Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestzeitrente ist Leibrente, wenn Mindestlaufzeit kürzer als durchschnittliche Lebensdauer des Bezugsberechtigten
Leitsatz (amtlich)
Muss der Steuerpflichtige als Kaufpreis für ein vermietetes Grundstück eine Rente auf Lebenszeit des Verkäufers leisten, so kann er nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG 1990/1997 (jetzt: § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG) auch dann nur den Ertragsanteil als Werbungskosten absetzen, wenn die Vertragsparteien eine Mindestlaufzeit der Rente vereinbart haben, diese aber kürzer ist als die durchschnittliche Lebensdauer des Bezugsberechtigten.
Normenkette
EStG 1990/1997 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 2; EStG 1990/1997 § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a; EStG 1990 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 2, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a; EStG 1997 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 2, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a
Verfahrensgang
FG Köln (Entscheidung vom 22.08.2007; Aktenzeichen 7 K 1706/06; EFG 2008, 210) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt und erzielten in den Streitjahren (1996 bis 1999) u.a. Einkünfte aus der Vermietung eines im Jahr 1979 erworbenen bebauten Grundstücks. Als Kaufpreis für dieses Grundstück mussten die Kläger einen Betrag von 100 000 DM in bar leisten und verpflichteten sich überdies zur Zahlung einer monatlichen --wertgesicherten-- Rente von 1 500 DM an die bei Abschluss des Kaufvertrages 58-jährige Verkäuferin auf deren Lebenszeit. Bei ihrem Ableben sollte die Rente bis zum Ablauf von 10 Jahren an ihre Erben gezahlt werden.
Die Kläger ermittelten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre den in den Rentenzahlungen enthaltenen Zinsanteil im Wege der Gegenüberstellung der Rentenbarwerte (Barwertminderung) und setzten den so ermittelten Zinsanteil als Werbungskosten ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) akzeptierte zunächst dieses Vorgehen in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre. Nach einer Außenprüfung vertrat es die Auffassung, die Rente stelle ungeachtet der Mindestlaufzeit von 10 Jahren eine Leibrente dar mit der Folge, dass nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (EStG) nur der auch den Erhöhungsbetrag aufgrund der Wertsicherungsklausel umfassende Ertragsanteil der Rente (hier: 35 %) als Werbungskosten abziehbar sei. Dementsprechend änderte das FA die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre.
Die hiergegen --nach erfolglosem Einspruch-- erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 210, veröffentlichtem Urteil als unbegründet ab. Die Rente sei eine Leibrente, und zwar trotz ihrer Mindestzeit von 10 Jahren, denn diese liege erheblich unter der durchschnittlichen Lebensdauer der Verkäuferin. Auch der Erhöhungsbetrag der Rente sei nur mit dem Ertragsanteil als Werbungskosten anzusetzen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 22 Nr. 1 Satz 3a EStG stützen. Eine Mindestzeitrente mit einer Mindestzeit von 10 Jahren könne nicht einer Leibrente gleichgesetzt werden, selbst wenn die statistische Lebenserwartung des Berechtigten in etwa doppelt so hoch sei wie die Mindestlaufzeit. Überdies widerspreche die Vorentscheidung dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Oktober 1999 X R 75/97 (BFHE 190, 197, BStBl II 2002, 650), dem sich die Finanzverwaltung angeschlossen habe.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 31. März 2003 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1998 vom 6. März 2002 und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 vom 8. August 2002 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Veranlagungszeitraum 1996 weitere 12 738 DM, im Veranlagungszeitraum 1997 weitere 12 792 DM, im Veranlagungszeitraum 1998 weitere 14 019 DM und im Veranlagungszeitraum 1999 weitere 13 925 DM als Werbungskosten anerkannt werden und die Einkommensteuer 1996 bis 1999 entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen, denn sie ist unbegründet. Zutreffend hat das FG lediglich den Ertragsanteil der Rente als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abgesetzt.
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen, die bei der Einkunftsart abzusetzen sind, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG). Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG rechnen zu den Werbungskosten u.a. auch auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, soweit sie mit einer Einkunftsart im Zusammenhang stehen. Bei Leibrenten kann nur der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG näher geregelte Ertragsanteil abgezogen werden.
