Leitsatz (amtlich)
Erwirbt die Mutter, die mit ihrem verstorbenen Ehemann im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, die Erbschaft aber ausgeschlagen hat, ein Grundstück von der aus ihren Kindern bestehenden Erbengemeinschaft, so ist dieser Erwerbsvorgang gemäß § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbefreit. Die Befreiungsvorschriften des § 3 Nr. 3 Sätze 1 und 2 und des § 3 Nr. 5 GrEStG sind auch nicht entsprechend anwendbar.
Normenkette
GrEStG § 3 Nr. 3 Sätze 1-2, Nrn. 5-6
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin, mit dem sie in Zugewinngemeinschaft gelebt hatte, ist Ende 1964 verstorben. Die Klägerin hat die Erbschaft ausgeschlagen; Erben wurden die drei Kinder. Im September 1966 erwarb die Klägerin von der Erbengemeinschaft ein Grundstück zur Befriedigung ihres Ausgleichsanspruchs aus dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
Gegen die Grunderwerbsteuerfestsetzung machte die Klägerin geltend, der Erwerbsvorgang sei nach § 3 Nrn. 3 und 5 GrEStG steuerfrei. Unter "gütergemeinschaftlichem Vermögen" (§ 3 Nr. 3 Satz 2 GrEStG) sei auch das "Zugewinnvermögen" zu verstehen, "welches innerhalb der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft entstanden ist." Die Teilung des Zugewinns sei in gleicher Weise zu behandeln wie die "Teilung des Gesamtgutes" der Gütergemeinschaft (§ 3 Nr. 5 GrEStG). Jedenfalls greife § 3 Nr. 6 GrEStG ein, da die Miterben mit ihr in gerader Linie verwandt seien.
Das FG wies die Sprungklage ab.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Der Erwerbsvorgang ist nicht nach § 3 Nr. 3 oder Nr. 5 GrEStG, aber nach § 3 Nr. 6 GrEStG grunderwerbsteuerfrei.
1. Das FG hat richtig erkannt, daß die Vorschriften des § 3 Nrn. 3 und 5 GrEStG nicht anwendbar sind, da die Klägerin mit ihrem Ehemann nicht im Güterstand der ehelichen Gütergemeinschaft, sondern in dem der Zugewinngemeinschaft gelebt und die Erbschaft ausgeschlagen hat.
Nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG setzt die Steuerfreiheit des Erwerbs eines zum Nachlaß gehörigen Grundstücks zur Teilung des Nachlasses voraus, daß das Grundstück durch (einen oder mehrere) Miterben erworben wird. Das gilt auch im Falle der Zugewinngemeinschaft, wenn der überlebende Ehegatte sowohl hinsichtlich seines eigentlichen Erbteils (§ 1931 BGB) als auch seines Zusatzerbteiles (§ 1371 Abs. 1 BGB) bei einer Mehrheit von Erben (§ 2032 BGB) Miterbe geworden ist (vgl. Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 3 Tz. 90). Da die Klägerin die Erbschaft ausgeschlagen hat, hat sie rückwirkend ihre Stellung als Erbin verloren (§ 1953 Abs. 1 BGB). Neben der Ausgleichsforderung aus durch Tod aufgelöster Zugewinngemeinschaft (§ 1378 BGB) konnte sie zwar ihren Pflichtteil (§ 2303 BGB) verlangen (§ 1371 Abs. 2, 3 BGB). Als Pflichtteilsberechtigte war sie aber nicht mehr Erbin, also auch nicht Miterbin, so daß § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG nach seinem Wortlaut und auch nach seinem Zweck, die Aufteilung der (Zufalls-) Erbengemeinschaft zu erleichtern, nicht anwendbar ist (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Boruttau/Klein, a. a. O., § 3 Tz. 58).
2. Nach § 3 Nr. 3 Satz 2 GrEStG steht den Miterben der - also nicht Miterbe gewordene oder gebliebene - überlebende Ehegatte nur gleich, wenn er mit den Erben des verstorbenen Ehegatten "gütergemeinschaftliches Vermögen zu teilen" hat. Der Wortlaut dieser Vorschrift setzt eindeutig voraus, daß der überlebende Ehegatte als Nichterbe mit dem Erben seines verstorbenen Ehegatten Vermögen einer Gütergemeinschaft, also gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten, zu teilen hat. Als solches gemeinschaftliches - und zu teilendes - Vermögen (Gesamtgut) kam bis zum Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18. Juni 1957 (BGBl I, 609) das Gesamtgut der allgemeinen Gütergemeinschaft (§ 1438 BGB in der Fassung vor Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes; BGB alt), der Errungenschaftsgemeinschaft (§ 1519 BGB alt) und der Fahrnisgemeinschaft (§ 1549 BGB alt) und kommt nun das Gesamtgut der Gütergemeinschaft (§ 1416 BGB) in Betracht. Bei Auflösung der Ehe und damit - vorbehaltlich vereinbarter fortgesetzter Gütergemeinschaft (§ 1483 BGB) - der Gütergemeinschaft gehört der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut zum Nachlaß. Der verstorbene Ehegatte wird nach den allgemeinen Vorschriften beerbt (§ 1482 BGB). Die Erben des Verstorbenen haben sich also mit dem überlebenden Ehegatten über diesen Nachlaß auseinanderzusetzen (vgl. §§ 1471 ff. BGB; Palandt/Lauterbach, Bürgerliches Gesetzbuch, 31. Aufl., § 1471 Anm. 3, § 1482 Anm. 2). Wird in einem solchen Fall ein Grundstück, das zum Gesamtgut gehörte, zur Teilung des Nachlasses vom überlebenden Ehegatten zu Allein-(auch Mit-)Eigentum erworben, so ist dieser Erwerb nach § 3 Nr. 3 Satz 2 GrEStG steuerbefreit.
