Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Entschädigungen zur Wiedergutmachung früher entzogener Versorgungsansprüche sind nicht gemäß § 3 Ziff. 7 EStG (ß 6 Ziff. 5 LStDV) einkommensteuerfrei.
Der Anspruch aus einer angeblichen Vereinbarung, daß der Arbeitgeber die Lohnsteuer zu übernehmen habe, ist bürgerlich-rechtlicher Art und kann deshalb nur gegenüber dem Arbeitgeber, nicht gegenüber den Finanzbehörden geltend gemacht werden.
Normenkette
EStG § 3 Ziff. 7, § 49/4; LStDV § 6 Ziff. 5, § 40; AO § 152 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) erhielt im Jahre 1951 von einer Bank eine Zahlung von 39.600 DM. Er beantragte Erstattung der Lohnsteuer, die die Bank in Höhe von 3.960 DM einbehalten und an das Finanzamt abgeführt hatte. Er ist der Auffassung, daß die Zahlung als Wiedergutmachungsentschädigung für entgangene Ruhegehaltsansprüche nicht der Einkommensteuer unterliege.
Der Bf., der im Ausland lebt, war seit 1925 Vorstandsmitglied der Bank. Anläßlich einer Umorganisation wurde sein Dienstvertrag nicht über den 31. Dezember 1932 hinaus verlängert; er trat am 1. Januar 1933 in den Ruhestand und erhielt zunächst die vertraglichen Ruhegehaltsbezüge (9.000 RM jährlich). Im November 1933 wurde der Ruhegehaltsanspruch durch eine einmalige Zahlung der Bank von 30.000 RM abgelöst. Im Jahre 1950 erhob der Bf. auf Grund des Landesgesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz) Klage gegen die Bank mit der Begründung, daß er als Jude durch die Abfindung von 30.000 RM um seinen Ruhegehaltsanspruch gebracht worden sei. Die Bank bestritt einen Rechtsanspruch des Bf., erklärte sich aber bereit "aus freien Stücken und unter dem Gesichtspunkt der menschlichen Hilfe ohne Anerkennung oder Begründung eines Rechtsanspruchs" eine Zuwendung zu gewähren. Am 9. Juli 1951 schlossen die Parteien vor der Wiedergutmachungskammer einen Vergleich. Danach erhielt der Bf. für die Zeit vom 1. Januar 1936 bis 30. Juni 1951 einen näher errechneten Betrag von 39.600 DM; für die Zeit ab 1. Juli 1951 wurde ihm ein monatliches Ruhegehalt von 600 DM und nach seinem Tode für die Ehefrau eine monatliche Witwenrente von 400 DM zugesagt. Die Bank behielt, nachdem ihr auf eine Anfrage eine entsprechende Auskunft vom Finanzamt erteilt worden war, auf die Vergleichssumme von 39.600 DM die Lohnsteuer mit 10 v. H. ein; auf die Einbehaltung von Kirchensteuer und Abgabe "Notopfer Berlin" verzichtete das Finanzamt.
Den Antrag des Bf. auf Erstattung der Lohnsteuer lehnte das Finanzamt ab. Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führt aus: Die Entschädigung von 39.600 DM sei gemäß § 24 in Verbindung mit § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) - bzw. mit dem damit übereinstimmenden § 2 Abs. 3 Ziff. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) - als Arbeitslohn steuerpflichtig. Eine gesetzliche Steuerbefreiung sei für Entschädigungen dieser Art nicht gegeben; auch bestehe kein allgemeiner Milderungserlaß der Finanzbehörden. Für die Steuerpflicht sei unerheblich, ob die Parteien, wie der Bf. behauptet, bei der Bemessung der Entschädigung von deren Steuerfreiheit (Nettoentschädigung) ausgegangen seien. Es sei auch rechtlich nicht möglich, vom Bf. nur die Steuer zu erheben, die er seinerzeit hätte abführen müssen, wenn ihm die Bezüge laufend zugeflossen wären. Für die Besteuerung komme es auf den Zeitpunkt des Zuflusses an.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) bestreitet der Bf. weiterhin die Steuerpflicht. Er macht im einzelnen geltend: Er habe durch den Vergleich nicht das ihm nach dem früheren Vertrag zustehende Ruhegehalt erhalten; denn die Vergleichssumme für die Vergangenheit liege weit unter dem Nettobetrag, der ihm zugeflossen wäre, wenn er nicht aus rassischen Gründen verfolgt worden wäre. Auch die im Vergleich vereinbarte laufende monatliche Zahlung von 600 DM liege unter dem Nettobetrag, den er nach dem früheren Ruhegehaltsvertrag zu beanspruchen gehabt hätte. Es sei nicht richtig, die ganze Entschädigungssumme im Jahr des Zuflusses zu versteuern. Es entspreche dem Sinn der Wiedergutmachung, einen Verfolgten nach Möglichkeit so zu stellen, als wenn er nicht verfolgt worden wäre. Wäre der Bf. aber nicht verfolgt worden, so hätte er die Leistungen aus dem früheren Ruhegehaltsvertrag laufend erhalten und versteuert. Man könne die Entschädigung für die abgelaufenen Jahre nicht mit der gegenwärtigen höheren Einkommensteuer (Lohnsteuer) und der Abgabe "Notopfer Berlin" belasten. Die Entschädigung müsse im übrigen nach den Bestimmungen behandelt werden, die für Wiedergutmachungsleistungen der öffentlichen Hand anzuwenden wären; denn die Bank sei eine Körperschaft des öffentlichen Rechts; ihr Grundkapital befinde sich zu mehr als 50 v. H. im Besitz des Landes, das auch die Mehrzahl der Aufsichtsratsmitglieder stelle.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Der auf § 152 Abs. 2 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) gestützte Erstattungsanspruch könnte nur Erfolg haben, wenn die Lohnsteuer zu Unrecht entrichtet worden wäre. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.
