Leitsatz (amtlich)
1. Die erstattete Kapitalertragsteuer kann erst nach Aufhebung des der Erstattung zugrunde liegenden Freistellungsbescheids zurückgefordert werden.
2. Ob Zinsen i.S. des Art.11 Abs.1 DBA-Schweiz aus der Bundesrepublik "stammen", richtet sich nach deutschem Steuerrecht.
3. Ob Einkünfte einer Person nach dem DBA-Schweiz zuzurechnen sind, richtet sich nach deutschem Steuerrecht.
4. Als Bezieher von Einkünften aus Kapitalvermögen gilt auch der Nachfolger in dem Rechtsverhältnis, das der Überlassung des Kapitals zugrunde liegt; als Nachfolger ist dabei auch der wirtschaftliche Eigentümer anzusehen, der nicht rechtlicher Eigentümer ist.
Orientierungssatz
1. § 5 Abs. 3 StAnpG gilt für alle Fälle bürgerlich-rechtlicher Nichtigkeit von Rechtsgeschäften (vgl. BFH-Urteil vom 14.5.1969 VI R 174/68).
2. Parallelentscheidung: BFH, 18.12.1986, I R 53/83, NV.
Normenkette
AO 1977 § 37; DBA CHE Art. 3 Abs. 2, Art. 4 Abs. 11, Art. 11 Abs. 1; StAnpG § 5 Abs. 3; EStG § 20
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog im Jahre 1974 Zinsen aus folgenden inländischen Wertpapieren:
a) .... DM Obligationen Y-Bank
b) .... DM Obligationen Y-Bank
Die zu zahlende Kapitalertragsteuer und Ergänzungsabgabe wurde im Wege des Steuerabzugs entrichtet und der Klägerin in voller Höhe aufgrund der Bestimmungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.August 1971 --DBA-Schweiz-- (BGBl II 1972, 1022) erstattet. Mit Bescheid vom 15.Dezember 1977 forderte der Beklagte und Revisionskläger (das Bundesamt für Finanzen --BfF--) die erstattete Kapitalertragsteuer zurück.
Die Klägerin ist eine hundertprozentige Tochter der X-AG in Zürich. Eine weitere hundertprozentige Tochtergesellschaft der X-AG ist die O-Ltd. in Nassau/Bahamas. An der X-AG sind mit 49 v.H. die Y-Bank und mit 51 v.H. die Z-Bank beteiligt. An der Z-Bank ist die Y-Bank mit mehr als 40 v.H. beteiligt.
Das bei der Y-Bank für Wertpapiergeschäfte zuständige Vorstandsmitglied war gleichzeitig Mitglied des Verwaltungsrates der X-AG und der O-Ltd. Der Präsident des Verwaltungsrates der X-AG war zugleich Präsident des Verwaltungsrates der Klägerin und der O-Ltd. Der Vizedirektor der X-AG war Mitglied des Verwaltungsrates der O-Ltd. Die Geschäfte der Klägerin wurden in Personalunion mit der X-AG durchgeführt. Auch die Geschäfte der O-Ltd., die mit Ausnahme zweier Repräsentanten bahamesischer Nationalität kein eigenes Personal hatte, wurden weitgehend von Zürich aus durchgeführt, wobei auf seiten der O-Ltd. dieselben Leute handelten, die auch für die X-AG verantwortlich waren.
Die Klägerin hatte die Wertpapiere am 20.November 1973 von ihrer Schwestergesellschaft O-Ltd. gekauft. Streitig ist, von wem die O-Ltd. die Papiere erworben hat.
Die oben zu a) genannten Wertpapiere waren von der Y-Bank zusammen mit weiteren ..... DM derselben Gattung in drei Posten über je ..... DM am 15., 16. und 17.November 1972 mit Tafelgeschäften Nr.16, 17 und 18 zum Kurs von 98,61 v.H., die zu b) genannten Wertpapiere am 17.November 1972 mit Tafelgeschäft Nr.19 zum Kurs von 98,135 v.H. verkauft worden. Die Y-Bank hatte sich dem Käufer gegenüber verpflichtet, die Papiere vorzeitig nach einem Jahr zum Kurs von 100 v.H. zurückzunehmen. In den Wertpapierabrechnungen der Y-Bank war nicht der Käufer angegeben, sondern lediglich vermerkt: "Tafelgeschäft Nr.16" (15.November), "Nr.17" (16.November), "Nr.18" (17.November) und "Nr.19" (17.November). Der Gegenwert der verkauften Wertpapiere wurde in bar an der Kasse eingezahlt. Die Bescheinigung über den Empfang der Wertpapiere trug beim Tafelgeschäft Nr.16 --bei den anderen entsprechend-- folgenden Vermerk:
"Gegen Rückgabe dieser Quittung für Tafelgeschäft
16/72 werden die in der Abrechnung zu diesem
Tafelgeschäft genannten Papiere an unserem
Schalter ausgehändigt.
