Leitsatz (amtlich)
Der Bauherr kann die AfA nach § 7 Abs. 5 EStG im Jahre der Veräußerung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung nur zeitanteilig abziehen.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 5
Tatbestand
Umstritten ist, ob einem Bauherrn die AfA nach § 7 Abs. 5 EStG im Jahr der Veräußerung des Gebäudes nur zeitanteilig zustehen.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Kaufleute. Sie haben gemeinsam Wohnhäuser gebaut, die 1965 fertiggestellt wurden. In diesem Jahre haben sie keine AfA als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht. Auch ohne Berücksichtigung von AfA hatten sie in diesem Jahr keine Einkommensteuer zu zahlen. In den folgenden Jahren 1966 und 1967 machten sie die degressive AfA in Höhe von jeweils 3,5 v. H. der Herstellungskosten mit Erfolg geltend. Im Streitjahr 1968 wurden die Gebäude am 30. Juni verkauft. Die Kläger begehrten auch für dieses Jahr die vollen degressiven AfA. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) berücksichtigte sie jedoch nur zeitanteilig für ein halbes Jahr. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG wies die Klage ab. Es führte im wesentlichen aus, daß als Werbungskosten nur die zeitanteiligen linearen AfA nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 EStG berücksichtigt werden könnten. Zwar hätten die Kläger ein Wahlrecht zwischen linearen oder degressiven AfA gehabt. Die Wahl der degressiven AfA hätten sie aber nur im Jahre der Fertigstellung treffen können. Da dies nicht geschehen sei, seien die AfA linear zu bemessen. Daran seien die Kläger auch für die Folgejahre gebunden. Ein Wechsel der Abschreibungsmethode sei nach der Gesetzessystematik nicht zulässig. Ob die Kläger im Jahre der Fertigstellung bewußt oder versehentlich keine AfA angesetzt hätten, sei nicht entscheidungserheblich. Die Klage sei aber auch unbegründet, wenn man die degressiven AfA noch zulasse, da sie den Klägern nur zeitanteilig für das erste Halbjahr 1968 zustünden, in dem sie noch Eigentümer der Gebäude gewesen wären. Denn ein Eigentümer sei grundsätzlich nur für die Zeit zu AfA berechtigt, in der er den Wertverzehr trage. Weder Wortlaut noch Zweck des § 7 Abs. 5 EStG rechtfertigten davon eine Abweichung. Das Ziel der Vorschrift, den Bauherrn in den ersten Jahren nach der Fertigstellung des Baus zu entlasten, sei erreicht, wenn der Bauherr das Gebäude veräußere. Sie diene auch nicht den wohnungs- und sozialpolitischen Zielen, die für die erhöhten AfA nach § 7 b EStG eine Abweichung vom Grundsatz der zeitanteiligen AfA rechtfertigten (Urteil des BFH vom 13. Dezember 1957 VI 234/56 U, BFHE 66, 182, BStBl III 1958, 72), da die degressiven AfA nicht auf Wohngebäude beschränkt seien.
Mit der Revision rügen die Kläger Verstoß gegen den klaren Akteninhalt und Verletzung materiellen Rechts. Nach dem Akteninhalt seien den Klägern in den Jahren 1966 bis 1967 die degressiven AfA zugestanden worden, so daß die Frage, ob die degressive Abschreibung dem Grunde nach zu gewähren sei, im Klageverfahren nicht mehr zur Entscheidung angestanden sei. Das FA habe die Einkünfte 1965 ohne den Ansatz von AfA endgültig festgestellt. Daher könne nicht von einem Wechsel der Abschreibungsmethode gesprochen werden. § 7 b und § 7 Abs. 5 EStG seien gleich auszulegen. In beiden Fällen handle es sich um eine Sonderform der Gebäudeabschreibung, die nur der Bauherr in Anspruch nehmen könne. Die Worte "abweichend" und "jeweils" in § 7 Abs. 5 EStG sprächen für eine volle Jahres-AfA.
Die Kläger beantragen die Aufhebung des FG-Urteils und die Festsetzung der gemeinschaftlichen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Jahr 1968 auf 11 082 DM.
Das FA beuntragt sinngemäß die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unbegründet.
Den Klägern stehen AfA im Jahre des Verkaufs der Wohnhäuser sowohl bei Anwendung der linearen AfA-Methode des § 7 Abs. 4 EStG als auch der degressiven Methode des § 7 Abs. 5 EStG nur zeitanteilig zu.
Für die lineare Methode ist dies unbestritten. Die AfA stehen dem Eigentümer grundsätzlich nur für den Zeitraum zu, in dem er den Wertverzehr trägt, denn durch sie soll der infolge Zeitablaufs entstehende Wertverzehr steuerlich berücksichtigt werden (vgl. Urteil des RFH vom 29. Juli 1927 I A 264/27, RFHE 21, 316). Nach der Aufgabe ihrer Eigentümerstellung konnten die Kläger daher keinen Wertverzehr mehr hinsichtlich der Wohnhäuser tragen. Daraus ergibt sich bei einer verbrauchsbedingten AfA-Methode ein Zwang zur zeitanteiligen Absetzung (sog. Grundsatz der zeitanteiligen Absetzung, pro rata temporis).
Von diesem Grundsatz kann bei der degressiven AfA-Methode des § 7 Abs. 5 EStG nur dann abgewichen werden, wenn sich dies entweder aus dem Gesetzeswortlaut oder aus den Besonderheiten der AfA-Methode rechtfertigen läßt.
