Leitsatz (amtlich)
Zuwendungen bei Betriebsveranstaltungen sind als Arbeitslohn des einzelnen Arbeitnehmers anzusehen, wenn aus den Umständen (z.B. Häufigkeit, Dauer oder besondere Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung) gefolgert werden kann, daß die Veranstaltung vom Arbeitgeber zum Anlaß genommen wird, die Arbeitnehmer besonders zu entlohnen (Anschluß an Urteil vom 22.März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529). Diese Annahme kann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber für denselben Kreis von Arbeitnehmern jährlich mehr als zwei Betriebsveranstaltungen mit Vorteilsgewährungen durchführt.
Orientierungssatz
Hat ein Beteiligter nach ergangenem Vorbescheid mündliche Verhandlung beantragt, so gilt der Vorbescheid auch dann als nicht ergangen, wenn der Beteiligte im weiteren Verfahren auf die tatsächliche Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet hat. In dem Verzicht liegt keine Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung, sondern eine neue Prozeßerklärung, die nunmehr eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ermöglicht (vgl. BFH-Urteil vom 30.4.1985 VIII R 29/84).
Normenkette
EStG 1978 § 19 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 90 Abs. 2-3, § 121
Tatbestand
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Prüfer fest, daß die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, 1980 an zwei und 1978, 1979 und 1981 an drei Orten Betriebsveranstaltungen durchgeführt hat, daß daran zwischen 92 und 200 Personen teilgenommen haben und daß in der Regel mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer mit Ehegatten erschienen waren. Da die von der Klägerin getragenen Bewirtungskosten je Ehepaar zwischen 52 und 85 DM betragen und damit die 50 DM-Grenze des Abschn.20 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) überschritten haben, errechnete der Prüfer für diese Aufwendungen unter Zugrundelegung eines Pauschsteuersatzes von 25 v.H. (§ 40 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) einen Lohn- und Kirchenlohnsteuernachforderungsbetrag von 8 662,62 DM. Dagegen vertrat die Klägerin die Auffassung, die verabreichten Mahlzeiten seien mit Sachbezugswerten anzusetzen, weshalb lediglich eine Nachforderung in Höhe von 3 759,30 DM gerechtfertigt sei.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die anläßlich der Betriebsveranstaltungen gewährten Zuwendungen seien als Annehmlichkeiten nicht steuerpflichtig. Jedenfalls könnten aber nur die Beträge der Besteuerung unterworfen werden, bei denen nach Ansatz von Sachbezugswerten die Freigrenze von 50 DM überschritten sei.
Der bislang ins Gesetz nicht aufgenommene Begriff der Annehmlichkeit sei in Art.1 § 51 Abs.3 Nr.5 des Entwurfs eines Dritten Steuerreformgesetzes (BTDrucks 7/1470 S.39) definiert als "Die Leistungen, die der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht oder im betrieblichen Interesse für den Arbeitnehmer im betrieblichen Bereich erbringt und die zu keiner Bereicherung des Arbeitnehmers führen". Bei Zuwendungen anläßlich von Betriebsveranstaltungen handele es sich um derartige aus betrieblichen und sozialen Erwägungen veranlaßte Leistungen.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und den Nachforderungsbetrag auf 3 759,30 DM herabzusetzen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das FA hat nach ergangenem Vorbescheid fristgerecht mündliche Verhandlung beantragt, sodann aber --ebenso wie die Klägerin-- auf die tatsächliche Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
In der Sache trägt das FA vor, das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers an einer Zuwendung stehe der Annahme von Arbeitslohn nicht entgegen, da schließlich jede Lohnzahlung im ausschließlichen Interesse des Arbeitgebers liege. Der Arbeitgeber führe eine Betriebsveranstaltung auf seine Kosten durch, um das Betriebsergebnis zu verbessern. Ob er die Betriebsveranstaltung auch wegen der Kontaktpflege durchführe, sei fraglich, denn das Betriebsklima könne bei einer derartigen Veranstaltung u.U. sogar verschlechtert werden. Insbesondere die Teilnahme von Ehegatten diene nicht der Pflege des Kontakts unter Arbeitskollegen, weil sich der betreffende Arbeitnehmer seinem Ehegatten widmen müsse. Mit den Zuwendungen aus Anlaß von Betriebsveranstaltungen wolle der Arbeitgeber den Arbeitnehmern vielmehr eine weitere Entlohnung zukommen lassen. Dieses Ziel werde nicht erst bei mehreren Betriebsveranstaltungen in einem Jahr und auch nicht nur durch eine besonders lang dauernde oder außergewöhnlich ausgestaltete Betriebsveranstaltung verfolgt. Jeder einzelne Arbeitnehmer würde die Zuwendungen als Frucht seiner Dienstleistung auffassen, ungeachtet dessen, daß die Zuwendungen auch allen anderen Arbeitnehmern des Betriebs gewährt würden. Darüber hinaus würden die Arbeitnehmer die Teilnahme von Personen, die ihnen nahestehen, begrüßen und auch die Übernahme der dadurch erhöhten Kosten durch den Arbeitgeber auf ihre Mitarbeit zum Erreichen des Betriebszieles zurückführen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
1. Wegen des Antrags auf mündliche Verhandlung gilt der Vorbescheid als nicht ergangen (§ 121 i.V.m. § 90 Abs.2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Im Verzicht auf die tatsächliche Durchführung der mündlichen Verhandlung liegt keine Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung, sondern eine neue Prozeßerklärung, die nunmehr eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ermöglicht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.April 1985 VIII R 29/84, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH/NV-- 1986, 33).
2. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats sind auf herkömmlichen Betriebsveranstaltungen gewährte übliche Zuwendungen nicht durch das individuelle Dienstverhältnis veranlaßt und deshalb kein Arbeitslohn. Zu den üblichen Zuwendungen gehört die Bewirtung in einem gängigen Lokal, und zwar auch bei Beteiligung von Ehegatten, sofern den Ehegatten aller Arbeitnehmer die Teilnahme freigestellt ist (BFH-Urteile vom 22.März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529, und VI R 82/83, BFHE 143, 550, BStBl II 1985, 532). Die vom FA hiergegen vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch.
a) Zu Unrecht setzt das FA im Ergebnis den Begriff des ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesses mit dem der betrieblichen Veranlassung gleich. Unter Zuwendungen im ganz "überwiegend eigenbetrieblichen Interesse" sind nicht alle durch den Betrieb veranlaßten, sondern nur solche Zuwendungen zu verstehen, die keine Gegenleistung für eine erbrachte oder zu erbringende Arbeitsleistung darstellen. Derartige Zuwendungen sind zwar durch den Betrieb, nicht aber durch das individuelle Dienstverhältnis veranlaßt. Sie erfolgen unabhängig von der individuellen Arbeitsleistung zur Ausgestaltung des Arbeitsplatzes, zur Förderung des Betriebsklimas oder aus anderen, nicht die Entlohnung der Arbeitnehmer bezweckenden Gründen.
b) Auch auf herkömmlichen Betriebsveranstaltungen übliche Zuwendungen werden im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse, d.h. nicht zum Zwecke der Entlohnung, vorgenommen. Das ergibt sich daraus, daß diese Zuwendungen unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie der Stellung und der Leistung im Betrieb und nur bei tatsächlicher Teilnahme an der Betriebsveranstaltung gewährt werden. Deshalb ist umgekehrt Arbeitslohn anzunehmen, wenn durch die Auswahl der Begünstigten oder durch Art und Maß der Zuwendungen erkennbar wird, daß Arbeitsleistungen entgolten werden sollen und nicht lediglich das Gelingen der Gemeinschaftsveranstaltung als solches beabsichtigt ist.
Dementsprechend verstehen auch die betroffenen Arbeitnehmer die Zuwendungen nur dann als Ertrag ihrer Arbeit im weitesten Sinne, wenn durch besondere Umstände eine Beziehung zu ihrer individuellen Arbeitsleistung hergestellt wird (z.B. Belohnung einer kleinen Gruppe für besonderen Arbeitseinsatz, Gewährung von Geschenken bzw. Ausgestaltung der Veranstaltung nach Ort, Dauer oder Art der Zuwendungen, die den Rahmen einer herkömmlichen Betriebsveranstaltung sprengen). Das ist nicht schon dann der Fall, wenn, wie auf Betriebsveranstaltungen üblich, alle Teilnehmer in gleicher Weise unterhalten und bewirtet werden und der einzelne Arbeitnehmer auf den Gegenstand der Zuwendung und die Begleitumstände, unter denen er sie entgegennehmen kann, keinen Einfluß hat.
c) Das ganz überwiegend eigenbetriebliche Interesse an der Durchführung einer mit Zuwendungen verbundenen Betriebsveranstaltung ist schließlich nicht deshalb zu verneinen, weil in einzelnen Fällen das vom Arbeitgeber verfolgte Ziel der Kontaktpflege nicht in erhofftem Maße eintritt. Der durch Bewirtungs- und Unterhaltungsmaßnahmen geschaffene Rahmen ist generell geeignet, Kontakte zu ermöglichen und damit das Betriebsklima zu fördern. Inwieweit die Betriebsveranstaltung dann auch tatsächlich ein Erfolg wird, ist für die Beurteilung der Frage, ob die Zuwendungen Entgelt für Arbeitsleistungen sind, nicht von Bedeutung. Nichts anderes gilt im Falle der Teilnahme der Ehegatten der Arbeitnehmer an der Betriebsveranstaltung. Durch die Teilnahme der Ehegatten soll, sofern nicht lediglich den Ehegatten bestimmter Arbeitnehmer die Teilnahme gestattet ist, nicht die Arbeitsleistung verheirateter Arbeitnehmer besonders entlohnt werden; vielmehr dient die Teilnahme der Ehegatten ebenfalls der Verbesserung des Betriebsklimas im Rahmen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung. Die betreffenden Arbeitnehmer erhalten nicht besondere Zuwendungen in Form der Bewirtung ihrer Ehegatten, sondern die Ehegatten werden bewirtet, weil sie an der Betriebsveranstaltung teilnehmen und ihrerseits den betrieblichen Zweck der Kontaktpflege durch ihre Anwesenheit fördern.
