Leitsatz (amtlich)
Durch ein Risikogeschäft zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter, das zum Nachteil des Gesellschafters und zum Vorteil der Gesellschaft ausschlägt, kann eine verdeckte Einlage begründet werden, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auf das Geschäft nicht eingegangen wäre.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, traf mit ihrer Gesellschafterin K. am 15. Dezember 1957 eine Vereinbarung, nach der die Gesellschafterin K. der Steuerpflichtigen nominell 330 000 DM Stamm- und Vorzugsaktien der D-AG mit Dividendenberechtigung ab 1. Januar 1957 auf die Dauer von vier Jahren überließ. Die Steuerpflichtige erhielt das freie Verfügungsrecht über die Aktien und war vertraglich nicht verpflichtet, Dividenden weiterzuleiten oder Zinsen zu zahlen. Sie hatte an die Gesellschafterin K. bis zum 15. Dezember 1961 nominell 330 000 DM Aktien der D-AG der gleichen Art mit Dividendenberechtigung ab 1. Januar 1961 zu liefern, konnte aber einseitig die Leistung um weitere vier Jahre, d. h. bis zum 15. Dezember 1965 hinausschieben.
Die Steuerpflichtige verkaufte die Aktien, die ihr die Gesellschafterin K. nach dieser Vereinbarung überlassen hatte, im Jahr 1957 und erzielte einen Erlös von 693 638 DM. Mit Datum vom 18. März 1960 kam zwischen der Steuerpflichtigen und der Gesellschafterin K. eine weitere Vereinbarung zustande, in der sich die Gesellschafterin K. damit einverstanden erklärte, daß zum Ausgleich ihrer Rechte aus der Vereinbarung vom 15. Dezember 1957 nominell 330 000 DM Aktien der St-AG mit Dividendenanspruch für das Jahr 1959 zur Verfügung gestellt werden. Damit waren nach dem Wortlaut des Vertrags vom 18. März 1960 alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Vertrag vom 15. Dezember 1957 abgegolten.
Die Steuerpflichtige behandelte den Vorgang in ihren Bilanzen für die Streitjahre 1959 und 1960 zunächst in folgender Weise: Sie wies in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1959, die sie im Mai 1960 aufstellte, auf der Passivseite die Verpflichtung gegenüber der Gesellschafterin K. in Höhe des Veräußerungserlöses von 693 638 DM aus und bildete zusätzlich eine "Rückstellung für Wertausgleich aus Wertpapierleihe" in Höhe von 528 000 DM. Dieser Betrag stellt den Mehraufwand der Steuerpflichtigen für die Anschaffung der nach dem Vertrag vom 18. März 1960 zu liefernden Aktien der St-AG dar. Da im Streitjahr 1960 ein etwas geringerer Betrag als vorgesehen für die Anschaffung der Aktien der St-AG aufgewendet werden mußte, ergab sich im Streitjahr 1960 nach der Abwicklung des Wertpapiergeschäfts mit der Gesellschafterin K. eine Gewinnerhöhung von 2 443 DM.
Nach einer Betriebsprüfung begehrte die Steuerpflichtige eine andere Behandlung des Wertpapiergeschäfts in ihren Bilanzen. Sie wollte nunmehr in der Bilanz zum 31. Dezember 1959 eine "Rückstellung für Wertausgleich aus Wertpapierleihe" in Höhe von (abgerundet) 1 233 000 DM (statt bisher 528 000 DM) ansetzen. Zur Begründung führte sie aus, am 31. Dezember 1959 sei noch der Vertrag vom 15. Dezember 1957 gültig gewesen. Nach diesem Vertrag sei sie noch zur Rückgabe von Aktien der D-AG verpflichtet gewesen. Aus dem Kurswert dieser Aktien zum 31. Dezember 1959 ergebe sich die erhöhte Rückstellung von 1 233 000 DM. Im Streitjahr 1960 sollte dann nach Abwicklung des Wertpapiergeschäfts mit der Gesellschafterin K. der Vorteil der Steuerpflichtigen aus der Übertragung von Aktien der St-AG statt Aktien der D-AG, der nach der Berechnung der Steuerpflichtigen 452 980 DM beträgt, als gesellschaftsrechtliche Einlage bei der Steuerpflichtigen körperschaftsteuerfrei bleiben. Denn die Gesellschafterin K. habe durch den Verzicht auf die Lieferung der wertvolleren Aktien der D-AG der Steuerpflichtigen eine Zuwendung gemacht, die ihren Grund in der gesellschaftsrechtlichen Bindung der Frau K. gehabt habe.
