Leitsatz (amtlich)
Übernimmt eine GmbH zugunsten eines Gesellschafters eine risikobehaftete Kreditbürgschaft, die sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zugunsten eines Nichtgesellschafters nicht übernommen hätte, stellen spätere Bürgschaftszahlungen verdeckte Gewinnausschüttungen dar.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob Zahlungen, die die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine GmbH - als Bürgin zur Abdeckung von Bankverbindlichkeiten eines ihrer Gesellschafter geleistet hat, als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen sind.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Grundstücksverwaltung. Das Stammkapital von 120 000 DM gehörte im Streitjahr 1968 zur Hälfte dem Geschäftsführer, dem Ing. K, und zur anderen Hälfte der T-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter ebenfalls der Ing. K war. Das Vermögen der Klägerin bestand zum Größten Teil aus Geschäftsgrundstücken, die sie der T-GmbH für ihre Betriebszwecke vermietet oder verpachtet hatte. Außerdem hatte sie Werkswohnungen an Betriebsangehörige der T-GmbH vermietet. Die Klägerin hatte sich gegenüber der Stadtsparkasse für Kredite, die diese der T-GmbH seit Anfang der fünfziger Jahre gewährte, verbürgt und als weitere Sicherheiten Grundschulden an ihrem Grundbesitz bestellt. Die Bürgschaftssumme betrug im Jahre 1961 700 000 DM; im Jahre 1963 wurde diese Summe auf 1 050 000 DM erhöht. Nachdem 1968 über das Vermögen der T-GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden war, wurde die Klägerin als Bürgin von der Stadtsparkasse in Höhe von 790 822,26 DM in Anspruch genommen. Die Klägerin behandelte diesen Betrag als betrieblichen Aufwand und erklärte in der Körperschaftsteuererklärung 1968 einen Verlust von 627 367 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) sah in der Bürgschaftszahlung eine verdeckte Gewinnausschüttung. Das zu versteuernde Einkommen wurde unter Hinzurechnung dieser Zahlung auf 163 450 DM ermittelt und die Körperschaftsteuer auf 83 359 DM festgesetzt.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das FG, dessen Entscheidung in den EFG 1974, 34, veröffentlicht ist, hat ausgeführt, Grundschuldbestellung und Bürgschaftszusage zugunsten der T-GmbH ließen sich allein aus dem Interesse und dem Einfluß der T-GmbH als Gesellschafterin der Klägerin bzw. des Mitgesellschafters K als Alleingesellschafter der T-GmbH erklären. Die Klägerin habe damit eine verdeckte Gewinnausschüttung an die T-GmbH vorgenommen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, zu deren Begründung sie vorträgt, die Vorentscheidung sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Grundbesitz nach dem Konkurs der T-GmbH zumindest zu gleichgünstigen Bedingungen an Dritte verpachtet worden sei. Die Bürgschaft der Klägerin habe der T-GmbH die Fortführung des Betriebs in einem vergrößerten Umfang ermöglichen sollen. Wenn, wie das FG ausgeführt habe, die Geschäftsführung der Klägerin bei Gestellung der Sicherheiten noch nicht mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger habe rechnen müssen, habe sie nicht gegen die Sorgfaltspflicht, die ein gewissenhafter Geschäftsführer gegenüber Nichtgesellschaftern zu beachten habe, verstoßen. Die bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt getroffene Entscheidung brauche nicht die einzig mögliche gewesen zu sein; es genüge, wenn sie auf einer vernünftigen Abwägung der Vorteile und Risiken beruht habe. Die Klägerin könne verglichen werden mit einem Gewerbetreibenden, der die wesentlichen Grundlagen eines Gewerbebetriebs langfristig verpachtet und sich für seinen Pächter verbürgt habe. Hier käme man kaum auf den Gedanken, einen privaten Vorgang anzunehmen. Es sei nicht einzusehen, weshalb das anders sein solle, wenn der Pächter ein Gesellschafter der Verpächterin sei. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß sich bei der Verpachtung eines wertvollen Grundstückskomplexes aus der Person des Pächters für den Verpächter große Risiken und reibungsmöglichkeiten ergeben könnten. Deshalb werde der Verpächter, falls er nicht mit dem Pachtobjekt in naher Zukunft andere Pläne habe, bei einem von ihm für solide gehaltenen Pächter an einer langfristigen Bindung interessiert sein. Wer sich für seinen Pächter verbürge, tue das, auch wenn er nur einen angemessenen Pachtpreis Erziele, nicht ausschließlich im Interesse des Pächters, sondern - wenn auch zum kleineren Teil - auch im eigenen Interesse.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt - Wenn auch aus anderen als den von der Klägerin vorgetragenen Gründen - zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Das FG hat zu Recht den Betrag von 790 822,26 DM, den die Klägerin an die Stadtsparkasse gezahlt hat, als verdeckte Gewinnausschüttung dem Gewinn hinzugerechnet (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG).
