Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei der Verpachtung abnutzbaren Anlagevermögens mit Substanzerhaltungspflicht des Pächters stehen dem Verpächter die Absetzungen für Abnutzung sowohl an den im Zeitpunkt des Pachtbeginns vorhandenen als auch an den ersatzbeschafften Anlagegütern zu.
Der Verpächter hat den gegen den Pächter gerichteten Anspruch auf Substanzerhaltung laufend mit dem Teilwert am Bilanzstichtag zu aktivieren. Bei der Betriebsaufspaltung müssen die Substanzerhaltungsrückstellung des Pächters und der aktivierte Substanzerhaltungsanspruch des Verpächters gleich hoch sein.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 1, § 7
Tatbestand
Streitig ist, ob bei einer Betriebsspaltung die bei der Betriebs- GmbH durch eine Rückstellung berücksichtigte Verpflichtung, die von der Besitzfirma (Bg.) gepachteten Maschinen laufend zu erneuern und technisch auf dem neuesten Stand zu halten, bei der Besitzfirma insoweit eine Aktivierungspflicht begründet, als in der Erneuerungsrückstellung der GmbH der fortschreitenden Preiserhöhung Rechnung getragen worden ist. Das Finanzamt hat das unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 44/57 U vom 13. Januar 1959 (BStBl 1959 III S. 197, Slg. Bd. 68 S. 515), das die gleiche Frage für ein Sachwertdarlehen behandelt, bejaht und dem Betriebsergebnis des Bg. für das Streitjahr 1960 einen Betrag von 10 600 DM zugesetzt. Die Sprungberufung des Bg. führte zur Verneinung der Aktivierungspflicht.
Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung wie folgt. Grundsätzlich dürften nichtrealisierte Gewinne in der Bilanz nicht ausgewiesen werden. Die Bildung einer die Preissteigerung berücksichtigenden Erneuerungsrückstellung bei der Betriebs-GmbH führe bei der Besitzfirma nicht zu einer Gewinnrealisierung. Die Rückstellung sei nach den jeweiligen Wiederbeschaffungskosten zu bemessen; das habe beim Pächter eine höhere Gewinnminderung zur Folge als - ohne die Verpachtung - die Absetzung für Abnutzung (AfA) beim Verpächter ausmachen würde. Hieran ändere auch der Umstand nichts, daß Pächter und Verpächter wirtschaftlich identisch seien.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs I 44/57 U lasse sich auf den Streitfall nicht anwenden, da es einmal Wirtschaftsgüter des Umlaufs- nicht des Anlagevermögens betreffe, zum anderen darauf abstelle, daß Vereinbarungen dieser Art zwischen Fremden für gewöhnlich nicht getroffen würden. Im Gegensatz dazu seien Erneuerungsverpflichtungen der hier vereinbarten Art bei der Verpachtung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unter Fremden üblich, wirtschaftlich vernünftig und nicht von gesellschaftsrechtlichen Erwägungen bestimmt. Ob die Verpächterin einen höheren Wert zurückerhalte, als sie bei Pachtbeginn hingegeben habe, könne erst bei Beendigung des Pachtverhältnisses beurteilt werden; bis dahin sei eine Gewinnrealisierung nicht gegeben. Eine Ausdehnung der vom Bundesfinanzhof für Sachwertdarlehen entwickelten Grundsätze auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens würde die mit dem Institut der Betriebsaufspaltung gewonnenen Vorteile wieder beseitigen.
Hiergegen wendet sich der Vorsteher des Finanzamts mit dem Rb. Er hält die Grundsätze der Urteile des Reichsfinanzhofs I A 111/36 vom 26. Januar 1937 (RStBl 1937 S. 503) und des Bundesfinanzhofs IV 511/55 U vom 7. März 1957 (BStBl 1957 III S. 392, Slg. Bd. 65 S.413) für anwendbar.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sprungberufung des Bg. als unbegründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 44/57 U unmittelbar auf die Fälle der Verpachtung von Anlagevermögen mit Substanzerhaltungspflicht des Pächters angewandt werden können. Die Aktivierung des Ersatzbeschaffungsanspruchs des Verpächters ergibt sich nach Grund und Ausmaß aus allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen.
