Leitsatz (amtlich)
§ 6 StAnpG ist im Umsatzsteuervergütungsrecht anwendbar.
Normenkette
StAnpG § 6; UStG § 16
Tatbestand
I. Bescheid
Die Steuerpflichtige hat in den Vergütungszeiträumen Mai 1953 bis Mai 1954 Ölschrote, die als Futtermittel verwendet werden, in das Ausland ausgeführt. Diese Ölschrote sind bei der Extraktion von zum größten Teil aus dem Ausland eingeführten Ölsaaten und Ölfrüchten durch deutsche Ölmühlen angefallen.
Soweit es sich um die Ausfuhr aus ausländischen Ölsaaten und Ölfrüchten hergestellter Ölschrote handelt, besteht Streit darüber, ob der Steuerpflichtigen Ausfuhrhändlervergütung nach § 16 Abs. 1 UStG zusteht. Die folgenden Feststellungen auf Grund einer Steuerfahndungsprüfung haben das Finanzamt veranlaßt, teils bereits gezahlte Ausfuhrhändlervergütung zurückzufordern, teils beantragte Vergütungen zu versagen oder mit zu gewährenden Vergütungen aufzurechnen.
Auf Veranlassung der Steuerpflichtigen sind Kaufverträge, die zwischen der Steuerpflichtigen und deutschen Ölmühlen abgeschlossen worden waren, auf dritte Firmen "umgestellt" worden. Diese dritten Firmen lieferten die Partien, auf die sich der Vertrag bezog, sodann an den ursprünglichen Vertragspartner, die Steuerpflichtige, die die Ware ausführte und dafür Ausfuhrhändlervergütung beantragte. Soweit die Steuerpflichtige Ware aus derart umgestellten Verträgen nicht ausführte, hatte sie die Verträge von der Mühle wieder auf sich umschreiben lassen. In einigen Fällen hatte die Steuerpflichtige für die eingeschalteten dritten Firmen der Ölmühle gegenüber das Delkredere übernommen.
In einem Falle hatte die Steuerpflichtige eine Ölmühle veranlaßt, den Kaufvertrag über eine zur Ausfuhr bestimmte Warenpartie sogleich auf eine dritte Firma auszustellen, die die Ware dann ihrerseits an die Steuerpflichtige lieferte. Für die ordnungsmäßige Abwicklung des Vertrags hatte die Steuerpflichtige die Garantie übernommen.
In weiteren Fällen waren zwischen der Steuerpflichtigen und anderen Futtermittelexporteuren auch wechselseitige Lieferungen in der Weise vorgenommen worden, daß einmal die Steuerpflichtige als Käufer der Ware bei der Ölmühle und als Zwischenhändler für einen anderen Exporteur, bei einem anderen Mal dieser andere Exporteur als Käufer bei der Ölmühle und als Zwischenhändler für die Steuerpflichtige auftrat.
Bei allen drei festgestellten Tatbeständen war die Ware von der Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Ausfuhr unmittelbar bei der Mühle abgerufen worden. Die zwischengeschalteten Firmen hatten der Steuerpflichtigen im allgemeinen die Ware unter Berücksichtigung der Umsatzsteuerbelastung (1 %) und eines geringen eigenen Nutzens (1 DM je Tonne) in Rechnung gestellt. Soweit die Steuerpflichtige Ölschrot im Inland abgesetzt hatte, hatte sie die Ware unmittelbar von der Ölmühle bezogen.
Vom Gesamteinkauf der Steuerpflichtigen für Ausfuhrzwecke entfielen in den streitigen Vergütungszeiträumen 68 % auf Wareneinkauf aus umgestellten Verträgen bzw. Verträgen mit Garantieübernahme, 18 % auf wechselseitige Lieferungen, zusammen 86 %.
