Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Der steuerbegünstigte Zweck wird nicht aufgegeben, wenn der Erwerber des anschließend weiterveräußerten Grundstücks die Wohnungen zwar durch einen Dritten in dessen Namen errichten läßt, diese Errichtung aber kraft besonderer Vertragsgestaltung ihm zuzurechnen ist.
Schleswig-Holsteinisches Landesgesetz über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues und bei Maßnahmen im Rahmen des Schleswig-Holsteinischen Aufbaugesetzes und des Baulandbeschaffungsgesetzes vom 12. August 1954 -
Normenkette
GrESWGSH 1/1/1; GrESWGSH 7/1/1; GrESWGSH 7/1/2; GrESWGSH 7/1/4
Tatbestand
Die Klägerin, eine Bausparkasse, erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag Ende 1959 ein unbebautes Grundstück. Auf Antrag stellte das FA den Erwerb des unbebauten Grundstücks gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues und bei Maßnahmen im Rahmen des Schleswig- Holsteinischen Aufbaugesetzes und des Baulandbeschaffungsgesetzes vom 12. August 1954 - GrESWG - (GVBl S. 138) vorläufig von der Grunderwerbsteuer frei.
Gemäß Vertrag vom August 1961 gestattete die Klägerin dem Baukaufmann K. als "Bauträger", auf dem Grundstück im eigenen Namen und für eigene Rechnung Gebäude mit steuerbegünstigten Wohnungen zu errichten, die bis Mai 1962 bezugsfertig sein mußten. Die Bauten waren unter Aufsicht der Klägerin nach deren Bauzeichnungen und -beschreibungen auf der Grundlage der Technischen Vorschriften für Bauleistungen im Hochbau (VOB Teil C) unter der Leitung eines von der Klägerin benannten Architekten auszuführen. Ungeachtet der §§ 94, 946 BGB und unter Ausschluß des Anspruchs aus § 951 BGB sollte das wirtschaftliche Eigentum an den Gebäuden beim Bauträger verbleiben, der jedoch verpflichtet war, die Gebäude an Personen und zu Preisen zu verkaufen, die beide die Klägerin bestimmte. Da die Klägerin die Gesamtfinanzierung übernommen hatte, waren die Kaufpreise an die Klägerin zu entrichten, die sich die Ansprüche aus den künftigen Kaufverträgen hatte abtreten lassen.
Das FA (Beklagter) vertrat die Auffassung, daß die Klägerin durch Abschluß des Vertrags vom August 1961 mit K. den steuerbegünstigten Zweck - die Errichtung steuerbegünstigter Wohnungen als Bauherrin im eigenen Namen - aufgegeben habe und forderte gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESWG eine Grunderwerbsteuer endgültig nach. Der Einspruch war erfolglos.
Das FG gab durch das auszugsweise in EFG 1964 Nr. 78 S. 67 wiedergegebene Urteil III 36/63 vom 30. August 1963 der Berufung statt. Anders als in den Fällen der Urteile des BFH II 204/54 U vom 1. Dezember 1954 (BFH 60, 122, BStBl III 1955, 47) und II 66/57 U vom 2. September 1959 (BFH 69, 518, BStBl III 1959, 453) sei das Grundstück im vorliegenden Fall erst nach Errichtung des Wohnraums weiterveräußert worden. Der Gleichsetzung des den Wohnraum Errichtenden im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG mit dem Bauherrn im Sinne der Wohnungsbaugesetzgebung durch den BFH seien insofern Grenzen gesetzt, als Bauherr im letzteren Sinne nicht notwendig ein Grundstückseigentümer sei. Es könne nicht im Sinn des Gesetzes liegen, daß in solchen Fällen die Grunderwerbsteuervergünstigung ganz entfalle. Im übrigen habe K. entgegen dem Vertragswortlaut nicht die Stellung des wirtschaftlichen Eigentümers, sondern praktisch die eines Bauunternehmers gehabt. Unter den besonderen Gegebenheiten des Falles müßten die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG als erfüllt angesehen werden, wie auch aus § 7 Abs. 1 Nr. 2 GrESWG als Spezialvorschrift gegenüber Nr. 4 a. a. O. zu schließen sei.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Rb. verbleibt der Vorsteher des FA bei seiner Meinung, daß das Gesetz nur den Erwerber begünstigen wolle, der die Tätigkeit eines Bauherrn mit allen Risiken selbst übernehme. Für die Frage, wer das Gebäude errichtet habe, sei die Finanzierung durch die Kläger ebenso bedeutungslos wie der Erwerb des rechtlichen Eigentums am Gebäude gemäß §§ 94, 946 BGB vor Weiterveräußerung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. - jetzt Revision - des Beklagten (FA) kann keinen Erfolg haben.
