Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendiger Inhalt einer Verlustübernahmevereinbarung in Fällen des § 17 KStG
Leitsatz (NV)
1. Eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft mit einer GmbH als Organgesellschaft setzt nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 1996 voraus, dass ausdrücklich eine Verlustübernahme entsprechend § 302 Abs. 1 und Abs. 3 AktG vereinbart worden ist. Die Tatsache, dass zivilrechtlich § 302 AktG im GmbH-Vertragskonzern analog anzuwenden ist, macht eine Vereinbarung gemäß § 302 Abs. 3 AktG nicht entbehrlich (Anschluss an Senatsurteil vom 29.3.2000 I R 43/99, BFH/NV 2000, 1250).
2. Es genügt nicht, dass die Vereinbarung über die Verlustübernahme zu irgendeinem Zeitpunkt während der vertraglichen Laufzeit des Ergebnisabführungsvertrages im Rahmen einer Vertragsergänzung geschlossen wird. Auch für eine solche Ergänzung gelten die gesetzlichen Zeiterfordernisse gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 KStG 1996 sowie das Erfordernis der Eintragung in das Handelsregister.
Normenkette
KStG § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 1, § 17 S. 2 Nr. 2; AktG § 302
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, schloss am 22. Dezember 1995 mit ihrer alleinigen Gesellschafterin, der GmbH II, einen Gewinnabführungsvertrag. In dem Vertrag verpflichtete sich die GmbH II u.a., "jeden während der Vertragsdauer … entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß … den freien Rücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind …". Nach einer Überprüfung des Vertrages wurde am 10. Februar 1996 eine schuldrechtliche "Klarstellungsvereinbarung" geschlossen, wonach die GmbH II "entsprechend den Vorschriften des § 302 Abs. 1 und 3 (des Aktiengesetzes) AktG verpflichtet (ist), jeden während der Vertragsdauer … entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß den anderen Rücklagen Beträge entnommen werden können, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind". Die Gesellschafterversammlung der Klägerin stimmte beiden Vereinbarungen am 22. Dezember 1995 sowie am 10. Februar 1996 zu. Nur die erste der beiden Vereinbarungen wurde in das Handelsregister eingetragen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, ein körperschaftsteuerrechtliches Organschaftsverhältnis mit einer GmbH als Organgesellschaft setze gemäß § 17 Satz 2 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1996) eine Vereinbarung entsprechend den Vorschriften des § 302 des Aktiengesetzes (AktG) a.F. und damit sowohl dessen Abs. 1 als auch Abs. 3 voraus. Der ursprüngliche Gewinnabführungsvertrag zwischen der Klägerin und der GmbH II enthalte zwar eine dem § 302 Abs. 1 AktG a.F. vergleichbare Verpflichtung zum Ausgleich des sonst entstehenden Jahresfehlbetrags. Es fehle hierin jedoch eine dem § 302 Abs. 3 AktG a.F. entsprechende Abrede, auf den Anspruch auf Ausgleich grundsätzlich nicht vor Ablauf von drei Jahren nach der Beendigung des Vertrages zu verzichten oder sich über ihn zu vergleichen. Das FA erkannte deshalb das Organschaftsverhältnis nicht an. Dementsprechend rechnete es für die Streitjahre 1997 und 1998 das Einkommen der Klägerin dieser und nicht der GmbH II zu.
Die Klage gegen die hiernach geänderten Steuerbescheide war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln vom 22. Juni 2005 13 K 244/04 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1556 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 17 KStG und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, § 302 AktG a.F. sei nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im GmbH-Konzern entsprechend anzuwenden. Deshalb dürfe eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft nicht mehr allein mit der Begründung abgelehnt werden, dass im Ergebnisabführungsvertrag die Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG a.F. fehle. Im Übrigen sei der Gewinnabführungsvertrag durch Vereinbarung vom 10. Februar 1996 um die Verlustübernahme gemäß § 302 AktG a.F. ergänzt worden. Dieser Ergänzungsvereinbarung habe die Gesellschafterversammlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung. Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnisses zwischen der Klägerin und der GmbH II lagen im Streitjahr nicht vor, weil der Ergebnisabführungsvertrag vom 10. Februar 1996 keine Vereinbarung enthielt, die dem § 302 Abs. 3 AktG a.F. entsprach.
