Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwendungen einer Kapitalgesellschaft an GesellschafterGeschäftsführer
Leitsatz (NV)
Die bei Zuwendungen einer Kapitalgesellschaft an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer gebotene klare und von vornherein abgeschlossene Vereinbarung muß nicht schriftlich abgefaßt sein. Ihr (konkludenter) Abschluß kann sich z.B. aus einer langjährigen Übung der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschafter-Geschäftsführern und Arbeitnehmern ergeben.
Normenkette
KStG 1968/1975 § 6 Abs. 1 S. 2; KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, gewährte ihren geschäftsführenden Gesellschaftern A und B (Anteile am Stammkapital: 50,5 v. H. bzw. 49,5 v. H.) in den Streitjahren Weihnachtsgratifikationen und Leistungsprämien und behandelte diese Sondervergütungen als Lohnaufwand. Daneben stellte die Klägerin ihren Geschäftsführern für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte je einen PKW zur Verfügung. In den Anstellungsverträgen der Geschäftsführer vom 1. April 1968 waren diese Leistungen nicht aufgeführt.
Aufgrund einer Außenprüfung behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) diese Leistungen als verdeckte Gewinnausschüttungen. Der gegen die Körperschaftsteuerbescheide eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Klägerin habe durch Vorlage von Lohnkonten nachgewiesen, daß seit Jahren an alle Arbeitnehmer einschließlich der Geschäftsführer Weihnachtsgratifikationen nach den von der Klägerin dargelegten Grundsätzen bezahlt worden seien. In der Klagebegründung hatte die Klägerin dazu ausgführt, daß an alle Arbeitnehmer in Anlehnung an tarifvertragliche Regelungen Weihnachtszuwendungen und Leistungsprämien nach folgenden Grundsätzen gezahlt worden seien: Als Weihnachtszuwendungen seien - nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelt - nach einem Jahr 10 v. H., nach zwei Jahren 20 v. H., nach drei Jahren 30 v. H., nach vier Jahren 40 v. H. des jeweiligen Gehalts gezahlt worden. Als Leistungsprämie seien 20 v. H. pro krankheitsfreier Monat und - wenn der Höchstbetrag von 240 DM erreicht worden sei - zusätzlich 260 DM zugewendet worden.
Im Hinblick auf diese jahrelange Übung sei - so das FG - davon auszugehen, daß eine vor den Streitjahren abgeschlossene mündliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihren Geschäftsführern über die Zahlung dieser Zuwendungen bestanden habe. Für die Annahme einer solchen Vereinbarung spreche auch der Umstand, daß die Gesellschafter seit der Gründung der Klägerin nur entgeltliche Geschäftsführertätigkeit wahrgenommen hätten. Überdies biete auch die Höhe der Zuwendungen, gemessen an der Höhe der Gewinne der Klägerin, keinen Anlaß für die Annahme, daß die Zuwendungen im Hinblick auf die beherrschende Stellung als Gesellschafter gewährt worden seien.
Mit seiner Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1968/1975 (KStG 1968/1975).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat zutreffend für den Streitfall verdeckte Gewinnausschüttungen i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1968/1975 verneint. Es fehlt hinsichtlich der Weihnachtsgratifikationen / Leistungsprämien und der Kfz-Überlassung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßten Vermögensminderungen.
1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1968/1975 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Februar 1989 I R 9/85, BFHE 156, 428, BStBl II 1989, 631). Bei einem beherrschenden Gesellschafter kann die Vermögensminderung auch in einem Entgelt bestehen, das die Gesellschaft an den Gesellschafter zahlt bzw. zu zahlen hat, obwohl es hierfür an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 24. Mai 1989 I R 90/85, BFHE 157, 168, BStBl II 1989, 800).
2. Die zugewendeten Weihnachtsgratifikationen und Leistungsprämien beruhen auf einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung.
a) Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß die Klägerin ihren Gesellschafter-Geschäftsführern diese Sondervergütung aufgrund einer vor den Streitjahren getroffenen mündlichen Vereinbarung gezahlt hat.
Diese Feststellung verstößt weder gegen die Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Das Fehlen einer schriftlichen Änderungsvereinbarung spricht - wie der Senat mit Urteil vom 24. Januar 1990 I R 157/86 (BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645) erneut erkannt hat - nicht notwendigerweise gegen die Annahme einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung. Eine Vereinbarung ist im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil in BFHE 157, 168, BStBl II 1989, 800 m. w. N.) dann klar und von vornherein getroffen, wenn ein außenstehender Dritter zweifelsfrei erkennen kann, daß die Leistung der Gesellschaft aufgrund einer entgeltlichen Vereinbarung mit dem Gesellschafter erbracht wurde. Dazu ist der Abschluß einer schriftlichen Vereinbarung nicht erforderlich, auch wenn im Falle einer nur mündlich getroffenen Vereinbarung der Nachteil, daß etwas nicht nachgewiesen werden kann, zu Lasten dessen geht, der sich auf das mündlich Vereinbarte beruft. Es kann dabei keinen Unterschied machen, ob die gegenüber dem Anstellungsvertrag weitergehende Vergütung in einer Sondervergütung oder, wie im Fall des BFH-Urteils in BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645, in erhöhten Gehaltszahlungen besteht. Der Senat hat in dieser Entscheidung die im BFH-Urteil vom 15. Dezember 1965 I 193/62 S (BFHE 84, 557, BStBl III 1966, 202) vertretene Auffassung aufgegeben, wenn ein schriftlicher Anstellungsvertrag bestehe, stelle das darin genannte Gehalt die vereinbarte Arbeitsvergütung dar.