Das Finanzamt hat in der Einschaltung dritter Firmen lediglich beim Exportgeschäft einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) zu dem ausschließlichen Zwecke, Ausfuhrhändlervergütungen zu erhalten, erblickt. Es hat außerdem den Schluß gezogen, daß die Steuerpflichtige weitere gleichgelagerte Tatbestände, die sich aus der Buchführung nicht entnehmen ließen, auf Grund mündlicher Absprachen geschaffen haben müsse. Es hat deshalb die beantragte Ausfuhrhändlervergütung bei Ausfuhren, die aus ausländischen Ölfrüchten herrührten, in vollem Umfange versagt.
Mit der gegen die Vergütungsbescheide und den Rückforderungsbescheid des Finanzamts gerichteten Sprungberufung hatte die Steuerpflichtige nur zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht ist dem Finanzamt darin beigetreten, daß in den Ausfuhrfällen, in denen der Steuerfahndungsdienst die Zwischenschaltung anderer Handelsfirmen nachgewiesen habe, die Ausfuhrhändlervergütung wegen eines Mißbrauchs von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 6 StAnpG zu versagen sei, dagegen sei die Ausfuhrvergütung, und zwar in Höhe von 4 % der Bemessungsgrundlage zu gewähren, soweit Kontraktumstellungen, Garantieübernahmen oder wechselseitige Einschaltungen dritter Firmen nicht festzustellen gewesen seien.
Gegen die Vorentscheidung haben sowohl der Vorsteher des Finanzamts als auch die Steuerpflichtige Rb. eingelegt. Der Vorsteher des Finanzamts beanstandet, daß das Finanzgericht die Ausfuhrhändlervergütung nur in 86 % aller streitigen Ausfuhrfälle versagt habe. Es könne aus dem Sachverhalt nur gefolgert werden, daß auch in den übrigen 14 % der Exportfälle unzulässige Mißbrauchsmaßnahmen auf Grund mündlicher Absprachen vorgelegen hätten; das Finanzgericht habe insoweit die Grundsätze des ersten Anscheinsbeweises verkannt. Soweit das Finanzgericht Ausfuhrhändlervergütung zugesprochen habe, käme eine solche entsprechend der Vorbelastung von nur 1 %, allenfalls auch nur in Höhe von 1 % der Bemessungsgrundlage in Betracht.
Mit der Rb. der Steuerpflichtigen wird Gewährung der Ausfuhrhändlervergütung in allen streitigen Fällen in Höhe von 4 % der Bemessungsgrundlage beantragt. Die Steuerpflichtige bezweifelt, daß § 6 StAnpG im Vergütungsrecht überhaupt anwendbar sei. Selbst wenn man dies bejahte, so lägen doch die Voraussetzungen dieser Vorschrift im Streitfalle nicht vor. Der von der Steuerpflichtigen beschrittene Weg sei einmal nicht ungewöhnlich; infolge der Preise auf dem Weltmarkt sei eine Ausfuhr von Ölschrot nur dann möglich gewesen, wenn die Vorlieferung umsatzsteuerp flichtig gewesen sei und nicht, wie beim direkten Bezug von den Ölmühlen nach § 4 Ziff. 2 UStG, steuerfrei; die nur beim Vorliegen einer steuerpflichtigen Vorlieferung zu gewährende Ausfuhrhändlervergütung habe den vom Gesetzgeber begünstigten und erwünschten Export von Ölschrot durch Ausfuhrhändler erst ermöglicht. Der Gesetzgeber, der den Zwischenhandel im Ausfuhrgeschäft nicht habe ausschalten, sondern schützen wollen, habe den Weg vorgezeichnet, den die Steuerpflichtige beschritten habe; er könne demnach nicht ungewöhnlich sein. Ein Gestaltungsmißbrauch liege auch nur dann vor, wenn die rechtlichen Dinge in der Absicht, einen unerlaubten sieuerlichen Vorteil zu erlangen, anders gestaltet würden als es dem erstrebten wirtschaftlichen Erfolg gemäß sei. Da im Streitfalle die Absicht, Exportaufträge auszuführen, nur durch den Einkauf vorbelasteter Ware habe erreicht werden können, decke sich das, was rechtlich geschehen sei, völlig mit dem wirtschaftlich von der Steuerpflichtigen Erstrebten und mit dem, was der Gesetzgeber aus staatswirtschaftlichen Gründen gewollt habe. Wenn der Gesetzgeber die Ausfuhrhändlervergütung offen an äußere Merkmale knüpfe, könne man es der Steuerpflichtigen nicht verwehren, wenn sie sich danach richte.