1. Verpflichtet sich eine GmbH zur Gewinnabführung, so verlangt § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 1996 für die Anerkennung der Organschaft u.a., dass eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG a.F. vereinbart wird. Wie der erkennende Senat durch Urteil vom 29. März 2000 I R 43/99 (BFH/NV 2000, 1250; vgl. auch bereits Urteil vom 17. Dezember 1980 I R 220/78, BFHE 132, 285, BStBl II 1981, 383) entschieden hat, muss der Ergebnisabführungsvertrag eine dem § 302 Abs. 1 und Abs. 3 AktG a.F. entsprechende Vereinbarung enthalten. Die jüngere zivilrechtliche Rechtsprechung zum GmbH-Konzern, wonach § 302 AktG a.F. zivilrechtlich analog anzuwenden ist (vgl. BGH-Beschluss vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324; BGH-Urteile vom 14. Dezember 1987 II ZR 170/87, BGHZ 103, 1; vom 11. November 1991 II ZR 287/90, BGHZ 116, 37; vom 11. Oktober 1999 II ZR 120/98, BGHZ 142, 382), ändert daran nichts.
An dem Senatsurteil in BFH/NV 2000, 1250, auf dessen Begründung und auch Rechtsprechungs- und Schrifttumsnachweise im einzelnen, um Wiederholungen zu vermeiden, Bezug genommen wird, ist festzuhalten. Die von § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 1996 nach wie vor geforderte Vereinbarung einer entsprechenden Anwendung des § 302 AktG a.F. wird auch infolge der mittlerweile gefestigten Spruchpraxis der Zivilgerichte nicht entbehrlich oder --so die Vorinstanz (s. ebenso Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 17 KStG Rz. 9)-- "sinnlos". Der Senat hat in dem zitierten Urteil ausgeführt, dass Regelungswortlaut ebenso wie Regelungszweck das zusätzliche und spezifisch steuerliche Vereinbarungserfordernis rechtfertigen. Dem sind unbeschadet einer bisweilen geäußerten rechtspolitischen Missbilligung die jüngere Rechtsprechung (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 23. September 2004 2 K 264/01, EFG 2005, 1892) sowie die jüngeren Schrifttumsbekundungen überwiegend gefolgt (vgl. z.B. Neumann in Gosch, KStG, § 17 Rz. 11, m.w.N.; im Ergebnis wohl auch Walter in Ernst & Young, KStG, § 17 Rz. 12; Pache in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 KStG Anm. 33; Dötsch in Kessler/ Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 5 Rz. 74; Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, § 17 KStG n.F. Rz. 22 ff.; Fatouros, Finanz-Rundschau 2006, 163; anders Frotscher, ebenda).
2. Die Jahresergebnisse der Klägerin sind deswegen nicht der GmbH II zuzurechnen.
Die im Streitfall gegebene Besonderheit, dass die ausdrückliche vertragliche Einbeziehung von § 302 AktG a.F. am 10. Februar 1996 und damit noch in jenem Jahr, zu dessen Beginn der Gewinnabführungsvertrag wirksam geworden ist, in einer "Klarstellungsvereinbarung" --erstmalig-- nachgeholt worden ist, lässt dieses Ergebnis unberührt. Die in § 17 Satz 1 KStG 1996 für den GmbH-Konzern angeordnete entsprechende Anwendung von § 14 KStG 1996 betrifft auch die Voraussetzungen zu Beginn und Ende der Wirksamkeit des Ergebnisabführungsvertrages. Der Vertrag muss also gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 KStG 1996 auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden. Diese zeitlichen Erfordernisse erstrecken sich gleichermaßen auf die Einbeziehung der Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG a.F. gemäß § 17 Satz 2 KStG 1996. Das vom FG vertretene Regelungsverständnis (vgl. insoweit auch Walter in Ernst & Young, a.a.O., § 17 Rz. 12.1), wonach die letztere Vereinbarung nur irgendwann während der vertraglichen Laufzeit geschlossen werden müsste, widerspräche dem Sinnzusammenhang der Vorschrift; § 17 Satz 2 KStG 1996 ergänzt lediglich den steuerlich notwendigen Vertragsinhalt, nimmt diesen indes nicht von den grundsätzlich zu beachtenden Zeitbedingungen gemäß § 14 KStG 1996 aus. Im Übrigen sind die "Klarstellungsvereinbarung" sowie der dazu ergangene Gesellschafterzustimmungsbeschluss auch nicht in das Handelsregister eingetragen worden, was nach Maßgabe der einschlägigen Zivilrechtsprechung jedoch unerlässliche Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrages ist (vgl. BGH-Beschlüsse in BGHZ 105, 324; vom 30. Januar 1992 II ZB 15/91, GmbH-Rundschau 1992, 253).
3. Da die Vorinstanz eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, war ihr Urteil aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1536019 |
BFH/NV 2006, 1513 |
DStR 2006, 1224 |
DStRE 2006, 956 |
HFR 2006, 802 |