Im Streitfall hat das FG die Existenz der von vornherein abgeschlossenen mündlichen Vereinbarungen daraus abgeleitet, daß die Sondervergütungen schon seit Jahren an alle Arbeitnehmer der Klägerin einschließlich der Geschäftsführer nach einheitlichen, für alle gleichen Grundsätzen bezahlt worden sind. Der Senat verkennt nicht, daß die Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin aus der langjährigen Zahlung von Sondervergütungen nach einheitlichen Grundsätzen an die Arbeitnehmer der Klägerin keine Rechtsansprüche auf solche Zahlungen an sich herleiten können (vgl. Bundesarbeitsgericht - BAG -, Urteil vom 17. Mai 1978 5 AZR 132/77, Der Betrieb - DB - 1978, 1887, und Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 49. Aufl. 1990, Einführung vor § 611 Anm. 2 a gg und § 611 Anm. 9 b). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nicht für Organmitglieder juristischer Personen, wie Geschäftsführer einer GmbH. Deren Anstellungsvertrag ist kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Dienstvertrag. Dies hinderte die Klägerin jedoch nicht, ihren Geschäftsführern einzelvertraglich gleiche Sondervergütungen wie ihren Arbeitnehmern zu gewähren. Der konkludente Abschluß solcher Einzelvereinbarungen ergibt sich aus der langjährigen Übung gegenüber den Geschäftsführern. Die Klägerin wollte dadurch ihren Gewinn nicht verdeckt an ihre Gesellschafter verteilen; denn sie gewährte die nämlichen Leistungen auch an ihre Arbeitnehmer als Nichtgesellschafter. Für die Annahme einer entgeltlichen Vereinbarung hinsichtlich der mit den Sondervergütungen entlohnten Dienste spricht ferner, wie das FG hervorgehoben hat, der Umstand, daß die Gesellschafter seit Gründung der Klägerin die Geschäftsführertätigkeit nur entgeltlich wahrgenommen haben, ihre Leistungen somit der Gesellschaft nicht als Erfolgsbeiträge zukommen lassen wollten.
b) Die Verträge der Klägerin mit ihren Gesellschaftern sind auch im übrigen im Sinne der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung als ,,klar" anzusehen, da es die mündlich getroffene Entgeltsvereinbarung ermöglicht, die Höhe der von der Kapitalgesellschaft zu entrichtenden Vergütung allein durch Rechenvorgänge zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 30. Januar 1985 I R 37/82, BFHE 143, 263, BStBl II 1985, 345). Die gewährten Weihnachtszuwendungen beruhen auf nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelten Vom-Hundert-Sätzen. Die Leistungsprämie bemißt sich nach einem festen Vom-Hundert-Satz pro krankheitsfreiem Monat, wobei bei 12 krankheitsfreien Monaten zusätzlich 260 DM zugewendet werden.
c) Das FG hat ausdrücklich festgestellt, daß die Höhe der Zuwendungen, gemessen an der Höhe der Gewinne der Klägerin, keinen Anlaß für die Annahme gebe, die Zuwendungen seien im Hinblick auf eine beherrschende Stellung als Gesellschafter gewährt worden. Das FA hat dies nicht angezweifelt. Der Senat versteht das dahin, daß die Angemessenheit der A und B gewährten Sondervergütungen zwischen den Beteiligten unstreitig ist, weshalb eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1968/1975 auch unter diesem Gesichtspunkt ausscheidet.
Der Senat weicht im übrigen nicht von den BFH-Urteilen in BFHE 84, 557, BStBl III 1966, 202, und vom 8. Januar 1969 I R 26/67 (BFHE 95, 1, BStBl II 1969, 268) ab, da diesen Urteilen anders gelagerte Sachverhalte zugrunde lagen. Die Sondervergütungen, um die es in diesen Urteilen ging, wurden nicht nach vor dem Leistungszeitraum festgelegten Regelungen berechnet.
3. Die Überlassung eines PKW für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an die Gesellschafter-Geschäftsführer ist ebenfalls nicht als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen, da sie üblicherweise auch einem fremden Geschäftsführer ohne besondere Vereinbarung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gewährt wird (BFH-Urteile vom 21. August 1962 I 255/60, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Körperschaftsteuergesetz, § 6 Abs. 1 Satz 2, Rechtsspruch 70, und vom 5. Oktober 1977 I R 230/75, BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234, 236). Die allgemeine Üblichkeit hat das FG incident durch den Verweis auf die letztgenannte Entscheidung des Senats festgestellt. Diese Frage ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig, denn das FA hat seinen Revisionsantrag ausdrücklich auf die gewährten Sondervergütungen beschränkt.
Fundstellen
Haufe-Index 417395 |
BFH/NV 1991, 773 |