Leitsatz (amtlich)
Ein infolge unvollständiger Beurkundung unwirksames (nichtiges) Rechtsgeschäft unterliegt gemäß § 41 Abs.1 AO 1977 der Steuer aus § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG, wenn die Beteiligten ihren Erklärungen gemäß auf die Erfüllung hinwirken.
Orientierungssatz
1. Ein infolge unvollständiger Beurkundung eines unwirksamen (nichtigen), gemäß § 41 Abs. 1 AO 1977 der Steuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegenden Rechtsgeschäfts entstandener Steueranspruch erlischt, wenn die Beteiligten vom Vollzug des (unwirksamen) Rechtsgeschäfts Abstand nehmen und sich gegenseitig die etwa ausgetauschten Leistungen zurückgewähren (vgl. BFH-Urteil vom 27.1.1982 II R 119/80).
2. Ein gemäß § 313 Satz 1 BGB der Beurkundung bedürftiger Vertrag, der jeglicher notarieller Beurkundung ermangelt, kann in keinem Fall gemäß § 41 Abs. 1 AO 1977 der Steuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegen (vgl. BFH-Rechtsprechung). Denn das "wirtschaftliche Ergebnis" eines "Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet", ist nicht etwas Reales, sondern die vertragliche Begründung eines Anspruchs, dessen Bestand und Durchsetzbarkeit auf der Rechtsordnung beruht (Literatur).
Normenkette
AO 1977 § 41 Abs. 1; GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1940-03-29; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 313 S. 1
Tatbestand
Unter dem 18.April 1980 ließen die Kläger und eine GmbH als Kaufvertrag bezeichnete Erklärungen notariell beurkunden. Nach dem Inhalt der beurkundeten Erklärung verkaufte die GmbH eine noch zu vermessende Teilfläche aus einem Grundstück mit dem auf diesem von der GmbH zu errichtenden Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung. Der Kaufpreis wurde mit 539 000 DM angegeben; er war in Raten beginnend ab 10.Mai 1980 (entsprechend dem Fertigstellungsgrad) zu entrichten. Die Auflassung sollte nach Begleichung des vollen Kaufpreises erfolgen. Auflassungsvormerkung wurde bewilligt.
Unter antragsgemäßer teilweiser Befreiung nach Art.1 Abs.1 Nr.2 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen vom 11.Juli 1977 (GrEStEigWoG) setzte das Finanzamt (FA) gegen jeden der Kläger mit vorläufigen Bescheiden vom 20.Juni 1980 Grunderwerbsteuer in Höhe von je 8 365 DM fest. Nach Erfüllung der Wohnauflage wurden beide Bescheide mit Bescheiden vom Juni 1982 für endgültig erklärt.
Mit Schreiben vom 9.Mai 1983 teilten die Kläger dem FA im Zuge einer Selbstanzeige mit, sie hätten anläßlich der Beurkundung der Erklärungen vom 18.April 1980 zusätzlich zu dem in der notariellen Urkunde bezeichneten Betrag von 539 000 DM auf Verlangen der Verkäuferin ein Handgeld in Höhe von 10 000 DM gezahlt. Gleichzeitig beantragten sie Rückerstattung der entrichteten Grunderwerbsteuer mit der Begründung, daß der Kaufvertrag mangels Beurkundung dieser zusätzlichen Gegenleistung unwirksam sei. Dies habe das Landgericht Duisburg in seinem Urteil vom 25.August 1982 betreffend einen von der Verkäuferin gegen sie angestrengten Rechtsstreit wegen Leistung eines Restkaufpreises ausgesprochen. In der Folgezeit führten sie aus, ein Grundstückskaufvertrag sei wirksam erst am 27.Mai 1983 durch Vergleichsabschluß vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf zustandegekommen. Die Auflassung sei dann am 8.August 1983 erklärt worden; am 18.August 1983 sind die Kläger als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden.