Wortlaut und Zweck des § 3 Nr. 3 GrEStG, die Aufhebung der Erbengemeinschaft als einer Zufallsgemeinschaft bzw. in diesem Rahmen die Auflösung von Gesamthandeigentum zu erleichtern, gestatten keine erweiternde Auslegung und Anwendung auf Fälle, in denen die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Bei diesem Güterstand sind das Vermögen des Mannes und das der Frau getrennte Vermögensmassen (§ 1363 Abs. 2 BGB). Es gibt kein gemeinschaftliches Vermögen; solches entsteht auch nicht bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch Tod (§ 1371 Abs. 1 BGB) oder auf andere Weise (§ 1372 BGB), auch nicht etwa zum Zwecke der Teilung. Mangels gütergemeinschaftlichen Vermögens findet eine Auseinandersetzung wie nach §§ 1471 ff. BGB nicht statt. Erforderlichenfalls ist nur zu klären, wem die einzelnen Gegenstände gehören bzw. gehörten (Palandt/Lauterbach, a. a. O., Grundzüge vor § 1363 Anm. 3). In den Fällen des § 1371 Abs. 2, 3, § 1372 BGB ist außerdem lediglich die in Geld bestehende Ausgleichsforderung zu ermitteln. Der Klägerin als Nichterbin war ein Anteil am Nachlaß ihres Ehemannes nicht zugefallen. "Gütergemeinschaftliches Vermögen" war mit den Erben nicht zu teilen. Die Übertragung des Nachlaßgrundstückes durch die Erbengemeinschaft auf die Klägerin ist somit auch dann kein der Teilung gütergemeinschaftlichen Vermögens vergleichbarer Vorgang, wenn dies in Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs und/oder des Ausgleichsanspruchs geschieht. Es handelt sich um einen Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, auf den § 3 Nr. 3 Satz 2 GrEStG nicht, und zwar auch nicht entsprechend anwendbar ist.
Die Gründe, aus denen sich eine ausdehnende Auslegung und Anwendung des § 3 Nr. 5 GrEStG auf Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft - als dem Wortlaut, dem Zweck und dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufend - verbietet, sind in dem Urteil des Senats vom 13. Januar 1970 II 132/65 (BFHE 98, 453, 457, BStBl II 1970, 440) dargelegt (vgl. auch Urteil vom 31. Mai 1972 II R 92/67, BFHE 106, 374, 376, BStBl II 1972, 836). Diese Gründe, auf die verwiesen wird, gelten bei insoweit gleicher Ausgangs- und Rechtslage auch für § 3 Nr. 3 Satz 2 GrEStG.
Betrifft § 3 Nr. 5 GrEStG schon nicht den Fall, in dem Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten, durch Rechtsgeschäft unter Lebenden ein Grundstück auf den anderen Ehegatten übertragen, so ist eine entsprechende Anwendung auch dieser Vorschrift erst recht dann nicht möglich, wenn das Grundstück bereits zum Nachlaß des verstorbenen Ehegatten und somit einer Erbengemeinschaft gehört.
3. Dagegen ist der Erwerb der Klägerin gemäß § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbefreit.
Die Erbengemeinschaft ist zwar grunderwerbsteuerrechtlich als selbständiger Rechtsträger zu behandeln (vgl. insoweit die Urteile des BFH vom 29. Januar 1964 II 174/63 U, BFHE 78, 413, 415, BStBl III 1964, 160; vom 10. Juni 1964 II 30/61 U, BFHE 80, 32, 37, BStBl III 1964, 486 mit weiteren Nachweisen). Sie kann auch formalbegrifflich nicht selbst mit natürlichen Personen "verwandt" sein. An der - im folgenden Urteil II 142/63 zitierten - Rechtsprechung aber, daß § 3 Nr. 6 GrEStG bloß aus diesem Grunde nicht eingreife, hat der Senat bereits in dem Urteil vom 25. Februar 1969 II 142/63 (BFHE 95, 292, 296, BStBl II 1969, 400) für den Fall nicht festgehalten, daß bei Auflösung einer zweigliedrigen, aus Vater und Sohn bestehenden OHG ein Grundstück in das Alleineigentum des Übernehmenden übergeht. Auch das Eigentum der Erbengemeinschaft ist Eigentum der Miterben, wenn auch in gesamthänderischer Bindung. Der Grundsatz der selbständigen Rechtsträgerschaft der Erbengemeinschaft für das Grunderwerbsteuerrecht findet also dort seine Grenze, wo es das Wesen dieser Gemeinschaft als eines letztlich personenrechtlichen Verhältnisses und der Sinn und der Zweck der jeweils in Betracht kommenden Grunderwerbsteuervorschrift fordern (vgl. für den Begriff des "Vertriebenen" schon das Urteil vom 21. März 1968 II 109/64, BFHE 92, 517, BStBl II 1968, 619). Jedenfalls müssen die personenbezogenen Eigenschaften, die bei den an der Gemeinschaft Beteiligten vorliegen, auch der Gemeinschaft zugerechnet werden. Wie bei der OHG, so ist auch bei der Erbengemeinschaft ein Grundstücksübergang jedenfalls dann in vollem Umfang gemäß § 3 Nr. 6 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn alle am Erwerbsvorgang auf der Veräußererseite Beteiligten in gerader Linie mit dem Erwerber verwandt sind. Das trifft für die Klägerin zu, da sie mit ihren in Erbengemeinschaft verbundenen Kindern in gerader Linie verwandt ist (§ 1589 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Demgemäß waren das Urteil des FG und der Steuerbescheid des Finanzamts aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 70360 |
BStBl II 1973, 365 |
BFHE 1973, 268 |