Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung grundsätzlich nur bei Einmalzahlung
Leitsatz (NV)
Wird eine Entschädigung in einem festen Betrag und in laufenden Beträgen über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren ausgezahlt, ist der Steuersatz nicht zu ermäßigen.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, b, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Auslegung des Begriffs ,,außerordentliche Einkünfte" i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der im Jahre 1929 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in der Zeit vom 1. April 1976 bis 31. März 1985 als leitender Angestellter bei der Fa. X beschäftigt.
Im Zuge der Auflösung der vom Kläger geleiteten Abteilung unterzeichnete er im Januar 1985 eine Vereinbarung über sein Ausscheiden aus dem aktiven Dienst. Neben der Beendigung des Dienstverhältnisses zum 31. März 1985 war darin u.a. geregelt, daß der Kläger bei seinem Ausscheiden ,,als Abgeltung für die Auflösung des Angestelltenverhältnisses" eine als Abfindung bezeichnete Zahlung in Höhe von 356000 DM erhielt. Des weiteren verpflichtete sich die Fa. X für die Zeit vom 1. April 1985 bis 31. Januar 1992 zu laufenden monatlichen Zahlungen in Höhe von 9165 DM (mit Anpassungsklausel), für die Zeit ab 1. Februar 1992 zu Ruhegehaltszahlungen.
In seiner Einkommensteuererklärung 1985 machte der Kläger neben der Steuerfreiheit des § 3 Nr.9 EStG in Höhe von 24000 DM die Besteuerung des steuerpflichtigen Teils der Abfindung (356000 DM abzüglich 24000 DM = 332000 DM) gemäß § 24 Nr.1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 und 2 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte den ermäßigten Steuersatz unter Hinweis auf die vereinbarten Teilleistungen.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Der Billigkeitsgehalt des § 34 EStG lasse Raum für besondere Sachverhaltsgestaltungen, in denen ein Härteausgleich geboten sei, auch wenn die begünstigungsfähigen Einkünfte nicht in einem Betrag zuflössen. In vergleichbarer Weise komme bei einer Betriebsveräußerung § 34 EStG auch dann zum Zuge, wenn neben einem festen Entgelt laufende Bezüge vereinbart seien (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. September 1967 IV 288/62, BFHE 90, 324, BStBl II 1968, 76, und vom 20. Dezember 1988 VIII R 110/82, BFH/NV 1989, 630). Der im Streitjahr zugeflossene Betrag von 356000 DM stelle in geradezu exemplarischer Weise einen ,,einmaligen größeren Betrag" dar, der ,,entgehende Einnahmen mehrerer Jahre" abgelte und sowohl von seiner (absoluten) Größenordnung wie auch im Verhältnis zu den laufenden Einkünften des Klägers dessen nachhaltige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit deutlich überrage. Die dadurch ausgelöste erhöhte Steuerbelastung erscheine somit grob unbillig und sei durch Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auszugleichen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr.2 EStG und führt aus, daß außerordentliche Einkünfte nur dann gegeben seien, wenn in einem Veranlagungszeitraum ein einmaliger größerer Betrag zufließe, der eine Zusammenballung von Einnahmen darstelle, die sich bei normalem Verlauf auf eine Mehrzahl von Jahren verteilt hätten. Sei - wie im Streitfall - von vornherein eine Verteilung der Entschädigungsleistungen auf mehrere Jahre vorgesehen, fehle es an einer Zusammenballung. Ungeachtet der Anpassungsklausel hätten sich die zusätzlichen Leistungen auf ein Mehrfaches des Einmalbetrages belaufen, nämlich mindestens auf 752000 DM. Mit den in der BFH-Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefällen sei die vorliegende Fallkonstellation nicht vergleichbar.