Das FA lehnte den Antrag auf Erstattung der Grunderwerbsteuer ab und erhöhte mit gemäß § 173 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheiden vom 20.Juli 1983 die Grunderwerbsteuerfestsetzung gegen jeden der Kläger auf 8 715 DM.
Mit der nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens erhobenen Klage begehren die Kläger, die geänderten Grunderwerbsteuerbescheide sowie die ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheide vom 20.Juni 1980 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. In Anbetracht der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts entbehrten die Bescheide der Rechtsgrundlage. Der der Grunderwerbsteuer unterliegende Vorgang sei erst im Jahre 1983 verwirklicht worden.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Mangels Rückgewähr der gegenseitigen Leistungen stünde den Klägern kein Anspruch auf Änderung der bestandskräftig gewordenen Steuerbescheide vom 20.Juni 1980 aus § 175 Abs.1 Nr.2 AO 1977 zu. Zwar seien die Tatsachen, die die Unwirksamkeit der notariell beurkundeten Erklärungen ergäben, dem FA i.S. des § 173 Abs.1 Nr.2 AO 1977 nachträglich bekannt geworden. Es könne aber dahingestellt bleiben, ob den Klägern das Verschweigen dieser Tatsachen als grobes Verschulden anzurechnen sei, weil sich der Steueranspruch aus dem Rechtsgeschäft jedenfalls aus § 1 Abs.1 Nr.1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) i.V.m. § 41 Abs.1 Satz 1 AO 1977 ergebe. Denn die Vertragspartner hätten die notariell beurkundeten Erklärungen buchstabengetreu in die Realität umgesetzt, beispielsweise die Kaufpreisraten gezahlt. Die beurkundeten Erklärungen hätten der grundbuchmäßigen Abwicklung des Vertrages dienen sollen; diese Abwicklung sei lediglich in der Schlußphase durch einen "unprogrammgemäßen" Streit über eine Restforderung gestört worden.
Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unbegründet.
Nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet. Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf nach § 313 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der notariellen Beurkundung. Diesem Formzwang unterliegt nicht nur der auf die Eigentumsübertragung gerichtete Teil des Vertrages; ihm sind auch alle Vereinbarungen unterworfen, aus denen sich nach dem Willen der Beteiligten der Vertrag zusammensetzen soll, insbesondere auch die Vereinbarungen über die Höhe und die Berechnung der Gegenleistung. Ist das Verpflichtungsgeschäft ganz oder teilweise nicht notariell beurkundet, so ist es unwirksam (§ 313 Satz 1 i.V.m. § 125 Satz 1 BGB). Es wird jedoch seinem ganzen Inhalt nach mit der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch gültig, wenngleich nicht rückwirkend (§ 313 Satz 2 BGB).
Gemäß § 41 Abs.1 AO 1977 ist die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 17.Dezember 1975 II R 35/69, BFHE 118, 367, BStBl II 1976, 465, und zuletzt vom 21.Dezember 1981 II R 124/79, BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330) kann ein gemäß § 313 Satz 1 BGB der Beurkundung bedürftiger Vertrag, der jeglicher notarieller Beurkundung ermangelt, in keinem Falle gemäß § 41 Abs.1 AO 1977 der Steuer aus § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG unterliegen. Denn das "wirtschaftliche Ergebnis" eines "Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet", ist nicht etwas Reales, sondern die vertragliche Begründung eines Anspruchs, dessen Bestand und Durchsetzbarkeit auf der Rechtsordnung beruht (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 12.Aufl., Vorbemerkung Rn.357).