Die Übernahme einer Bürgschaft wirkt sich noch nicht auf den Gewinn aus, wenn die Bürgschaftsübernahme in der Bilanz nicht oder, wie es gewöhnlich der Fall ist, nur "unter dem Strich" vermerkt wird (vgl. § 151 Abs. 5 Nr. 2 AktG 1965). Droht eine Inanspruchnahme aus der gegebenen Bürgschaft, besteht die Verpflichtung zur Passivierung. Gleichzeitig ist aber der Regreßanspruch gegen den Hauptschuldner zu aktivieren. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die Aktivierung unterlassen, weil nach ihrer Auffassung eine auch nur teilweise Befriedigung wegen des Regreßanspruchs nicht möglich und die Forderung gegen den Hauptschuldner wertlos erschien. Dadurch hat sich die Bürgschaftszahlung in vollem Umfang zu Lasten des Erfolgs des Streitjahres ausgewirkt.
Das Bürgschaftsverhältnis wird durch Vertrag zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger eines Dritten begründet. Der Vertrag beinhaltet die Verpflichtung des Bürgen, für die Erfüllung des Dritten einzustehen (§ 765 Abs. 1 BGB). Die Bürgschaft kann nach § 765 Abs. 2 BGB auch für künftige Verbindlichkeiten übernommen werden. Hauptanwendungsfall dieser Vorschrift ist die sogenannte Kreditbürgschaft, d. h. die Übernahme der Bürgschaft für einen dem Schuldner vom Gläubiger zu eröffnenden oder Bereits laufenden Kredit. Das FG hat zu Recht geprüft, ob für die Klägerin hinsichtlich der Eingehung einer derartig hohen Bürgschaftsverpflichtung eine eigene betriebliche Veranlassung bestanden hat. Für Leistungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern, die auf Grund eines Vertrages bewirkt werden, gilt der Grundsatz, daß verdeckte Gewinnausschüttungen dann gegeben sind, wenn und soweit die Gesellschaft bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters den Vertrag mit einem Nichtgesellschafter nicht geschlossen hätte. Diese Voraussetzungen sind auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, nicht auf den Zeitpunkt der später liegenden Leistungen zu prüfen (Urteil des BFH vom 22. April 1971 I R 114/70, BFHE 102, 268, BStBl II 1971, 600). Diese Grundsätze sind auch auf die Übernahme einer Bürgschaft für Verpflichtungen eines Gesellschafters anzuwenden.
Mit dem FG muß es als ungewöhnlich angesehen werden, daß sich der Vermieter oder Verpächter von Grundstücken einer Bank gegenüber zugunsten seines Mieters oder Pächters in beträchtlicher Höhe und für einen langen Zeitraum verbürgt. Eine derartige Bürgschaft findet in dem Miet- oder Pachtverhältnis keine hinreichende Erklärung. Bei Miet- und Pachtverhältnissen sind, worauf das FG zu Recht hingewiesen hat, die Interessen in der Regel so gelagert, daß der Vermieter oder Verpächter vom Mieter oder Pächter Sicherheiten durch Kautionen oder Bürgenstellung verlangt, um den Eingang der künftigen Miet- und Pachtzahlungen oder die Einhaltung vom Mieter oder Pächter übernommener Reparatur- oder Wiederherstellungsverpflichtungen zu sichern. Es kann dahinstehen, ob etwas anderes gilt, wenn der Mieter oder Pächter einen Teil der vermieteten oder verpachteten Wirtschaftsgüter erst auf seine Kosten beschaffén muß, ein Fall, der bei Betriebsaufspaltungen vorkommen mag. Derartiges liegt im Streitfall nicht vor. Die Klägerin hat der T-GmbH die ihr gehörenden Grundstücke mit den aufstehenden Gebäuden und Werkshallen für Fabrikationszwecke vermietet oder verpachtet. Weitere Geschäftsbeziehungen, etwa in der Hinsicht, daß die T-GmbH Erzeugnisse der Klägerin abgenommen und vertrieben oder für die Klägerin den Einkauf der von ihr vertriebenen Erzeugnisse besorgt hätte, bestanden zwischen Verpächterin und Pächterin nicht. Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin auch kein lebendes Unternehmen an die T-GmbH verpachtet, wodurch unter Umständen ein besonderes Interesse an dem wirtschaftlichen Wohlergehen der Pächterin begründet werden könnte. Die Klägerin hat Vielmehr durch Grundschuldbestellungen zugunsten der Sparkasse und durch Übernahme einer auf viele Jahre hinaus laufenden Bürgschaft mit einer hohen Bürgschaftssumme ohne einen hinreichenden wirtschaftlichen Grund in erheblichem Umfang an dem Geschäftsrisiko der T-GmbH teilgenommen. Sie hat nichts dafür vorgetragen, daß sie den Versuch unternommen habe, von diesen Sicherstellungsverpflichtungen und dem damit verbundenen Risiko entlastet zu werden.