Nach Auffassung des Klägers interpretiere das FA in den Tatbestand des § 34 EStG ein weiteres Tatbestandsmerkmal (,,keine über den Einmalbetrag hinausgehenden Zahlungen") hinein, das in § 34 EStG nicht enthalten sei. Allein entscheidend sei, daß der einmalige größere Zufluß eine Zusammenballung von Einnahmen darstelle, die sich bei normalem Verlauf auf eine Mehrzahl von Jahren verteilt hätten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung.
1. Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG sind nur gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch diese Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen.
Die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG bezweckt, die Härten auszugleichen, die sich aus der progressiven Besteuerung der Entschädigung ergeben (vgl. Urteile des BFH vom 21. Juni 1990 X R 45/86, BFH/NV 1991, 88, und vom 2. September 1992 XI R 63/89, BFH/NV 1993, 23, jeweils m.w.N.). Dementsprechend liegen außerordentliche Einkünfte grundsätzlich nur dann vor, wenn die Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, vollständig in einem Betrag gezahlt wird (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 1991 XI R 9/90, BFH/NV 1992, 102) oder wenn die Entschädigung nur Einnahmen eines Jahres ersetzt, sofern sie im Jahr der Zahlung mit weiteren Einkünften zusammenfällt und der Steuerpflichtige im Jahr der entgangenen Einnahmen keine weiteren (nennenswerten) Einnahmen gehabt hat (vgl. BFH-Urteile vom 12. März 1975 I R 180/73, BFHE 115, 261, BStBl II 1975, 485; in BFH/NV 1993, 23).
Wird die Entschädigung in zwei Veranlagungszeiträumen ausgezahlt, läßt die Rechtsprechung die Steuerermäßigung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 1990 X R 210/87, BFH/NV 1990, 772).
Zwar können sich auch bei einer Zahlung in zwei - oder auch weiteren - Veranlagungszeiträumen Progressionsbelastungen ergeben. Diese Belastungen müssen aber in Kauf genommen werden, da anderenfalls der Grundsatz, daß nur einmalige Zuflüsse außerordentliche Einkünfte bilden, aufgegeben würde und eine Grenze zwischen diesen und den nach dem ordentlichen Tarif zu versteuernden Einkünften nicht mehr gezogen werden könnte (so bereits Urteil des Reichsfinanzhofs vom 20. Februar 1941 IV 278/40, RStBl 1941, 442).
Im Streitfall haben sich die vereinbarten Zahlungen, die als einheitliche Entschädigung zu beurteilen sind und auf ein und demselben Rechtsgrund beruhen, über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren erstreckt. Selbst unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle können weder die zugeflossenen Zahlungen insgesamt noch die im Streitjahr ausgezahlte ,,Abgeltung für die Auflösung des Angestelltenverhältnisses" isoliert als außerordentliche Einkünfte beurteilt werden.
2. Der Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung zur Tarifbegünstigung von Veräußerungsgewinnen (BFH-Urteile in BFHE 90, 324, BStBl II 1968, 76, und in BFH/NV 1989, 630) und auf Abschn. 139 Abs. 12 Satz 9 der Einkommensteuer-Richtlinien 1990 kann dem Begehren des Klägers nicht zum Erfolg verhelfen. Der dem Urteil in BFHE 90, 324, BStBl II 1968, 76 zugrunde liegende Sachverhalt stellt - wie in dem Urteil selbst ausgeführt ist - einen Sonderfall dar, der durch die Schwierigkeiten verursacht ist, die bei einer Kapitalisierung des Rentenrechts entstehen würden (vgl. auch BFH-Urteil vom 3. August 1966 IV 350/62, BFHE 86, 733). Eine derartige Konstellation ist im Streitfall nicht gegegeben, so daß die dargestellten Grundsätze nicht übertragen werden können.
3. Schließlich erlaubt der Billigkeitscharakter des § 34 EStG nicht, die Tarifermäßigung über die gesetzlich normierten Tatbestände hinaus auf im Einzelfall für unbillig gehaltene Fälle auszudehnen.
Fundstellen
Haufe-Index 418970 |
BFH/NV 1993, 413 |