Entscheidungsgründe
Beide Rechtsbeschwerden können keinen Erfolg haben.
Der Senat ist mit der Vorentscheidung der Auffassung, daß § 6 StAnpG auch im Vergütungsrecht anwendbar ist. Handelte es sich im Streitfalle um Erstattungsansprüche, so wäre die Anwendbarkeit des § 6 a. a. O. nicht zweifelhaft; denn auch Erstattungsansprüche entspringen dem Steuerrechtsverhältnis, das nicht nur öffentlich-rechtliche Pflichten, sondern auch Erstattungs ansprüche erzeugt. Die Vergütungsansprüche unterscheiden sich von den Erstattungsansprüchen vor allem dadurch, daß bei diesen der Begünstigte (oder dessen Rechtsnachfolger) derjenige ist, der vorher den Steuerbetrag eingezahlt hat, während im Vergütungsrecht der Berechtigte ein anderer ist. Schon Becker (Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., vor § 127 Anm. 4) hat jedoch überzeugend hervorgehoben, daß sachlich dieser Unterschied nicht so erheblich sei. Gerade im Umsatzsteuervergütungsrecht steht der Vergütungsanspruch regelmäßig demjenigen zu, der die Steuer wirtschaftlich getragen hat. Hier wird der Vergütungsanspruch dadurch gerechtfertigt, daß der Berechtigte ein vom Gesetzgeber als wirtschaftlich erwünscht angesehenes Verhalten gezeigt, also z. B. Ware ausgeführt hat. Der Steuerbetrag, der vergütet wird, ist zwar nicht vom Berechtigten gezahlt worden, der Gesetzgeber geht jedoch davon aus, daß die Steuer in dem von ihm entrichteten Preis enthalten war, da die Umsatzsteuer auf der Überwälzungsmöglichkeit angelegt ist. Die vom Steuer zahler zu Recht entrichtete Steuer wird demnach aus wirtschaftspolitischen Gründen dem Steuerträger vergütet. So ist der von Becker (a. a. O.) gezogene Schluß, die Vergütungsansprüche seien z. T. nur eine Form der Regelung des Steueranspruchs, durchaus gerechtfertigt (vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs IV a A 122/21 vom 20. Dezember 1921, Slg. Bd. 7 S. 336). Darüber hinaus ist der Senat der Auffassung, daß der erstmals in der AO, jetzt im § 6 StAnpG formulierte Rechtsgedanke Geltung für das gesamte öffentliche Recht beansprucht. Die Forderung, daß niemand durch mißbräuchliche Schaffung von Umgehungstatbeständen steuerliche Vorteile erringen soll, entspricht heute ganz allgemeiner Rechtsüberzeugung. Zweifel bestehen immer nur über die Voraussetzungen des § 6 a. a. O. im Einzelfalle.