Das Finanzgericht nimmt zutreffend an, daß die Vergleichssumme von 39.600 DM Arbeitslohn sei. Sie beruht auf dem früheren Dienstverhältnis des Bf. bei der Bank und dem ihm daraus erwachsenen Ruhegehaltsanspruch (ß 19 EStG; § 2 Abs. 1 LStDV).
Der Bf., der seinen Wohnsitz im Ausland hat, ist damit im Bundesgebiet beschränkt steuerpflichtig, weil das Ruhegehalt für eine im Inland ausgeübte Tätigkeit gewährt wird (ß 49 Ziff. 4 EStG; § 40 Abs. 1 LStDV). Die Nachzahlung war als Arbeitslohn grundsätzlich dem Steuerabzug zu unterwerfen (ß 38 EStG; § 30 Abs. 1 LStDV).
Der Einwand des Bf., die Parteien hätten bei Abschluß des Vergleichs eine Nettoentschädigung vereinbaren wollen, so daß ihm die Lohnsteuer nicht hätte einbehalten werden dürfen, greift nicht durch. Abgesehen davon, daß die Bank eine solche Vereinbarung bestreitet, betrifft die Behauptung des Bf. das bürgerlich-rechtliche Verhältnis zwischen den Parteien des Wiedergutmachungsverfahrens. Ein Erstattungsanspruch auf die Lohnsteuer, den die Bank - angeblich vereinbarungswidrig - für Rechnung des Bf. einbehalten und an das Finanzamt abgeführt hat, kann daraus nicht abgeleitet werden. Da dem Bf. Arbeitslohn zugeflossen ist, war Lohnsteuer einzubehalten. Der Staat hat aus der Lohnsteuerüberweisung der Bank nicht mehr erhalten, als ihm gesetzlich zustand. Ist der Bf. der Auffassung, daß im Innenverhältnis zwischen ihm und der Bank die letztere die Lohnsteuer zu tragen habe, so kann er diesen bürgerlich-rechtlichen Anspruch nur gegenüber der Bank geltend machen. Das Finanzgericht brauchte darum den Vereinbarungen der Beteiligten in diesem Punkt nicht näher nachzugehen.
Auch die Auffassung des Finanzgerichts, daß die Entschädigung nicht auf Grund steuerlicher Sondervorschriften befreit sei, trifft zu. Nach § 3 Ziff. 7 EStG 1951 (bzw. dem damit übereinstimmenden § 6 Ziff. 5 LStDV) sind befreit Geldrenten, Kapitalentschädigungen und Leistungen im Heilverfahren, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Schäden an Leben, Körper, Gesundheit und durch Freiheitsentzug gewährt werden. Entschädigungen für Vermögensschäden und Schäden im beruflichen Fortkommen sind nicht steuerbefreit, wie auch in Abschn. 182 der Einkommensteuer-Richtlinien 1951 zutreffend ausgeführt wird. Der Hinweis des Bf., es sei geplant gewesen, Wiedergutmachungsentschädigungen in weiterem Umfang steuerfrei zu machen, greift nicht durch. Die vorliegenden Anregungen haben nicht zu einer entsprechenden gesetzlichen Regelung geführt. Es sei im übrigen darauf hingewiesen, daß auch das Bundesentschädigungsgesetz vom 18. September 1953, das am 1. Oktober 1953 in Kraft getreten ist, in § 14 Abs. 8, § 15 Abs. 7 und § 17 Abs. 3 nur Wiedergutmachungsentschädigungen für Schäden an Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit von der Einkommensteuer (Lohnsteuer) befreit, nicht dagegen eine Entschädigung für Vermögensschäden und Schäden im beruflichen Fortkommen, wie sie hier in Betracht kommt (vgl. van Dam, Kommentar zum Bundesentschädigungsgesetz S. 178/179).
Der Hinweis des Bf., die vorgenommene Besteuerung sei mit dem Grundgedanken der Wiedergutmachung nicht zu vereinbaren, trifft nicht zu. Für Wiedergutmachungsentschädigungen gelten, soweit nicht gesetzliche Sonderregelungen eingreifen, die allgemeinen Vorschriften. Es gilt deshalb auch § 30 LStDV, wonach der Arbeitgeber die Lohnsteuer bei der Lohnzahlung, d. h. beim Zufluß an den Arbeitnehmer (vgl. § 11 EStG) einzubehalten hat. Das Gesetz gibt keine Handhabe, den Bf. im Jahre 1951 so zu besteuern, wie er besteuert worden wäre, wenn ihm die nachgezahlten Bezüge laufend zugeflossen und besteuert worden wären. Es ist aber darauf hinzuweisen, daß das Finanzamt entsprechend den ergangenen Verwaltungsanweisungen die im Jahre 1951 in einer Summe zugeflossene Nachzahlung von 39.600 DM nicht nach dem progressiven Steuertarif, sondern nach einem festen Satz von 10 v. H. besteuert hat. Die Vorbehörden haben dadurch und durch den Verzicht auf die Erhebung der Abgabe "Notopfer Berlin" und der Kirchensteuer den besonderen Verhältnissen des Bf. Rechnung getragen.
Der vom Bf. betonte Gesichtspunkt, daß die Bank eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, und die Entschädigung darum als von der öffentlichen Hand gezahlt angesehen werden müsse, ist steuerlich ohne Bedeutung, da das Gesetz zwischen Entschädigungen von öffentlich-rechtlicher oder privater Seite nicht unterscheidet.
Fundstellen
Haufe-Index 407883 |
BStBl III 1954, 130 |
BFHE 1954, 577 |
BFHE 58, 577 |