Der erkennende Senat folgt auch der Auffassung des FG, daß die Bürgschaft zugunsten der T-GmbH nicht allein darin eine wirtschaftliche Berechtigung finde, daß die T-GmbH eine verhältnismäßig hohe Pacht gezahlt habe. Die Klägerin war als Grundstücksverwaltungsgesellschaft nicht auf Gedeih und Verderb mit ihrer Pächterin etwa in der Weise verbunden, daß die Grundstücke an einen anderen Pächter überhaupt nicht zu verpachten gewesen wären. Das FG hat festgestellt, daß die Grundstücke nach dem Konkurs der T-GmbH alsbald an Dritte verpachtet worden sind. Diese Feststellung hat die Klägerin in ihrer Revision nicht angegriffen. Sie wendet sich lediglich dagegen, daß das FG von "mindestens gleich günstigen" Pachtbedingungen spricht. Bei der Beurteilung der Frage, ob sich wirtschaftliche Gründe für die Übernahme einer hohen Bürgschaftsverpflichtung zugunsten des Pächters finden lassen, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Pachtbedingungen mit dem späteren, der Klägerin fremd gegenüberstehenden Pächter in allen Punkten gleich günstig gelagert waren wie in dem früheren mit dem Gesellschafter geschlossenen Pachtverhältnis. Die Klägerin hat jedenfalls nicht vorgetragen, daß ihre Grundstücke nur zu einem unangemessen niedrigen Pachtzins an fremde Dritte zu verpachten gewesen wären. Ihr Hinweis in der Revision, daß der Grundbesitz eines anderen ihr nahestehenden und stillgelegten Unternehmens in 1966 nicht zu verpachten gewesen sei, trägt zur Klärung der hier anstehenden Fragen nichts bei.
Der erkennende Senat kommt somit zu dem Ergebnis, daß die Klägerin bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters eine derartig risikoreiche Bürgschaft zugunsten eines Nichtgesellschafters nicht übernommen hätte. Die Ursache für die Übernahme der Bürgschaft liegt daher im Gesellschaftsverhältnis.
2. Die Entscheidung des FG mußte aber deshalb aufgehoben werden, weil FA und FG die gewerbesteuerliche Auswirkung für 1968 infolge der Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung nicht berücksichtigt haben. Nach dem BFH-Urteil vom 3. Dezember 1969 I R 107/69 (BFHE 97, 524, BStBl II 1970, 229) müssen bei der Körperschaftsteuerveranlagung Umstände, die eine Erhöhung der Gewerbesteuer nach sich ziehen, durch Bildung oder Erhöhung einer Gewerbesteuerrückstellung gewinnmindernd berücksichtigt werden. Die Nichtbeachtung dieses Grundsatzes stellt einen Rechtsverstoß dar, der auch im Revisionsverfahren zu beachten ist. Da der erkennende Senat den Betrag, der hier als Gewerbesteuer zurückzustellen ist, mangels ausreichender Feststellungen des FG nicht selbst errechnen kann, war die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 71434 |
BStBl II 1975, 614 |
BFHE 1975, 359 |