Nach der insoweit gefestigten Rechtsprechung der obersten Steuergerichte (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs II 65/52 S vom 12. August 1953, BStBl 1953 III S. 284, Slg. Bd. 57 S. 748) und nach herrschender Auffassung im Schrifttum setzt die Anwendung des § 6 StAnpG die Wahl eines ungewöhnlichen Weges und die Absicht der Steuerumgehung voraus. Beide Voraussetzungen werden von der Steuerpflichtigen im Gegensatz zur Vorentscheidung bezweifelt. Nicht näher geprüft zu werden brauchen die Voraussetzungen des § 5 StAnpG (Scheingeschäft). Der Sachverhalt bietet keinen Anhaltspunkt, etwa anzunehmen, daß die Kaufverträge mit den eingeschalteten Zwischenhändlern nicht ernstlich gewollt gewesen seien. Für Umgehungsgeschäfte, wie sie die Vorinstanzen annehmen, ist es im Gegensatz hierzu aber gerade kennzeichnend, daß das erklärte Geschäft dem wirklichen Parteiwillen entspricht (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 268/22 vom 15. Dezember 1922, Slg. Bd 11 S. 104, 107). Es ist demnach in erster Linie zu prüfen, ob die Steuerpflichtige mißbräuchlich einen ungewöhnlichen Weg beschritten hat. Da im Streitfalle die Anwendung des § 6 StAnpG für einen Tatbestand, der wohl nicht durch den Wortlaut dieser Bestimmung, wohl aber nach deren Zweck und Bedeutung gedeckt ist, in Betracht kommt, muß nicht nur die bürgerlich-rechtliche Seite des Tatbestandes, also die Einschaltung von Zwischenhändlern durch Kaufverträge, untersucht werden, sondern auch Sinn und Zweck der Vergütungsvorschriften, auf Grund deren die Steuerpflichtige ihren Anspruch geltend macht.
Als mit dem UStG vom 24. Dezember 1919 (RGBl S 2157) im § 2 Nr. 1 nicht nur die Ausfuhr von im Inlande bezogener Ware, also des Ausfuhrhändlers, befreit wurde, sondern auch Hersteller steuerfrei exportieren konnten, war erforderlich, für den Ausfuhrhändler einen Vergütungstatbestand zu schaffen (vgl. § 4 UStG 1919 = § 4 UStG 1926), um den Ausfuhrhandel vor der Ausschaltung durch direkt exportierende Fabrikanten zu schützen (näheres bei Popitz, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl., § 4 II 1 S. 645). Zweck des § 4 a. a. O. war somit, den Ausfuhrhändlern trotz der Steuerbelastung, die auf dem Umsatz vom Fabrikanten auf ihn lastete, instandzusetzen, in gleicher Weise wie der direkt exportierende Fabrikant kalkulieren zu können; denn dem Ausfuhrhändler wurde der Betrag vergütet, der als Steuer die Lieferung an ihn belastet hatte. Ausfuhrhändlern und Fabrikanten sollte also steuerlich die gleiche Ausgangsposition geschaffen werden. An dieser wirtschaftspolitischen Funktion der Ausfuhrhändlervergütung (jetzt § 16 Abs. 1 UStG) hat sich auch in den späteren UStG nichts geändert (vgl. Hartmann-Metzenmacher, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 4. Aufl., § 16 A I S. 689).
Im Streitfalle wäre eine Lieferung vom Hersteller (Ölmühle) an die Steuerpflichtige nach § 4 Ziff. 2 UStG steuerfrei gewesen. Die Steuerpflichtige hatte also bei Erwerb des Ölschrots unmittelbar von der Ölmühle die gleiche steuerliche Position wie diese. Ein Erwerb von der Ölmühle war für die Steuerpflichtige ohne weiteres nicht nur möglich, sondern sogar das Gegebene. Dies beweisen nicht nur die Inlandsumsätze der Steuerpflichtigen, bei denen sie durchweg unmittelbar von den Ölmühlen gekauft hat, sondern auch die Verträge, die die Steuerpflichtige zuerst mit den Ölmühlen geschlossen, dann aber auf andere Handelsfirmen "umgestellt" hatte. Auch die Fälle wechselseitiger Lieferungen, in denen sich die Steuerpflichtige und andere Exporteure gegenseitig Hilfestellung geleistet haben, um zu einer steuerpflichtigen Vorlieferung zu gelangen, sprechen dafür, daß der normale Weg im Ölschrotgroßhandel der Bezug von der Ölmühle gewesen ist. Schließlich ist der Umstand, daß die Ware stets von der Steuerpflichtigen, nicht vom zwischengeschalteten Vorlieferanten abgerufen wurde, in diesem Zusammenhang bemerkenswert. Durch die erwähnte Einschaltung von Zwischenhändlern ist die Ausgangsposition der Steuerpflichtigen zunächst verschlechtert worden. Es muß aber als ein ungewöhnlicher Weg bezeichnet werden, wenn ein Kaufmann, dem der direkte Bezug vom Fabrikanten offensteht, einen anderen Kaufmann zwischenschaltet, um