Entscheidungsstichwort (Thema)
Umrechnung eines einheitlichen Steuermeßbetrages
Leitsatz (NV)
1. Bei Mitunternehmergemeinschaften, die ihr Gewerbe in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft ausüben, sind während der Geltungsdauer des GewStG 1974 die Mitunternehmer Steuerschuldner.
2. Das Fortbestehen der Unternehmereigenschaft nur eines Mitunternehmers schließt die Anwendung des § 2 Abs. 5 GewStG aus.
Normenkette
GewStG 1974 § 2 Abs. 1, 5, §§ 5, 11 Abs. 6, § 13 Abs. 5
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die zunächst unter der Firma A GmbH geführt und dann in B GmbH umbenannt wurde.
Die Klägerin war noch als A GmbH bis 31. März 1974 an der C KG beteiligt, die die Rechtsform einer GmbH & Co. KG hatte (künftig: GmbH & Co. KG). Die Klägerin war alleinige persönlich haftende Gesellschafterin der GmbH & Co. KG, einzige Kommanditistin die D GmbH.
Mit Wirkung vom 1. April 1974 brachte die Kommanditistin ihren Kommanditanteil gegen den Erwerb von Gesellschaftsanteilen in die Klägerin ein. Es handelte sich um einen nach dem Umwandlungssteuergesetz 1969 (UmwStG) begünstigten Vorgang.
Die Klägerin führt ab 1. April 1974 die Geschäfte der GmbH & Co. KG fort, die am 25. März 1975 im Handelsregister gelöscht wurde.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zog die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der GmbH & Co. KG für das Streitjahr 1974 mit Gewerbesteuermeßbescheid vom 28. Februar 1978 zur Gewerbesteuer heran. Eine Umrechnung des einheitlichen Steuermeßbetrags erfolgte nicht.
Mit ihrem Einspruch begehrte die Klägerin, den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1974 gemäß § 11 Abs. 6, § 13 Abs. 5 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1974 auf 3/12 umzurechnen. Die Gewerbesteuerpflicht der GmbH & Co. KG habe am 31. März 1974 ihr Ende gefunden. Der Gewerbebetrieb der GmbH & Co. KG sei auch nicht i. S. von § 2 Abs. 5 GewStG im ganzen auf sie übergegangen. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) setzte den einheitlichen Steuermeßbetrag auf 3/12 DM herab. Es führt aus, die Gewerbesteuerpflicht der GmbH & Co. KG habe nicht während des ganzen Jahres 1974, sondern nur bis zum 31. März 1974 bestanden.
Aus § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG ergebe sich, daß die Gewerbesteuerpflicht an das ,,Betreiben" eines Gewerbebetriebs anknüpfe; falle der Gewerbebetrieb weg, ende auch die Gewerbesteuerpflicht. Hierbei gehe das FG davon aus, daß eine KG - und damit auch eine GmbH & Co. KG - selbst steuerpflichtig sei und nicht etwa die hinter ihr stehenden Gesellschafter.
Auch aus § 2 Abs. 5 GewStG ergebe sich nicht, daß die Steuerpflicht der GmbH & Co. KG über den 31. März 1974 hinaus bestanden habe. Diese Vorschrift betreffe nur den Fall, daß ein Gewerbebetrieb nicht bereits i. S. von § 2 Abs. 1 und 2 GewStG eingestellt worden sei, sondern weiterhin fortgeführt werde. Soweit aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Mai 1972 I R 153/70 (BFHE 106, 225, BStBl II 1972, 775) geschlossen werden könnte, durch § 2 Abs. 5 GewStG werde die Dauer der Gewerbesteuerpflicht über den durch § 2 Abs. 1 und 2 GewStG gezogenen zeitlichen Rahmen hinaus verlängert, würde das FG dieser Auffassung nicht zustimmen.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung der §§ 2 und 10 GewStG. Das FG habe übersehen, daß im Streitfall kein Unternehmerwechsel stattgefunden habe. Der Bestand des Gewerbebetriebs sei von der Übertragung der Gesellschaftsanteile von der einen auf die andere Gesellschafterin unberührt geblieben. Damit entfielen die Voraussetzungen für eine Umrechnung des Gewerbeertrags. Die vom FG vorgenommene Ermäßigung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags führe wegen der abweichenden Wirtschaftsjahre der GmbH & Co. KG und der Klägerin zu einer nicht vollständigen Erfassung der Gewerbesteuer und damit steuerlich zu einem unbefriedigenden Ergebnis.
