Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Als Werbungskosten berücksichtigungsfähige Mehraufwendungen für Wohnung und Verpflegung liegen regelmäßig nicht vor, wenn ein unverheirateter Arbeitnehmer seine bisherige Wohnung aufgibt und sich nacheinander an mehreren Orten vorübergehend zum Zweck seiner beruflichen Fortbildung aufhält.
Normenkette
EStG §§ 9, 12 Nr. 1
Tatbestand
Der unverheiratete Bg., der Assistenzarzt eines Krankenhauses in H. ist, erhielt vom 1. Mai bis 31. Oktober 1957 unbezahlten Urlaub, von dem er den ersten Monat als unbezahlter Gastarzt des Strahleninstituts der Allgemeinen Ortskrankenkasse in K. verbrachte. Anschließend war er vom 3. Juni bis 26. Oktober 1957 als Volontärassistent ohne Gehalt im Röntgeninstitut in Z. tätig. Während dieses Urlaubs behielt er seine Wohnung in dem Krankenhaus in H. nicht bei. Im Lohnsteuerjahresausgleich für 1957 machte er als Werbungskosten geltend die Kosten für die Eisenbahnfahrten H. - K. - Z. - H., die Fahrtkosten in K. und Z. von den Wohnungen zu der jeweiligen Arbeitsstätte, den Mehraufwand für Wohnung und Verpflegung in K. und Z. und schließlich Vermittlungs- und Aufenthaltsgebühren sowie die Kosten für das Waschen der Schutzkleidung in Z. Das Finanzamt erkannte diese Aufwendungen bis auf den Mehraufwand für Wohnung und Verpflegung als Werbungskosten an, lehnte jedoch eine Lohnsteuerermäßigung ab, weil die Kosten von insgesamt 553 DM unter dem in der Lohnsteuertabelle berücksichtigten jährlichen Werbungskostenpauschbetrag von 562 DM blieben. Die mit zusammen 5.007 DM angegebenen Mehraufwendungen für Wohnung und Verpflegung in K. und Z. erkannte das Finanzamt nicht als Werbungskosten an. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht ging davon aus, daß die Kosten für die übliche Weiterbildung eines Arbeitnehmers Werbungskosten seien. Dazu gehörten bei dem Bg. auch die Mehrkosten für seine Lebensführung in K. und Z. Der von ihm geltend gemachte Betrag für Wohnung und Verpflegung während seines Aufenthalts in den beiden Städten sei glaubhaft. Berücksichtigungsfähiger Mehraufwand sei jedoch nicht der ganze Betrag, den der Bg. über die in H. für Wohnung und Verpflegung an seinen dortigen Arbeitgeber gezahlten 97 DM monatlich hinaus aufgewendet habe. Die Unterkunft und Verpflegung in H. seien offenbar sehr einfach gewesen und könnten nicht zum Vergleich herangezogen werden. Als angemessener Vergleichsbetrag seien 360 DM anzusehen. Danach ergebe sich für den Aufenthalt in K. ein berücksichtigungsfähiger Mehraufwand von 100 DM und für Z. ein solcher von 3.329 DM. Zusammen mit den vom Finanzamt als Werbungskosten anerkannten 553 DM seien daher nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrags von 562 DM beim Lohnsteuerjahresausgleich noch 3.420 DM als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rb. unrichtige Auslegung des § 9 EStG. Die Aufwendungen für Wohnung und Verpflegung gehörten zu den nach § 12 Ziff. 1 EStG nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung. Nur bei Dienstreisen oder doppelter Haushaltsführung könnten sie ausnahmsweise steuerlich berücksichtigt werden. Keiner dieser beiden Fälle liege vor. Ob dem Bg. überhaupt Mehraufwendungen entstanden seien, könne nicht festgestellt werden. Keinesfalls aber dürfe der Mehraufwand bei einem ledigen Steuerpflichtigen - wie es das Finanzgericht offenbar getan habe - nach Abschn. 21 Abs. 4 LStR mit einem Tagessatz von 12 DM angenommen werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Aufwendungen der Steuerpflichtigen für eine berufliche Fortbildung gehören zu den Werbungskosten. Daß die Beschäftigung des Bg. in K. und Z. der Fortbildung in seinem Beruf diente, ist von den Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum bejaht worden. Daraus folgt aber noch nicht die Abzugsfähigkeit der streitigen Beträge. Die als Werbungskosten anzuerkennenden Fortbildungskosten bestehen im allgemeinen aus den Kosten für Lehrgänge, Fahrtkosten, Fachliteratur und Aufwendungen für die Beschaffung von Arbeitsmaterial. Aber auch Kosten für Wohnung und Verpflegung können dazu gehören. Voraussetzung ist indessen immer, daß es sich um Mehraufwendungen handelt, die ausschließlich oder doch ganz überwiegend durch die berufliche Fortbildung verursacht werden.
