Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Aufstellung eines Vorschriftensuchregisters als schriftstellerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG.
In Abweichung von der Auffassung im Urteil IV 151/53 U vom 25. Juni 1953 (BStBl 1953 III S. 256, Slg. Bd. 57 S. 671) hält der Senat im Falle der Herausgabe eines schriftstellerischen Erzeugnisses im Selbstverlag eine schriftstellerische (freiberufliche) und eine verlegerische (gewerbliche) Tätigkeit für gegeben, die beide regelmäßig steuerlich getrennt zu behandeln sind.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Der Bf. der im Hauptberuf Beamter ist, befaßt sich nebenberuflich mit der Bearbeitung eines Vorschriftensuchregisters. Er gibt dieses sowie die laufenden Ergänzungen im Selbstverlag heraus. In dem Register sind die Fundstellen von Bundes- und Landesgesetzen sowie von Bundes- und Landesverordnungen nach Stichworten geordnet alphabetisch aufgeführt. Das Register hat den Zweck, die Information über Vorschriften, die zu einem bestimmten Rechtsgebiet ergangen sind, zu erleichtern.
Das Finanzamt hat den vom Bf. aus seiner nebenberuflichen Tätigkeit erzielten Gewinn als gewerblichen Gewinn behandelt und daher gegen den Bf. einen Gewerbesteuermeßbescheid erlassen.
Im Einspruchsverfahren hat der Steuerausschuss an der Gewerbesteuerpflicht des Bf. mit folgender Begründung festgehalten: Die Zusammenstellung des Suchregisters sei weder eine wissenschaftliche noch eine schriftstellerische Tätigkeit und könne deshalb auch nicht als freiberufliche Tätigkeit aufgefaßt werden. Abgesehen davon müsse der Bf. schon deshalb zur Gewerbesteuer herangezogen werden, weil er das Suchregister im Selbstverlag herausgebe (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 151/53 U vom 25. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 256, Slg. Bd. 57 S. 671).
Mit der Berufung hat der Bf. geltend gemacht, die Herausgabe des Suchregisters sei als eine wissenschaftliche, d. h. auf Grund selbständiger Gedankenarbeit geleistete Tätigkeit anzusehen. Er müsse jedes aufzunehmende Gesetz auf seinen materiell-rechtlichen Gehalt prüfen und dementsprechend unter dem passenden Stichwort einordnen. Er habe hierzu ein alphabetisches Verzeichnis mit einer Vielzahl von Begriffen angelegt und damit eine systematische Aufgliederung der jeweiligen Rechtsgebiete geschaffen. Es sei ferner nicht richtig, bei einem Zusammenhang zwischen einer schriftstellerischen bzw. wissenschaftlichen Tätigkeit und einer verlegerischen Tätigkeit von vornherein ein überwiegen der letzteren anzunehmen und damit die gesamte Tätigkeit als eine gewerbliche anzusehen. Wesentlich sei in erster Linie die Anfertigung des Manuskripts. Wenn er, was sonst nicht üblich sei, auch die Verlegung und den Vertrieb seines Werkes übernommen habe, so sei das darauf zurückzuführen, daß er keinen Verlag gefunden habe. Es sei auch nicht richtig, daß im Falle des Selbstverlages Abfassung, Druck und Vertrieb eines Werkes untrennbar ineinander griffen. In der Rechtsprechung habe sich die Meinung herausgebildet, daß eine Trennung von freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit, sofern diese möglich sei, auch vorgenommen werden müsse. Diese Möglichkeit sei hier gegeben. Der Bf. hat Freistellung von der Gewerbesteuer und hilfsweise Ermäßigung des Gewerbeertrages auf die Hälfte beantragt.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht hat zunächst im Gegensatz zum Finanzamt in der Zusammenstellung und der laufenden Ergänzung des Nachschlagewerkes eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG erblickt. Eine solche Arbeit sei mehr als ein bloßes mechanisches Einordnen, sondern beruhe auf einer selbständigen geistigen Gedankenarbeit. Sie setze gewisse rechtliche Kenntnisse voraus sowie die Fähigkeit, die Rechtsmaterie systematisch zu gliedern und zu ordnen. Auf den Grad der Wissenschaftlichkeit des Werkes brauche dabei nicht eingegangen zu werden.
