Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietverträge unter nahen Angehörigen
Leitsatz (NV)
1. Ein unter nahen Angehörigen abgeschlossener Mietvertrag ist steuerrechtlich nicht anzuerkennen, wenn keine klare Vereinbarung über die Tragung der Nebenkosten getroffen worden ist.
2. Die Leistung einer erheblichen, vertraglich nicht geschuldeten Mietvorauszahlung führt ebenfalls zur Nichtanerkennung eines Mietvertrages unter nahen Angehörigen.
3. Die Grundsätze zur Anerkennung von Darlehensverträgen unter nahen Angehörigen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 150/85, BFHE 165, 53, BStBl II 1991, 838) sind auf Mietverträge nicht übertragbar.
Normenkette
EStG §§ 21, 21a Abs. 1 Sätze 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eigentümer eines im Jahre 1983 fertiggestellten Zweifamilienhauses. Eine Wohnung nutzten sie selbst, die andere vermieteten sie an die Mutter der Klägerin. Hierzu schlossen sie mit der Mieterin einen vom 24. Dezember 1983 datierten Vertrag, in dem eine Monatsmiete von 281,75 DM vereinbart wurde. Der Vertragsvordruck enthält keine Eintragungen über die Nebenkosten. Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1983 hatten die Kläger eine Bescheinigung der Mieterin vorgelegt, derzufolge diese den Klägern Ende 1983 eine Mietvorauszahlung von 10 000 DM gegeben habe, die auf die Kaltmiete angerechnet werden sollte. Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr (1987) gaben die Kläger Einnahmen aus der vermieteten Wohnung von 3 381 DM an und errechneten einen Werbungskostenüberschuß von 29 591 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) erkannte den Mietvertrag nicht an. Er setzte keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an, sondern ließ in der Einspruchsentscheidung nur einen Betrag von 7 500 DM, der den erhöhten Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Berlinförderungsgesetzes entsprach, wie Sonderaus gaben zum Abzug zu (§ 52 Abs. 21 Satz 4 EStG).
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bezweifelte zwar, ob der Mietvertrag dem Vergleich mit einem unter fremden Dritten abgeschlossenen Vertrag standhielte. Entscheidend sei jedoch, daß der Vertrag tatsächlich durchgeführt worden und deshalb steuerrechtlich anzuerkennen sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich das FA mit der Revision.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben sich nicht geäußert.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 15. Oktober 1992 einen Änderungsbescheid erlassen, in dem es die Steuer hinsichtlich einzelner Besteuerungsgrundlagen vorläufig festgesetzt hat (§ 165 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Die Kläger haben den Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht (§§ 121, 123 Satz 2, § 68 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat rechtsfehlerhaft den zwischen den Klägern und der Mutter der Klägerin abgeschlossenen Mietvertrag steuerrechtlich anerkannt. Da die Einkünfte damit im maßgeblichen Veranlagungszeitraum 1986 nach § 21 Abs. 2, § 21 a EStG zu pauschalieren waren, können die Kläger nicht im Rahmen der sog. großen Übergangsregelung (§ 52 Abs. 21 Satz 2 EStG) die Nutzungswertbesteuerung fortführen und die Vermietungseinkünfte im Streitjahr durch Überschußrechnung ermitteln.
1. Nach § 21 a Abs. 1 Satz 2 EStG ist -- nach Maßgabe der Übergangsregelung in § 21 a Abs. 7 EStG -- der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung auch bei einer Wohnung im eigenen Haus, das kein Einfamilienhaus ist, pauschal zu ermitteln. Der Ansatz eines pauschalierten Nutzungswertes entfällt nach § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG, wenn der Steuerpflichtige mindestens eine Wohnung zur dauernden Nutzung vermietet hat oder innerhalb von sechs Monaten nach Fertigstellung oder Anschaffung des Hauses zur dauernden Nutzung vermietet. Liegen diese Voraussetzungen vor, so sind die Einkünfte gemäß § 21 Abs. 1 und 2 EStG durch Überschußrechnung zu ermitteln.
a) Ein steuerrechtlich nicht anzuerkennender Mietvertrag begründet keine Vermietung zur dauernden Nutzung i. S. des § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG (Senats urteil vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75). Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in bezug auf die vermietete Wohnung sind in diesem Fall so anzusetzen, als ob der Steuerpflichtige die Wohnung selbst genutzt hätte (Senatsurteile vom 31. März 1992 IX R 299/87, BFH/NV 1992, 656; vom 25. Mai 1993 IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834).
Ein Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen ist der Besteuerung grundsätzlich nur dann zugrunde zu legen, wenn der Mietvertrag bürgerlich-rechtlich wirksam ab geschlossen worden ist und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (Senatsurteile in BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75; in BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
b) Aus dem Mietvertrag vom 24. Dezember 1983 ist nicht zu ersehen, ob die vereinbarte Monatsmiete von 281,75 DM die Nebenkosten beinhaltet oder nicht. Aus der bei der Einkommensteuerveranlagung 1983 und im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegten Bestätigung der Mutter der Klägerin geht hervor, daß die Mietvorauszahlung von 10 000 DM auf die Kaltmiete angerechnet werden sollte. Hingegen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem FG behauptet, die Monatsmiete habe auch Nebenleistungen wie Warmwasser und Heizung umfaßt. Fremde Vertragsparteien hätten hierüber eine klare Vereinbarung getroffen (Senatsurteil vom 22. Juni 1993 IX R 19/89, BFH/NV 1994, 96). Unüblich ist auch die Leistung einer Mietvorauszahlung für mehrere Jahre ohne vertragliche Verpflichtung. Außerdem wurde die Vorauszahlung nach den Feststellungen des FG nicht genau mit den vertraglich zu leistenden monatlichen Mietzahlungen abgeglichen.
c) Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz kann aus dem Senatsurteil vom 4. Juni 1991 IX R 150/85 (BFHE 165, 53, BStBl II 1991, 838) nicht geschlossen werden, daß ein unter nahen Angehörigen abgeschlossener Mietvertrag grundsätzlich auch dann anzuerkennen ist, wenn einzelne Vertragsbedingungen nicht dem Fremdvergleich standhalten, sofern der Mietvertrag tatsächlich durchgeführt worden ist. Die Entscheidung betrifft eine Darlehensvereinbarung unter nahen Angehörigen. Auf ein derartiges Darlehen lassen sich wegen der unterschiedlichen Interessenlage die Rechtsprechungsgrundsätze zum Fremdvergleich bei Mietverträgen unter nahen Angehörigen nicht uneingeschränkt übertragen. Eine Vereinbarung über das Tragen der Nebenkosten war unverzichtbar. Darüber hinaus wurde der Mietvertrag nicht entsprechend seinen Bestimmungen durchgeführt.
Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 65107 |
BFH/NV 1995, 674 |