Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen, die ein als schuldig geschiedener Steuerpflichtiger an seine frühere Ehefrau zur Ablösung künftiger Unterhaltsverpflichtungen geleistet hat, können nur nach § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden.
Normenkette
EStG §§ 33, 33a
Tatbestand
Die Ehe des Klägers ist aus seinem Verschulden geschieden worden. Zuvor hatte er mit seiner damaligen Ehefrau einen Vergleich geschlossen, durch den er sich zur Ablösung seiner Unterhaltsverpflichtungen zu einer Zahlung von 250 000 DM verpflichtete. Er hatte 100 000 DM nach Rechtskraft des Scheidungsurteils und 150 000 DM nach Räumung der ehelichen Wohnung durch die Ehefrau zu zahlen. Die hierfür benötigten Mittel beschaffte er sich zunächst im Wege des Kredites. Er zahlte davon aber noch im Streitjahr 130 000 DM zurück, und zwar aus Vergütungen, die er für seine Geschäftsführertätigkeit in einer KG erhalten hatte.
In seiner Einkommensteuererklärung beantragte der Kläger, einen Teilbetrag dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG anzuerkennen. Diesen mit 37 000 DM angesetzten Betrag hatte der Kläger im Hinblick auf die nach § 33a Abs. 1 EStG zu berücksichtigenden Freibeträge nach der mittleren Lebenserwartung seiner Frau (= 30 1/2 Jahre) ermittelt.
Das FA (der Beklagte und Revisionsbeklagte) erkannte die Abfindung nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG an. Es ließ nur einen Betrag von 1 200 DM als Unterhaltsleistung gemäß § 33a EStG zum Abzug zu.
Die Sprungklage hatten keinen Erfolg. Das FG führte insbesondere aus:
Der Zweck des § 33a EStG, eine typisierende Regelung üblicher Unterhaltungsverpflichtungen zu schaffen, verbiete die Einbeziehung solcher Unterhaltsleistungen, die untypisch und nach dem Ausmaß der Belastung mit laufenden Zahlungen nicht vergleichbar seien. Das ergebe sich auch aus der Entscheidung des BFH VI R 101/66 vom 9. Dezember 1966 (BFH 87, 613, BStBl III 1967, 246). Der Kläger habe sich zu Unrecht auf dieses Urteil berufen, das einen ganz anderen Sachverhalt betreffe. Im Streitfall seien die künftigen Verhältnisse so ungewiß, daß von dem Fortbestehen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung - bei fingierter laufender Unterhaltsleistung - im Zeitpunkt der Kapitalabfindung nicht ausgegangen werden könne.
Die Ablösung der Unterhaltsansprüche seiner früheren Frau durch eine Kapitalabfindung sei nach der allgemeinen Regelung des § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung dem Grunde nach nicht gerechtfertigt, weil diese Vorschrift nur die Absetzbarkeit von Aufwendungen im Bereich des Einkommens, nicht aber solcher im Vermögensbereich rechtfertigte. Das FG schließe sich der Auffassung des BFH im Urteil VI 148/59 U vom 2. Dezember 1960 (BFH 72, 200, BStBl III 1961, 76) an.
Ein Teil des Schrifttums lasse in Abweichung von der Auffassung des BFH zwar ausnahmsweise Kapitalabfindungen dann als Aufwendungen aus dem Einkommen gelten, wenn nur unerhebliches Vermögen vorhanden sei und deshalb tatsächlich das Einkommen belastet werde. Jedoch gehe auch das Schrifttum davon aus, daß Kapitalabfindungen erfahrungsgemäß entsprechend ihrem Zweck und ihrer zahlenmäßigen Größe dem Vermögensbereich angehörten.
