Leitsatz (amtlich)
Für die Rückforderung von Einfuhrvergütungen nach dem Absicherungsgesetz ist der Finanzrechtsweg gegeben.
Normenkette
FGO § 33; VwGO § 40 Abs. 1; AbsichG § 1
Tatbestand
Das Zollamt (ZA) forderte von den Klägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen) die Einfuhrvergütung zurück, die ihnen für in der Zeit vom 29. November 1968 bis 10. Oktober 1969 eingeführte 80 Sendungen Rum durch Anrechnung auf die erhobenen Beträge an Monopolausgleich und Einfuhrumsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung gemäß § 4 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (AbsichG) vom 29. November 1968 (BGBl I, 1255, BZBl 1968, 1259) gewährt worden war, mit der Begründung, daß zu hohe Rechnungspreise angemeldet und daher die Einfuhrvergütungen zu hoch berechnet worden seien. Auf den Einspruch der Klägerinnen ermäßigte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) den zurückgeforderten Betrag auf 75 602,10 DM.
Für die dagegen erhobene Klage hielt das FG Hamburg den Finanzrechtsweg im Urteil vom 13. Februar 1973 V 107/72 S-H (EFG 1973, 306) nicht für gegeben; es verwies den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht.
Das FG sah die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO nicht als erfüllt an, weil das Absicherungsgesetz keine Bestimmung über den Rechtsweg enthalte und die Zuständigkeit der FG auch sonst gesetzlich nicht ausdrücklich festgelegt sei. Die Rückforderung der Einfuhrvergütung sei auch keine Abgabenangelegenheit i. S. des § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Die Einfuhrvergütung sei ihrer Zielsetzung nach eine Subvention. Bei ihr handle es sich nicht um eine Vergütung der Einfuhrumsatzsteuer und damit um keine Steuervergütung i. S. des § 152 AO. Sie werde nicht wie eine Steuervergütung nach vorheriger Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer, sondern "bei der Entrichtung der Steuer" (§ 1 Abs. 1 AbsichG) gewährt. Werde sie nach § 1 Abs. 3 AbsichG nachträglich gewährt, so handle es sich um Ausnahmefälle. Eine "Vergütung für die Einfuhr" (Überschrift des § 1 AbsichG) sei schon sprachlich etwas anderes als eine Vergütung von Einfuhrumsatzsteuer. Gegen den Charakter einer Vergütung spreche auch, daß dem Steuerpflichtigen nicht ein bestimmter Teil der Einfuhrumsatzsteuer gutgebracht werde, sondern daß die Einfuhrvergütung besonders zu berechnen sei, wobei ihre Bemessungsgrundlage keineswegs immer mit der der Einfuhrumsatzsteuer übereinzustimmen brauche. Denn die zur Bemessungsgrundlage der Einfuhrumsatzsteuer gehörenden Verbrauchsteuern seien nach § 1 Abs. 1 AbsichG ausdrücklich nicht in die Bemessungsgrundlage der Einfuhrvergütung einzubeziehen. Eine weitere Abweichung bestehe bei Einfuhren über Seezollhäfen auf Grund des Änderungsgesetzes (ÄndG) vom 8. August 1969 (BGBl I, 1081). Wolle man auch eine Steuervergütung nicht als umgekehrten Steueranspruch ansehen, weil sie in der Regel nicht dem Steuerschuldner gewährt werde, so müsse sie doch jedenfalls die Steuer selbst betreffen. Bei der Einfuhrvergütung werde aber nicht die Steuer als solche ganz oder teilweise zurückgezahlt, weil ihrer Berechnung andere Maßstäbe als bei der Einfuhrumsatzsteuer zugrunde lägen. Die Einfuhrvergütung sei demnach eine staatliche Subvention nichtsteuerlicher Art, die lediglich aus praktischen Gründen im Zuge des Steuererhebungsverfahrens gewährt werde, nämlich durch Aufrechnung gegen die geschuldete Einfuhrvergütung. Zweifelhaft erscheine, ob die Einfuhrvergütung wegen Sachzusammenhangs eine Abgabenangelegenheit i. S. von § 33 Abs. 2 FGO sei, weil sie an den Entstehungstatbestand und teilweise auch an die Bemessungsgrundlage der Einfuhrumsatzsteuer anknüpfe. Der Charakter des Absicherungsgesetzes als eines Steuergesetzes sei durchaus nicht zweifelsfrei. Dieser Auffassung seien zwar hinsichtlich der Sonderumsatzsteuer der BFH in dem Beschluß vom 12. Februar 1970 V B 33, 34, 48, 59, 68, 90, 120/69 (BFHE 99, 456, BStBl II 1970, 246) und das BVerfG in dem Beschluß vom 9. März 1971 2 BvR 326/69 u. a. (BStBl II 1971, 433, 436). Bei den Beratungen sei immer wieder zum Ausdruck gekommen, daß der Zweck des Gesetzes nicht in der Erzielung von Einnahmen bestehe. Sei der wirtschaftspolitische Zweck offenkundig der einzige Zweck, so handle es sich um kein Steuergesetz. Allein aus dem Sachzusammenhang könne nach § 40 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Zuständigkeit anderer Gerichte als der allgemeinen Verwaltungsgerichte in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht hergeleitet werden (Urteil des BVerwG vom 27. September 1962 I C 51.61, BVerwGE 15, 34). Nicht alle Gesetzesanwendung im Bereich der öffentlichen Abgaben sei Abgabenverwaltung i. S. des § 33 FGO. Dazu seien nur auf konkrete Abgabenforderungen bezogene Maßnahmen zu rechnen. Die Verweisung auf § 11 UStG bedeutet nur, daß das der Berechnung der Einfuhrumsatzsteuer zugrunde gelegte Entgelt bzw. der hierbei zur Anwendung kommende Zollwert auch der Berechnung der Einfuhrvergütung zugrunde gelegt werden müsse. Damit werde eine im Rahmen der Steuerfestsetzung ermittelte Besteuerungsgrundlage bei der Festsetzung der Einfuhrvergütung teilweise übernommen. Dadurch ändere sich nichts daran, daß die Gewährung der Vergütung ein besonderer (begünstigender) Verwaltungsakt sei, zu dessen Erlaß lediglich die für einen anderen Verwaltungsakt - die Steuerfestsetzung - getroffenen Feststellungen teilweise herangezogen würden. Das werde deutlich, wenn die Gewährung der Einfuhrvergütung nachträglich beantragt werde (§ 1 Abs. 3 AbsichG).