d) Es kann auch nicht der Ansicht des Finanzgerichts (FG) gefolgt werden, daß nur die Zuwendung solcher Vorteile im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen könne, die, würden sie vom Arbeitnehmer selbst finanziert, bei ihm Werbungskosten darstellen würden. Ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse braucht nämlich nicht deswegen zu entfallen, weil es Aufwendungen betrifft, die, würden sie vom Arbeitnehmer getragen, zu den Kosten seiner privaten Lebensführung gehörten. Deshalb wurden Aufwendungen für die Untersuchung (BFH-Urteil vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39) wie für die Erhaltung oder Wiederherstellung des Gesundheitszustands (BFH-Urteil vom 24.Januar 1975 VI R 242/71, BFHE 114, 496, BStBl II 1975, 340) der Arbeitnehmer nicht als Arbeitslohn angesehen, obwohl die Aufwendungen nicht lediglich die Erkennung oder Behebung von typischen Berufskrankheiten betrafen.
3. Die Feststellungen des FG reichen für eine abschließende Beurteilung des Streitfalles nicht aus.
Nach der vom FG allerdings nicht übernommenen detaillierten Aufstellung der Klägerin haben die Bewirtungsaufwendungen für Speisen zwischen 7 und 14 DM und für Getränke zwischen 14 und 25 DM je Teilnehmer betragen. Dies ließe bei gesonderter Betrachtung jeder einzelnen Veranstaltung den Schluß zu, daß die Zuwendungen sich in einem bei Betriebsveranstaltungen üblichen Rahmen gehalten haben und deswegen nicht als Ertrag der Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer anzusehen sind.
Die Annahme, der Arbeitgeber habe mit der Bewirtung von Arbeitnehmern und deren Ehegatten nicht lediglich ganz überwiegend eigenbetriebliche Interessen verfolgt, sondern eine zusätzliche Entlohnung beabsichtigt, kann sich aber aus der Häufigkeit von mit Zuwendungen verbundenen Betriebsveranstaltungen ergeben. Der Senat hält jährlich zwei Betriebsveranstaltungen als noch im Rahmen des Üblichen liegend. Bei Überschreiten dieser Anzahl kann der Schluß gerechtfertigt sein, daß mit den Zuwendungen anläßlich weiterer Betriebsveranstaltungen eine Grenze erreicht ist, die die zusätzlichen Zuwendungen als individuelle Belohnung der einzelnen Arbeitnehmer erscheinen läßt.
Vom FG wie auch den Beteiligten nicht aufgegriffen wurde die Frage, ob die jeweiligen Betriebsveranstaltungen grundsätzlich allen Arbeitnehmern offenstanden oder ob die Auswahl der Teilnehmer eine Privilegierung bestimmter Arbeitnehmergruppen mit der Folge bewirkt hat (vgl. BFH-Urteil vom 5.März 1976 VI R 76/73, BFHE 118, 434, BStBl II 1976, 392), daß das ausschließlich betriebliche Eigeninteresse an den betreffenden Zuwendungen zu verneinen wäre. Diesbezügliche Feststellungen sind insbesondere wegen der stark schwankenden Zahl der Teilnehmer an den einzelnen Veranstaltungen erforderlich.
Das FG wird daher aufzuklären haben, welche Arbeitnehmer zu welchen der vom Lohnsteuerprüfer aufgegriffenen Betriebsveranstaltungen zugelassen waren und ob darüber hinaus noch weitere Betriebsveranstaltungen stattgefunden haben. Sofern sich ergibt, daß der jeweilige Teilnehmerkreis nicht als Privilegierung bestimmter Arbeitnehmergruppen verstanden werden kann und daß dieselben Arbeitnehmer nicht an mehr als zwei gleichartigen Betriebsveranstaltungen übliche Zuwendungen erhalten haben, kommt dem Umstand, daß der Arbeitgeber in einem Jahr mehrere Betriebsveranstaltungen durchgeführt hat, keine Bedeutung mehr zu.
Fundstellen
Haufe-Index 61189 |
BStBl II 1986, 575 |
BFHE 146, 262 |
BFHE 1986, 262 |
BB 1986, 1204-1205 (LT) |
HFR 1986, 419-420 (ST) |