Im Streitfall könne die Abfindung auch deswegen nicht nach § 33 EStG abgesetzt werden, weil die weitere Voraussetzung der Vorschrift, nämlich die Zwangsläufigkeit, fehle. Eine solche habe weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht bestanden. Eine Rechtspflicht zur Kapitalabfindung sei insbesondere auch nicht nach § 62 Abs. 2 des Ehegesetzes (EheG) herzuleiten. Ebensowenig habe nach dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen bei dem in § 33 EStG geforderten Grad der Zwangsläufigkeit eine sittliche Verpflichtung zur Zahlung der Abfindung an die geschiedene Ehefrau bestanden.
Die Revision des Klägers rügt Verletzung von Bundesrecht. Er macht geltend:
Das FG habe übersehen, daß § 33a EStG nicht atypische Fälle erfasse (so das BFH-Urteil IV 213/64 U vom 11. Februar 1965, BFH 82, 440, BStBl III 1965, 407). Unterhaltsabfindungen seien nicht als typische Unterhaltsaufwendungen anzusehen und würden damit auch nicht durch die Pauschbeträge des § 33a EStG abgegolten. Die von ihm geleistete Unterhaltsabfindung könne demnach nicht unter § 33a EStG subsumiert und nur in Höhe von einmal 1 200 DM abgezogen werden. Im Urteil VI 79/60 S vom 2. März 1962 (BFH 74, 513, BStBl III 1962, 192) habe der BFH entschieden, daß die Pauschalierungen nur typische Aufwendungen beträfen. Mit derselben Begründung, mit welcher der BFH hinsichtlich der Kraftfahrzeugkosten Unfallschäden von der Pauschalierung ausgeschlossen habe, seien die Kosten, die ihm - dem Kläger - aus der Unterhaltsabfindung erwachsen seien, nach § 33a EStG ohne die Beschränkung auf 1 200 DM abzuziehen. Die Einführung des § 33a EStG könne nicht zu einer Verschlechterung der bisherigen Rechtslage führen. Diese Vorschrift betreffe nur die typischen Regelungen. Außergewöhnliche Aufwendungen seien nach wie vor nach § 33 EStG absetzbar. Wenn der BFH in dem angeführten Urteil VI R 101/66 (a. a. O.) die Nachzahlung von Unterhaltsverpflichtungen nach § 33 EStG berücksichtigt habe, so müsse er das auch bei der hier vorliegenden Schuldentilgung für die Ablösung künftiger Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigen. Eine andere Beurteilung führe zu einer Ungleichbehandlung, die gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.
Im vorliegenden Fall müsse insbesondere darauf hingewiesen werden, daß der abgeschlossene Unterhaltsvergleich die Voraussetzung für eine Lösung der Ehe gewesen sei; ohne diesen Vergleich hätte er die Scheidung überhaupt nicht durchsetzen können. Die auf dem Vergleich beruhende Kapitalabfindung sei damit im Sinne des § 33 EStG zwangsläufig gewesen. Die Zwangsläufigkeit habe auch darin bestanden, daß er und seine frühere Ehefrau sich völlig auseinandergelebt hätten und ihre eigenen Wege gegangen seien und daß die Ehe so tief zerrüttet gewesen sei, daß eine Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht habe erwartet werden können. Um diesen unnatürlichen Zustand zu beenden, seien der Unterhaltsvergleich und das auf diesem beruhende Ehescheidungsverfahren erforderlich gewesen. In der vereinbarten Unterhaltsabfindung habe zweifellos keine Vermögensauseinandersetzung gelegen, weil er vermögenslos gewesen sei. Die Aufwendungen könnten deshalb kein Vorgang auf dem Gebiet des Vermögens sein. Sie seien tatsächlich auch ausschließlich aus dem laufenden Einkommen des Streitjahres erbracht worden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Das Urteil des FG steht nicht, wie der Kläger geltend macht, im Widerspruch zum geltenden Recht. Der Aufwand des Klägers im Zusammenhang mit der Abfindung der Unterhaltsansprüche seiner früheren Frau kann nicht nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Für die Beurteilung des Streitfalls muß zunächst von § 58 Abs. 1 EheG ausgegangen werden, wonach nach Scheidung der Ehe der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Ehemann der geschiedenen Frau angemessenen Unterhalt zu gewähren hat. Für die steuerrechtliche Beurteilung der Frage, ob die geschiedene Frau einen Unterhaltsanspruch an ihren früheren Ehemann hat, kann allein auf den Schuldausspruch im Scheidungsurteil abgestellt werden. Unstreitig ist die Ehe des Klägers aus seinem Verschulden geschieden worden. Damit sind dem Kläger zwar im Sinne des § 33a Abs. 1 EStG zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt seiner früheren Frau erwachsen. Nach dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung kann aber seit dem EStG 1955 dieser Aufwand nur durch den Abzug eines bestimmten Höchstbetrages berücksichtigt werden, der ursprünglich 720 DM im Kalenderjahr betrug und für das Streitjahr auf 1 200 DM heraufgesetzt worden ist.