Die Rückgabe dieser Quittung schließt die
Bestätigung über den Empfang der in der
Abrechnung zum Tafelgeschäft Nr.16/72 genannten
Papiere ein."
Y-Bank
-
zwei Unterschriften
Gemäß § 23 Abs.1 Nr.4 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) i.V.m. § 52 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) bedurften zu jener Zeit Rechtsgeschäfte, die den entgeltlichen Erwerb inländischer Wertpapiere durch Gebietsfremde von Gebietsansässigen zum Gegenstand hatten, der Genehmigung der hierfür nach § 28 Abs.2 Nr.1 AWG zuständigen Deutschen Bundesbank. Die Tafelgeschäfte der Y-Bank Nr.16, 17, 18 und 19/1972 erfolgten ohne Genehmigung der Deutschen Bundesbank. Ab 1.Februar 1974 waren Rechtsgeschäfte, die den entgeltlichen Erwerb inländischer Wertpapiere durch Gebietsfremde von Gebietsansässigen zum Gegenstand hatten, wieder ohne Genehmigung zulässig.
Das BfF behauptet, Vertragspartner der Y-Bank bei den vorgenannten Tafelgeschäften sei die O-Ltd. gewesen. Da die Geschäfte wegen Verstoßes gegen die Außenwirtschaftsbestimmungen nichtig seien, habe die Klägerin wegen der engen kapitalmäßigen, organisatorischen und personellen Verflechtung mit der O-Ltd., der X-AG und der Y-Bank kein Eigentum an den ihr von der O-Ltd. übertragenen Wertpapieren erwerben können. Deshalb stehe der Klägerin auch kein Kapitalertragsteuererstattungsanspruch nach den Vorschriften des DBA-Schweiz zu. Die dennoch erstatteten Steuern seien daher zurückzuzahlen.
Die Klägerin behauptet demgegenüber, die O-Ltd. habe die Papiere "irgendwann im November 1972" von einer AG mit Sitz in Zürich erworben, die nie zur Gruppe der X-AG gehört oder dieser Bankengruppe nahegestanden habe. Die Angabe des Namens dieser AG sei ihr nicht möglich, da dies gegen Art.273 des Strafgesetzbuches der Schweiz verstoße, wonach die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen an ausländische Stellen mit Gefängnis oder Zuchthaus bestraft werde. Was die O-Ltd. betreffe, so unterstehe diese den nicht minder strikten Geheimhaltungsvorschriften nach dem Recht der Bahamas. Zum Beweis der Richtigkeit ihrer Behauptung hat die Klägerin ein Schreiben der R-Gesellschaft in Zürich vom 3.November 1977 vorgelegt, wonach "in einem vom 10.Oktober 1977 datierten, an die O-Ltd. in Nassau gerichteten Brief, der uns im Original vorliegt, ... eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich" bestätige, die in Rede stehenden Wertpapiere Ende November 1972 der O-Ltd. verkauft zu haben.