die gleiche Ware teurer zu erhalten, nämlich um die Umsatzsteuer von 1 %, dazu meist noch um eine Vergütung von 1 DM je Tonne, außerdem sich mit einer Delkrederehaftung bzw. Garantieverpflichtung belastet. Dieser Weg kann daher nicht mit der vom Gesetzgeber vorausgesetzten Geschäftsabwicklung übereinstimmen, dies um so weniger, als die Steuerpflichtige entgegen dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 UStG sich eingestandenermaßen in eine bessere Ausgangsposition versetzt hat als die Ölmühle, weil die von ihr begehrte Ausfuhrhändlervergütung von 4 % ihre Steuerbelastung von 1 % und ihre sonstigen Unkosten überstieg. Der Gesetzgeber hat aber eine Interessenlage vorausgesetzt, bei der der Ausfuhrhändler dem Fabrikanten gleich-, nicht besser gestellt wird. Damit hat die Steuerpflichtige durch die Beschreitung dieses ungewöhnlichen Weges eine Steuervergünstigung erlangt, die ihr nach dem Zweck des Gesetzes nicht zukommt.
Es kann bei dieser Sachlage nicht ernstlich bezweifelt werden und wird von der Steuerpflichtigen auch unter Bestreiten eines dolus eingeräumt, daß diese Gestaltung ausschließlich den Zweck hatte, die Voraussetzungen für die Zubilligung der Ausfuhrhändlervergütung zu schaffen. Das Vorbringen der Steuerpflichtigen, der beschrittene Weg sei nicht als mißbräuchlich, sondern als legal zu bezeichnen, weil es der Steuerpflichtigen freistehen müsse, die in den gesetzlichen Vorschriften offen vorgesehenen Merkmale zu erfüllen, kann in diesem Zusammenhang nur in der Richtung Bedeutung haben, daß der Steuerpflichtigen das Unrechtsbewußtsein gefehlt habe. § 6 StAnpG ist jedoch kein Straftatbestand; ein Unrechtsbewußtsein gehört nicht zu den Voraussetzungen dieser Vorschrift. Es mag durchaus sein, daß sich die Steuerpflichtige zu ihrem Vorgehen für berechtigt gehalten hat. Dies ändert nichts daran, daß sie die Voraussetzungen der Ausfuhrhändlervergütung durch künstliche Manipulationen geschaffen hat, nämlich ohne eine andere Notwendigkeit als die Erlangung der Ausfuhrhändlervergütung eine Vorbelastung herbeigeführt hat, die durch das wirtschaftliche Ziel, die Ausfuhr von Ölschrot, nicht begründet werden kann, sondern ausschließlich mit der Erlangung eines Steuervorteils.
Es ist auch nicht so, daß durch den § 16 UStG die Ausfuhr um jeden Preis und unter allen Umständen gefördert werden soll. Der Gesetzgeber hat vielmehr die Gewährung von Umsatzsteuervergütungen an ganz bestimmte Voraussetzungen geknüpft; andernfalls hätte er auf die Voraussetzung der Steuerpflicht der Vorlieferung (§ 70 Abs. 2 Ziff. 1 Satz 2 UStDB 1951) überhaupt verzichten können. Es kann deshalb auch nicht darauf ankommen, daß die Weltmarktpreise eine Ausfuhr ohne Zubilligung von Ausfuhrhändlervergütung nicht gestattet hätten. Reichen die gesetzlichen Bestimmungen, die die Förderung der Ausfuhr zum Ziele haben, nicht zu ihrer Verwirklichung aus, so ist es Sache des Gesetzgebers, Abhilfe zu schaffen. Wenn aber der Gesetzgeber, wie aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die Ausfuhrhändlervergütung eindeutig hervorgeht, auf einer steuerlichen Vorbelastung der Vorlieferung besteht, weil er den Ausfuhrhändler nicht ausschalten, aber auch nicht besserstellen wollte als den Fabrikanten, so ist es Aufgabe der Rechtsprechung, auf Grund der bestehenden gesetzlichen Vorschriften die Ausfuhrhändlervergütung zu versagen, wenn diese Vorbelastung auf ungewöhnlichem Wege mit der Absicht, eine Steuervergünstigung zu erlangen, herbeigeführt worden ist. Der von der Rechtsprechung (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs I 131/57 U vom 8. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 97, Slg. Bd. 66 S. 250) stets betonte Grundsatz, dem Steuerpflichtigen stehe es frei, von mehreren möglichen Wegen den steuerlich günstigsten zu wählen, wird dann nicht berührt, wenn der eingeschlagene Weg ungewöhnlich und nicht durch einen besonderen wirtschaftlichen Zweck, sondern nur durch den beabsichtigten Steuervorteil zu rechtfertigen ist und dieser steuerliche Erfolg bei sinnvoller Auslegung des Gesetzes nicht dessen Zweck und Zielsetzung entspricht. Diese Voraussetzungen für die Anwendung des § 6 StAnpG sind aber im Streitfalle nach Auffassung des Senats gegeben.