Der unverheiratete Bg. hat während seiner Tätigkeit in K. und Z. keine Wohnung in H. gehabt. Steuerpflichtige, die zur beruflichen Fortbildung für einige Zeit ihren Wohnort wechseln, können zwar unter Umständen dadurch Mehraufwendungen für Wohnung und Verpflegung haben (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 229/57 U vom 28. August 1958, BStBl 1959 III S. 44, Slg. Bd. 68 S. 113), die steuerlich Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind. Voraussetzung ist aber, daß den Steuerpflichtigen aus ausschließlich oder überwiegend beruflichen Gründen durch das Leben außerhalb ihres üblichen Lebenskreises zusätzliche Kosten entstehen. Hieran fehlt es bei dem Bg. Er hat während seiner informatorischen Beschäftigung in K. und Z. nur dort - wenn auch nur vorübergehend - einen Wohnsitz gehabt. Daß er sein Arbeitsverhältnis in H. nicht gelöst hat, sondern lediglich beurlaubt war und möglicherweise die Absicht hatte, nach Beendigung seiner informatorischen Tätigkeit nach H. zurückzukehren, ist ohne Bedeutung. Wesentlich ist allein, daß er in H. während dieser Zeit keine Wohnung hatte und der Mittelpunkt seines Lebens ausschließlich in K. und anschließend in Z. lag. Es sind ihm also während der Dauer seiner informatorischen Beschäftigung in K. und Z. nur Aufwendungen für die Unterkunft in diesen beiden Orten entstanden. Daß die Kosten für eine Unterkunft in diesen Städten höher waren als in H., mag zutreffen. Verschieden hohe Wohnungsmieten sind aber nichts Besonderes. Je nach dem Wohnort, den persönlichen Ansprüchen an den Wohnraum und anderen Umständen wohnen die Steuerpflichtigen billiger oder teurer. Es ist nicht möglich, verschieden hohe Mieten im einzelnen darauf zu untersuchen, ob ein Steuerpflichtiger zur Zahlung einer hohen Miete gezwungen war oder nicht. Diese Frage gehört in das Gebiet der privaten Lebensführung, das § 12 Ziff. 1 EStG von einer steuerlichen Berücksichtigung ausschließt. Unter diesen Umständen liegt ein steuerlich berücksichtigungsfähiger Mehraufwand nicht vor (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs VI 32/60 U vom 17. Februar 1961, BStBl 1961 III. S. 169, Slg. Bd. 72 S. 461; VI 143/60 U vom 11. August 1961, BStBl 1961 III S. 509).
ähnlich ist die Rechtslage bei den Verpflegungsaufwendungen, die ebenfalls zu den typischen Kosten der privaten Lebenshaltung gehören. Nur ein ausschließlich oder doch wenigstens überwiegend beruflich veranlaßter Mehraufwand kann ausnahmsweise Werbungskosten oder Betriebsausgabe sein (Urteil des Bundesfinanzhofs I 205/60 S vom 11. April 1961, BStBl 1961 III S. 461). Diese Möglichkeit besteht bei beruflich veranlaßter doppelter Haushaltsführung, bei Dienstreisen und schließlich auch bei ungewöhnlich langer, aus ausschließlich beruflichen Gründen notwendiger Abwesenheit von der Wohnung (z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 119/53 U vom 17. September 1953, BStBl 1953 III S. 322, Slg. Bd. 58 S. 81). Die Kosten der Ernährung am Wohnort eines Steuerpflichtigen sind aber grundsätzlich nichtabzugsfähige Kosten der privaten Lebensführung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 32/60 U, a. a. O.). Die Aufwendungen des Bg. während seines Aufenthalts in K. und Z. mögen ebenso wie die für seine Wohnung höher gewesen sein als vorher in H. Daß er in H. in dem Krankenhaus, in dem er beschäftigt war, verpflegt wurde und er in K. und Z. offenbar in Gaststätten gegessen hat, ist kein Grund, einen steuerlich berücksichtigungsfähigen Verpflegungsmehraufwand anzuerkennen. Ein unverheirateter Steuerpflichtiger ist im allgemeinen immer auf Gaststätten angewiesen. Die Möglichkeit, an einer Kantinen- oder anderen verbilligten Gemeinschaftsverpflegung teilzunehmen, ist regelmäßig ein günstiger Umstand. Durch das Fehlen einer solchen preisgünstigen Verpflegungsmöglichkeit werden die Kosten für das Essen im Gasthaus nicht zum Teil steuerlich berücksichtigungsfähiger Mehraufwand. Bei dem Bg. können daher etwaige Mehraufwendungen für die Verpflegung in K. und Z. nicht als Werbungskosten anerkannt werden.
Die Vorentscheidung, die Mehraufwendungen für Wohnung und Verpflegung als Werbungskosten berücksichtigt hat, muß daher wegen Rechtsirrtums aufgehoben werden. Die Sache ist entscheidungsreif. Da die Einspruchsentscheidung - im Gegensatz zu dem Urteil des Finanzgerichts - rechtlich nicht zu beanstanden ist, muß die Berufung nach Aufhebung der Vorentscheidung als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410356 |
BStBl III 1962, 164 |
BFHE 1962, 437 |
BFHE 74, 437 |