In dem von der Oberfinanzdirektion (OFD) ..... geführten Ermittlungsverfahren gegen die Y-Bank und andere wegen des Verdachts des Verkaufs von Wertpapieren an Gebietsfremde ohne Genehmigung nach § 23 AWG, § 52 AWV wurde hinsichtlich des Verbleibs der bei den Tafelgeschäften Nr.16, 17, 18 und 19/1972 verkauften Wertpapiere folgendes festgestellt:
a) Tafelgeschäfte Nr.16, 17, 18/1972
Am 13.Dezember 1972 wurden die von der Y-Bank am 15., 16. und 17.November 1972 im Wege des Tafelgeschäfts verkauften Wertpapiere von Boten der Y-Bank bei der A-Bank eingeliefert. Auf Weisung der O-Ltd. wurden die Papiere dort in das Depot der B-Bank eingebucht. Nach einem Bericht der T-AG in Zürich vom 21.Mai 1973 über Wertschriftentransaktionen der O-Ltd. waren die Wertpapiere am 31.März 1973 und am 30.April 1973 im Eigenbestand der O-Ltd. und an die B-Bank für eine bei dieser durchgeführte Refinanzierung verpfändet. Nach den "Bemerkungen zur Bilanz 30.September 1973" der O-Ltd. waren die Papiere auch am 30.September 1973 in deren Bestand und verpfändet. Am 15. und 16.November 1973 erteilte die B-Bank der A-Bank den Auftrag, die Wertpapiere an die W-Bank zugunsten der Klägerin zu übertragen. Die Wertpapiere wurden in mehreren Lieferungen in der Zeit vom 16. bis 28.November 1973 an die W-Bank geliefert und dort in das Depot der Klägerin gebucht. Sie wurden der W-Bank von der Klägerin zur Sicherung eines Avalkredits verpfändet.
Bereits mit Fernschreiben vom 13.November 1973 hatte die Klägerin im Auftrag der X-AG der W-Bank mitgeteilt, daß die B-Bank der W-Bank die Lieferung der Wertpapiere, "die sich bereits seit längerem in unserem Besitz befinden", avisieren und die Einlieferung der Stücke über die A-Bank zugunsten des Depots der Klägerin bei der W-Bank erfolgen werde. Die Verpflichtung der Y-Bank, die Wertpapiere am 16. bzw. 19.November 1973 zum Kurs von 100 v.H. zurückzunehmen, wurde durch Vereinbarung der Y-Bank "mit Tafelgeschäftskunden Nr.16, 17 und 18/1972" verlängert. Die hierüber gefertigte Vorlage der Börsenabteilung der Y-Bank an das zuständige Vorstandsmitglied trägt das Datum vom 20.November 1973.
b) Tafelgeschäft Nr.19/1972
Nach dem bereits erwähnten Bericht der T-AG Zürich befanden sich die Papiere am 31.März 1973 und am 30.April 1973 im Bestand der O-Ltd. Dies war nach den "Bemerkungen zur Bilanz 30.September 1973" auch am 30.September 1973 noch der Fall. Am 31.Dezember 1973 befanden sich die Papiere im Depot der Klägerin bei der W-Bank.
In einer von der OFD ... angeforderten gutachtlichen Stellungnahme der Landeszentralbank in ..... vom 12.Mai 1976 vertrat diese die Meinung, die O-Ltd. sei "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" Vertragspartner der Y-Bank bei den Tafelgeschäften Nr.16, 17 und 18/1972, "mit großer Wahrscheinlichkeit" auch bei dem Tafelgeschäft Nr.19/1972 gewesen.
Das Finanzgericht (FG) sah die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin beantragte, den Rückforderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, als begründet an.
Mit der Revision rügt das BfF die unrichtige Anwendung des § 5 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und § 41 der Abgabenordnung (AO 1977).
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Ferner beantragt es, das Verfahren mit dem unter Az. I R 53/83 anhängigen Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat der Klage zu Recht stattgegeben und den Rückforderungsbescheid aufgehoben. Das BfF konnte den erstatteten Betrag nur zurückfordern, indem es den Erstattungsbescheid aufhob. Der Senat folgt damit der Ansicht, nach der erst die Änderung des einer Erstattung zugrunde liegenden Bescheids zum Entstehen des Erstattungsanspruchs führt (wie hier: Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 37 AO 1977 Tz.49; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., § 37 AO 1977 Anm.6, und FG Köln, Beschluß vom 16.März 1981 VII 384/80 A (L), Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1982, 101; a.A. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11.Aufl., § 37 AO 1977 Tz.14; dahingestellt blieb die Frage in dem Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21.Mai 1985 VII R 191/82, BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488). Der Rückforderungsbescheid ist als Aufhebung des Freistellungsbescheides zu verstehen, der die Grundlage für die Erstattung der Kapitalertragsteuer bildete (vgl. BFH-Urteil vom 20.Juni 1984 I R 283/81, BFHE 142, 35, BStBl II 1984, 828).