Der Senat betont hierbei, daß er zu dem gleichen Ergebnis auch bei einer Beurteilung der Tatbestände nach § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG auf Grund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gemäß den Grundsätzen, wie er sie insbesondere im Urteil V 185/54 U vom 30. September 1954 (BStBl 1954 III S. 355, Slg. Bd. 59 S. 378) aufgestellt hat, gekommen wäre. Denn alle Umstände, wie sie im einzelnen den Feststellungen des Finanzgerichts zugrunde liegen, sprechen eindeutig dafür, daß wirtschaftlich Käufer der Ölmühlenerzeugnisse die Steuerpflichtige geblieben oder gewesen ist. Mit Ausnahme der Tatsache, daß durch die Maßnahmen der Steuerpflichtigen nun eine steuerliche Vorbelastung geschaffen worden war, hat sich nichts daran geändert, daß Herr der Kaufgeschäfte über die Ölschrote die Steuerpflichtige war, während der Einschaltung einer weiteren Handelsfirma nur formale Bedeutung zuzumessen ist. Wirtschaftlich gleichliegende Tatbestände sind aber auch steuerlich gleichzubehandeln (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung und den Nebengesetzen, § 1 Anm. 19 Ziff. 1 StAnpG). Der Senat braucht auf diese Frage nicht näher einzugehen, weil er mit der Vorinstanz im Streitfalle die besonderen Voraussetzungen des § 6 StAnpG für erfüllt hält.
Nicht gefolgt werden kann jedoch der Rb. des Vorstehers des Finanzamts darin, das Finanzgericht hätte Umgehungstatbestände auch für die restlichen streitigen Fälle der Ausfuhren (14 % des Gesamteinkaufs) annehmen müssen. Insoweit handelt es sich um eine Frage der Beweiswürdigung, in der das Finanzgericht frei ist. Das Finanzgericht konnte jedoch auf Grund der Beweisaufnahme und der Angaben der Inhaberin der Steuerpflichtigen in der mündlichen Verhandlung, ohne dabei gegen Beweisregeln oder die Denkgesetze zu verstoßen, zu dem Ergebnis kommen, daß es sich in 14 % der streitigen Exportfälle um echte Zwischenumsätze gehandelt hat. Mit Recht hebt die Steuerpflichtige hervor, daß in allen vom Finanzgericht aufgegriffenen Fällen die Kontraktumstellungen usw. aus dem Schriftwechsel der Steuerpflichtigen mit den Ölmühlen und den Kontraktbüchern der Ölmühlen einwandfrei hätten festgestellt werden können. Es kann deshalb keineswegs mit zwingender Logik angenommen werden, in den anderen Fällen seien die entsprechenden Vereinbarungen mündlich getroffen worden; denn der Bezug von Ölschrot vom Großhandel ist, wie das Finanzgericht zutreffend hervorhebt, ohne die besonderen Umstände des Streitfalles für sich allein nicht ungewöhnlich. Es hätte daher dem Finanzamt obgelegen, für seine Annahme, für die allenfalls ein gewisser Verdacht sprechen könnte, den Nachweis zu führen. Hieran aber fehlt es.