Andererseits hat das Finanzgericht in dem Vertrieb des Suchregisters im Selbstverlag eine gewerbliche Tätigkeit gesehen und die Auffassung vertreten, daß eine Abgrenzung dieser gewerblichen Betätigung von der in der Zusammenstellung des Suchregisters liegenden freiberuflichen Tätigkeit nicht möglich sei. Der Bundesfinanzhof habe zwar in den Urteilen I 116/55 U vom 23. Oktober 1956 (BStBl 1957 III S. 17, Slg. Bd. 64 S. 46) und IV 390/55 U vom 28. März 1957 (BStBl 1957 III S. 182, Slg. Bd. 63 S. 4907 ausgesprochen, daß eine getrennte steuerliche Behandlung der beiden Tätigkeiten überall da geboten sei, wo eine solche nach der Verkehrsauffassung ohne besondere Schwierigkeiten möglich sei. Aber gerade an diesen Voraussetzungen fehle es hier. Beide Tätigkeiten seien aufs engste miteinander verflochten und griffen ineinander über. Die enge Verflechtung trete besonders deutlich dadurch hervor, daß der Bf. auch die bereits ausgeführten Lieferungen laufend ergänzen müsse. Die beiden Tätigkeiten ließen sich hinsichtlich des wirtschaftlichen Erfolges nicht voneinander trennen, so daß sie nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 151/53 U vom 25. Juni 1953 (a. a. O.) als Gesamttätigkeit einheitlich beurteilt werden müßten. Bei dieser Beurteilung ist das Finanzgericht dazu gekommen, die Gesamttätigkeit als eine gewerbliche zu behandeln, da der gewerbliche Anteil überwiege. Angesichts der hohen Betriebsausgaben, die bei der Drucklegung und dem Vertrieb eines solchen Werkes entstünden, betrage der schriftstellerische Anteil am Erlös im allgemeinen etwa 10 bis 12 v. H. Auch beim Bf. sei nach der Meinung der an der Entscheidung beteiligten sachkundigen Laienrichter der freiberufliche Anteil keinesfalls höher als mit 12 v. H. des Gesamtumsatzes zu veranschlagen, da die auf die Drucklegung und den Vertrieb des Werkes entfallenden Betriebsausgaben durchschnittlich bereits 40 v. H. des Umsatzes ausmachten.
Mit der Rb. hat der Bf. begehrt, einen Betrag von 12 v. H. des Gesamtumsatzes als freiberuflichen Anteil anzuerkennen und vom Gewerbeertrag abzusetzen. Ihrem Wesen nach sei die Bearbeitung des Nachschlagewerkes als freiberufliche Tätigkeit mit dem Verlagsgeschäft nicht so eng verbunden, daß sie als ein Teil desselben angesehen werden müßte. Es handle sich um zwei verschiedene Tätigkeiten, die lediglich von ein und derselben Person ausgeübt würden. Erst wenn der freiberufliche Teil, die Bearbeitung des Nachlagewerkes, abgeschlossen sei, könne der gewerbliche Teil (Druck und Verlag) beginnen. Keiner der beiden Vorgänge greife in den anderen hinein. Eine getrennte Betrachtung der beiden Tätigkeiten sei daher möglich. Das Honorar für die freiberufliche Tätigkeit werde zwar mit dem Ertrag aus dem Vertrieb mitvergütet. Aber auch das Honorar eines Autors, der sich eines fremden Verlages bediene, richte sich nach dem Endverkaufspreis des Werkes. Es hätten sich dabei Richtsätze herausgebildet, die zwischen 10 und 15 v. H. des Endverkaufspreises lägen. Das Honorar für die Bearbeitung des Nachlagewerkes könne daher vom Gesamtertrag im Wege der Schätzung getrennt werden. Dies müsse für die getrennte steuerliche Behandlung der beiden Tätigkeiten genügen.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Dem Finanzgericht ist darin beizutreten, daß die Abfassung des Nachschlagewerkes für sich betrachtet eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG darstellt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die genannte Tätigkeit als eine wissenschaftliche angesehen werden kann; jedenfalls ist sie eine schriftstellerische. Eine solche liegt vor, wenn auf irgendeinem Gebiet eigene Gedanken schriftlich der öffentlichkeit vorgelegt werden (vgl. das Urteil des Senats IV 278/56 U vom 14. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 316, Slg. Bd. 67 S. 115; vgl. auch Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Auflage, Anm. 3 zu § 18, S. 1148). Diese Voraussetzungen sind bei dem vom Bf. verfaßten Nachschlagewerk gegeben. Insbesondere kommt die erforderliche selbständige Gedankenarbeit in der Aufstellung bestimmter Stichworte und in der Einordnung des zu verarbeitenden Rechtsstoffes unter diese zum Ausdruck.
