Leitsatz (amtlich)
Ebenso wie bei inländischen Arbeitnehmern waren im Jahre 1973 Unterhaltsleistungen von Gastarbeitern an ihre Angehörigen steuerlich jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge der Angehörigen ausreichten, um ihr Existenzminimum zu sichern.
Normenkette
EStG 1971 §§ 33, 33a Abs. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind als verheiratete jugoslawische Gastarbeiter in Berlin (West) tätig. Sie beantragten bei der Einkommensteuerveranlagung 1973, Unterhaltszahlungen von 6 000 DM an den verwitweten Vater des klagenden Ehemannes nach § 33 a EStG zu berücksichtigen. Der Vater lebte im Streitjahr 1973 in Jugoslawien. Er bezog eine Rente von monatlich 469,35 Dinar und hatte keine weiteren Einkünfte und kein Vermögen. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) lehnte den Abzug der Unterhaltsaufwendungen ab. Das FA meint, die Unterhaltsleistungen seien nicht notwendig gewesen, weil die Rente des Vaters zum Lebensunterhalt ausgereicht habe. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG gab mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 172 (EFG 1977, 172) veröffentlichten Urteil der Klage statt und führte im wesentlichen folgendes aus:
Von den vom Kläger seinem Vater im Streitjahr zugewendeten 6 000 DM seien mindestens 1 200 DM für dessen Unterhalt bestimmt gewesen. In dieser Höhe seien die Aufwendungen dem Kläger zwangsläufig erwachsen. Sein Vater habe in Jugoslawien nicht über ein landesübliches Auskommen verfügt, da dieses mindestens mit dem Einkommen eines ungelernten Arbeiters anzusetzen sei, das im Jahr 1973 unstreitig etwa 1 000 Dinar monatlich betragen habe. Der Vater habe mit 470 Dinar, d. h. mit wenig mehr als der Mindestrente, auskommen müssen. Der Kläger habe sich nicht der sittlichen Verpflichtung entziehen können, seinen an der Grenze des Existenzminimums lebenden Vater mit mindestens 1 200 DM zu unterstützen. Der Betrag von 1 200 DM sei nicht nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG um die Rente von monatlich 469,35 Dinar zu kürzen, da sie bei Anwendung des von der Finanzverwaltung für 1973 ermittelten Umrechnungskurses von 100 Dinar zu 15 DM nicht die Grenze von 1 200 DM jährlich übersteige.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 33 a EStG. Es führt aus:
Ob Unterhaltsaufwendungen im Sinne der §§ 33 a, 33 Abs. 2 EStG zwangsläufig erwachsen seien, richte sich ausschließlich nach den Verhältnissen des Heimatlandes des Unterstützungsempfängers. Die Zwangsläufigkeit sei zu verneinen, wenn Geldzuwendungen nicht der Sicherung des Existenzminimums, sondern dem Zweck dienten, den Unterstützungsempfänger aus dem Kreis vergleichbarer Personen seines Heimatlandes wirtschaftlich herauszuheben. Unterhaltsleistungen seien daher steuerlich nicht zu berücksichtigen, wenn ein im Ausland lebender Angehöriger nach den dortigen Verhältnissen seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten könne. Durch die in Jugoslawien gezahlte Rente sei das Existenzminimum des Vaters gewährleistet gewesen, zumal ihm der staatliche Gesundheitsdienst mit seinen Einrichtungen kostenlos zur Verfügung stehe. Nach Auskunft der jugoslawischen Militärmission in Berlin benötige eine zweiköpfige, auf dem Lande lebende Familie in Jugoslawien rd. 500 Dinar zum Lebensunterhalt, während der verwitwete Vater des Klägers als Alleinstehender eine Rente in gleicher Höhe bezogen habe. Auf den Verdienst eines ungelernten Arbeiters in Jugoslawien komme es nicht an, da der Lebensstandard eines 63jährigen Rentners nicht mit dem eines ungelernten Arbeiters verglichen werden könne.
Zur Ermittlung der Einkommensgrenze von 1 200 DM nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG könne der amtliche Wechselkurs zwischen Deutscher Mark und Dinar nicht herangezogen werden, weil er sich nicht im freien Wettbewerb nach den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage richte, sondern von der jugoslawischen Staatsbank einseitig nach politischen Gesichtspunkten festgesetzt werde.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, das Merkmal der Existenzsicherung sei im Begriff der Zwangsläufigkeit in § 33 Abs. 2 EStG nicht enthalten. Sie hätten die Unterstützungsbedürftigkeit des Vaters eindeutig nachgewiesen. Das Kaufkraftverhältnis des Dinars zur DM sei hier nicht zu berücksichtigen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die er keinen Kinderfreibetrag erhält, so wird nach § 33 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG 1971 auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch jährlich 1 200 DM für jeden Unterhaltsempfänger, vom Einkommen abgezogen werden, falls dieser kein oder nur geringes Vermögen besitzt. Hat die unterhaltende Person andere Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, so vermindert sich nach Satz 3 dieser Vorschrift der Betrag von 1 200 DM um den Betrag, um den diese Einkünfte oder Bezüge den Betrag von 1 200 DM übersteigen.