Der Revisionsbeklagte (das FA) gab den Anträgen der Steuerpflichtigen bei der Veranlagung für die Streitjahre nicht statt. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Andererseits zog das FA die Steuerpflichtige durch nicht bestandskräftigen Gesellschaftsteuerbescheid vom 4. August 1964 zur Gesellschaftsteuer heran, weil die Gesellschafterin K. im Jahr 1960 freiwillig auf das ihr zustehende Recht auf Rückforderung von Aktien der D-AG verzichtet und Aktien geringeren Werts als Entschädigung angenommen habe. Damit habe die Gesellschafterin K. im Betrag von 452 980 DM auf eine ihr zustehende Forderung gegen die Steuerpflichtige verzichtet (§ 2 Abs. 4b KVStG).
Das FG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Vertrag vom 18. März 1960 habe nicht das Erlöschen des bestehenden Schuldverhältnisses, sondern seine Umwandlung zum Gegenstand gehabt. Das sei nicht gleichbedeutend mit einem Erlaß oder Verzicht. Die Entwicklung der Kurswerte der Wertpapiere sei im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 18. März 1960 vorausschauend auf den 15. Dezember 1965 - den Tag der Rückgabepflicht bei der nach dem Vertrag vom 15. Dezember 1957 möglichen einseitigen Verlängerung des Darlehnsvertrags - nicht absehbar gewesen. Die Risiken der beiden Vertragsteile seien daher bei Abschluß des Vertrags vom 18. März 1960 gleichmäßig verteilt gewesen. Daher sei mit dem Vertrag vom 18. März 1960 keine Zuwendung der Gesellschafterin K. an die Steuerpflichtige verbunden gewesen. Schon aus diesem Grund sei die Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Einlage nicht gerechtfertigt. Der auf einer anderen Ansicht beruhende Gesellschaftsteuerbescheid erzeuge keine Bindungswirkung für die Körperschaftsteuer.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Steuerpflichtigen, mit der gerügt wird, das angefochtene Urteil enthalte
1. einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten,
2. einen Verstoß gegen zwingende Bewertungsvorschriften des Handels- und Steuerrechts,
3. einen Verstoß gegen Gewinnermittlungsvorschriften des Steuerrechts,
4. einen Verstoß gegen Bindungen, die die Behörde durch Erteilung eines Steuerbescheids nach abschließender Würdigung des Sachverhalts eingegangen sei.
Zu 1.: Den Verstoß gegen den Inhalt der Akten erblickt die Steuerpflichtige darin, daß das FG ausgeführt habe, die Steuerpflichtige halte die Berücksichtigung des Vertrags vom 18. März 1960 im Streitjahr 1959 für rechtlich zulässig. Die gegenteilige Meinung der Steuerpflichtigen gehe bereits aus dem Betriebsprüfungsbericht hervor und sei auch noch zuletzt in dem Hilfsantrag vor dem FG zu erkennen.
Zu 2.: Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sei die Verpflichtung der Steuerpflichtigen aus dem Darlehnsvertrag mit der Gesellschafterin K. mit ihrem Teilwert zum 31. Dezember 1959 in der Bilanz 1959 anzusetzen. Dabei dürfe der Vertrag vom 18. März 1960 noch nicht berücksichtigt werden, da er erst mit diesem Tag wirksam geworden sei.
Zu 3.: Bei der Betrachtung des FG bleibe unberücksichtigt, daß die Börsenlage am 18. März 1960 allgemein günstig gewesen sei, nicht nur für Aktien der St-AG, und daß Aktien der D-AG am 18. März 1960 mit 585 % bzw. 497 % notiert hätten, gegenüber 430 % für die Aktien der St-AG. Danach könne für die Annahme eines ausgeglichenen Vertrags zwischen der Steuerpflichtigen und der Gesellschafterin K. kein Raum sein.