Dem Kläger ist zuzugeben, daß durch die Regelung in § 33a Abs. 1 EStG nur typische Unterhaltsaufwendungen abgegolten werden (so auch Abschn. 190 Abs. 1 EStR). Daß durch die Typisierung des § 33a Abs. 1 EStG nur die üblichen Unterhaltsleistungen erfaßt werden, hat auch der erkennende Senat in dem bereits angeführten Urteil VI R 101/66 (a. a. O.) ausgesprochen. Die Üblichkeit wird aber nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Zahlungen nicht laufend geleistet werden; um nicht übliche Unterhaltsleistungen handelt es sich vielmehr nur dann, wenn neben diese zusätzliche Zahlungen treten. Als nicht typischer Aufwand können deshalb neben den Unterhaltsaufwendungen weitere Aufwendungen, z. B. infolge schwerer Erkrankung, in Betracht kommen. Für die nicht typischen Aufwendungen, die bei auswärtiger Unterbringung zur Berufsausbildung entstehen, ist die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung im Gesetz selbst vorgesehen; aber auch hier hat der Gesetzgeber es für erforderlich gehalten, im Wege der Typisierung wiederum einen bestimmten Höchstbetrag festzusetzen. Wie sich aus § 33a Abs. 5 EStG ergibt, können die unter § 33a Abs. 1 EStG fallenden Unterhaltsleistungen nur mit den sich aus dieser Vorschrift ergebenden Höchstbeträgen berücksichtigt werden, und zwar ohne Rücksicht auf die Höhe der Verpflichtung. Diese gesetzliche Regelung dient der Vereinfachung und zugleich der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (BFH-Entscheidung VI R 101/66, a. a. O.).
Der Auffassung des Klägers, seine Aufwendungen könnten nicht in die typisierende Regelung des § 33a Abs. 1 EStG einbezogen sein, vermag der Senat nicht zu folgen. Mit der vom Kläger geleisteten Abfindung an seine frühere Ehefrau sind nur solche Unterhaltsansprüche abgegolten worden, wie sie der Regelung des § 33a Abs. 1 EStG zugrunde liegen. Es ist nicht ersichtlich und auch von dem Kläger nicht vorgetragen, daß hier auch oder nur andere Ansprüche, also Ansprüche, die über den normalen Unterhalt hinausgehen, abgegolten worden seien. Jedenfalls ändert die Tatsache, daß die Unterhaltszahlungen nicht laufend, sondern in einem Einmalbetrage geleistet wurden, nichts daran, daß es sich um Unterhaltszahlungen handelt. Dann aber greift die zwingende Vorschrift des § 33a Abs. 5 EStG ein, die eine Berücksichtigung derartiger Unterhaltsaufwendungen nach § 33 EStG ausdrücklich ausschließt.