Dagegen kann aber ein infolge unvollständiger Beurkundung unwirksames (nichtiges) Rechtsgeschäft gemäß § 41 Abs.1 AO 1977 der Steuer aus § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG unterliegen. Denn hier wird der Anschein eines beurkundeten (und folglich wirksamen) Geschäftes erweckt, und zwar in einer Weise, die den damit verfolgten Zweck --nämlich den Eigentumswechsel-- nach dem erweckten Anschein als eintretbar erscheinen läßt, weil die Beteiligten durch § 925a BGB nicht gehindert werden, die Übereignung (§ 433 Abs.1, § 925, § 873 Abs.1 BGB) herbeizuführen. Das sind gleichzeitig regelmäßig diejenigen Fälle, in denen Heilung nach § 313 Satz 2 BGB möglich ist, also das Rechtsgeschäft --wenn auch nicht rückwirkend-- seinem ganzen Inhalt nach gültig werden kann. In diesen Fällen können die Beteiligten i.S. des § 41 Abs.1 AO 1977 das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen, indem sie ihren Erklärungen gemäß auf die Erfüllung hinwirken. Denn die Beteiligten handeln hier ungeachtet der (ihnen bewußten oder unbewußten) Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts tatsächlich so als ob es gültig wäre. In einem solchen Fall entsteht damit der Grunderwerbsteueranspruch ungeachtet der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäftes im Zeitpunkt von dessen Abschluß und der Höhe nach so, wie wenn das unwirksame Rechtsgeschäft seinem ganzen Inhalt nach gültig wäre. Der Steueranspruch erlischt jedoch, wenn die Beteiligten vom Vollzug des (unwirksamen) Rechtsgeschäfts Abstand nehmen und sich gegenseitig die etwa ausgetauschten Leistungen zurückgewähren (vgl. in diesem Zusammenhang auch Senatsurteil vom 27.Januar 1982 II R 119/80, BFHE 135, 224, BStBl II 1982, 425).
Zutreffend ist das FG im Streitfall davon ausgegangen, daß der Grunderwerbsteueranspruch --soweit der Erwerb nicht von der Besteuerung ausgenommen war-- nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG i.V.m. § 41 Abs.1 AO 1977 im Jahre 1980 entstanden und nicht infolge Rückabwicklung der tatsächlich eingehaltenen (unwirksamen) Vereinbarungen rückwirkend wieder beseitigt wurde. Denn die Beteiligten haben sich in der Folgezeit so verhalten, wie wenn das mangels vollständiger Beurkundung unwirksame Rechtsgeschäft gültig wäre; insbesondere haben die Kläger ihre Leistungsverpflichtungen entsprechend dem Zahlungsplan bis zur vorletzten Rate erfüllt und ist die andere Vertragspartei ihren Verpflichtungen zur Erstellung des Gebäudes, zur Übergabe des Grundstücks usw. nachgekommen. Zwar haben sich die Kläger im Zuge des gegen sie angestrengten Prozesses auf Erfüllung der Restforderung der Verkäuferin u.a. auch auf die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts berufen. Jedoch haben die Beteiligten nicht die Konsequenzen aus der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts durch Rückgewähr sämtlicher gegenseitig "in Erfüllung des Rechtsgeschäfts" gewährten Leistungen gezogen, sondern letztendlich --wenngleich auch erst "in Erfüllung des Vergleichs" vor dem OLG-- das rechtliche Ergebnis herbeigeführt. Zwar kommt dem protokollierten Vergleich die Wirkung lediglich einer Bestätigung des unwirksamen Rechtsgeschäfts i.S. des § 141 Abs.1 BGB und damit keine zivilrechtliche Rückwirkung zu, doch muß dieser Umstand mit Rücksicht auf § 41 Abs.1 AO 1977 unberücksichtigt bleiben: Der Vergleich verdeutlicht vielmehr das Festhalten am "wirtschaftlichen" Ergebnis durch Herbeiführung des rechtlichen Ergebnisses, ohne daß die aus der tatsächlichen Aufrechterhaltung folgenden Konsequenzen beseitigt worden wären.
Fundstellen
Haufe-Index 62591 |
BFH/NV 1989, 47 |
BStBl II 1989, 989 |
BFHE 158, 126 |
BFHE 1990, 126 |
BB 1989, 2104-2104 (L1) |
DB 1989, 2416 (LT) |
DStR 1990, 84 (KT) |
HFR 1990, 35 (LT) |