Dem Finanzgericht ist auch darin beizutreten, daß in den streitigen Fällen, in denen Ausfuhrhändlervergütung zu gewähren ist, der Vergütungssatz 4 % der Bemessungsgrundlage beträgt. Diese Auffassung hat, wie auch die Rb. des Vorstehers des Finanzamts annimmt, vor allem den Wortlaut des § 16 Abs. 1 UStG, § 74 Abs. 2 UStDB 1951 in der bis 31. März 1957 maßgeblichen Fassung für sich. Das Ergebnis ist, wie aus der Enstehungsgeschichte dieser Vorschriften klar hervorgeht, mit deren Sinn und Zweck auch nicht unvereinbar (vgl. Hartmann-Metzenmacher, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 4. Aufl., § 16 A I S. 689, B I 1 c S. 699 und B II 1 c S. 706). Aus Vereinfachungsgründen sollte bei der Mehrzahl der Fälle den Antragsberechtigten die Prüfung, welchem Steuersatz die Lieferung an ihn unterlegen hat, erspart werden. Es kann nicht angenommen werden, daß der Verordnungsgeber den Fall, daß im Großhandel geliefert werde, nicht bedacht hat; er müßte solchenfalls auch nach der damaligen Rechtslage weiterhin erforderlich werdende Differenzierungen versehentlich unterlassen haben. Derart weittragende Versehen können den Verordnungsgebern von 1934, 1938 und 1951 keinesfalls unterstellt werden. Unter diesen Umständen ist die Vorschrift des § 74 Abs. 2 UStDB 1951 gegen ihren Wortlaut nicht auslegungsfähig.
Nach alledem ist der Vorentscheidung in allen Streitpunkten beizutreten. Der Vorsteher des Finanzamts hat jedoch im Schriftsatz vom 18. Januar 1956 eine andere Berechnung der hiernach zu zahlenden Ausfuhrhändlervergütung vorgenommen, während sich die Steuerpflichtige zu dieser Berechnung nicht geäußert hat. Die Sache wird daher zweckmäßig unter Aufhebung der Vorentscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen, das im Benehmen mit der Steuerpflichtigen die zu zahlende Vergütung nach den Grundsätzen dieser Entscheidung neu zu berechnen haben wird.
II. Urteil
Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf den Bescheid Bezug genommen. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hat der Senat keine Veranlassung, von der im Bescheid vertretenen Auffassung abzugehen.
Zur Rb. des Vorstehers des Finanzamts sind neue Gesichtspunkte nicht vorgetragen worden.
Zum Vorbringen der Steuerpflichtigen, durch das Verhalten des Finanzamts, das zeitweilig die strittigen Vergütungen wieder ausgezahlt habe, sei sie zu weiteren Exportgeschäften mit vorbelasteter Ware veranlaßt worden, ist auf folgendes hinzuweisen: Ausweislich der Akten ist der Mitinhaber der Steuerpflichtigen bereits bei Prüfung von Vergütungsanträgen der streitigen Vergütungszeiträume im Oktober 1953 darauf aufmerksam gemacht worden, daß "unter Umständen diese Art der Geschäftsabwicklung eine Umgehung darstellen könnte". Eine endgültige Stellungnahme konnte das Finanzamt aber erst abgeben, als im Juli 1954 der Sachverhalt in allen Einzelheiten durch die Ermittlungen des Steuerfahndungsdienstes bekanntgeworden war. Unter diesen Umständen kann sich die Steuerpflichtige nicht darauf berufen, daß ihr das Finanzamt im November 1953 zeitweilig die Ausfuhrhändlervergütung wieder gewährt habe, zumal da bereits Ende Januar 1954 die Auszahlungen mit Wirkung ab Dezember 1953 wieder eingestellt wurden.