Der Senat hat zwar, wie der Beklagte zutreffend ausführt, wiederholt entschieden, daß die Steuerbefreiung nach den verschiedenen Landesgesetzen über die Grunderwerbsteuerbefreiung im sozialen Wohnungsbau nur dem Erwerber zusteht, der die grundsteuerbegünstigten Wohnungen selbst (tatsächlich, im eigenen Namen) errichtet. Diese Entscheidungen waren, da die Steuervergünstigung nur einmal gewährt werden kann, durchweg in Fällen geboten, in denen wegen Weiterveräußerung des Grundstücks abgrenzend zu entscheiden war, ob die Steuervergünstigung noch dem Ersterwerber oder bereits dem Zweiterwerber zustand (vgl. die Urteile des Senats II 204/54 U, II 66/57 U, a. a. O., II 151/59 U vom 26. Juli 1961, BFH 73, 571, BStBl III 1961, 473; vgl. ähnlich auch II 186/60 vom 21. Dezember 1961, HFR 1962, 169, II 19/62 vom 16. Oktober 1963, HFR 1964, 261). Im vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich aber um den abweichenden Fall, ob dem Erwerber die Steuervergünstigung lediglich deshalb zu versagen ist, weil er die Errichtung der Gebäude unter besonderen Bedingungen einem Baukaufmann überlassen hatte, um sich - wie er ausführt - als Bausparkasse mit den Einzelheiten der technischen Durchführung des Bauvorhabens nicht zu belasten. Die Erwägung des FG, daß dann die Steuervergünstigung weder dem Kläger noch dem Baukaufmann zugute komme, kann zwar nicht ausschlaggebend sein, da es den Beteiligten überlassen bleiben muß, mit welcher steuerrechtlichen Wirkung sie ihre Rechtsbeziehungen gestalten. Diese Erwägung wird aber nicht völlig unberücksichtigt bleiben dürfen. Befreiungsvorschriften sind ohnehin nicht eng auszulegen; in besonderem Maße gilt dies für die Vergünstigungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues (vgl. insoweit Urteile II 89/64 vom 16. Februar 1966, BFH 85, 302, BStBl III 1966, 319; II 190/61 U vom 9. Oktober 1963, BFH 79, 288, BStBl III 1964, 336), deren Zweck es letztlich ist, die Schaffung von steuerbegünstigtem Wohnraum zu fördern (vgl. auch Urteil II 151/59 U, a. a. O.).
Zwar sagt die Begründung zum GrESWG (Schleswig-Holsteinischer Landtag, 2. Wahlperiode 1950, Drucksache Nr. 603, S. 8 zu § 1 Ziff. 1), daß durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG der Erwerb begünstigt werden solle, "der unmittelbar der Errichtung steuerbegünstigter Wohnungen dient, also der Erwerb durch den Bauherrn" (vgl. auch o. a. Begründung zu § 7 Abs. 1 Ziff. 2 S. 14). Im Gegensatz etwa zu den entsprechenden Gesetzen für Bayern - Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG 1958, zu dem auch das o. a. Urteil des Senats II 186/60 (a. a. O.) ergangen ist -, für Berlin - § 1 Nr. 3 GrESWG - oder für Niedersachsen - § 1 Nr. 1 GrESWG 1958 -, die ausdrücklich von der Errichtung "durch den Erwerber" sprechen, enthält § 1 Abs. 1 Nr. 1 des schleswig-holsteinischen GrESWG 1954 diesen Zusatz nicht. Dessen Wortlaut ("Erwerb ... zwecks Errichtung") zwingt also nicht zur ausnahmslosen Anwendung dieser Vorschrift im obigen Sinne. Er gestattet es vielmehr, von dem Grundsatz, wie ihn der Senat in dem o. a. Urteil II 151/59 U (a. a. O.) für das insoweit gleichzubehandelnde Bremer GrESWG 1954 ("zur Errichtung") herausgestellt hat, jedenfalls dann eine - vom Gesetzgeber sicherlich nicht vorausgesehene und deshalb auch nicht mißbilligte - Ausnahme zuzulassen, wenn die Errichtung der Wohnungen unter besonders gelagerten Umständen dem Grundstückserwerber und -eigentümer zuzurechnen ist, obwohl der Eigentümer die Errichtung der Wohnungen einem Baukaufmann in dessen Namen übertrug. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Senat hinsichtlich der vom FG Münster in dem rechtskräftigen Urteil IV d 38/63 vom 30. November 1965 (EFG 1966, 284) zum nordrhein-westfälischen GrESWG 1958 gebildeten Beispiele zum selben rechtlichen Ergebnis käme wie das FG. Denn der vorliegende Fall weist Besonderheiten auf, die eine abweichende Behandlung rechtfertigen.