Dem Gesetzeswortlaut ist nicht zu entnehmen, daß die Kläger die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG im Jahre der Veräußerung des Grundstücks voll in Anspruch nehmen können. Eine ausdrückliche Regelung fehlt. Auch den Gesetzeswendungen "abweichend von Absatz 4" und "jeweils 3,5 v. H." läßt sich hierzu nichts entnehmen, denn ähnliche Ausdrücke werden auch in Abs. 4 a. a. O. verwendet.
Auch die Besonderheiten der AfA-Methode des § 7 Abs. 5 EStG vermögen nicht eine Abweichung von dem oben genannten Grundsatz zu rechtfertigen. Der erkennende Senat hat zwar im Urteil vom 19. Februar 1974 VIII R 114/69 (BFHE 112, 131, BStBl II 1974, 704) zugelassen, daß die AfA nach § 7 Abs. 5 EStG im Jahre der Herstellung mit dem vollen Betrag abgezogen werden. Er hat die Entscheidung damit begründet, daß diese AfA-Methode neben der erhöhten Kapitalfreisetzung, die allgemein eine degressive Methode gegenüber einer linearen Methode kennzeichnet, gleichzeitig die Wirkung einer erhöhten und frühzeitigen (Re-) Finanzierung hat. Nach seiner Auffassung steht diese Finanzierungswirkung bei § 7 Abs. 5 EStG im Vordergrund. Er sah sich in dieser Auffassung durch die Motive des Gesetzgebers bestärkt, nach denen diese degressiven AfA in erster Linie einen Bauanreiz bedeuten sollen, und hat auf die für § 7 b EStG anerkannte Regelung hingewiesen, wonach dort die AfA im Jahre der Herstellung mit dem vollen Betrag abgezogen werden dürfen (vgl. Urteil des BFH VI 234/56 U). Diese für das Jahr der Herstellung ergangene Entscheidung kann jedoch im Falle der AfA nach § 7 Abs. 5 EStG für das Jahr der Veräußerung nicht angewandt werden. Denn wie das FG zu Recht ausgeführt hat, ist das Ziel dieser AfA-Methode, den Bauherrn in den ersten Jahren nach der Fertigstellung des Baues zu entlasten, bereits erreicht, wenn der Bauherr das Gebäude veräußert. Das Ziel des Gesetzgebers, dem Bauherrn einen Anreiz zu geben, kann daher eine volle AfA auch im Jahre der Veräußerung nicht ohne weiteres rechtfertigen.
Die für § 7 b EStG geltende Regelung, nach der die AfA auch im Jahre der Veräußerung voll in Anspruch genommen werden können, beruht auf Gründen, die für die AfA nach § 7 Abs. 5 EStG nicht zutreffen. Der Bundestag beschloß die degressiven AfA des § 7 Abs. 5 EStG im Hinblick auf die gleichzeitige Einschränkung des § 7 b EStG, die Notwendigkeit einer Erneuerung des Gebäudebestandes und der Anpassung an die Entwicklung in der Bauweise (Urteil des BFH VIII R 114/69 mit weiteren Nachweisen). Die Vorschrift des § 7 b EStG hat dagegen neben wohnungspolitischer Zielsetzung auch sozialpolitische Ziele und ist auf Wohngebäude beschränkt. Während die AfA nach § 7 Abs. 5 EStG nur dem Bauherrn zustehen, können die AfA nach § 7 b EStG auch vom Ersterwerber beansprucht werden, und zwar nach Abs. 3 Satz 1 a. a. O. ausdrücklich, "soweit der Bauherr sie nicht geltend gemacht hat". Hat also der Bauherr im Veräußerungsjahr die AfA nach § 7 b EStG nicht voll in Anspruch genommen, so erhält sie im übrigen der Ersterwerber. Daraus ist zu entnehmen, daß im Falle des § 7 b EStG im Veräußerungsjahr die gesamten erhöhten AfA den Steuerpflichtigen, sei es dem Bauherrn, sei es dem Ersterwerber, zugute kommen können. Das ist aber im Falle des § 7 Abs. 5 EStG ausgeschlossen, denn diese erhöhten AfA stehen dem Ersterwerber nach dem Gesetz nicht zu; dieser kann grundsätzlich nur die normale AfA erhalten.
Auch aus dem Umstand, daß im Falle einer Veräußerung des Gebäudes schon im Herstellungsjahr dem Bauherrn möglicherweise die vollen Jahres-AfA nach § 7 Abs. 5 EStG gewährt werden können, läßt sich für das Veräußerungsjahr nichts entnehmen. Denn die Gewährung der vollen AfA im Herstellungsjahr würde auch dann auf der besonderen Zielsetzung des § 7 Abs. 5 EStG beruhen, die für ein späteres Veräußerungsjahr eben nicht im gleichen Maße gilt.
Da im finanzgerichtlichen Verfahren eine Änderung des Steuerbescheides zum Nachteil des Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht möglich ist, ist es ausgeschlossen, daß die Steuer der Kläger entgegen ihrem Antrag erhöht wird. Nach diesem Grundsatz können auch die Einkünfte im Verfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte nicht mehr erhöht werden. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob die Kläger im Streitfall nur eine lineare AfA nach § 7 Abs. 4 EStG beanspruchen können, wie das FG angenommen hat. Auf diese Frage braucht nicht mehr eingegangen zu werden, zumal auch eine Folgewirkung für spätere Veranlagungsjahre nicht mehr eintreten kann, weil die Kläger die Wohnhäuser verkauft haben.
Fundstellen
Haufe-Index 72475 |
BStBl II 1977, 835 |
BFHE 1978, 180 |