Zu 4.: Der für die Körperschaftsteuer und für die Gesellschaftsteuer einheitlich zu beurteilende Tatbestand sei durch den Gesellschaftsteuerbescheid in einer bestimmten Weise gewürdigt worden. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei es nicht angängig, daß eine andere Stelle desselben FA nun entgegengesetzte Schlußfolgerungen ziehe.
Die Steuerpflichtige beantragt,
1. das zu versteuernde Einkommen im Streitjahr 1959 dadurch um 705 000 DM niedriger anzusetzen, daß die Rückstellung für Wertausgleich aus Wertpapierleihe von 528 000 DM auf 1 233 000 DM erhöht werde,
2. die so erhöhte Rückstellung im Streitjahr 1960 in der Weise aufzulösen, daß aus der sich ergebenden Gewinnerhöhung im Streitjahr 1960 ein Teilbetrag von 452 980 DM als gesellschaftsrechtliche Einlage das steuerpflichtige Einkommen mindere.
Hilfsweise beantragt die Steuerpflichtige, das Einkommen im Streitjahr 1959 wegen einer gesellschaftsrechtlichen Einlage um 452 980 DM niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Denn die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um abschließend prüfen zu können, ob der Betrag von 452 980 DM als Einlage anzusehen und daher vom Einkommen der Steuerpflichtigen abzuziehen ist.
1. Es bedarf keiner näheren Begründung, daß durch den Vertrag vom 18. März 1960 keine gesellschaftsrechtliche, d. h. den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechende Einlage der Gesellschafterin K. begründet wurde. Die Frage kann nur sein, ob es sich um eine verdeckte Einlage handelt, die nach der Rechtsprechung ebenfalls bei der Gesellschaft nicht der Körperschaftsteuer unterliegt.
Voraussetzung einer verdeckten, bei der Kapitalgesellschaft den Gewinn nicht erhöhenden Einlage ist, daß ein Gesellschafter seiner Gesellschaft Vorteile zuwendet, die ein Nichtgesellschafter der Gesellschaft nicht einräumen würde (Urteil des BFH I 187/65 vom 29. Mai 1968, BFH 93, 62, BStBl II 1968, 722). Dabei ist - ähnlich wie bei der verdeckten Gewinnausschüttung (BFH-Urteil I 261/63 vom 16. März 1967, BFH 89, 208, BStBl III 1967, 626) - ein objektiver Maßstab anzulegen und zu prüfen, ob auch ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (vgl. § 347 HGB) den Vorteil der Gesellschaft gewährt hätte.
Zu Unrecht hat das FG einen Vermögensvorteil der Steuerpflichtigen deshalb verneint, weil die Risiken beim Abschluß des Vertrags vom 18. März 1960 gleichmäßig verteilt gewesen seien. Nach den tatsächlichen Angaben der Steuerpflichtigen, die das FA im Verfahren über den Erlaß eines Gesellschaftsteuer-Bescheids offenbar für richtig befunden hat, die das FG aber im gegenwärtigen Verfahren nachprüfen muß, führte die Rückgabe von Aktien der St-AG im Streitjahr 1960 zu einer um 452 980 DM geringeren Belastung der Steuerpflichtigen, als sie bisher durch die Verpflichtung, Aktien der D-AG zurückzugewähren, bestand. Dieser tatsächliche Vorteil kann nicht mit dem Hinweis auf eine Ausgewogenheit des Vertrags vom 18. März 1960 geleugnet werden. Er ist geeignet, eine verdeckte Einlage der Gesellschafterin K. zu bilden.