Das FA beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält daran fest, daß die Gewerbesteuerpflicht der GmbH & Co. KG am 31. März 1974 mit der Aufgabe der gewerblichen Betätigung ihren Abschluß gefunden hätte. Das habe das FG überzeugend dargelegt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß der einheitliche Steuermeßbetrag umzurechnen und herabzusetzen ist.
1. Besteht die Gewerbesteuerpflicht nicht während des ganzen Erhebungszeitraums, ermäßigt sich der Steuermeßbetrag nach dem Gewerbeertrag gemäß § 11 Abs. 6 GewStG auf so viele Zwölftel, wie die Steuerpflicht volle oder angefangene Kalendermonate im Erhebungszeitraum besteht. Entsprechendes gilt gemäß § 13 Abs. 5 GewStG für den Steuermeßbetrag nach dem Gewerbekapital.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Der erkennende Senat kann dem FG nicht darin folgen, daß die Gewerbesteuerpflicht im Streitfall am 31. März 1974 geendet hat und daß deshalb eine Umrechnung der Gewerbesteuermeßbeträge erforderlich war.
2. Bei Mitunternehmergemeinschaften, die ihr Gewerbe in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft betreiben, ist streitig, ob Steuerschuldner die Gesellschaft ist oder ob es die Mitunternehmer sind. Reichsfinanzhof (RFH) und BFH haben die letztgenannte Auffassung vertreten (vgl. BFH-Urteile vom 21. Februar 1980 I R 95/76, BFHE 130, 403, 408, BStBl II 1980, 465, 468, mit weiteren Nachweisen; vom 22. Juni 1983 I R 55/80, BFHE 139, 291, BStBl II 1984, 63). Der Senat ist dieser Rechtsprechung gefolgt (Urteile vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, 418, BStBl II 1986, 311, 316; vom 7. April 1987 VIII R 260/84, BFHE 150, 390, BStBl II 1987, 768).
Die Ausführungen des FG und der Klägerin geben keinen Anlaß, für die Rechtslage des Streitjahrs von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Die vom FG getroffene Unterscheidung dahin, daß Steuerschuldner gemäß § 5 GewStG die Gesellschafter, Steuerpflichtiger gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG dagegen die Gesellschaft sei, beachtet nach Auffassung des Senats den Sinnzusammenhang zwischen § 2 Abs. 2 GewStG und § 5 Abs. 1 GewStG nicht in ausreichendem Maß.
3. Aus der Beteiligung mehrerer Personen als Unternehmer eines einheitlichen Gewerbebetriebs ergibt sich, daß die Unternehmeridentität jedenfalls teilweise erhalten bleibt, solange mindestens einer der bisherigen Unternehmer den Betrieb fortführt. Das Fortbestehen der Unternehmereigenschaft nur eines von mehreren Mitunternehmern schließt die Anwendung des § 2 Abs. 5 GewStG aus. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Weise (z. B. Anwachsung, Übertragung, Gesamtrechtsnachfolge) die Eigentumsanteile ausscheidender Unternehmer an dem fortgeführten Gewebebetrieb auf den verbleibenden oder auf neu hinzutretende Unternehmer übergehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 106, 225, BStBl II 1972, 775). Der erkennende Senat ist dieser Rechtsauffassung in seiner neueren Rechtsprechung gefolgt (vgl. Urteile vom 13. November 1984 VIII R 312/82, BFHE 143, 135, BStBl II 1985, 334; vom 15. Juli 1986 VIII R 269/81, BFH/NV 1986, 696). Auch der IV. Senat des BFH geht von diesen Grundsätzen aus (Urteil vom 19. Februar 1987 IV R 72/83, BFHE 149, 188, 195, BStBl II 1987, 570, 573). Darin ist nicht - wie das FG meint - eine Verlängerung der Gewerbesteuerpflicht über den durch § 2 GewStG gezogenen zeitlichen Rahmen hinaus zu sehen, sondern eine sich aus dem System der Gewerbesteuer ergebende Folge.
Die vom Senat für zutreffend gehaltene Auffassung wird auch in den Verwaltungsanweisungen (vgl. Abschn. 22 a Abs. 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien - GewStR - 1974) und überwiegend im Schrifttum vertreten (vgl. die Kommentare zum GewStG von Lenski/Steinberg, § 2 Anm. 146; Müthling/Fock, § 2 Anm. 17; Wihtol/Bittner, § 2 Anm. 15 A; Glanegger/Güroff, § 2 Anm. 226).
Fundstellen
Haufe-Index 415895 |
BFH/NV 1989, 319 |