Der Aufhebungsbescheid erging zu Unrecht; der Klägerin stand die Freistellung von der Kapitalertragsteuer nach dem DBA-Schweiz zu. Dies ergibt sich aus Art.11 Abs.1 DBA-Schweiz. Danach können Zinsen, die aus der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) stammen und an eine in der Schweiz ansässige Person gezahlt werden, nur in der Schweiz besteuert werden. Die strittigen Einnahmen der Klägerin sind als Zinsen anzusehen (vgl. Art.11 Abs.2 DBA-Schweiz, wonach zu den Zinsen Einnahmen aus Schuldverschreibungen gehören). Die Zinsen stammen aus der Bundesrepublik. Dies ergibt sich aus § 49 Abs.1 Nr.5 Buchst.b des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1974, wonach zu den inländischen Einkünften i.S. des § 20 Abs.1 Nr.4 EStG 1974 Zinsen aus Kapitalforderungen jeder Art rechnen, wenn das Kapitalvermögen in Anleihen und Forderungen besteht, über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind, und der Schuldner seine Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat. § 49 Abs.1 Nr.5 EStG 1974 kann gemäß Art.3 Abs.2 DBA-Schweiz herangezogen werden. Danach hat bei Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder nicht anders definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt, wenn sie Gegenstand des Abkommens sind. Der Ausdruck "stammen" ist im DBA-Schweiz nicht definiert. Für die Auslegung nach dem damit maßgebenden deutschen Steuerrecht (dem Steuerrecht des Anwenderstaates) liegt es nahe, auf die Vorschriften abzustellen, die den Umfang der inländischen Einkünfte bestimmen (vgl. auch BFH-Urteil vom 2.Mai 1969 I R 176/66, BFHE 96, 163, BStBl II 1969, 579). Durch sie soll ein bestimmter Kreis von Einkünften, die bestimmte Inlandsbezüge aufweisen, der deutschen Besteuerung unterworfen werden.
Die Klägerin ist --wie zwischen den Beteiligten nicht strittig-- in der Schweiz ansässig (Art.4 Abs.1 DBA-Schweiz). Ihr sind die Einkünfte aus den Zinsen zuzurechnen (Art.4 Abs.11 DBA-Schweiz). Dies ergibt sich aus dem Steuerrecht der Bundesrepublik. Das Steuerrecht der Bundesrepublik ist anwendbar, weil der Begriff der Zurechnung im DBA-Schweiz nicht definiert ist und damit gemäß Art.3 Abs.2 DBA-Schweiz die Bedeutung maßgebend ist, die dem Begriff nach dem Steuerrecht des Staates zukommt, der das Abkommen jeweils anwendet. Nach dem Steuerrecht der Bundesrepublik sind die fraglichen Einnahmen der Klägerin zuzurechnen. Einnahmen der in § 20 EStG bezeichneten Art sind grundsätzlich demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen erfüllt (BFH-Urteil vom 12.Oktober 1982 VIII R 72/79, BFHE 137, 157, BStBl II 1983, 128, und BFH-Beschluß vom 29.November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272) bzw. der Kapital zur Nutzung überläßt (BFH-Urteil vom 23.April 1980 VIII R 156/75, BFHE 131, 41, BStBl II 1980, 643). Als Bezieher von Einkünften gilt auch der Nachfolger in dem Rechtsverhältnis, das der Überlassung des Kapitals zur Nutzung zugrunde liegt, soweit ihm die Einnahmen aus Kapitalvermögen zivilrechtlich gebühren (BFH-Urteil vom 9.März 1982 VIII R 160/81, BFHE 136, 72, BStBl II 1982, 540, und Beschluß in BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272). Maßgebend ist hierfür, daß er in die Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers eintritt und damit auch in die Pflicht, Kapital zur Nutzung zu belassen (Beschluß in BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272). Als Bezieherin der Zinsen ist die Klägerin auch für den Fall anzusehen, daß sie an den Wertpapieren kein Eigentum erlangt hat, weil die O-Ltd. nicht Eigentümerin der Papiere war und die Klägerin beim Erwerb der Papiere bösgläubig war (§ 932 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--; die Bestimmung findet Anwendung, weil sich das Recht am Papier nach dem Recht des Lagerortes richtet --vgl. auch Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Vorbemerkung vor Art.13 EGBGB Ziff.3-- und die Wertpapiere in der Bundesrepublik lagerten).