Da der Vorteil auf dem Vertrag vom 18. März 1960 beruht, ist nunmehr für den Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags zu prüfen, ob auch ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns den Vertrag vom 18. März 1960 geschlossen und damit das Risiko übernommen hätte, bei Erfüllung dieses Vertrags die Gesellschaft besser und sich selbst schlechter zu stellen, als die Vertragsteile nach dem ursprünglichen Vertrag vom 15. Dezember 1957 gestanden hätten. Zur Prüfung dieser Frage fehlen in den tatsächlichen Feststellungen des FG ausreichende Anhaltspunkte. Das FG muß hier einmal die Kurswerte der Aktien der St-AG und der Aktien der D-AG zum 18. März 1960 feststellen. Wenn die Angaben der Steuerpflichtigen richtig sind, daß der Kurswert der Aktien der St-AG nicht unerheblich unter dem Kurswert der Aktien der D-AG lag, dann ist es nicht ohne weiteres verständlich, wenn das FG von einer gleichmäßigen Verteilung der Risiken spricht. Gewiß war unsicher, wie sich die Kurse weiter entwickeln würden. Aber ein ordentlicher Kaufmann hätte nicht blind darauf vertraut, daß die Papiere mit dem niedrigeren Kurswert im Laufe der nächsten Jahre die anderen Papiere einholen würden. Der am 18. März 1960 vorhandene Unterschied zwischen den Kurswerten der Aktien der St-AG und der D-AG hätte durch andere wertbestimmende Umstände ausgeglichen sein müssen. Dafür genügt nicht der Hinweis des FG auf die sofortige Verfügbarkeit der Aktien der St-AG und auf das Dividendenbezugsrecht für das Jahr 1959. Freilich hatte die Gesellschafterin K. keine Garantie für das Bestehen eines höheren Kurswerts der Aktien der D-AG im Jahre 1965. Aber ebensogut war es möglich, daß die Aktien dieser Gesellschaft im gleichen Abstand vor den Aktien der St-AG weiter steigen oder sich jedenfalls auf der bisherigen Höhe halten würden. Außerdem bestand die Möglichkeit, daß die Gesellschaft von ihrem Rückgaberecht bereits zum 15. Dezember 1961 Gebrauch machen würde, zu einer Zeit also, bis zu der mit einer grundlegenden Verschiebung der Kurswerte der Aktien der beiden Gesellschaften kaum gerechnet werden konnte. Dabei ist zu beachten, daß auch bei einer einseitigen Verlängerung des Vertrags durch die Gesellschaft bis zum 15. Dezember 1965 diese nach dem Vertrag vom 15. Dezember 1957 nur mit der Maßgabe möglich war, "daß sie ... den Betrag Fr. K. vergütet, den sie von D. während dieser Zeit als Dividende beziehen würde, falls ihr die D-Aktien schon am 15. Dezember 1961 ... zur Verfügung gestellt worden wären". Die Dividendenberechtigung aus den Aktien der D-AG hätte daher auf jeden Fall bereits am 15. Dezember 1961 begonnen. Daher ist der Dividendenberechtigung für die Aktien der St-AG bereits für das Jahr 1959 kein allzugroßes Gewicht beizulegen. Bei der erneuten Prüfung dieses Punktes wird das FG auch untersuchen müssen, ob und in welcher Höhe die D-AG und die St-AG damals Dividenden ausgeschüttet haben und mit welchen Dividenden in den nächsten Jahren zu rechnen war. Das FG wird schließlich prüfen müssen, ob bei diesen beiden Gesellschaften andere Umstände vorlagen, die geeignet waren, abweichend von den Kurswerten den Aktien der D-AG keinen höheren Wert als denen der St-AG beizumessen.
Eine Bindung an den Gesellschaftsteuerbescheid, dem die Annahme einer verdeckten Einlage zugrunde liegt, hat das FG mit Recht abgelehnt. Denn der Gesellschaftsteuerbescheid ist noch nicht bestandskräftig und erzeugt schon deshalb keine Bindung des FA. Außerdem erstreckte sich die Bindung nicht auf die tatsächlichen Feststellungen des Steuerbescheids, sondern wäre auf den Verfügungssatz beschränkt.
2. Ohne Rücksicht auf die Frage, ob eine verdeckte Einlage vorliegt, ist auf jeden Fall der erste Antrag der Steuerpflichtigen begründet, die Körperschaftsteuer für das Streitjahr 1959 um den Betrag herabzusetzen, der sich aus der begehrten Erhöhung der "Rückstellung für Wertausgleich aus Wertpapierleihe" ergibt. Denn der Vertrag vom 18. März 1960 brachte keine Änderung der Rechtslage auf den 31. Dezember 1959 mit sich. Für die Bewertung der "Rückstellung für Wertausgleich aus Wertpapierleihe" in der Bilanz der Steuerpflichtigen zum 31. Dezember 1959 kommt es daher auf den Kurswert der Aktien der D-AG zum 31. Dezember 1959 an.
Fundstellen
Haufe-Index 68983 |
BStBl II 1970, 442 |
BFHE 1970, 254 |