Aus dem Urteil VI R 101/66 (a. a. O.), in dem der erkennende Senat zusätzliche Unterhaltszahlungen für zurückliegende Jahre als zwangsläufig im Rahmen des § 33 EStG berücksichtigt hat, kann der Kläger für sich nichts herleiten. Auch in diesem Urteil hat der Senat an den Grundsätzen des Urteils VI 148/59 U (a. a. O.) ausdrücklich festgehalten, wonach § 33a Abs. 1 EStG eine die Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen abschließende Regelung enthält. Wie dem Kläger zuzugeben ist, hat der Senat dann allerdings den Abzug in einer den Höchstbetrag überschreitenden Höhe anerkannt. Das liegt aber an den Besonderheiten des Falles, denen sich der Steuerpflichtige nicht entziehen konnte. Die Unterhaltsverpflichtungen hatte der Steuerpflichtige zunächst bestritten; er war dann aber durch das Urteil des Amtsgerichts verpflichtet worden, auch für die rückliegenden Jahre Unterhalt nachzuzahlen. Im Hinblick darauf, daß nunmehr die Unterhaltszahlungen "geballt" angefallen waren, hat der Senat die Aufwendungen des Steuerpflichtigen sowohl als außergewöhnliche als auch als zwangsläufige anerkannt.
Für den vorliegenden Streitfall kommt eine derartige Beurteilung aber nicht in Betracht. Wenn der Kläger meint, auch ihm sei der Aufwand zwangsläufig erwachsen, weil er nur durch den Abschluß des Unterhaltsvergleichs die Durchführung der Ehescheidung habe erreichen können, so kann dem nicht gefolgt werden. Nach seiner eigenen Einlassung hatte der Kläger im Sinne der §§ 42 ff. EheG keinen rechtlichen Anspruch, von seiner damaligen Ehefrau die Scheidung zu begehren. Der Wunsch des Klägers, sich aus der Ehe zu lösen, mag den Weg, sich aus dieser Ehe freizukaufen und die dadurch veranlaßten Aufwendungen verständlich erscheinen lassen, macht die Aufwendungen aber nicht zu zwangsläufigen im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG. Sie können mit den Ehescheidungskosten nicht auf eine Stufe gestellt werden. Zuzugeben ist allerdings, daß der Kläger mit der Unterhaltsverpflichtung rechnen mußte. Die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung des Unterhalts geht aber nach § 62 Abs. 1 EheG dahin, daß die Unterhaltsrente monatlich im voraus zu entrichten ist. Auf § 62 Abs. 2 EheG kann sich der Kläger nicht berufen, weil er den Unterhaltsvergleich bereits vor Scheidung der Ehe vereinbart hat. Eine Verpflichtung des Klägers zur Kapitalabfindung konnte auch schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil er nach seinen eigenen Angaben damals vermögenslos war.
Können nach den vorstehenden Ausführungen die Aufwendungen schon deshalb nicht nach § 33 EStG berücksichtigt werden, weil sie dem Kläger nicht zwangsläufig erwachsen sind, so kann es dahinstehen, ob die Aufwendungen, weil sie der Ablösung der Unterhaltsverpflichtung dienten, überhaupt als Vorgang in der Einkommenssphäre beurteilt werden können. Nach dem Urteil VI 148/59 U (a. a. O.) sieht der erkennende Senat grundsätzlich in Zahlungen eines geschiedenen Ehemannes an die frühere Frau zur Ablösung der Unterhaltsverpflichtungen Ausgaben im Bereich des Vermögens, die bei der Einkommensteuer nicht berücksichtigt werden können. Nach den Feststellungen des FG war der Kläger bei der Ehescheidung selbständiger Kaufmann und gleichzeitig Gesellschafter einer KG. Bei dieser Sachlage könnte eine in die Vermögenssphäre fallende Auseinandersetzung der sich trennenden Ehegatten auch dann in Betracht kommen, wenn vermögensteuerpflichtiges Vermögen zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden war. Der Senat brauchte hier zu dieser Frage aber wie gesagt keine Stellung zu nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 69409 |
BStBl II 1971, 325 |
BFHE 1971, 384 |