Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bewertung eines Zweifamilienhauses im Sachwertverfahren gegeben sind, ist nach den Verhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt (1.Januar 1964) zu beantworten.
Normenkette
BewG 1974 §§ 22, 27, 76 Abs. 1, 3, § 79 Abs. 5
Tatbestand
Die Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks X. Da sie im Jahre 1971 auf dem Grundstück ein Wohngebäude mit einer Wohnung errichteten, nahm das Finanzamt (FA) zum 1.Januar 1974 eine Nachfeststellung vor. Es stellte die Grundstücksart Einfamilienhaus und im Ertragswertverfahren den Einheitswert auf 102 600 DM fest.
Das Wohngebäude wurde im Jahre 1981 umgebaut. Am 2.Januar 1985 führte das FA eine Ortsbesichtigung durch, die vorrangig der Frage dienen sollte, ob das Wohngrundstück im Ertragswert- oder im Sachwertverfahren zu bewerten sei. Mit Art- und Wertfeststellungsbescheid auf den 1.Januar 1982 stellte das FA die Grundstücksart Zweifamilienhaus und den Einheitswert (ermittelt im Ertragswertverfahren) auf 95 000 DM fest. Mit einem weiteren Bescheid vom 18.April 1985 nahm das FA eine auf § 22 Abs.3 und 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) gestützte Wertfortschreibung auf den 1.Januar 1985 vor. Es ermittelte nunmehr den Einheitswert im Sachwertverfahren und stellte ihn auf 259 300 DM fest. Die zur wirtschaftlichen Einheit gehörende Grundstücksfläche nahm es dabei --wie schon im Bescheid vom 18.März 1985-- mit 3 182 qm an.
Der gegen den Wertfortschreibungsbescheid gerichtete Einspruch der Kläger blieb erfolglos.
Mit der Klage begehrten die Kläger die Aufhebung des Wertfortschreibungsbescheids und der Einspruchsentscheidung. Unter anderem führten sie aus, die Grundstücksgröße sei vom FA fehlerhaft angenommen, sie liege mit nur 2 181 qm unter dem Schwellenwert von 2 400 qm.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale "besondere Gestaltung oder Ausstattung" in § 76 Abs.3 Nr.1 BewG komme es nicht auf die Verhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (1.Januar 1964), sondern auf die Verhältnisse am Bewertungsstichtag (1.Januar 1982) an. Es hat --bezogen auf die Verhältnisse am 1.Januar 1982-- einen Fehler verneint. An einem einwandfrei feststellbaren Fehler mangle es auch, weil im Anschluß an die Ortsbesichtigung die Bewertung auf den 1.Januar 1982 noch im Ertragswertverfahren stattgefunden habe.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.
1. Soweit das FG meint, daß auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen Bewertungsverfahren (§ 76 Abs.1 BewG einerseits und Abs.3 Nr.1 andererseits) von Bedeutung sei, hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 10.Februar 1987 1 BvL 18/81, 20/82 (BStBl II 1987, 240) die Verfassungsmäßigkeit bejaht. Davon hat auch der erkennende Senat auszugehen.
2. Unzutreffend hat das FG im Zuge der Prüfung der Voraussetzungen des § 22 Abs.3 BewG darauf abgestellt, ob die Bewertung des Grundstücks im Ertragswertverfahren einen Rechtsfehler darstelle, sei nach den Verhältnissen vom 1.Januar 1982 zu beurteilen.
Der Wert eines Zweifamilienhauses ist grundsätzlich im Wege des Ertragswertverfahrens (§§ 78 bis 82 BewG) zu ermitteln (§ 76 Abs.1 BewG). Bei Zweifamilienhäusern, die sich durch besondere Gestaltung oder Ausstattung wesentlich von den nach § 76 Abs.1 BewG zu bewertenden Zweifamilienhäusern unterscheiden, ist jedoch abweichend davon nach § 76 Abs.3 Nr.1 BewG das Sachwertverfahren anzuwenden. Die grundsätzliche Maßgeblichkeit des Ertragswertverfahrens für die Bewertung solcher Wohngrundstücke ist von der Überlegung getragen, daß es sich bei diesen Häusern meist um kleine, einfach ausgestattete Wohngebäude oder serienmäßig hergestellte Häuser handelt (so schon Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Juli 1971 III R 86/69, BFHE 103, 213, BStBl II 1971, 797). Die gesetzliche Anordnung von zwei Bewertungsmaßstäben beruht auf der Erwägung, daß sich zwar für die meisten, aber nicht für alle Zweifamilienhäuser eine übliche Jahresmiete verhältnismäßig unschwer ermitteln oder anhand ausreichender Kriterien vermieteter Vergleichsobjekte schätzen läßt (vgl. BFH-Urteil vom 12.Februar 1986 II R 192/78, BFHE 146, 96, 99, BStBl II 1986, 320, m.w.N.). Die beiden Wertfindungsmethoden dienen dazu, dem Gleichheitsgebot des Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes zu entsprechen.
Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 76 Abs.3 Nr.1 BewG für die Bewertung im Sachwertverfahren gegeben sind, ist eine Frage der Wertverhältnisse. Sie steht deshalb gleicherweise unter dem Gebot der Maßgeblichkeit der Verhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt des § 27 BewG, wie auch § 79 Abs.5 BewG bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen für die Höhe der Miete die Geltung der Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt vorschreibt (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 24.September 1985 II R 238/82, BFHE 145, 87, BStBl II 1986, 46). Die wesentliche Abweichung in Gestaltung oder Ausstattung von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Zweifamilienhäusern beinhaltet zwingend die Aussage, daß sich für das Bewertungsobjekt die im Hauptfeststellungszeitpunkt übliche Miete nicht schätzen läßt.
3. Soweit das FG das Vorliegen eines Fehlers mit dem Argument verneint, nach der Ortsbesichtigung von 1985 habe das FA zum 1.Januar 1982 nochmals die Wertermittlung im Ertragswertverfahren vorgenommen, verkennt es die Wirkungsweise des § 22 Abs.4 BewG. Fortschreibungszeitpunkt wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (hier: Baumaßnahmen des Jahres 1981) ist der Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt (§ 22 Abs.4 Satz 3 Nr.1 BewG). Fortschreibungszeitpunkt für die fehlerbeseitigende Fortschreibung nach § 22 Abs.3 BewG ist nach § 22 Abs.4 Satz 3 Nr.2 BewG frühestens der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler der Finanzbehörde bekannt wird.
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine eigenen Feststellungen über die Gestaltung oder Ausstattung des Wohngrundstücks der Kläger getroffen, die dem Senat eine abschließende Prüfung ermöglichen könnten.
Fundstellen
Haufe-Index 61853 |
BStBl II 1987, 841 |
BFHE 151, 88 |
BFHE 1988, 88 |