Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine § 7 b-Absetzungen für Zweifamilienhaus, das baurechtswidrig als Mehrfamilienhaus genutzt wird
Leitsatz (NV)
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel, daß für ein Gebäude, das als Zweifamilienhaus genehmigt worden ist, das jedoch entgegen den bauordnungsrechtlichen Vorschriften als Mehrfamilienhaus genutzt wird, keine erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG in Anspruch genommen werden können.
Normenkette
EStG § 7b Abs. 1; BewG § 75 Abs. 6; AO 1977 § 361 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, erwarben im Jahre 1983 ein Wohnhaus, das sie anschließend zum Teil selbst nutzten und zum Teil vermieteten. Zum Zeitpunkt des Erwerbs hatte das Haus drei abgeschlossene Wohnungen, darunter eine vermietete Wohnung im Keller geschoß. Das Gebäude war baurechtlich als Zweifamilienhaus genehmigt worden. Dem damaligen Bauherrn war lediglich die Nutzung zweier Räume des Kellergeschosses zu Wohnzwecken (Schlafräume) genehmigt worden, nicht jedoch -- entsprechend seinem Antrag -- das Einrichten und Nutzen einer Küche.
Die Kläger begehrten bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre (1985 bis 1987) den Abzug erhöhter Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die beantragten Absetzungen zunächst gewährt hatte, versagte er den Abzug in nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheiden. Die Kläger hätten ein Mehrfamilienhaus und somit kein nach § 7 b EStG begünstigtes Objekt erworben. Gegen die Änderungsbescheide legten die Kläger Einspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist. Außerdem beantragten sie Aussetzung der Vollziehung.
Die gegen die ablehnenden Entscheidungen des FA und der Oberfinanzdirektion erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) führte die tatsächliche Nutzung des Kellergeschosses als Wohnung nicht dazu, das Gebäude deshalb als Mehrfamilienhaus zu beurteilen. Die Nutzung müsse auch baurechtlich zulässig sein.
Gegen die Entscheidung des FG wendet sich das FA mit der Revision, mit der es Verletzung des § 7 b EStG sowie der §§ 40 und 361 AO 1977 rügt. Es sei nicht ernstlich zweifelhaft, das Gebäude im Hinblick auf die Wohnung im Kellergeschoß als Mehrfamilienhaus anzusehen. Es komme nicht darauf an, ob die Wohnung baurechtlich zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet sei.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Unrecht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide im Hinblick auf den umstrittenen Abzug nach § 7 b EStG bejaht.
Nach § 361 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 soll die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, auf Antrag die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570; vom 12. November 1992 XI B 69/92, BFHE 170, 106, BStBl II 1993, 263; Senatsurteil vom 7. Juni 1994 IX R 141/89, BFHE 174, 446, BStBl II 1994, 756). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß die ohne entsprechende baurechtliche Genehmigung zu Wohnzwecken genutzten Räume als Wohnung anzusehen sind, und daß die Kläger dementsprechend ein nicht nach § 7 b EStG begünstigtes Mehrfamilienhaus erworben haben.
Nach § 7 b Abs. 1 EStG können bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen für im Inland belegene Zweifamilienhäuser erhöhte Absetzungen von bis zu 5 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgezogen werden. Bei der Abgrenzung eines Zweifamilienhauses von einem Mehrfamilienhaus ist auf den Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 19. September 1991 IX R 69/86, BFH/NV 1992, 236 m. w. N.); es besteht keine Bindung an die Artfeststellung im Einheitswertbescheid (Senatsurteil vom 21. Oktober 1986 IX R 55/82, BFHE 148, 267, BStBl II 1987, 210).
Zweifamilienhäuser sind Wohngrundstüke, die nur zwei Wohnungen enthalten (§ 75 Abs. 6 des Bewertungsgesetzes). Eine Wohnung ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 III R 71/83, BFHE 143, 74, BStBl II 1985, 582). Dazu gehört das Vorhandensein einer Küche (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 III R 82/84, BFHE 144, 76, BStBl II 1985, 497).
Im Streitfall hatte das Gebäude der Kläger zum Zeitpunkt der Anschaffung drei Wohnungen; die fraglichen Räume ermöglichten jeweils die Führung eines selbständigen Haushalts. Der Rechtsstreit erfordert nicht die Entscheidung der Frage, ob Gebäude oder Gebäudeteile, die ohne entsprechende baurechtliche Genehmigung errichtet worden sind oder genutzt werden, generell von der Begünstigung nach § 7 b EStG ausgeschlossen sind (gegen eine Förderung sog. Schwarzbauten nach § 7 b EStG: Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 7 b EStG Rz. 102; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 7 b Anm. 5 h; Boeker in Lademann/Söffing, Einkommensteuergesetz, § 7 b Anm. 57, N. Meier, Finanzrundschau -- FR -- 1986, 261; zweifelnd: Handzik in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 7 b Rdnr. 50 a: a. A. FG Saarland vom 18. Dezember 1985 I 56/84, Entscheidungen der Finanzgerichte 1986, 390; Stuhrmann in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Einkommensteuergesetz, § 7 b Rz. 5 c; Urban, FR 1986, 533). Eine Förderung nach § 7 b EStG kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn ein Gebäude -- wie im Streitfall -- bei seiner Anschaffung tatsächlich als Mehrfamilienhaus genutzt wird. In einem solchen Fall kann sich ein Steuerpflichtiger nicht auf die Baurechtswidrigkeit der Nutzung berufen.
Das FG ist von einer anderen Rechtsauf fassung ausgegangen. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 420472 |
BFH/NV 1995, 767 |
BFH/NV 1995, 768 |