Leitsatz (amtlich)
Überläßt der Gesellschafter einer GmbH & Co. KG der Gesellschaft eine Sache "quoad sortem", so besteht die ggf. gesellschaftsteuerpflichtige Leistung nur in der (einmaligen) Einbringung der Sache dem Werte nach, nicht jedoch außerdem in deren dauernden Nutzungsüberlassung.
Orientierungssatz
1. Der Eintritt einer GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin in eine inländische KG löst bei den Kommanditisten den Ersterwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 aus (vgl. BFH-Urteil vom 6.3.1986 I R 389/83). Steuermaßstab ist der Wert der Gesellschaftsrechte im Zeitpunkt der Gründung der GmbH & Co. KG.
2. § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG erfaßt nur die gesellschaftsteuerpflichtigen Leistungen, die bis zur Gründung der Kapitalgesellschaft geleistet sind. Spätere Leistungen sind "weitere Leistungen" i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972, wenn sie aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden (vgl. BFH-Urteil vom 13.5.1987 I R 386/83).
3. Durch einen Gesellschafterbeitrag "quoad sortem" überläßt der Gesellschafter der Gesellschaft Sachen oder Rechte in der Weise, daß zwar nicht das zivilrechtliche Eigentum auf die Gesellschaft übergeht, daß aber die Sache (das Recht) so behandelt wird, als ob das Eigentum auf die Gesellschaft übertragen wäre. Ist die Einlage "quoad sortem" vollzogen, so kann die Gesellschaft über die Sache (das Recht) durch ihre Organe verfügen. Die mit der Sache (dem Recht) verbundenen Lasten, die Gefahr und der Nutzen gehen dann die Gesamtheit der Gesellschafter an (vgl. RG-Rechtsprechung und BGH-Rechtsprechung; Literatur). Eine Rückgabe der Sache (des Rechts) im Zuge der Liquidation der Gesellschaft oder beim Ausscheiden des einbringenden Gesellschafters ist gesetzlich nicht vorgesehen. An ihre Stelle tritt die Verwertung der Sache (des Rechts) durch die Liquidatoren oder die Teilung in Natur.
Normenkette
KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nrn. 1, 4 Buchst. b, c, § 5 Abs. 2 Nr. 3, § 8 Nr. 1 Buchst. b, § 2 Abs. 1 Nr. 2; BGB §§ 706, 733
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, an der eine GmbH als Komplementärin und D als Kommanditist beteiligt sind. In § 7 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin ist folgendes vereinbart:
"Der in den Bilanzen der ... (Klägerin) als notwendiges Betriebsvermögen auf der Aktivseite ausgewiesene, dem Unternehmen gewidmete Grundbesitz steht im Bruchteilseigentum der Gesellschafter ... Dieser Grundbesitz ist von jedem Gesellschafter zu seinem Bruchteil 'nur zur Benutzung und dem Werte nach' eingebracht, bleibt indes Eigentum jedes Gesellschafters. Die Übertragung des Eigentums auf die Gesellschaft selbst als Gesamtheit der Gesellschafter kann weder während des Bestehens der Gesellschaft noch nach ihrer Auflösung zum Zwecke der Auseinandersetzung verlangt werden. Beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft oder bei deren Auflösung ist daher der Betrag, der dem Wert des - dem betreffenden Gesellschafter verbleibenden - Miteigentums in dem für die Auseinandersetzung maßgebenden Zeitpunkt entspricht, als bereits aus der Auseinandersetzungsmasse auf das betreffende Auseinandersetzungsguthaben gezahlt zu betrachten, oder, falls der Wert des Miteigentums am Grundbesitz höher ist als das dem betreffenden Gesellschafter zukommende Auseinandersetzungsguthaben, der Unterschiedsbetrag zur Gesellschaftskasse beziehungsweise zur Ausschüttung an die anderen Gesellschafter zu erstatten.
Dessen ungeachtet ist jeder Gesellschafter verpflichtet, während seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft seinen Miteigentumsanteil "zur Benutzung und dem Werte nach" der Gesellschaft ohne besonderes Entgelt zur Verfügung zu stellen ...".