Im Urteil I 51/61 S vom 2. November 1965 (BStBl 1966 III S. 61) legte der I. Senat des Bundesfinanzhofs dar, daß bei übernahme der Substanzerhaltungspflicht durch den Pächter dieser die übernommenen und die in Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung ersatzbeschafften Wirtschaftsgüter weder in seine Bilanz aufnehmen noch von ihnen abschreiben darf. Der Pächter hat wegen seiner Substanzerhaltungsverpflichtung eine Rückstellung zu bilden, deren Höhe durch die Abnutzung der gepachteten Wirtschaftsgüter während der Pachtzeit und durch die Wiederbeschaffungskosten am jeweiligen Bilanzstichtag bestimmt wird. Die Auffassung gründet sich darauf, daß der Verpächter nicht nur bürgerlich-rechtlicher, sondern auch wirtschaftlicher Eigentümer sowohl der im Zeitpunkt der Verpachtung vorhandenen als auch der auf Grund der Substanzerhaltungspflicht des Pächters ersatzbeschafften Wirtschaftsgüter bleibt und wird.
Hieraus ergibt sich, daß der Pächter keine AfA am gepachteten und für den Verpächter ersatzbeschafften Anlagevermögen vornehmen kann. Die Befugnis zur AfA steht dem Verpächter zu. Er muß sie auch ausüben. Denn die verpachteten Wirtschaftsgüter werden als solche abgenutzt. Der Verpächter hat jedoch einen Anspruch gegen den Pächter auf Substanzerhaltung, d. h. auf jeweilige Neuanschaffung der durch Verbrauch oder überalterung ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter. Diesen Anspruch muß er laufend am jeweiligen Bilanzstichtag mit dem Betrag in der Bilanz ausweisen, den er unter der Annahme der Pachtbeendigung an diesem Tage hat. Das ist der jeweils am Bilanzstichtag geltende Wiederbeschaffungswert, den auch der Pächter der Berechnung seiner Rückstellung zugrunde legt. Der Grundsatz, daß nicht realisierte Gewinne nicht ausgewiesen werden dürfen, steht dieser Bilanzierung nicht entgegen. Eine Nichtbeachtung dieses Grundsatzes liegt im allgemeinen nur vor, wenn der Kaufmann einen vorgeschriebenen Höchstwert überschreitet und z. B. entgegen der Vorschrift des § 6 Abs. 1 letzter Satz EStG in einer späteren Bilanz trotz Nämlichkeit des zu bewertenden Wirtschaftsgutes über den Bilanzsatz einer vorangegangenen Bilanz hinausgeht, oder wenn er, obwohl das Wirtschaftsgut zwingend mit den Anschaffungskosten oder mit einem niedrigeren Teilwert zu bewerten ist, den am Bilanzstichtag höheren Teilwert ansetzt. Von einem nicht realisierten, durch diese Bilanzierung ausgewiesenen Gewinn könnte höchstens dann gesprochen werden, wenn man die auf das einzelne Jahr entfallenden Teile des Ersatzanspruchs des Verpächters je für sich als selbständige Wirtschaftsgüter betrachtet, die in späteren Bilanzen infolge Steigens der Ersatzbeschaffungskosten mit höheren Werten angesetzt werden. Eine solche Zerlegung des einheitlichen Ersatzbeschaffungsanspruchs ist jedoch nicht gerechtfertigt. Es muß vielmehr an jedem Bilanzstichtag der bis dahin entstandene Teil des Ersatzbeschaffungsanspruchs als Einheit betrachtet und jeweils neu bewertet werden. Dieser Teil ist jeweils substanz- und mengenmäßig ein anderes Wirtschaftsgut als die in vorhergehenden Bilanzen aktivierten Teilansprüche.