Unterhaltsaufwendungen sind nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG 1971 zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
Im vorliegenden Falle ist die Notwendigkeit der Aufwendungen zu verneinen. Der Gesetzgeber hat zwar nicht im einzelnen vorgeschrieben, unter welchen Voraussetzungen Unterhaltsaufwendungen als notwendig anzusehen sind. Jedoch läßt die Regelung des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1971 erkennen, daß insoweit strenge Maßstäbe anzulegen sind. Denn nach dieser Vorschrift dürfen Unterhaltsaufwendungen nicht mehr abgezogen werden, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge des Unterstützungsempfängers, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, den Betrag von 2 400 DM jährlich übersteigen. Dieser Betrag lag im Streitjahr 1973 in der Bundesrepublik Deutschland nach allgemeiner Lebenserfahrung unter dem Existenzminimum. Der Gesetzgeber beurteilt also Unterhaltsaufwendungen schon dann als nicht mehr abzugsfähig, wenn das Existenzminimum des Unterhaltenen nicht voll gesichert ist.
Gegen diese Regelung bestehen entgegen der Ansicht des FG Düsseldorf (vgl. Vorlagebeschluß vom 10. Februar 1976 V 108/74 L, EFG 1976, 291) keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Senat hat in den zum Jahr 1969 ergangenen Urteilen vom 12. Januar 1973 VI R 207/71 (BFHE 108, 500, BStBl II 1973, 442) und vom 2. August 1974 VI R 148/71 (BFHE 114, 37, BStBl II 1975, 139) die Verfassungsmäßigkeit des § 33 a Abs. 1 EStG bejaht. Er hat insbesondere im letztgenannten Urteil dargelegt, es sei nicht seine Aufgabe zu prüfen, ob der Pauschsatz für Unterhaltsaufwendungen von 1 200 DM und die Kürzung dieses Pauschbetrages um Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet seien, soweit diese den Betrag von 1 200 DM überstiegen, im Jahre 1969 angemessen gewesen sei. Denn dabei handle es sich in erster Linie um eine Frage der Steuerpolitik. Außerdem sei kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, daß diese Beträge willkürlich zu niedrig festgesetzt worden seien, obwohl sie seit dem Jahre 1962, als der Gesetzgeber sie in dieser Höhe eingeführt habe, nicht mehr heraufgesetzt worden seien. An dieser Ansicht hält der Senat auch für das Streitjahr 1973 fest.
Mangels einer besonderen gesetzlichen Regelung für in der Bundesrepublik Deutschland tätige und hier unbeschränkt steuerpflichtige Gastarbeiter sind die Vorschriften des § 33 a Abs. 1 i. V. m. § 33 Abs. 2 EStG 1971 auf diese in gleicher Weise anzuwenden wie auf inländische Arbeitnehmer. Hieraus folgt, daß auch Gastarbeitern Freibeträge für die Unterstützung von Angehörigen im Ausland nach § 33 a Abs. 1 EStG 1971 jedenfalls dann nicht mehr gewährt werden können, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge des Zuwendungsempfängers ausreichen, um ihm unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse im Ausland sein Existenzminimum zu sichern. Ebenso wie bei inländischen Arbeitnehmern, die ihre inländischen Angehörigen unterstützen, muß in solchen Fällen die Notwendigkeit der Zuwendungen (im einkommensteuerrechtlichen Sinne) verneint werden. Eine andere Entscheidung würde zu einer steuerlichen Schlechterstellung inländischer Arbeitnehmer führen.
Der Vater des Klägers bezog im Streitfall im Jahre 1973 eine Rente, die nach den Feststellungen des FG etwas höher als die Mindestrente war und ihm, wie das FG ausführte, ein Leben "an der Grenze des Existenzminimums" ermöglichte. Die Bezüge des Vaters des Klägers lagen damit nicht unterhalb des zur Sicherung seines Existenzminimums erforderlichen Betrages.
Der Lohn eines ungelernten Arbeiters von etwa 1 000 Dinar monatlich ist entgegen der Ansicht des FG hier keine zu beachtende Größe. Der Kläger war kein im Berufsleben stehender ungelernter Arbeiter, sondern Rentner. Er mußte nicht, wie es bei einem ungelernten Arbeiter in der Regel der Fall sein wird, von seinem Einkommen Frau und Kinder ernähren. Er hatte vielmehr als Witwer seine Rente von monatlich 469,35 Dinar für sich allein zur Verfügung.
Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf alle Fragen, die sich im Zusammenhang mit einer Umrechnung der Rente des Vaters in DM ergeben könnten, nicht an.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist entscheidungsreif. Da das FA die Unterhaltsleistungen an den Vater des Klägers zu Recht nicht zum Abzug zugelassen hat, ist die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 72731 |
BStBl II 1978, 342 |
BFHE 1978, 505 |