Die Rückforderung sei im Absicherungsgesetz nicht geregelt. Da die Einfuhrvergütung keine Steuervergütung i. S. der Reichsabgabenordnung, aber auch keine Steuervergünstigung i. S. des § 96 AO, sondern ihre Gewährung ein begünstigender Verwaltungsakt sei, hänge ihre Rückforderung im wesentlichen davon ab, unter welchen Voraussetzungen die Zurücknahme oder der Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts nach allgemeinem Verwaltungsrecht zulässig sei und ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorlägen. Die Rückforderung der Einfuhrvergütung falle demnach auch der Sache nach in die Kompetenz der allgemeinen Verwaltungsgerichte. Dem stehe nicht entgegen, daß möglicherweise auch nachzuprüfen sei, ob steuerliche Begriffe - hier der Entgeltbegriff des Umsatzsteuerrechts - zutreffend angewandt worden seien. Denn es sei nicht ungewöhnlich, daß sich die Gerichte eines bestimmten Gerichtszweiges im Rahmen ihrer Verfahrenskompetenz auch mit Vorschriften eines anderen Rechtsgebiets auseinandersetzen müßten.
Mit der Revision macht das HZA geltend, daß die Einfuhrvergütung eine Steuervergütung i. S. des § 158 AO sei. Daran ändere nichts, daß sie nicht als Teil einer vorher entrichteten Steuer nachträglich vergütet worden sei. Sie sei allein aus praktischen Gründen bei der Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer mit dieser verrechnet worden. Es wäre wirklichkeitsfremd gewesen, hätte man, nur um den Ausdruck Vergütung zu rechtfertigen, zunächst den vollen Einfuhrumsatzsteuerbetrag tatsächlich erhoben, um ihn im selben Augenblick in Höhe der Vergütung zurückzuzahlen. Bezeichnend sei, daß die Vergütungsberechtigten lediglich die um den Vergütungsbetrag verminderte Einfuhrumsatzsteuer zu zahlen gehabt hätten. § 158 AO enthalte keine Legaldefinition des Begriffs Vergütung. Ein Anspruch auf Rückzahlung stehe einem Abgabenanspruch gleich (§ 144 Abs. 2 AO), weshalb im Streitfall eine Abgabenangelegenheit i. S. des § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO vorliege.
Das Absicherungsgesetz werde von der Bundeszollverwaltung vollzogen. Im Beschluß des BFH V B 33, 34, 48, 59, 68, 90, 120/69 werde ausdrücklich festgestellt, daß das Absicherungsgesetz insgesamt ein Steuergesetz sei und daß das auch für den die Einfuhrvergütung behandelnden § 1 gelte. Das Absicherungsgesetz führe in seiner rechtlichen Ausgestaltung kein Eigenleben, sondern lehne sich eng an die Umsatzbesteuerung an. Infolge der engen und unlösbaren Verknüpfung der Einfuhrvergütung mit dem Umsatzsteuergesetz, sei die Einfuhrvergütung als eine Maßnahme auf dem Gebiet der Umsatzbesteuerung und damit als eine Abgabenangelegenheit anzusehen. Jedenfalls sei die Einfuhrvergütung eine "sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängende Angelegenheit" (§ 33 Abs. 2 FGO). Denn sie sei nur gewährt worden, wenn eine Einfuhrumsatzsteuerschuld entstanden und Einfuhrumsatzsteuer entrichtet worden sei. Hinsichtlich des Entstehens des Vergütungsanspruchs seien zahlreiche Sonderfälle zu berücksichtigen gewesen, z. B. beim Zahlungsaufschub, Zollaufschublager, Zollgutlager usw. Die Gewährung der Einfuhrvergütung sei daher ohne die Anwendung von Abgabenrecht nicht denkbar gewesen. Der damit hergestellte und in § 33 Abs. 2 FGO geforderte Sachzusammenhang mache die Einfuhrvergütung zu einer Abgabenangelegenheit. Dem stehe § 40 VwGO nicht entgegen.
Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG.
Der erkennende Senat ist bereits in mehreren nach der Vorentscheidung ergangenen Entscheidungen, darunter den veröffentlichten Urteilen vom 15. Januar 1974 VII R 24/71 (BFHE 111, 272), vom 16. April 1975 VII R 87/72 (BFHE 116, 223), vom 13. Mai 1975 VII R 75/71 (BFHE 116, 72), vom 22. Oktober 1974 VII R 21/72 (BFHE 114, 126) und vom 24. Februar 1976 VII R 103/73 (BFHE 118, 486) ohne nähere Prüfung als selbstverständlich davon ausgegangen, daß für Streitigkeiten über Einfuhrvergütungen nach dem Absicherungsgesetz, und zwar auch für deren Rückforderung, der Finanzrechtsweg gegeben ist. Demgegenüber können die vom FG für die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte angeführten Gründe nicht überzeugen. Zwar ist der Finanzrechtsweg in diesen Fällen im Absicherungsgesetz selbst gesetzlich nicht besonders für gegeben erklärt worden. Ergibt er sich aber aus § 33 FGO, so scheidet die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach der Generalklausel des § 40 Abs. 1 VwGO aus. Es kommt dann auch nicht mehr darauf an, ob im Einzelfall der Gegenstand des Rechtsstreits eine Subvention oder eine Steuervergütung darstellt.
Nach § 1 Abs. 3 AbsichG wird die Einfuhrvergütung anläßlich der Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer von den Zollstellen, also von Bundesfinanzbehörden i. S. von § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO, gewährt. Der Vergütungsanspruch selbst entsteht im Zeitpunkt der Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer, richtet sich also nach Abgabenrecht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AbsichG). Auch die Höhe der Einfuhrvergütung wird nach Abgabenrecht bestimmt, nämlich nach der Bemessungsgrundlage der Einfuhrumsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AbsichG). Daß in diese der Betrag an Verbrauchsteuern nicht wie bei der Einfuhrumsatzsteuer einbezogen wird, mag für die Frage der Natur der Einfuhrvergütung als Steuervergütung i. S. von § 158 AO eine Rolle spielen, nicht aber für die hier zu treffende Abgrenzung nach dem abgabenrechtlichen Charakter der Einfuhrvergütung. Entscheidend ist, nach welchem Rechtsgebiet sie zu beurteilen ist und wie sie dem Abgabenpflichtigen gewährt und ggf. von ihm zurückgefordert wird. Dieser muß bei der Einfuhr einer einfuhrumsatzsteuerpflichtigen Ware, also nicht jeder Ware, und insbesondere nicht bei von der Einfuhrumsatzsteuer befreiten Waren, die um die Einfuhrvergütung verminderte Einfuhrumsatzsteuer zahlen. Bei ihm wirkt sich also die Gewährung der Einfuhrvergütung als eine Abgabenermäßigung aus. Ihr Zweck besteht in der umsatzsteuerlichen Begünstigung des Imports; umgekehrt besteht der der Sonderumsatzsteuer in der umsatzsteuerlichen Belastung des Exports zur Vermeidung einer Aufwertung. Mit abgabenrechtlichen Maßnahmen wird demnach ein wirtschaftspolitischer Zweck verfolgt. Da diese Maßnahmen selbst nur nach Abgabenrecht zu beurteilen sind, kann kein Zweifel daran bestehen, daß es sich bei Streitigkeiten darüber um Abgabenangelegenheiten i. S. des § 33 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 FGO handelt. Denn darunter fallen alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten. Daher kann auch dahinstehen, ob das Absicherungsgesetz als Steuergesetz oder außenwirtschaftliches Gesetz zu charakterisieren ist.
Der Senat kann auch nicht den Ausführungen des FG folgen, daß die Einfuhrvergütung nur nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts bei der Zurücknahme oder dem Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts zurückgefordert werde. Zwar ist die Rückforderung von zu Unrecht gewährten Einfuhrvergütungen im Gesetz nicht besonders geregelt. Es kann aber kein Zweifel bestehen, daß auch hier Abgabenrecht anzuwenden ist, da auch die Entstehung des Vergütungsanspruchs sich danach richtet. Es handelt sich um steuerliche Vergünstigungen, die tatbestandsmäßig eng mit der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuerschuld nur bei einfuhrumsatzsteuerpflichtigen Waren verknüpft sind und daher wieder wegfallen können, wenn oder soweit die Einfuhrumsatzsteuer zu Unrecht entrichtet worden ist.
Da demnach das FG rechtsirrig den Finanzrechtsweg nicht für gegeben angesehen hat, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 71935 |
BStBl II 1976, 629 |
BFHE 1977, 223 |