TEXTDie Nachfolge in dem Rechtsverhältnis, das der Überlassung des Kapitals zugrunde liegt, setzt zwar grundsätzlich voraus, daß der als Bezieher der Einkünfte in Betracht Kommende durch eine Kette wirksamer Übertragungen mit dem ursprünglichen Überlasser des Kapitals verbunden ist und ihm die Einnahmen außerdem zivilrechtlich gebühren. Wird, wie im Streitfall, über die Rückzahlung des Kapitals eine Schuldverschreibung auf den Inhaber ausgestellt, ist demnach grundsätzlich Voraussetzung, daß der als Bezieher der Einnahmen in Betracht Kommende der Eigentümer der Urkunde ist. Träger des in der Urkunde verbrieften Rechts ist der Eigentümer der Urkunde (Palandt, a.a.O., § 793 Anm.5 a). Dies gilt grundsätzlich auch für das Steuerrecht (vgl. jetzt § 39 Abs.1 AO 1977). Ein Wirtschaftsgut ist einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer für das Steuerrecht zuzurechnen, soweit er als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist. Maßgebend für die Frage, ob die Klägerin wirtschaftliche Eigentümerin der Wertpapiere geworden ist, ist im Streitfall die Rechtslage vor Inkrafttreten der AO 1977. Danach war wirtschaftlicher Eigentümer, wer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut dergestalt ausübt, daß er den wirklichen Eigentümer "für Dauer" von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann, so daß ein Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung hat (vgl. zuletzt u.a. BFH-Urteil vom 5.Mai 1983 IV R 43/80, BFHE 139, 36, BStBl II 1983, 631). Danach sind der Klägerin im Streitjahr die Wertpapiere zuzurechnen, in denen die Forderung verbrieft ist, auf die die Zinsen bezahlt wurden. Die Wertpapiere befanden sich seit Ende November 1973 bei der W-Bank und wurden dort in dem Depot der Klägerin gebucht und von der Klägerin an die W-Bank verpfändet. Sie konnte damit in einer den rechtlichen Eigentümer ausschließenden Weise verfügen. Hätte sie erreicht, daß die W-Bank auf ihre Rechte aus der vorgenommenen Verpfändung verzichtet (sei es aufgrund der Rückzahlung des zugrunde liegenden Kredits oder durch Stellung einer anderen Sicherheit), hätte die Klägerin von der W-Bank die Herausgabe der Wertpapiere verlangen können. Dabei kann offenbleiben, ob die Klägerin, sobald sie in den unmittelbaren Besitz an den Wertpapieren gekommen wäre, die in den Wertpapieren verbriefte Forderung hätte geltend machen können. Dem hätte entgegenstehen können, daß der Aussteller, nämlich die Y-Bank, der Klägerin hätte nachweisen können, daß sie zur Verfügung über die Urkunde nicht berechtigt ist (vgl. § 793 Abs.1 Satz 1 BGB). Nach dem Sachverhalt ist jedoch davon auszugehen, daß zwischen der Klägerin und der Y-Bank Einigkeit darüber bestand, daß die Unwirksamkeit des Eigentumserwerbs durch die Klägerin bei der Abwicklung außer Betracht bleibt und die Klägerin und die Y-Bank ein wirtschaftliches Ergebnis, das im Falle eines wirksamen Eigentumserwerbs eingetreten wäre, eintreten ließen bzw. bestehen ließen (§ 5 Abs.3 StAnpG). Anderenfalls wäre nicht zu verstehen, daß die Y-Bank auf die Wertpapiere Zinsen zahlte, die sich in einem für die Klägerin geführten Depot bei der W-Bank befanden. § 5 Abs.3 StAnpG ist im Streitfall anwendbar, obwohl die Vorschrift ausdrücklich nur wegen eines Formmangels oder wegen eines Mangels der Geschäftsfähigkeit oder der Rechtsfähigkeit nichtige Rechtsgeschäfte anspricht. § 5 Abs.3 StAnpG gilt für alle Fälle bürgerlich-rechtlicher Nichtigkeit (BFH-Urteil vom 14.Mai 1969 VI R 174/68, BFHE 95, 537, BStBl II 1969, 501). Die Klägerin hätte die Wertpapiere auch in der Weise verwerten können, daß sie sie einem gutgläubigen Dritten übereignete, der damit wirksam Eigentum erlangt hätte (§ 929 BGB). Sie hätte auch die noch im unmittelbaren Besitz der W-Bank befindlichen Wertpapiere an einen Dritten übereignen können und dabei die Übergabe durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen die W-Bank ersetzen können; der Dritte hätte gutgläubig Eigentum erwerben können (§ 934 BGB).