Der Gesellschafter D war in den Streitjahren 1972 bis 1975 Eigentümer des Grundbesitzes, den schon die Rechtsvorgänger des D der Klägerin zur Nutzung gemäß § 7 des Gesellschaftsvertrages überlassen hatten. Die Nutzungsmöglichkeit bestand in den Streitjahren für die Klägerin fort.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) hat nach einer Außenprüfung in der unentgeltlichen Grundstücksüberlassung eine gemäß § 2 Abs.1 Nr.4 Buchst.c des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 gesellschaftsteuerpflichtige Leistung gesehen, deren Wert er auf jährlich 60 000 DM geschätzt hat. Im Bescheid vom 21.Juni 1977 setzte er davon Gesellschaftsteuer für 1972 in Höhe von 2 v.H. von 60 000 DM und für 1973 bis 1975 in Höhe von 1 v.H. von 60 000 DM jährlich fest. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 2 Abs.1 Nr.4 Buchst.c KVStG 1972.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Gemäß § 2 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972 unterliegt der Ersterwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer. Gemäß § 5 Abs.2 Nr.3 KVStG 1972 gilt als Kapitalgesellschaft i.S. des KVStG 1972 auch eine KG, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine der in § 5 Abs.1 oder Abs.2 Nrn.1 und 2 KVStG 1972 bezeichneten Gesellschaften gehört. Deshalb löst nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6.März 1986 I R 389/83, BFHE 146, 531, BStBl II 1986, 758, m.w.N.) der Eintritt einer GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin in eine inländische KG bei den Kommanditisten den Ersterwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft i.S. von § 2 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972 aus. Steuermaßstab ist der Wert der Gesellschaftsrechte im Zeitpunkt der Gründung der GmbH & Co. KG (§ 8 Nr.1 Buchst.b KVStG 1972).
2. Der erkennende Senat hat sich im Urteil vom 13.Mai 1987 I R 386/83 (BFHE 150, 28, BStBl II 1987, 604) der ständigen Rechtsprechung des II.Senats des BFH angeschlossen, daß § 2 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972 nur die gesellschaftsteuerpflichtigen Leistungen erfaßt, die bis zur Gründung der Kapitalgesellschaft (im Streitfall: bis zur Gründung der Klägerin als GmbH & Co. KG) geleistet sind. Spätere Leistungen sind "weitere Leistungen" i.S. des § 2 Abs.1 Nr.2 KVStG 1972, wenn sie aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden. Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß der Kommanditist D der Klägerin Grundbesitz nach Maßgabe des § 7 des Gesellschaftsvertrages in den Streitjahren 1972 bis 1975 überließ. Aus dieser tatsächlichen Feststellung, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs.2 FGO), folgt, daß der Grundbesitz aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung überlassen wurde. Entsprechend kommt im Streitfall nur eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung i.S. des § 2 Abs.1 Nr.2 KVStG 1972 in Betracht. Eine solche setzt allerdings voraus, daß die Überlassung des Grundbesitzes nicht schon bei Gründung der Klägerin als GmbH & Co. KG bewirkt war. Sollte dies der Fall gewesen sein, so wäre die Überlassung des Grundbesitzes bereits im Wert der Gesellschaftsrechte (§ 8 Nr.1 Buchst.b KVStG 1972) erfaßt gewesen, der beim Ersterwerb der Gesellschaftsrechte gemäß § 2 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972 den Steuermaßstab bildete. Soweit das FG nur eine gemäß § 2 Abs.1 Nr.4 Buchst.b oder c KVStG 1972 gesellschaftsteuerpflichtige Leistung in Erwägung gezogen hat, ist seine Auffassung fehlerhaft.
3. Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht ohne Verstoß gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze dem § 7 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin entnommen, daß der im zivilrechtlichen Eigentum des D stehende Grundbesitz der Klägerin als Gesellschafterbeitrag "quoad sortem" zugeführt war. Durch einen Gesellschafterbeitrag "quoad sortem" überläßt der Gesellschafter der Gesellschaft Sachen oder Rechte in der Weise, daß zwar nicht das zivilrechtliche Eigentum auf die Gesellschaft übergeht, daß aber die Sache (das Recht) so behandelt wird, als ob das Eigentum auf die Gesellschaft übertragen wäre. Ist die Einlage "quoad sortem" vollzogen, so kann die Gesellschaft über die Sache (das Recht) durch ihre Organe verfügen. Die mit der Sache (dem Recht) verbundenen Lasten, die Gefahr und der Nutzen gehen dann die Gesamtheit der Gesellschafter an (vgl. Urteile des Reichsgerichts vom 24.Februar 1893 III 292/92, RGZ 31, 28, 29; vom 14.April 1903 VII 458/02, RGZ 54, 278, 280; vom 2.Januar 1925 II 701/23, RGZ 109, 380; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.März 1965 II ZR 148/62, Wertpapier-Mitteilungen 1965, 746; Düringer/Hachenburg, Handelsgesetzbuch, II.Bd., 1.Hälfte, Anm.62 a; Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 706 Anm.11; A.Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4.Aufl., § 6, S.59, 60, FN 30; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, Heidelberg 1970, § 9, S.196, 197; Fischer, Handelsgesetzbuch, Großkommentar, von Staub begründet, neu bearbeitet von Brüggemann u.a., § 105 Anm.56).
Das Versprechen der Einlage einer Sache (eines Rechts) "quoad sortem" begründet den Anspruch der Gesellschaft, daß ihr die Sache (das Recht) "quoad sortem" zur Verfügung gestellt wird und zur Verfügung steht. Die Einlage ist bewirkt, sobald die Sache (das Recht) der Gesellschaft dem Werte nach überlassen ist. Eine Rückgabe der Sache (des Rechts) im Zuge der Liquidation der Gesellschaft oder beim Ausscheiden des einbringenden Gesellschafters ist im Unterschied zum Fall der Gebrauchsüberlassung (§ 732 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) gesetzlich nicht vorgesehen. An ihre Stelle tritt die Verwertung der Sache (des Rechts) durch die Liquidatoren oder die Teilung in Natur (vgl. Ulmer, a.a.O., § 733 Anm.11 und 15). Deshalb stellt sich die Einlage "quoad sortem" als eine einmalige Handlung und nicht als Dauertatbestand dar. Das Nutzungsrecht, das die Gesellschaft an der Sache (dem Recht) erhält, ist Folge der Einlage "quoad sortem" und nicht die Folge einer als selbständige Leistung erbrachten dauernden Nutzungsüberlassung. Das Nutzungsrecht der Gesellschaft entsteht mit der Einbringung der Sache (des Rechts) "quoad sortem". Deshalb ist auch mit der Einlage dem Werte nach der Tatbestand verwirklicht, an den § 2 Abs.1 Nrn.1 und 2 KVStG 1972 die gesellschaftsteuerpflichtigen Leistungen knüpft. Darauf, ob die Klägerin wirtschaftliche Eigentümerin der "quoad sortem" eingelegten Sache (des Rechts) geworden ist, kommt es nicht an. Ebenso ist die Frage der Bilanzierung der "quoad sortem" eingelegten Sache (des Rechts) entscheidungsunerheblich.
4. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat in Ermangelung entsprechender Revisionsrügen gebunden ist (§ 118 Abs.2 FGO), wurde die Einlage des Grundbesitzes "quoad sortem" bereits aufgrund des Gesellschaftsvertrages vom 18.Dezember 1967 erbracht. Sie war am 4.Februar 1972 längst vollzogen. An diesem Tag wurde die Klägerin erstmalig Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 Abs.2 Nr.3 KVStG 1972. Die damals schon erbrachte Einlage "quoad sortem" wirkte sich deshalb werterhöhend auf die Gesellschaftsrechte aus, die die Kommanditisten der Klägerin am 4.Februar 1972 erstmalig erwarben. Damit ging der Wert der Einlage "quoad sortem" in die Bemessungsgrundlage für den Ersterwerb von Gesellschaftsrechten i.S. des § 2 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 5 Abs.2 Nr.3 und § 8 Nr.1 Buchst.b KVStG 1972 ein. Die Nutzung des "quoad sortem" eingelegten Grundbesitzes durch die Klägerin in der Zeit nach dem 4.Februar 1972 geht nicht auf eine weitere gesellschaftsteuerbare Leistung des D zurück. Das FG ist deshalb im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß nach dem 4.Februar 1972 kein Sachverhalt mehr verwirklicht wurde, der eine Gesellschaftsteuer nach § 2 KVStG 1972 auslöst.
Fundstellen
Haufe-Index 62120 |
BStBl II 1988, 453 |
BFHE 152, 261 |
BFHE 1988, 261 |
HFR 1988, 405 (LT1) |