsatz (amtlich)
Wird im Wege der Zustellung nach § 3 VwZG in einem verschlossenen Briefumschlag eine Einspruchsentscheidung nebst zugehöriger Steuerabrechnung versandt, liegt keine Zustellung mehrerer Schriftstücke verschiedenen Inhalts vor. Die Zustellung ist wirksam, wenn auf dem Briefumschlag als Geschäftsnummer die Steuernummer des Empfängers mit dem Zusatz RbSt (Abkürzung für Rechtsbehelfsstelle) angegeben ist.
Normenkette
VwZG § 3 Abs. 1 S. 2, Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Apotheke. In dem Einspruchsverfahren gegen die aufgrund einer Betriebsprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheide 1971 bis 1973 war streitig, ob der Kläger steuerrechtlich wirksam seine beiden Töchter als stille Gesellschafter an seinem Unternehmen beteiligt hatte, ob ihm die Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf ein Gebäude zustanden und ob die im Zusammenhang mit dem Abbruch eines Gebäudes geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig waren. Der Einspruch hatte nur hinsichtlich der Einkommensteuer 1973 geringen Erfolg. Die Einspruchsentscheidung wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 25. September 1979 durch die Post mit Postzustellungsurkunde (PZU) zugestellt. Die Sendung enthielt außer der Einspruchsentscheidung auch die maschinell erstellte Kassenabrechnung über den in der Einspruchsentscheidung berichtigten Einkommensteuerbescheid 1973. Der Kläger erhob - vertreten durch seinen Prozeßbevollmächtigten - Klage, die am 30. Oktober 1979 beim Finanzgericht (FG) einging. Er machte geltend, die Einspruchsentscheidung sei nicht wirksam zugestellt worden, so daß die Klagefrist nicht zu laufen begonnen habe. Sei das Gericht anderer Auffassung, werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist beantragt. Sein Prozeßbevollmächtigter sei im Anschluß an einen Kururlaub schwer erkrankt.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Auf der Sendung, mit der die Einspruchsentscheidung zugestellt worden sei, sei die Steuernummer des Klägers mit dem Zusatz RbSt als Abkürzung für Rechtsbehelfsstelle angegeben worden. Damit habe die Sendung die zur Wirksamkeit der Zustellung erforderliche Geschäftsnummer enthalten. Die Angabe mehrerer Geschäftsnummern sei nicht erforderlich gewesen. Denn mit der Sendung sei nur ein Schriftstück, nämlich die zu einer Entscheidung verbundene Einspruchsentscheidung für die Streitjahre, zugestellt worden. Die der Einspruchsentscheidung auf einem besonderen Blatt beigefügte Abrechnung gehöre inhaltlich zur Einspruchsentscheidung.
Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist hielt das FG nicht für durchgreifend.
Gegen die Entscheidung des FG wendet sich der Kläger mit der Revision. Er rügt die Verletzung des § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat die Klage zu Recht wegen Versäumung der Klagefrist abgewiesen.
Nach § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beträgt die Frist für die Erhebung der Klage einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (hier der Einspruchsentscheidung). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. November 1968 I R 9/68, BFHE 94, 202, BStBl II 1969, 151 , und vom 9. September 1970 I R 113/69, BFHE 100, 179, BStBl II 19 71, 9; Beschluß vom 10. November 1971 I B 32/71, BFHE 103, 454, BStBl II 1972, 127 ; Urteile vom 8. Februar 1972 VIII R 14/68, BFHE 105, 85, BStBl II 1972, 506 ; vom 24. November 1977 IV R 113/75, BFHE 125, 107, BStBl II 1978, 467 ; Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 9. November 1976 GmS-OGB 2/75, BFHE 121, 1) muß die Bekanntgabe den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, um insbesondere eine Klagefrist in Lauf zu setzen.
Im Streitfall entspricht die Zustellung der Einspruchsentscheidung diesen Vorschriften. Die Zustellung einer Einspruchsentscheidung geschieht nach den Vorschriften des VwZG (§ 365 Abs. 1 i. V. m. § 122 Abs. 5 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Das FA hat die Zustellung durch die Post mit PZU gewählt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG ist bei dieser Zustellungsart die zuzustellende Sendung mit der Anschrift des Empfängers und mit der Bezeichnung der absendenden Dienststelle, einer Geschäftsnummer und einem Vordruck für die PZU zu versehen. Nach § 3 Abs. 3 VwZG i. V. m. § 195 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) muß der die Zustellung ausführende Postbedienstete die von der Behörde vorbereitete PZU anfertigen, die die Übergabe der ihrer Anschrift und ihrer Geschäftsnummer nach bezeichneten Sendung bezeugen muß. Wegen der gebotenen Gewähr für die Nämlichkeit und den unveränderten Inhalt der Postsendung muß auch auf dem die zuzustellende Entscheidung enthaltenden Briefumschlag die Geschäftsnummer angegeben sein. Werden mehrere Schriftstücke verschiedenen Inhalts in einem verschlossenen Briefumschlag zugestellt, muß sich aus der Geschäftsnummer auf dem Briefumschlag ergeben, welchen Inhalt die zugestellte Sendung hat; aus der Angabe der Steuernummer - ohne entsprechenden Zusatz - kann das nicht entnommen werden (vgl. BFHE 105, 85, BStBl II 1972, 506 ).
Im Streitfall sind nicht mehrere Schriftstücke verschiedenen Inhalts in einer Sendung zugestellt worden. Die Sendung enthielt die Einspruchsentscheidung wegen der Einkommensteuer 1971 bis 1973 nebst einer Anlage, die eine Abrechnung für die Einkommensteuer 1973 enthielt, weil das FA dem Einspruch des Klägers wegen der Einkommensteuer 1973 zum Teil stattgegeben hatte. Der erkennende Senat ist mit dem FG der Auffassung, daß diese Abrechnung, die im übrigen nur das wiederholt, was im Tenor und auf der letzten Seite der Einspruchsentscheidung zahlenmäßig dargestellt ist, Teil der Einspruchsentscheidung ist. Unter diesen Umständen war die Sendung durch die Steuernummer mit dem Zusatz RbSt hinreichend gekennzeichnet. Aus der auf diese Art gebildeten Geschäftsnummer ließ sich mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, daß die Sendung die von der Rechtsbehelfsstelle des FA ausgefertigte Einspruchsentscheidung wegen der Einkommensteuer 1971 bis 1973 enthielt.
Die mit der Zustellung am 25. September 1979 in Lauf gesetzte Klagefrist endete somit am Donnerstag, dem 25. Oktober 1979. Die vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers gefertigte Klageschrift vom 29. Oktober 1979 ist erst am 30. Oktober 1979 beim FG eingereicht worden. Das FG hat zu Recht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist (§ 56 FGO) abgelehnt.
Fundstellen
Haufe-Index 426052 |
BStBl II 1985, 74 |
BFHE 1985, 108 |