Der Klägerin standen damit tatsächliche Befugnisse zu, wie sie nur dem Eigentümer zustehen. Dem steht nicht entgegen, daß im Falle der Verfügung eines Nichtberechtigten dieser gemäß § 816 Abs.1 BGB verpflichtet ist, den erzielten Erlös an den Berechtigten herauszugeben, ohne daß er dabei den von ihm gezahlten Kaufpreis abziehen kann (Palandt, a.a.O., § 816 Anm.5 c). Auf diese mögliche Rechtsfolge kann im Streitfall schon deswegen nicht abgestellt werden, da davon auszugehen ist, daß die Klägerin und die Y-Bank diese Rechtsfolge nicht beachteten, sondern das wirtschaftliche Ergebnis eintreten lassen wollten, das eingetreten wäre, wenn die Klägerin zivilrechtlich Eigentümerin der Wertpapiere geworden wäre (§ 5 Abs.3 StAnpG).
Neben der Nachfolge in das der Kapitalüberlassung zugrunde liegende Rechtsverhältnis verlangt die Rechtsprechung auch, daß die Einkünfte dem als Bezieher in Betracht Kommenden zivilrechtlich gebühren. Diese Voraussetzung liegt hinsichtlich der strittigen Zinsen selbst dann vor, wenn die Klägerin nicht Eigentümerin der Wertpapiere geworden sein sollte. Soweit die Rechtsprechung darauf abstellt, wem die Einkünfte gebühren, betrafen die Entscheidungen die Abgrenzung zwischen dem das Kapital Überlassenden und seinem Rechtsnachfolger. Die Rechtsprechung behandelte dabei jeweils Fälle, in denen die Wirksamkeit der Akte, durch die das Rechtsverhältnis überging, nicht im Streit war und die Einkünfte, die nach der Übertragung zuflossen, zumindest auch Zeiträume betrafen, die vor der Übertragung lagen. Liegen, wie im Streitfall, unter Umständen unwirksame Übertragungsakte vor, wird jedoch für die Besteuerung von der Wirksamkeit ausgegangen, kann der Zurechnung der strittigen Einkünfte bei der Klägerin nicht mit dem Argument entgegengetreten werden, daß ihr die Zinsen nach dem Zivilrecht nicht gebührten. Auf das zivilrechtliche "Gebühren" wird nur im Rahmen der Abgrenzung zwischen dem Überlasser des Kapitals und seinen Rechtsnachfolgern abgestellt. Wird für die Besteuerung unterstellt, daß die Übertragungsakte zivilrechtlich wirksam sind, kann das Merkmal des "zivilrechtlichen Gebührens" nur eine Rolle spielen, soweit die Zuordnung der für einen bestimmten Zeitraum bezogenen Einkünfte strittig ist. Dies trifft im Streitfall nicht zu. Geht man davon aus, daß die Klägerin Ende November 1973 das Eigentum an den Wertpapieren erworben hat, sind ihr zivilrechtlich die Zinsen zuzurechnen, und zwar selbst dann, wenn sie für einen Zeitraum gezahlt sein sollten, der vor dem Erwerb liegt. Dabei kann der Senat offenlassen, welches Recht auf das Rechtsverhältnis zwischen der O-Ltd. und der Klägerin anzuwenden ist.
Entscheidend ist für die steuerliche Beurteilung, daß die Klägerin, die O-Ltd. und die Y-Bank davon ausgingen, daß der Klägerin die Zinsen in vollem Umfange gebühren sollten.
Fundstellen
Haufe-Index 61504 |
BStBl II 1988, 521 |
BFHE 149, 440 |
BFHE 1987, 440 |
BB 1987, 1238 |
BB 1987, 1238-1238 (ST) |
DB 1987, 1335-1337 (ST) |
HFR 1987, 506-507 (ST) |