Das Finanzgericht hat auch mit Recht den Vertrieb des Suchregisters im Selbstverlag als eine gewerbliche Tätigkeit angesehen, weil die Vervielfältigung des Manuskripts und der Verkauf der hergestellten Exemplare der gewerblichen Sphäre angehören (vgl. das angeführte Urteil des Senats IV 151/53 U vom 25. Juni 1953, a. a. O.). Dies wird auch vom Bf. nicht bestritten. Streitig ist nur noch, ob eine Abgrenzung dieser gewerblichen Betätigung von der in der Abfassung des Suchregisters liegenden freiberuflichen Tätigkeit möglich ist. Das Finanzgericht hat diese Möglichkeit auch nach der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wie sie in den in der Vorentscheidung angeführten Urteilen I 116/55 U vom 23. Oktober 1956 und IV 390/55 U vom 28. März 1957 (a. a. O.) niedergelegt ist, nicht für gegeben erachtet. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Nach der letztgenannten Entscheidung soll von einer getrennten Behandlung der verschiedenen Tätigkeitsarten nur abgesehen werden, wenn sich diese unlösbar bedingen und so miteinander verflochten sind, daß der gesamte Betrieb als einheitlicher angesehen werden muß. Der Rb. ist darin zuzustimmen, daß die beiden Tätigkeiten des Bf. nicht so unlöslich miteinander verflochten sind, daß eine Trennung gegen die Verkehrsauffassung verstoßen würde. Dies gilt sowohl für die Herausgabe des Hauptwerkes als auch für die der laufenden Ergänzungen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Bf. für die beiden Tätigkeiten ein einheitliches Entgelt erhält, in dem das Honorar für die schriftstellerische Tätigkeit mit enthalten ist. Denn die Höhe dieses Honorars läßt sich durch Schätzung ermitteln, wobei als Vergleichsmaßstab die Honorarsätze dienen können, die ein Autor von einem fremden Verlag üblicherweise erhält. Daß wesensmäßig voneinander verschiedene Tätigkeiten auch dann getrennt zu behandeln sind, wenn die Besteuerungsgrundlagen nach § 217 AO geschätzt werden müssen, hat der Senat in dem Urteil IV 235/60 U vom 16. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 210, Slg. Bd. 72 S. 574) ausgesprochen.
Hiernach war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache wird unter gleichzeitiger Aufhebung der Einspruchsentscheidung zweckmäßig an das Finanzamt zurückverwiesen. Dieses hat den auf die schriftstellerische Tätigkeit des Bf. entfallenden Gewinn vom Gewerbeertrag abzusetzen. Der Gewinn ist nicht, wie der Bf. meint, mit dem durch Schätzung zu ermittelnden Honorarbetrag gleichzusetzen, da es sich bei ihm um die Roheinnahmen handelt. Der Honorarbetrag ist vielmehr um die auf die schriftstellerische Tätigkeit entfallenden Betriebsausgaben zu kürzen. Es bestehen keine Bedenken, den Honorarbetrag entsprechend dem Antrag des Bf. mit 12 v. H. des Gesamtumsatzes anzusetzen. Dieser Satz kann nach dem Urteil des Finanzgerichts, das insoweit auf der Meinung der an der Entscheidung beteiligten sachkundigen Laienrichter beruht, als angemessen angesehen werden. Die anteiligen Betriebsausgaben wird das Finanzamt im Benehmen mit dem Bf. auf Grund der der Einkommensteuererklärung 1955 beiliegenden Aufstellung der Betriebsausgaben zu ermitteln haben.
Fundstellen
Haufe-Index 410352 |
BStBl III 1962, 131 |
BFHE 1962, 344 |
BFHE 74, 344 |