Das Urteil I 51/61 S weist mit Recht darauf hin, daß das verpachtete Betriebsvermögen in der Regel auch gebrauchte Wirtschaftsgüter enthält. Der Pächter muß dem bei Bildung der Rückstellung Rechnung tragen und darf diese nur bis zu einem Betrag ansammeln, der dem Neupreis der Ersatzwirtschaftsgüter bezogen auf den Abnutzungsgrad (Wertigkeitsgrad) im Zeitpunkt des Pachtbeginns entspricht. Denn mehr braucht der Pächter dem Verpächter nicht zu ersetzen. Im Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung ist der Anschaffungspreis, soweit er die nach dieser Maßgabe gebildete Rückstellung übersteigt, beim Pächter als Wertausgleichsanspruch zu aktivieren und abzuschreiben. Der Senat folgt dieser Rechtsauffassung. Hieraus folgt, daß auch der Verpächter den Anspruch auf Ersatzbeschaffung durch den Pächter nur bis zu dem Betrag aktiviert, der dem Wertigkeitsgrad des verpachteten Wirtschaftsgutes im Zeitpunkt des Pachtbeginns entspricht. War z. B. bei Pachtbeginn das Wirtschaftsgut schon zu 30 v. H. abgenutzt, sein Wertigkeitsgrad also noch 70 v. H., so aktiviert der Verpächter nur 70 v. H. des jeweiligen Wiederbeschaffungspreises. Im Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung muß der Verpächter die über den aktivierten Ersatzbeschaffungsanspruch hinausgehenden Aufwendungen des Pächters als Anschaffungspreis der Ersatzbeschaffung gewinnerhöhend aktivieren; er muß jedoch eine Wertausgleichsverpflichtung gegenüber dem Pächter passivieren. Den Passivposten löst er bis zu dem Zeitpunkt gleichmäßig gewinnerhöhend auf, an dem das ersatzbeschaffte Wirtschaftsgut den Wertigkeitsgrad erreicht, den das im Zeitpunkt des Pachtbeginns vorhandene entsprechende Wirtschaftsgut in diesen Zeitpunkt besaß. Von diesem Zeitpunkt ab aktiviert er dann erneut seinen jeweiligen Ersatzbeschaffungsanspruch gegen den Pächter. Die Abschreibung der Ersatzwirtschaftsgüter richtet sich beim Verpächter nach allgemeinen Grundsätzen, wobei er auch von der degressiven AfA und gegebenenfalls von Teilwertabschreibungen Gebrauch machen darf.
Es kommt bei dieser Beurteilung grundsätzlich nicht darauf an, ob es sich um Betriebsverpachtungen zwischen Fremden oder im Rahmen einer Betriebsspaltung handelt. Bei Verpachtung zwischen Fremden ist die Möglichkeit eines Abweichens der Passivierung beim Pächter und der Aktivierung beim Verpächter nicht ausgeschlossen. Sie kann z. B. in einer unterschiedlichen Schätzung der Nutzungsdauer der verpachteten Wirtschaftsgüter oder der Wiederbeschaffungskosten begründet sein. Anders liegt es bei der Betriebsspaltung. Hier muß sich die Besitzgesellschaft die Bilanzierung der Verpflichtung bei der Betriebs-GmbH entgegenhalten lassen. Die Substanzerhaltungsrückstellung der GmbH muß mit dem aktivierten Ersatzbeschaffungsanspruch des Verpächters übereinstimmen. Der Bg. muß daher die von der GmbH passivierte Substanzerhaltungsrückstellung in Höhe von 10 600 DM als Ersatzbeschaffungsanspruch aktivieren.
Die Vorentscheidung, die von anderen rechtlichen überlegungen ausging, ist aufzuheben. Die Sprungberufung des Bg. wird als unbegründet zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 411918 |
BStBl III 1966, 147 |
BFHE 1966, 407 |
BFHE 84, 407 |