In rechtlicher Hinsicht ist geltend gemacht worden, gerade weil nach § 74 Abs. 2 UStDB 1951 in der Fassung der Fünften Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 5. August 1953 (BGBl I S. 792, BStBl I S. 281) Ausfuhrhändlervergütung von 4 % ohne Rücksicht auf die Höhe der Vorbelastung zu zahlen gewesen sei, werde deutlich, daß es sich um keine Steuervergütung, sondern nur um eine reine Exportprämie oder um eine Subvention gehandelt habe; auf eine solche könne aber eine rein steuerliche Vorschrift wie der § 6 StAnpG nicht angewendet werden.
Es werden allerdings -- und zwar nicht nur im Vergütungsrecht, sondern auch sonst im Steuerrecht -- mit steuerlichen Vergünstigungsvorschriften oft rein wirtschaftspolitische Zwecke verfolgt. Dies ändert jedoch nichts daran, daß es sich in diesen Fällen und auch bei § 16 UStG um steuerlich ausgestaltete Vorschriften handelt und daß insbesondere der Vergütungsanspruch steuerrechtliche Tatbestände voraussetzt.
Es mag sein, daß die für die Gewährung der Ausfuhrhändlervergütung vorausgesetzte Steuerpflicht der Vorlieferung auch anderen Zwecken diente als der steuerlichen Gleichstellung von Händler und Fabrikant. Jedoch ist dieser im Bescheid hervorgehobene Zweck ersichtlich der Anlaß zu dieser Regelung gewesen und muß deshalb bei der Auslegung des Gesetzes im Vordergrund stehen. Soweit die Händlervergütung die Vorbelastung übersteigt, hat schon der Bundesminister der Finanzen im Jahre 1957 in einem Erlaß an den Zentralverband des Deutschen Getreide-, Futter- und Düngemittelhandels darauf hingewiesen, daß die solchermaßen gelungene Subventionierung der Ölsaatschrotexporte mit der Zielsetzung des § 16 Abs. 1 UStG nicht vereinbar sei. Sie ist dann auch durch die Achte Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1957 (BGBl I S. 6, BStBl I S. 131) beseitigt worden. Erst recht muß es als dem Zweck und der Zielsetzung des Gesetzes zuwiderlaufend angesehen werden, wenn derartige Vorbelastungen künstlich erreicht werden, obwohl der Exporteur unbelastete Ware an der Hand hat. Können, wie im Streitfalle, derartige Tatbestände festgestellt werden, so ist es augenscheinlich, daß ausschließlich die Erlangung der Vergütung Anlaß zu der Zwischenschaltung weiterer Händler gewesen ist, die jedenfalls in diesen Fällen nur als Strohmänner fungiert haben. Es entspricht nicht kaufmännischen Gepflogenheiten und muß als ungewöhnlich bezeichnet werden, wenn ein Exporteur, statt die ihm zur Verfügung stehende billigere Ware auszuführen, über einen anderen Händler mit Umsatzsteuer belastet und teurer einkauft, wobei sich der eingeschaltete Händler teils nur mit dem Ersatz der Umsatzsteuer, teils damit und mit einer erheblich niedrigeren Gewinnspanne als bei normalen Lieferungen begnügt und im übrigen keinerlei kaufmännische Funktionen erfüllt als die, seinem Vertragspartner zur Ausfuhrhändlervergütung zu verhelfen. Es ist dann ein Spiel mit Worten, wenn gesagt wird, die Einschaltung sei lediglich geschehen, um den Export zu ermöglichen; denn in erster Linie ging es um die Erlangung der Ausfuhrhändlervergütung. Eine Exportförderung unter allen Umständen ist dem deutschen Steuerrecht fremd.
Nach allem muß es bei dem Ergebnis des Bescheids vom 10. September 1959 verbleiben. Unter Aufhebung der Vorentscheidung ist die Sache aus den im Bescheid (am Ende) angegebenen Gründen an das Finanzamt zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409604 |
BStBl III 1960, 111 |
BFHE 1960, 307 |