Das FG hat die strittigen wiederkehrenden Zahlungen, die als Teil des Kaufpreises für das (vermietete) Grundstück grundsätzlich Werbungskosten bilden, zutreffend als Leibrente beurteilt und deshalb lediglich den Ertragsanteil als Werbungskosten erfasst.
a) Die Rente, um die es hier geht, ist eine Leibrente. Darunter versteht man neben weiteren, hier nicht problematischen Bedingungen, wiederkehrende Zahlungen, die für die Dauer der Lebenszeit einer Bezugsperson gezahlt werden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C.II.2.; vgl. auch § 759 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Erlischt die Rente erst nach einer Mindestzeit mit dem Tod des Berechtigten, so hängt ihre einkommensteuerrechtliche Behandlung davon ab, ob die laufenden Zahlungen mehr von den begrifflichen Merkmalen einer Leibrente oder mehr von denjenigen einer (Kaufpreis)-Rate geprägt werden (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1974 VIII R 131/70, BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173). Eine --wie hier-- einheitliche Rente ist nicht in eine Zeitrente und in eine durch den Ablauf der Mindestlaufzeit aufschiebend bedingte Leibrente aufzuspalten (so zutreffend Blümich/Stuhrmann, § 22 EStG Rz 114, m.w.N.; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 22 Rz 112, m.w.N.). Da nach den Wertungen des Gesetzes bei einer Abhängigkeit der Laufzeit von der voraussichtlichen durchschnittlichen Lebensdauer der Bezugsperson der Ertragsanteil mittels der Tabelle zu ermitteln ist, so auch dann, wenn die vereinbarte Mindestlaufzeit kürzer ist als die durchschnittliche Lebensdauer (eingehend dazu P. Fischer, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 22 Rz B 126). Denn hier ist die durch die Lebensdauer des Berechtigten bestimmte Wagniskomponente gerade nicht zugunsten eines vorausbestimmten Leistungsvolumens ausgeschaltet.
b) Nach diesen Grundsätzen ist die hier streitige Rente eine Leibrente, so dass lediglich --wie geschehen-- der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG bestimmte Ertragsanteil als Werbungskosten abgezogen werden kann. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Bezugsberechtigten überstieg nach von der Revision nicht angegriffenen und damit nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG die vereinbarte Mindestzeit um mehr als das Doppelte.
Der Abzug des Ertragsanteils nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG als Rechtsfolge ergibt sich zwingend aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG, so dass es entgegen dem Begehren der Kläger nicht auf eine Gegenüberstellung der Rentenbarwerte (Barwertminderung) ankommt (vgl. zu betrieblichen Renten BFH-Urteile vom 31. August 1994 X R 58/92, BFHE 176, 333, BStBl II 1996, 672, unter 7., und vom 9. Februar 1994 IX R 110/90, BFHE 175, 212, BStBl II 1995, 47, unter 3.).
2. Entgegen der Auffassung der Revision widerspricht diese Beurteilung --worauf auch schon das FG hingewiesen hat-- nicht dem BFH-Urteil in BFHE 190, 197, BStBl II 2002, 650 (dem folgend auch das Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 16. September 2004, BStBl I 2004, 922 ff., Rz 59). Denn dort stand allein die hier nicht problematische, weil im letzteren Sinn zu beantwortende Frage im Mittelpunkt, ob eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen oder nicht vielmehr ein entgeltliches Anschaffungsgeschäft vorliegt. Der BFH hat bei der Vereinbarung einer bestimmten Mindestdauer den Charakter als verrentete Gegenleistung als prägend angesehen (vgl. dazu auch P. Fischer in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 22 Rz 14). Demgegenüber geht es im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG nur um verrentete Anschaffungskosten (siehe Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 216, m.w.N.) und damit lediglich um die Frage, wie der Zinsanteil dieser Gegenleistungsrente technisch ermittelt wird.
3. Dem FG ist auch darin beizupflichten, dass die Veräußerungsrente auch insoweit nur mit dem Ertragsanteil als Werbungskosten abziehbar ist, als sie auf einer Wertsicherungsklausel beruht (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 1990 IX R 138/86, BFH/NV 1991, 227, m.w.N.). Deshalb ist entgegen der Revision auch der Erhöhungs- oder Mehrbetrag nur mit dem Ertragsanteil als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 2083028 |
BFH/NV 2009, 254 |
BFH/PR 2009, 46 |
BStBl II 2010, 24 |
BFHE 2008, 481 |
BFHE 222, 481 |
DB 2009, 31 |
DStRE 2009, 75 |
DStZ 2009, 102 |
HFR 2009, 121 |