Zwar hatte die Klägerin K. vertraglich erlaubt, die Gebäude im eigenen Namen und für eigene Rechnung als sein wirtschaftliches Eigentum zu errichten. Maßgebend ist aber nicht der bloße Wortlaut eines Vertrages; entscheidend kommt es letztlich auf den wirklichen Willen der Parteien und auf die tatsächliche Gestaltung der vertraglichen Beziehungen an (vgl. insoweit Urteil des Senats II 149/63 vom 21. Dezember 1966, BFH 87, 458, BStBl III 1967, 189). In Würdigung der bereits oben unter Abs. 2 dargelegten vertraglichen Bedingungen konnte das FG zu dem Ergebnis kommen, daß K., der formal als "Bauherr" aufgetreten sein mochte, praktisch die Stellung eines Bauunternehmers hatte, der die Gebäude nach Weisungen der Klägerin zu errichten hatte. Die Vereinbarung fester Preise oder einer Pauschalsumme steht dieser rechtlichen Betrachtung nicht entgegen (vgl. Staudinger-Riedel, 11. Aufl., Vorbem. vor § 631 BGB Tz. 20, § 650 BGB Tz. 2; Erman, 3. Aufl., § 632 Anm. 1). Ebenso konnten die Gebäude nur an die von der Klägerin bestimmten Käufer zu den von ihr festgelegten Preisen veräußert werden. Deshalb konnte das FG auch zu dem weiteren Ergebnis kommen, daß der Baukaufmann K. die Verwertungsbefugnis an den Gebäuden im Sinne des § 1 Abs. 2 GrESWG nicht besessen hat, da er die Möglichkeit der Einwirkung auf die Grundstückssubstanz und den Vorteil etwaiger Wertsteigerungen nicht hatte, wie sie der Senat zur Bejahung der Verwertungsbefugnis fordert (vgl. insoweit II 148/62 U vom 8. Dezember 1965, BFH 84, 411, BStBl III 1966, 148; II 10/63 vom 27. April 1966, BFH 85, 477, BStBl III 1966, 427).
Im übrigen hat der Senat in den o. a. Urteilen, besonders in dem Urteil II 66/57 U (a. a. O.), bei Begründung seiner Auffassung, daß der Erwerber das Gebäude (grundsätzlich) im eigenen Namen errichten müsse, lediglich ergänzend bemerkt, daß dies mit der Auslegung des - in § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 GrESWG übrigens nicht gebrauchten - Begriffs des Bauherrn im Schrifttum zum zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) übereinstimme. Die Begriffe Bauherr und Bauträger sind im Rahmen der Wohnungsgesetzgebung nicht gesetzlich abschließend bestimmt. Vergleichsweise wird bei Anwendung der §§ 7 b, 7 c EStG bisher der Begriff des Bauherrn nicht formal, sondern unter Würdigung des wirtschaftlichen Gesamtbildes verstanden. Dabei wird maßgeblich berücksichtigt, ob der Erwerber (quasi als "Herr des Baues") noch wesentlichen Einfluß auf Plangestaltung und Bauausführung nehmen kann (vgl. BFH-Urteile IV 231/62 vom 3. Dezember 1964, HFR 1965, 366; VI R 87/66 vom 22. Februar 1967, BFH 88, 179, BStBl III 1967, 316; Littmann, 8. Auflage, § 7 b EStG Tz. 85). ähnlich stellt die Finanzverwaltung auch im Rahmen der Grunderwerbsbesteuerung bei Beurteilung von sogenannten Baubetreuungsverträgen darauf ab, wer tatsächlich ("wirtschaftlich") als Bauherr anzusehen ist (vgl. Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 14. September 1962 S 4500 - 4 - V C 2, Deutsche-Verkehrsteuer-Rundschau 1962, 188).
Dem FG ist unter Berücksichtigung der besonderen Vertragsgestaltung im vorliegenden Fall nach allem im Ergebnis darin beizupflichten, daß es den Zweck der Steuerbefreiung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG weder durch - der Klägerin zuzurechnende - Errichtung der Wohnungen durch K. als gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESWG aufgegeben ansah - wie der Beklagte meint -, noch gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 GrESWG durch die Weiterveräußerung des Grundstücks mit den inzwischen errichteten steuerbegünstigten Wohnungen. Da die Errichtung dieser Wohnungen, wie gesagt, im obigen Sinne der Klägerin zuzurechnen ist, ändert sich hieran auch nichts dadurch, daß § 7 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG den Fortfall der Steuerbefreiung vorsieht, wenn der Grundstückserwerber das Bauvorhaben nicht innerhalb der Fünfjahresfrist durchgeführt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 412634 |
BStBl III 1967, 677 |
BFHE 1967, 485 |
BFHE 89, 485 |